Abrutschen in den Mainstream

  • Damals Ende Siebziger und dann auch anfangs Achtziger konnte ich häufig beobachten, wie genial gute Bands plötzlich irgendwie den Faden verloren oder den Verlockungen der Charts und des schnöden Mammons erlagen und in den Mainstream abrutschten.
    Was habe ich mich damals geärgert, da wartete man monatelang auf die neue LP und als man sie hörte: Entäuschung pur!
    Genesis war sicher der schlimmste Verlust damals. Aber es gab auch viele andere Bands, die mehr und mehr Ramsch zu produzieren begannen. Supertramp, ELO, Camel oder YES. Das griff ja wie eine Seuche um sich.


    Ich habe mir so manches überlegt, warum die das machen. Musikalisch war es nämlich offensichtlich ein Abstieg. Alles nur wegen dem Geld?
    Was waren Eure grossen Enttäuschungen diesbezüglich?

    Zy
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    "The music is the true currency. It's more valuable than the accolades or the money. The relationship is with the invisible muse and you know if she's pleased or if she ain't." - Steve Hackett

  • naja.... ofmals hört man so sachen wie.... "wir wollten uns nicht selbst kopieren und somit zu einer karikatur unsererselbst werden" usw.
    dahinter steckt, so meine ich meistens nur kohle.
    mir persönlich wäre eine kopie der foxtrot oder der selling england auf jeden fall beim popsch lieber gewesen als zb die abacab beim gesicht :)

  • Zitat

    Ich habe mir so manches überlegt, warum die das machen. Musikalisch war es nämlich offensichtlich ein Abstieg. Alles nur wegen dem Geld?
    Was waren Eure grossen Enttäuschungen diesbezüglich?


    Ein interessantes Thema :D -da könnte ich stundenlang drüber referieren :user:: Ich will mich ersteinmal über drei Künstler auslassen, die ich besonders gerne mag - David Bowie, Bruce Springsteen und Peter Gabriel. Alle drei waren schon in den 70ern erfolgreich und unter den Rockmusikfans natürlich bekannt. Alle drei haben in den 80ern nach künstlerisch sehr anspruchsvollen Alben (Berlin-Trilogie, "Scary Monsters"/ "Darkness", "The River", "Nebraska" / 1-4) jeweils ein deutlich kommerzielleres Album veröffentlicht ("Let's dance", "Born In The USA", "So") und damit plötzlich ein deutlich größeres Publikum erreicht.


    Am besten kenne ich mich mit Bowie aus. Der hat ja schon in den 70ern immer wieder neue musikalische Wege beschritten und bei "Let's Dance" hat er 'mal wieder ein neues Experimentierfeld gefunden. Bowie hat tatsächlich in den 70ern relativ wenig Geld verdient, weil er durch einen Sklavenvertrag sehr viel an seinen Manager DeFries abgeben musste und "Let's Dance" war das erste Album nach Ablauf dieses Vertrages, aber "Let's Dance" war definitiv nicht als kommerzieller Erfolg voraus geplant. ich glaube auch nicht, dass man so etwas tatsächlich planen kann. Der Erfolg war dann allerdings gewaltig und tatsächlich hat Bowie danach versucht, wirklich massentaugliche Alben aufzunehmen, was mit "Tonight" und "Never Let Me Down" :kotz: total in die Hose ging. Bowie hat sich danach zu einem ganz radikalen Schritt entschlossen und die Band Tin Machine gegründet, die völlig unkommerziell und auch ziemlich unerfolgreich war.


    Bei Springsteen und Gabriel war es ja letztlich ähnlich, sie haben nach einigen finanziellen Problemen plötzlich einem warmen Geldregen erlebt und seit den 90ern auch wieder anspruchsvollere und bessere Alben veröffentlicht.


    Es gibt noch eine weitere interessante Parallele: Live waren Bowie, Springsteen und Gabriel auch nach Veröffentlichung der "Kommerzalben" noch hervorragend. Gabriel habe ich selbst 1987 sehen dürfen, bei Bowie kann man es auf der gerade wiederveröffentlichten "Serious Moonlight"-DVD verfolgen und Springsteens vierstündige Konzerte waren ja legendär.


    Was unsere guten alten Proglieblinge anbelangt: Natürlich mag ich "Foxtrott" und "Close To The Edge" lieber als "Invisible Touch" :motz: und "Big Generator" ("Genesis" und "90125" halte ich teilweise noch für akzeptabel), aber ich halte die Weiterentwicklung der Bands dennoch für gerechtfertigt. Keine Band, die immer das gleiche spielt oder den gleichen Stil verfolgt, bleibt 30 oder 40 Jahre lang glaubwürdig (siehe Stones, Rolling :teufelgrins: ). Die späteren Versuche von Yes, wieder wie in den 70ern zu klingen (z.B. Union oder das ABWH-Album) haben mir sogar weniger gefallen als die Phase mit Trevor Rabin. Genauso finde ich diese ganzen Retroprogger wie Transatlantic, Arena, Flower Kings etc. ziemlich langweilig.


    Das höchste musikalische Niveau haben m.E. Pink Floyd gehalten, die wirklich keinen einzigen Totalflop hatten ("The Final Cut" ist ein fabelhaft gutes und völlig unkommerzielles Album). Und auch Rush haben zwar ihren Stil geändert, waren aber weiterhin sehr gut.


    Die grösste Enttäuschung waren für mich ELP, deren Werke aus den 70ern ich sehr schätze und von denen ich auch ein sehr gutes Konzert in den 90ern gesehen habe, aber der Studiooutput (Black Moon, Emerson Lake And Powell, Three) war unter aller Würde. Auch Kansas ist nach dem Weggang von Kerry Livgren im amerikanischen Mainstream versunken.


    P.S. (Klugscheissermodus): es heisst, wegen des Geldes - frei nach dem bekannten Motto: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod :mrgreen:

  • Schwieriges Thema, insbesondere wenn die Altmeister trotz Kommerzanbiederung immer noch besser klingen als die "echten" Kommerzlinge.
    Invisible Touch oder We can't dance mag ja wirklich gegen Foxtrot die reinste Diskomugge zu sein, aber irgendwie war ihnen doch immer noch der Proggie anzuhören, oder was würde wohl so ein Schnappi-Kid von einem frickeligen Instrumental wie "The Brazilian" halten... :rollen:


    Und letztlich ist es doch ziemlich schwer die Hand zu beißen, die einen füttert.
    Man kann sich über den "schnöden Mammon" aufregen, aber letztlich stimmt halt die alten Binsenweisheit dass Geld nicht "glücklich" macht aber die Nerven beruhigt.
    Genesis waren ja zur Lamb derart in den Miesen...

    GIANT HOGWEED LIVES

  • vielleicht gehört das dazu das weiter entwickeln
    bei black sabbath war das der einzug des synthesizers.
    der mainstream ist wohl ein erweiterungs level
    wenn, z.B. led zep ein neuen drummer genommen hätten als ersatz für bonzo wären sie bestimmt auch in den mainstream abgerutscht.
    also kann man sagen das der mainstream ein erweitenter entwickungs level ist. so sehe ich das.

    I think I'll chage my life today
    gone are the times of taking care
    and I don't need a reson why
    all I need is all in a day
    survive in a way.

  • Zitat von DocFederfeld

    Springsteens vierstündige Konzerte waren ja legendär


    Wobei man sagen muss, dass es vier Stunden eigentlich nur auf der "River"-Tour 1980 in den USA gab. Ansonsten hat er selbst bis 2003 gerne noch die 3 Stunden-Marke angekratzt (was m.E. mit 54 Jahren erstaunlicher ist als vier Stunden mit 30 - zumal er bei seinen früheren Marathonkonzerten immer ´ne Pause in der Mitte der Show hatte...), aber selbst zu "Born In The USA"-Mucki-Zeiten nichts über 200 Minuten. Versteht mich nicht falsch - ich liebe Springsteen und möchte nichts krtisieren... im Gegenteil: Mich stört bei einigen Bruce-Fans nur, dass sie die heutigen - m.E. sogar noch "besseren" - Konzerte immer mit irgendwelchen Mythen von früher verglichen werden und dann noch kritisiert werden. (@Doc: Dass das nicht Deine Intention war, ist mir absolut klar. Insofern sorry, dass ich das jetzt unter eines Deiner Statements geschrieben habe, aber dieser Satz erinnerte mich halt daran! ;) )

  • Zitat von Zy

    Ich habe mir so manches überlegt, warum die das machen. Musikalisch war es nämlich offensichtlich ein Abstieg. Alles nur wegen dem Geld?


    Ich denke, sich ständig zu wiederholen und immer wieder die gleche Musik zu machen, das ist wirklicher musikalischer Abstieg.
    Am einfachsten ist das Geld wohl damit verdient, die Wünsche der bestehenden Fans zu bedienen, Musik zu machen für einen klar umgrenzten Markt, den man kennt, von dem man weiß, was ankommt. So wie Yes das machen oder die ganzen Retro-Prog-Bands, die jährlich das selbe abliefern (Neal Morse und die Flower Kings samt ihren Ablegern scheinen das mittlerweile jedoch zu übertreiben). Man braucht kaum einen kreativen Prozess, stellt die Songs bekannten Formeln entsprechend zusammen und die Leute, die immer das selbe hören wollen sind zufrieden. Aus minimalsten Einsatz ein Maximum lukriert. Ich behaupte mal: des Geldes wegen.


    Gerade als ProgRock-Fan vergisst man gerne, dass Prog-Rock in den Siebzigern Mainstream war. Man könnte z.B. Genesis mit dem gleichen Recht vorwerfen, wegen des tollen Erfolges von King Crimsons Debut-Album und dann von ELP in diese Richtung gegangen zu sein, wie man ihnen die Veränderung Ende der Siebziger vorwirft. Dabei waren sie schon mit The Lamb so poppig, wie erst wieder auf Duke (poppig nicht abwertend gemeint: alles zugängliche Songs, aber mit Qualität).


    Eine Kopie von Foxtrot hätte keinerlei künstlerische Relevanz und daher bin ich froh über Abacab, da waren sie noch voll Innovationsfreude.

    you're the ones we've been waiting for...
    Genesis - 98 München - 07 Linz, Düsseldorf x 2, Berlin, München - 22 Berlin x 2, London x 2

  • Zitat von duke77

    Ich denke, sich ständig zu wiederholen und immer wieder die gleche Musik zu machen, das ist wirklicher musikalischer Abstieg.
    Am einfachsten ist das Geld wohl damit verdient, die Wünsche der bestehenden Fans zu bedienen, Musik zu machen für einen klar umgrenzten Markt, den man kennt, von dem man weiß, was ankommt. Man braucht kaum einen kreativen Prozess, stellt die Songs bekannten Formeln entsprechend zusammen und die Leute, die immer das selbe hören wollen sind zufrieden. Aus minimalsten Einsatz ein Maximum lukriert. Ich behaupte mal: des Geldes wegen.


    Gerade als ProgRock-Fan vergisst man gerne, dass Prog-Rock in den Siebzigern Mainstream war. Man könnte z.B. Genesis mit dem gleichen Recht vorwerfen, wegen des tollen Erfolges von King Crimsons Debut-Album und dann von ELP in diese Richtung gegangen zu sein, wie man ihnen die Veränderung Ende der Siebziger vorwirft. Dabei waren sie schon mit The Lamb so poppig, wie erst wieder auf Duke (poppig nicht abwertend gemeint: alles zugängliche Songs, aber mit Qualität).


    Eine Kopie von Foxtrot hätte keinerlei künstlerische Relevanz und daher bin ich froh über Abacab, da waren sie noch voll Innovationsfreude.



    Genauso sehe ich das auch. Wenn sie immer das selbe gemacht hätten, wäre es langweilig und ich würde das Interresse verlieren.

    Keep on turning

  • Klar, ist es auch langweilig, wenn eine Band immer die gleiche Musik nach Schablone "F" macht. Aber das hat Genesis nie gemacht in meinen Augen. Die Musik hat sich immer verändert. Trespass ist ein Riesenschritt von FGTR. Foxtrott und Nursery sind recht ähnlich - das mag sein, aber nicht mit Trespass zu vergleichen. Selling ist wieder eine deutliche Weiterentwicklung und Lamb etwas völlig anderes. Das wiederholt sich mit TOTT und auch W&W.
    Hier gab es gleichzeitig Qualität und Veränderung ohne einfacher Mainstream und leicht verdaulich zu sein.

    Zy
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    "The music is the true currency. It's more valuable than the accolades or the money. The relationship is with the invisible muse and you know if she's pleased or if she ain't." - Steve Hackett