Überspitzt formuliert: kann eine Musik A besser sein als eine Musik B, wenn sie zwar musikalisch anspruchsvoller ist, aber den Hörer nicht erreichen kann (was hingegen Musik B sehr gut kann) ?
Eine allgemeine Antwort darauf finde ich nicht.
Ich kann nur sagen, dass ich vorsichtig bin, wenn quantitative Aspekte mit qualitativen in Verbindung gebracht werden.
Heißt: Wenn ich merke, dass ich meinetwegen immer wieder "Schnischnaschnappi" höre, weil mir das Lied z.B. gute Laune bereitet, ich mich dabei einfach wohl fühle, mir die Melodie nicht aus dem Kopf geht, ich vielleicht auch zu abgespannt bin, um etwas "Anspruchsvolleres" zu hören, dann würde ich trotzdem nicht auf die Idee kommen, dass "The Waiting Room" schlechter sein könnte, nur weil ich es in ausgewählteren Situationen höre. In Situationen also, wo ich aufnahmebereiter, wacher, vielleicht auch in einer kontemplativeren Stimmung bin.
Wenn Andrea Berg mehr Platten verkauft als Katie Melua, würde ich nicht im Traum darüber nachdenken, das könne eine qualitative Ursache haben.
Und wenn Dieter Bohlen noch so viele seiner Autobiographien verkauft, dann lasse ich mir nicht erzählen, er stehe auf einer Stufe mit hervorragenden Schriftstellern.
Natürlich: Wenn du stets und konstant merkst, dass du zu einer bestimmten "anspruchsvollen" Kunst keinen Zugang findest, dann ist das - für dich als Individuum - eine klare Sache: Du musst ja weiß Gott nicht "Ulysses" lesen, "nur" weil es möglicherweise ein Jahrhundertroman ist - wenn du nach 80 Seiten merkst, dass das überhaupt nix bringt. Trotzdem kann man dann akzeptieren, dass dieser Roman womöglich einen kulturell herausragenden Stellenwert hat, wenn dafür einfach vernünftige Kriterien genannt werden können.
In der Rockmusik geht mir das z.B. mit den Beatles so: Ich höre sie nie freiwillig, weil ich mit der Musik emotional gar nichts anfangen kann. Mir ist jedoch klar, dass es von mir schwachsinnig wäre, die Bedeutung der Beatles (vor allem ihrer Spätphase) komplett zu negieren.