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Nad Sylvan - Die Vampirate Trilogie

Teil 3: "The Regal Bastard" (2019)


Prolog | Courting The Widow | The Bride Said No | The Regal Bastard | Epilog

„I'd trade these waters for my life“


Ein alter Dachboden, Bücher, Koffer und allerhand antike Gegenstände liegen eingestaubt in den Ecken. Und im Vordergrund ist ein von einem Tuch größtenteils unverhülltes Portrait zu sehen – von Nad Sylvan, der einem entgegenblick. Und würde man in dem Moment behaupten, genau dieses Antlitz gehöre dem Vampirate, gäbe es keinen Grund, dies anzuzweifeln. Das Cover hebt sich somit von den beiden Vorgängern schon einmal ab.

Keine drei Monate, nachdem The Bride Said No erschien, begann bereits der Arbeitsprozess des Nachfolgers. Aufgrund anderer Verpflichtungen, die wiederum auch mit Steve Hackett zusammenhingen, konnte Nad immer nur abschnittsweise am neuen Album basteln – rückblickend ein Vorteil, da sich dadurch Ideen über einen längeren Zeitraum entwickeln konnten, die er dann bereits ausgereift ins Studio mitnehmen konnte. Ursprünglich sollte „The Regal Bastard“ der Name des zweiten Albums sein; letztendlich hat aber The Bride Said No durchgesetzt, ein Titel, den Nad bereits viele Jahre im Kopf hatte. The Regal Bastard hingegen ist nicht als Beleidigung gemeint, sondern bezieht sich auf die klassische Bedeutung des Wortes: ein uneheliches Kind … in diesem Fall (wie der Titel andeutet) auf den Sohn des Königs. Insgesamt klingt auch dieses Album wieder anders als die anderen, vielleicht etwas schwelgerischer und verträumter, ohne aber die Substanz der Vorgänger vermissen zu lassen. Das hohe Niveau, das er mit den zwei Vorgängern angesetzt hat, wird zweifelsohne gehalten.

Die Crew, die durch den zweiten Teil steuerte, kommt auch hier wieder zum großen Teil zusammen – wenn auch vergleichsweise mit weniger Gastauftritten und einem etwas höheren Anteil der „Kernband“. Gleichwohl gehören die Beiträge, etwa von Hackett oder Guthrie Govan, auch hier zu den Highlights.

Wird es nun also ein versöhnliches Ende geben und findet der Vampirate seinen Frieden? Nur ein paar Fragen von vielen, die sich stellen … auf ins Finale der Reise!


I Am The Sea (7:48)

Wie einst der Erstling vier Jahre vorher ist zuerst eine Meereskulisse zu hören, die aber sehr bald durch eine bedrohliche Spieluhr-Melodie unterbrochen wird. Kurz darauf beginnt die Strophe und bereits mit der Textzeile „In the fear of the light“ dürften keine Zweifel daran bestehen, wer hier spricht. Der Opener ist völlig anders als man es nach Sichtung der beiden anderen Alben erwarten würde und vielleicht der düsterste Song der ganzen Trilogie. Die spärlich instrumentierten, gesprochenen und ineinander verschachtelten Strophen münden schließlich in den Chorus, der alle Emotionen freisetzt, mit denen sich der Held der Geschichte konfrontiert sieht – und gerade durch den Kontrast der gespenstischen Strophe erhebt sich der Refrain auf eine wahnsinnig melodische Ebene. Nach einer Reprise der ersten Strophe schwillt das Gitarrensolo von Guthrie Govan an, der sich langsam aber sicher in einen Rausch spielt, während die Soundkulisse um ihn herum die Intensität anzieht, sich verdichtet, um dann wieder dem Vampirate freien Lauf zu lassen. Der Opener ist ein ähnlich wie jener vom direkten Vorgänger ein ziemliches Brett und sichert die Aufmerksamkeit des Zuhörers. An den Drums zu hören ist hier einmalig der Australier Paul Mabury und der Song zeigt, warum Nad ihn hierfür eingespannt hat. Besonders fällt allerdings auf, wie gut Nad mit Background-Gesang sich selbst als Lead-Sänger zu unterstützen vermag.

Der erste große Überraschungsmoment ist gegeben und nachdem wir wieder Meeresrauschen hören, schließt sich schon der zweite an, denn es geht fließend über in den schrägen Rhythmus von…


The Regal BastardOahu (4:19)

…das zunächst fast wie ein Walzer klingt. Oahu ist die zentrale Insel von Hawaii, auf der sich auch die Hauptstadt Honolulu befindet. Auch hier präsentiert sich der Refrain sehr stark, der Song insgesamt klingt geradezu paradiesisch und zum ersten Mal wird der königliche Bastard erwähnt, von dem eine Flaschenpost am Strand angespült wurde. „Oahu“ ist ein mit all seiner herrlichen und sympathischen Schrulligkeit ein Song, der vor allem Spaß machen soll und dies auch bewerkstelligt. Man fühlt sich tatsächlich erinnert an humoristische Einlagen, die in ähnlicher Art und Weise bereits von Genesis oder ähnlichen Bands in den 70ern abgeliefert wurden. Das vergnügte Engagement ist Nad deutlich anzumerken und ist vielleicht auch Indiz dafür, dass man seine eigenen Songs manchmal nicht allzu ernst nehmen sollte. So führt dieses Stück die Reise durch ganz unterschiedliche Gefilde konsequent weiter, in denen hinter jeder Ecke neue Überraschungen lauern.


Whoa (Always Been Without You) (7:22)

Mit einer weiteren Überleitung wird der elektronische Rhythmus des Folgesongs eingeleitet. „Whoa“ gehört zu den etwas normaleren Songs und kommt auch gut zurecht, ohne allzu abgehoben zu sein – als Paradebeispiel dafür, was Nad wohl meint, wenn er vom „Pop going Prog“ spricht. „Whoa“ kann tatsächlich als sehr gut gemachter Popsong mit progressiven Anteilen interpretiert werden, in dem Nads Stimme wieder einmal optimal zur Geltung kommt und der auch zeigt, wie sehr ausschließlich von Nad gespielte Keyboards und Gitarren (inklusive Solo) einen Song tragen können. Gleichzeitig von der Art und Weise her bescheiden und zurückhaltend, aber soundtechnisch dennoch interessant, wirkt diese Ballade angenehm charmant.

Die Idee zu diesem Track kam Nad im Sommer 2018 in Italien und im Lichte dieses Hintergrundes kann man das „Whoa“ als Ausruf der Freude durchaus nachvollziehen.


Meet Your Maker (6:35)

Jetzt wird es aber langsam ernst; nach rockigem Beginn wird das Leitmotiv auf Cembalo und Gitarre eingeleitet. Die goldene Mitte des Albums ist als Duett angelegt, die erste der sehr dynamischen Strophen gehört Nad. Dem Refrain folgt der (in Bezug auf das Vorgänger-Album erwartete) sehr starke Auftritt von Tania Doko, die sehnsüchtig-aggressiv klingt – beinahe wie eine Braut, die einstige ihre Entscheidung hinterfragt. „Meet Your Maker“ könnte so etwas wie der Nachfolger von „The White Crown“ sein; der humoristische Anteil weicht aber deutlich einer ansteigenden Dramaturgie. Man merkt, dass man sich im letzten Teil der Trilogie befindet, die allmählich auf das Finale zusteuert. Das macht auch Tony Levins polternder Bass deutlich, der hervorragend zum fesselnden Charakter des Stückes passt und von Nick D'Virgilio nach allen Möglichkeiten unterstützt wird.

Nach diesem Wirrwarr darf man sich nun dem Protagonisten widmen…


The Regal Bastard (12:20)

Der Titeltrack klingt in den ersten Sekunden fast wie etwas aus dem Album The Geese And The Ghost von Anthony Phillips. Passenderweise werden Melodiebögen eingeleitet, die an das Mittelalter denken lassen – was schon dadurch sinnvoll ist, da in diesem Stück als einzigem in der gesamten Trilogie ein richtiges Orchester eingesetzt wird. Von diesem Intro bleiben nur die Piano-Kaskaden übrig, über die Nad den Gesang legt und die sich schließlich in den Refrain auflösen. Die Textzeile „The Regal Bastard and I“ wird über den gesamten Track immer wieder aufgegriffen, anders instrumentiert und variiert dargeboten…der königlich Bastard scheint tatsächlich jemandem was zu bedeuten und die Hinweise verdichten sich, dass es sich dabei tatsächlich um den Quartiermeister aus dem zweiten Album handelt – dort spielte auch ein„bastard son“ mit. Gleichzeitig ist hier die Rede davon, dass der königliche Bastard bereits getarnt war, als man auf ihn aufmerksam wurde; was bekanntermaßen auch auf den Vampirate zutrifft, der das Antlitz eines jungen Mannes besitzt.

Das Stück ist hochdynamsich mit vielen auf den Punkt gebrachten Laut-Leise-Wechseln arrangiert, ohne allerdings zu pathetisch zu wirken und zeigt speziell das charakteristische Bassspiel von Jonas Reingold. Unweigerlich zählt dieser Titeltrack auch musikalisch zu den Highlights des Albenzyklus und beweist einmal mehr die Spielfreude. „The Regal Bastard“ ist ein auskomponiertes und edel anmutendes Portrait einer besonderen Beziehung besonderer Charaktere und thront als solches erhaben ganz weit oben. Im Vergleich zum Titeltrack „The Bride Said No“ klingt es zerbrechlicher, sanfter und weniger rabiat…was aber auch der grundlegende Stimmung des Albums entspricht. Und es passt, dass es hier noch nicht das Finale ist…zuletzt bleibt nur noch der Wind übrig, der die Flügel des Vampirate noch immer schwingen lässt.


Leave Me On The Waters (5:48)

Anstelle von stürmischem Meeresrauschen erklingt ein plätschernder Bach, zu dem neben sanften Piano-Akkorde der gleiche Keyboard-Sound eingeblendet wird, der bereits „What Have You Done“ ein Album vorher eingeleitet hat. Der Song fließt durch Strophe und Refrain wie ein nur wenige Minuten andauernder Sonnenuntergang – eine harmonische Ballade, die den inständigen Wunsch des Protagonisten deutlich macht: seinen Frieden in den Gewässern zu finden, fern von der wildgewordenen See. Und auch das hat der Quartiermeister bereits angedeutet. Ein glückliches Leben auf einer Insel, Ruhe vor allem und ein in Ruinen liegender Leuchtturm. Der Vampirate besinnt sich darauf, wo er wirklich hinwill und scheint sich schlussendlich sogar damit zu arrangieren, vor dem Altar stehen gelassen worden zu sein.

Wie im Opener des Albums spielt auch hier Guthrie Govan ein Gitarrensolo, aber auf ganz andere Art und Weise. Es klingt völlig harmonisch, illustriert damit das scheinbare Innenleben des Helden der Geschichte und rundet sowohl Song als auch Album ab; der Kreis beginnt sich zu schließen und nach einem Schlussakkord geht es über in das Finale…


Baby I'm Home (3:01)

Und was sich im Stück vorher schon angedeutet hat, wird hier weitergeführt: eine beschwingte, lockere Atmosphäre, eine Art feierliche Hymne auf den Vampirate, der in den Wässern sein zu Hause gefunden hat. Der ganze Zyklus begann einst mit „Carry Me Home“, das den Wunsch und die Sehnsucht nach einer Heimat ausdrückte. Und es hat drei Alben gedauert, bis es gelungen ist. Befreite, geschrammelte Akustik-Gitarre mit einer munteren Akkordfolge, die den Refrain von „Carry Me Home“ in einer lebhafteren Version aufgreift, leiten uns in eine großartige Chor-Sektion, an dem neben Jade Ell und Sheona Urquhart auch nochmal Nick Beggs teilnimmt. Und natürlich muss Steve Hackett die Ehre entgegenkommen, das Album mit einem Solo enden zu lassen – ein typisch starkes Hackett-Solo, das die Dynamik dieses kurzen Instrumentals nochmal unterstreicht. Und dass es instrumental funktioniert, kann auch als Statement gesehen werden: der Vampirate ist angekommen und es muss nichts mehr gesagt werden…der Rest spricht für sich. Das merkt man speziell, als zum letzten Mal das Geräusch fließenden Wassers eingeblendet wird, das (Nad nach) den Eindruck erweckt, Hackett stünde während seines Solos in einem Wasserfall. Die leitende Melodie stellt sich als eine ausgespielte Version des Refrains von „Whoa“ dar und dieses Reprise ist nunmehr der definitive Abschluss.


Nad SylvanSo endet schließlich die Geschichte vom Vampirate, in der wir viel von seinen Erlebnissen, seinen Träumen und auch Ängsten mitbekomme haben. „The Regal Bastard“ klingt auf anmutige Weise reduzierter als die Vorgänger. Dramaturgie kann auch ohne permanent ganz laute Töne erzeugt werden und das zeigt sich in diesem Abschluss der Trilogie. Im Zweifel klingt es vielleicht sogar noch organischer als die Vorgänger, schließt sich noch mehr auf einen bestimmten Stil ein, ohne dabei jedoch einen hohen Grad an Abwechslung und Variation zu vernachlässigen. So fügt sich auch dieses Album schlüssig in das Gesamtbild ein, bietet aber mit teilweise sehr bunter Instrumentierung ganz verschiedene Klangwelten – und erschließt auch neue, die auf den vorigen Alben noch nicht zu hören waren, etwa mit „Oahu“ oder dem Titeltrack.

Im Zuge der Aufnahmen von „The Regal Bastard“ sind noch zwei weitere Tracks entstanden, die Nad zufolge jedoch nichts mit der Storyline zu tun haben und damit auch getrennt vom Album betrachtet werden sollten. Ein Blick darauf lohnt sich trotzdem, denn die Qualität steht den gesetzten Songs auf dem Album keineswegs nach. Sie hätten sich bloß nicht ganz zur Kontinuität der Geschichte eingegliedert.

Diva Time (4:48)
Der erste Bonustrack ist die zweite hier vertretende Co-Komposition von Nad und Anders Wollbeck (neben „I Am The Sea“) und beginnt mit einer gesprächsdichten Geräuschkulisse…Hochzeitsgesellschaft ? Bevor man lange darüber nachdenken kann, wird der Rhythmus der Strophen mit dem Cembalo vorgegeben, das sich innerhalb der drei Alben zu einem wesentlichen Stilmittel entwickelt hat. Während die Strophen durch traurig-schöne, aber auch gespenstische wirkende Akkorde getragen werden, bricht der Chorus mit ziemlicher Dramaturgie herein…wer bei dem Titel eine weiteren Humor-Lektion erwartete, wird erstmal auf dem falschen Fuß erwischt. „Diva Time“ ist bissig, spielt sich in seiner aufbrausenden Art auch durchaus divenhaft auf und klingt gewollt ein bisschen affektiert – Diva eben. Teuflisch wird es, wenn Nad den Refrain nach der Bridge nicht singt, sondern spricht; eine hier stark verarbeitete Idee.
Personell ist der Track etwas Besonderes, da hier Aaron Sterling an den Drums sitzt, der beachtliche Referenzen bei der Zusammenarbeit mit Künstlern aus dem Pop-Bereich vorlegt. Bass spielt hier Nad selber und auch das gelingt so, dass er es wohl auch innerhalb der regulären Trilogie öfter hätte machen können. Und Anders Wollbeck zeigt ein Gitarrensolo, das sich hören lassen kann.

The Lake Isle Of Innisfree (3:41)
Gezupfte Akustik-Gitarre leiten eine idyllisch tiefgründige Ballade ein, eine Komposition, die hauptsächlich auf Ideen des kanadischen Musikers Andrew Laitres beruht, der fast alle Instrumente spielt – bis auf das Cello, das von Yann Marc beigesteuert wird.
Die Lyrics dieses zerbrechlichen Kleinods bestehen ausschließlich aus dem gleichnamigen, im Jahre 1888 veröffentlichten Gedicht „The Lake Isle Of Innisfree“ des irischen Dichters und Schriftstellers William Butler Yeats. Bereits bestehende Texte wie Gedichte, in denen ja die Metrik bereits vorgegeben ist, musikalisch umzusetzen, kann herausfordernd sein. Die hier vorliegende Umsetzung gelingt vor allem dadurch, dass sich die sich im Text widerspiegelnde Harmonie perfekt in die musikalische Begleitung einfügt. Die Stimmung, die sich aus dem Gedicht ergibt, wird auf den Punkt genau wiedergegeben und wenn man zuerst nur das Gedicht liest, dürfte man vor dem inneren Ohr wohl tatsächlich in etwa die musikalische Untermalung haben, die hier realisiert wird. Das macht den Song zu etwas besonderem und Nad findet die richtigen Mittel, den Text durch die Musik zu tragen, bevor dieses Juwel in der letzten Minute die Akkordfolge der Strophe unter anschwellenden Streichern wiederholt und schließlich in einem Orgel-Akkord verstummt.

Diese Zugaben beweisen einmal mehr die unheimliche Stilbreite, die Nad in diesem Alben aufgestellt hat; von klassischen, teils auch härteren (Retro-) Prog über New Artrock und romantischen Balladen bis hin zu Soul-Anschlägen. Die Bonustracks entsprechen dann doch irgendwie dem Gesamtbild. Möglich, dass sie auf dem Album bis zu einem gewissen Grad wie Fremdkörper gewirkt hätten, aber von der kompositorischen Substanz her bieten sie nicht weniger.


Jetzt gilt es, die Reise noch einmal Revue passieren zu lassen.

...weiter zum Epilog


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Autor: Ole Uhtenwoldt
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