Vor 25 Jahren: GENESIS veröffentlichen ihr letztes Album "Calling All Stations"

  • Congo, Shipwrecked und Not About Us rangieren überwiegend sogar über den Singles von Invisible Touch und We Can't Dance ...

    Steile These!


    Ich schließe mich da lieber Ray an:

    "In der gesamten Zeit, in der wir an dem Album arbeiteten, wartete ich auf den Song, auf das Pendant zu MAMA oder LAND OF CONFUSION, den Song, der einen förmlich ansprang und sagte ICH BIN EUER HIT, JUNGS. Ich hörte ihn nie..."


    Ray hat also schon damals klar erkannt, dass das Songmaterial zumindest mit Blick auf die Singles klar schwächer war als früher.

    But we never leave the past behind, we just accumulate...

    "Von jedem Tag will ich was haben

    Was ich nicht vergesse

    Ein Lachen, ein Sieg, eine Träne

    Ein Schlag in die Fresse"

  • Da hätten sie sich aber auch noch das Pop-Publikum vergrault, dass nicht unbedingt Collins sehen, aber mit *Invisible Touch* und *I can't dance* sehen wollte.

    Zudem hätten sie den Eindruck erzeugt / verstärkt, dass es allein Collins war, der die Band in die Pop-Richtung gedrückt hat und Banks/Ruhterford davon abgehalten hat, "Prog" zu machen.


    Zum Album: Ich mag es nach wie vor sehr gerne. Gerade das Titelstück und "There Must Be Some Other Way" gefallen mir noch genauso gut wie vor 25 Jahren (echt schon, jetzt?), und dann gibt es ja noch Perlen wie "Uncertain Weather". Aber auch die Singles mag ich immer noch :)


    Die Tour (Hamburg) hat mich damals umgehauen.


    Finde es bis heute schade, dass sie in der Besetzung nicht weiter gemacht haben, kann aber Mikes Aussagen, dass sie nicht nochmal "von vorne anfangen" wollten, auch nachvollziehen.

  • Ich denke, Mike wollte nicht noch einmal von vorne anfangen. Was er dann mit den Mechanics ab 99 doch getan hat.

    Leave a big hole in the wall

    Just where you are looking in

  • Calling All Stations, The Dividing Line und One Man’s Fool stehen bei mir auf der gleichen Stufe wie Fading Lights, Domino und The Brazilian.

    Meiner völlig übertriebenen Abwertung des CAS-Albums lag ein ziemlich hoher Maßstab (und zudem ein subjektiv favorisiertes Prog-Ohr) zugrunde, der auch alle andere Alben nach Duke durchfallen lässt. Es gibt etliche Songs, die ich auf CAS mag: Calling All Stations, The Dividing Line und One Man’s Fool gehören auch dazu, aber auch Uncertain Weather, Not about us, If that`s what you need, There must be some other way und sogar dem Alien Afternoon kann ich etwas abgewinnen. Und sogar einige B-Seiten gefallen mir: Anything now und Run out of time. Allerdings ist die Umsetzung dieser Songideen, vor allem von Run out of time, suboptimal und erinnert an Demos. Mehr schlecht als recht von CAS finde ich also lediglich Shipwrecked, Congo und Small Talk, also nur drei Stücke.

    Aber m.E. gibt es auf CAS keine qualitativ gleichwertige Stufe von Fading Lights, Domino oder auch z.B. Driving the last Spike, was die Kompositionsarbeit und vor allem (noch mehr) die musikalische Umsetzung anbelangt. Ich halte es für einen großen Fehler, CAS als Nachfolger von "We can`t dance" zu betrachten und damit zu vergleichen. Der Vergleich hinkt zum Nachteil von CAS. Ich betrachte CAS lieber als ein eigenständiges, von der bisherigen Genesis-Chronik losgelöstes Album. Wenn überhaupt, könnte ich es eher mit dem ebenso Banks-lastigen "And then there were three" vergleichen. Aber auch dieser Vergleich hinkt, denn weder ist auf CAS etwas qualitativ vergleichbar hochwertiges wie Burning Rope, noch ein Ohrwurm-Juwel wie Follow You follow me zu finden. CAS ist aus meiner Sicht ein halbgares Album, auf der verzweifelten Suche nach einer musikalischen neuen Identität (lag ja durch den neuen Sänger nahe), also ein nicht so gelungener Versuch, sich neu zu (er-)finden. Nicht Fisch, nicht Fleisch und halbgar, weil sie weder die Erfolgsmaschinerie von IT und WCD bedienen konnten, noch eine Renaissance ihrer Prog-Tradition zustande brachten, und noch nicht einmal einen wirklich beherzten Versuch unternahmen, sich auf ihre unabhängig von der Genesis-Phase vorhandenen Kern-Kompetenzen zu besinnen und in ein neues Gewand zu gießen. Sie nahmen sich nicht die notwendige Zeit, die sie aber eigentlich hatten oder hätten haben können, waren möglicherweise zu unmotiviert, investierten zu wenig ...was auch immer (Schöpfungsenergie, Herzblut, Ideenreichtum, Feinschliff, Mut, Kreativität, Kompositionsarbeit,...). Fazit: Unterm Strich halte ich CAS für ein gutes Album, aber ich vermisse die hohe Qualitätsstufe, die ich von Genesis gewohnt war und sogar auf WCD noch finden konnte.

    From the pain comes the dream. From the dream comes the vision. From the vision come the people. From the people comes the power. From this power come the change.”

    Peter Gabriel

  • Dem kann ich nur zustimmen! Calling All Stations, The Dividing Line, Congo, Uncertain Weather und Small Talk sind für mich die Highlights des Albums und ich höre sie immer wieder gerne. Aber auch die Tracks die es nicht auf das Album geschafft haben, wie zum Beispiel Run Out Of Time oder Anything Now, finde ich überwiegend gut. Wieso diese beiden Tracks nicht auf dem Album gelandet sind verstehe ich nicht so ganz.

  • Ray hat also schon damals klar erkannt, dass das Songmaterial zumindest mit Blick auf die Singles klar schwächer war als früher.

    Das war es auch. CAS fehlte es einfach an potentiellen Hits. Die beiden Vorgänger-Alben waren ja voll davon (und deshalb so erfolgreich).


    Das Album war musikalisch zu progressiv, um die jungen Fans bei der Stange zu halten. Andererseits aber auch wieder einen Tick zu poppig, um den alten Fans zu gefallen. Deshalb bezeichne ich CAS auch immer als "Weder-Fisch-noch-Fleisch-Album".

  • Meiner Meinung nach steht der Grund für die schlechte Qualität des Albums als Elefant im Raum:
    Das Fehlen von Phil.
    Sein Gespür für Grooves, sein Popverständnis und sein Experimentierwille hätten das Ganze nach vorn gebracht. Stellt Euch manche der Songs mal mit Phil vor, da gäbe es charmante Wendungen und natürlich DIESEN Drumsound. Und keine Fade-Outs! Tony und Mike haben das beim ersten Mal ohne Phil einfach nicht hinbekommen, seinen Part "mitzudenken". Und die Mietmusiker waren viel zu ehrfürchtig, als dass sie Ideen der beiden zu sehr abgeändert hätten. Beim 2. Album ohne ihn wäre das sicher schon anders gewesen, aber leider haben sie das nicht versucht.
    Und selbst mit Phil wäre das Album wahrscheinlich nicht mehr so erfolgreich wie WCD gewesen, da hatte sich die Radiolandschaft einfach zu sehr gewandelt Mitte der 90er. Aber die Tournee wäre ganz anders gelaufen.

    Genesis-Fan seit 1991. Interessenschwerpunkt: 1970 bis 1980 ;)

  • Wenn ich mir die Songs von WCD, die mir nicht gefallen, anhöre, denke ich mir, naja, die wollten es nicht anders. Bei CAS denke ich mir, die konnten nicht anders.

  • Meiner Meinung nach steht der Grund für die schlechte Qualität des Albums als Elefant im Raum:
    Das Fehlen von Phil.
    Sein Gespür für Grooves, sein Popverständnis und sein Experimentierwille hätten das Ganze nach vorn gebracht. Stellt Euch manche der Songs mal mit Phil vor, da gäbe es charmante Wendungen und natürlich DIESEN Drumsound. Und keine Fade-Outs! Tony und Mike haben das beim ersten Mal ohne Phil einfach nicht hinbekommen, seinen Part "mitzudenken". Und die Mietmusiker waren viel zu ehrfürchtig, als dass sie Ideen der beiden zu sehr abgeändert hätten. Beim 2. Album ohne ihn wäre das sicher schon anders gewesen, aber leider haben sie das nicht versucht.
    Und selbst mit Phil wäre das Album wahrscheinlich nicht mehr so erfolgreich wie WCD gewesen, da hatte sich die Radiolandschaft einfach zu sehr gewandelt Mitte der 90er. Aber die Tournee wäre ganz anders gelaufen.

    Dein Kommentar trifft den Nagel auf den Kopf. Tony und Mike haben selbst gesagt, wie schwierig es für sie war ohne Phil miteinander Musik zu machen, weil ihnen auf einmal klar wurde, "wie weit sie musikalisch voneinander entfernt sind." Erst kürzlich habe ich Phils Biographie nochmal gelesen und da schreibt er auch, dass bereits in der Frühphase von Genesis einer seiner stärksten Beiträge das Arrangement der Songs war. In der Trio-Phase kamen dann natürlich auch noch seine immer stärker werdenden Songwriterqualitäten hinzu.


    Alles in allem denke ich, dass Phil das verbindende Element zwischen Tony und Mike war. Dazu war er auch noch der dann sehr populäre Frontmann, den jeder kannte. Dass ein neues Album in der Kombo Banks/Rutherford (Ray war ja ins Songwriting kaum eingebunden) es dann sehr schwierig haben würde, war abzusehen. Im Nachhinein würden Mike und Tony das Album bestimmt nicht nochmal machen, aber ich denke sie wollten es sich und der Welt damals beweisen, dass es auch ohne Phil geht.