Ach ja, draußen regnete es, währenddessen wird entzückt die „In the Court of the Crimson King“ gehört und hinterher spontan ins Forum geschaut. Und was sehe ich: „Los Endos“ als Song der Woche? Donnerwetter, da habt ihr für diese Woche etwas richtig Hochkarätiges, einen wahren Klassiker ausgesucht - aber immer der Reihe nach. Im Prinzip ist „Los Endos“ eine Zusammenfassung aller Songs von „A Trick of the Tail“, da viele Melodien des Albums wieder aufzugreifen werden. Das Tolle ist ja, dass Genesis daraus ein eigenes Instrumental bastelten. Ursprünglich war es ja auch mit „It's Yourself“ verbunden, was man ja auch zum Ende hin raus hört. Man wartet jedes Mal, dass das große Inferno einsetzt, aber stattdessen kommt dann nur noch blödes „Rumgeklimper“ was schade ist, da man aus beiden Teilen sicherlich einen tollen Song hinbekommen hätte.
Aber zurück zu „Los Endos“: Phil war ja dem Fusion und Jazzrock sehr zugeneigt und Tony Banks sagt, dass es „Los Endos“ hauptsächlich eine Idee von Phil war. Das Schlagzeug-Spiel sucht hier seinesgleichen, es ist eben ein sehr perkussives Instrumental. Phils Erfahrungen von Brand X taten ihr übriges. Steve Hackett meinte mal sinngemäß, dass bei „A Trick of the Tail“ das Mahavishnu Orchestra blass vor Neid wird. Richtig geil ist dann aber der berühmte „Squonk-Teil“ wo Genesis unter reichlicher Zunahme von Mellotron-Chören alles geben. Dadurch schießt sich der Kreis zu „A Trick of the Tail“ und ein perfektes Album bekommt ein würdiges Ende. „Los Endos“ ist einfach grandios, sehr luftig und dabei trotzdem brillant. Raffiniert auch: Die kurze Referenz an die alten Tage mit Pete an Board durch das Zitieren eines Verses aus „Supper’s Ready“. Die Studio-Version hat für mich nur einen entscheidenden Nachteil: Der „Squonk-Teil“ ist viel zu kurz. Man denkt, es geht jetzt richtig los, hört im Hintergrund „There's an angel standing in the sun free to get back home“ und dann kommt das blöde Fade-Out. Schade! Aber gottseidank gibt es ja die Liveversionen, und diese wurden im Laufe der Jahre immer weiter optimiert und perfektioniert.
Erwähnt werden muss daher auf jeden Fall die Version, welche auf der „Seconds Out“ – ohnehin eine perfekte Liveplatte. Diese Version ist neben die der Invisible Touch-Tour die von mir favorisierte Version, weil es im Gegensatz zur Studioversion endlich ein ausgedehntes Ende mit viel Mellotron gibt. Zwar singt zum Schluss keiner „There’s an angel standing in the sun…“, aber das kann man dann gerade noch so verschmerzen. Die späteren Liveversionen wurden dann immer besser. Richtig gut ist auch die der Abacab-Tour. Das Mellotron wurde zwar nach der „And then there were three“-Tour durch ein viel leichteres Roland VP-330 Vocoder/String-Ensemble ersetzt, führte aber trotzdem zu einem guten und recht ähnlichen Ergebnis. Nur bei der Aufnahme im Londoner Lyceum von 1980 ärgert es mich, dass die Chöre viel zu leise abgemischt sind. Die vielleicht beste Liveversion findet man aber auf der Konzertaufneme „Live at Wembley Stadium“ von 1987. Genesis spielen hier viel zackiger, mit ordentlichem Druck und Biss. Durch die Verwendung einer wahren Armee von VARI*LITE-Verfolgern wird „Los Endos“ dazu noch optisch sehr, sehr gut umgesetzt. Jedes Mal ist das Schlagzeug-Duett mit dem anschließenden Instrumental DER Höhepunkt dieses Konzertfilmes. Danach bin ich immer ganz „ausgepustet“, weil einfach mitfeiern muss.
2007 klang dann „Los Endos“ nicht mehr ganz so toll wie früher – besonders der „Squonk-Teil“ war vergleichsweise schwach, zwar war dieses Instrumental weiterhin „erhaben“ aber eben nicht mehr so druckvoll. Besonders störten auch dieser blöde Leadsound (klingt wie eine üble Mischung aus „Mine Lead“ der KORG Wavestation und einem quatschigen Brass-Sound) und der Chorsound welche Tony dafür verwendet hatte. Gut, 1987 war es auch ein synthetischer Chorsound und kein Mellotron mehr, aber dafür klang dieser einfach fett und ausdrucksstark. So bleibt eben ein etwas bitterer Nachgeschmack, obwohl „Los Endos“ gerade der Live-Klassiker schlechthin ist.
Aber dennoch gehört für mich „Los Endos“ in eine Reihe mit Songs wie „The Cinema Show“, „Supper’s Ready“, „Duke's Travels/Duke's End“ oder „The Musical Box“. Ich höre den Song immer wieder gerne. Besonders erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang auch die Liveversionen die Steve Hackett immer wieder darbiete und dargeboten hat. Da hier ja Rob Townsend am Saxophon mitspielt, klingt es gleich noch interessanter und jazziger, als es Genesis jemals taten. Genesis spielten „Los Endos“ immer fantastisch und sehr bombastisch, die Steve Hackett-Varianten sind vielleicht nicht so bombastisch, dafür aber virtuoser und mit einer Lebensfreude gespielt, wie ich es mag (Ich empfehle die Aufnahme von 2004). Ich mag einfach diese Lebensfreude, und auch das Integrieren von „Slogans“ oder „Dancing with the Moonlit Knight“ ist spannend. In jedem Fall bekommt „Los Endos“ von mir die volle Punktzahl, ich kann einfach für dieses „Magnum Opus“ keine geringere Punktzahl vergeben. Ich hoffe doch, Steve präsentiert uns diesen Song wieder auf seiner anstehenden Tour!