Mike Rutherford – wann ist er an der Gitarre richtig gut?

  • Gut; die Frage bedeutet ja zum Glück nicht: "als Sologitarrist so richtig gut", sondern "gut überhaupt". Tja, je nun, also was soll ich sagen, eigentlich doch nie?


    Nein! jetzt hab ichs: So richtig gut ist er für mich in seiner Fähigkeit, Akkorde jenseits des Standards zu spielen - und wer immer einmal versucht hat, Songs wie "Entangled", "Ripples" u.a. nach den Akkorden, wie wir sie im Genesis Songbook von Wise Publications finden, zu spielen, weiß, was ich meine. Da verbiegt man sich schnell die Finger, und der ganze, sonst übliche Flow endet schnell in Krämpfen. Das wäre einmal eine interessante Frage an ihn, ob er das von Phillips hat; ob nicht später sogar eher Banks mit seinem veritablen Wissen über Akkordfolgen ihm da oft die Wege gezeigt hat, als dass er selbst drauf gekommen wäre. Da hat er meinen vollen Respekt, insbesondere, weil er ja trotzdem selbst üben musste, und sich auch noch an das ganze Zeugs erinnern. Und ja, "Smallcreeps Day" zeigt, was er hätte leisten können, wenn er es gewollt hätte, statt sich mit Allgemeinplätzen zufrieden zu geben. Das "früher mehr" an schwierigen Akkorden bedingt bei ihm nach 1976 leider ein "später wenig".

  • Slubberdigallion ist mir zuvorgekommen. Die interessante akustische Gitarren- und speziell die 12-string-Arbeit von Mike gerät etwas in Vergessenheit, auch bei ihm. Danach konzentrierte er sich auf den Bass, ab 1977 auf die elektrische Gitarre und dann kam er bei Mike & the Mechanics wieder auf die akustische Gitarre, allerdings nur noch als Akkord"schrammler".


    Auf der E-Gitarre war er auf "Smallcreep's Day" überraschend gut. Ansonsten sind seine bekannten Pizzicato-Begleitungen interessant und typisch und auch seine Riffs sind ungewöhnlich, beispielsweise "Turn It On Again".

    Gedankenrauschen – Da geht noch was!

  • Die Einleitung von "Down And Out" gefällt mir auch wirklich absolut gut. Alphonso Johnson soll genau daran gescheitert sein. Ein richtiger Gitarrist wäre auf so was nie gekommen ;)

  • Für mich gibt es viele Momente bei Mikes Gitarrenspiel, wo ich zur Erkenntnis komme, der hat es eigentlich schon drauf. Und auch wenn das für einige User eine Horrorvision sein mag, er hätte bei Genesis auch mehr nach vorne kommen dürfen um Tonys Keyboarddominanz zu brechen. Aber soviel Ehrgeiz hatte Mike wohl nie, bzw selbst so einen Hang zu glatten Keyboardlastigen Arrangements (s. Mechanics)


    Spontan fallen mir ein: Solo Into the daylight, die Mechanics B Seite Too far gone,


    Genesis: Das Mama Album, hier gefällt mir besonders das Thats All Solo, aber auch die Gitarrenparts von Songs wie Just a Job to do, Silver Rainbow, Its gonna get better auch wenn man da wirklich genauer hinhören muss.


    WCD: Vor allem Dreaming, aber auch diese gestochen scharfen Riffs von Driving the last spike. Und "hüstel" dieser 12 String Rickenbacker Sound auf Tell me why.

    Und dieser Sound gefällt mir auch auf Naminanu und Me and Virgil. You might recall ist auch klasse.

  • Nur der Vollständigkeit halber (weil es schon mehrfach erwähnt wurde - aber nicht von mir): Burning Rope ist das Referenzstück für Mikes Stärken.

    Und natürlich Smallcreeps Day.

    I'll never find a better time to be alive than now.

    Peter Hammill (on "X my Heart")

  • Auf Burning Rope versucht er Steve zu ersetzen. Aber ich denke er hat dann gemerkt, dass er gar nicht 'Steve' spielen will und seinen Part eher im eigenen Stil beitragen will.

    Zy
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    "The music is the true currency. It's more valuable than the accolades or the money. The relationship is with the invisible muse and you know if she's pleased or if she ain't." - Steve Hackett

  • Danke für dieses Thema. Ich finde Mike suuper. Gleich mehrfach und eben auch als Gitarristen. Ich finde mehr Stellen, bei denen mir sein Gitarrenspiel gefällt als andere. Die Frage stellt sich automatisch: ist der beste Gitarrist der Schnellste?


    Ich höre auch gerne virtuose Gitarristen wie beispielsweise Kiko Loureiro oder Frank Gambale, oder Richard Hallebeck, oder Jeff Richman. Aber Mike finde ich irgendwie einzigartig und ich denke er hatte mehr Einfluss auf andere Musiker als vielleicht angenommen. (Evt. vergleichbar mit Mike in der Ästhetik der Klänge und in der Reduktion: Russ Freeman von und mit the Rippingtons > wohl aber doch eher auch ein Super-Hero-Gitarrist, also eine Mischung aus Mike und Daryl ;)


    Interessant, dass hier das verhasste

    - Never a time

    genannt wurde. Das finde ich auch schon fast perfekt.


    Die Gitarrenarbeit fast auf dem ganzen Let me Fly-Album finde ich sehr kreativ und gelungen.
    Natürlich meist zurückhaltend und songdienlich (zugegeben manchmal bin ich nicht sicher, wann genau die Gastmusiker Lead-Gitarre spielen) bspw.
    - Save my Soul, oder

    - ill-be-there-for-you, oder

    - open up

    - if only


    auch gut

    - Nobody knows und

    - Don‘t


    und hier meine Highlights, klingelingeling-Gitarre bei (Lead- Gitarre von jemand anderem)

    - Blame


    und natürlich

    - Home by the sea II, das kann nur er so


    - just a Job to do, einfach nur gut von Anfang bis Ende


    Generell ist mir bei einem The Musical Box-Konzert aufgefallen wie wichtig Rutherford für den Genesis-Sound ist und wie unglaublich viel er macht auch bei den alten Genesis. Auch viele Gitarrenpassagen bei denen ich immer dachte, dass Hackett sie spielt, sind von Mike.

    - Cinema Show

    - in that quiet Earth

    (> ist doch Mike, oder? Natürlich nicht die Lead-Gitarre, aber alles andere)


    oder

    - Alien afternoon

    - one Man‘s Fool


    und mega!

    - 7/8

    - many too many (perfekt für mich)

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  • Ja, dem kann ich mich anschließen :

    CINEMA SHOW : Eine gemeinsame Jamsession von Mike, Tony und Phil führte zu dieser locker - verspielten 7/8 - Takt - Komposition, die den typischen Genesis - Sound der nächsten 20 Jahre definieren sollte, schrieb Mike in seinem Buch. Wie er seine 12saitige Rhythmus-Gitarre und Akustikgitarre spielt, ist schon sehr charakteristisch für ihn. Als Bassist hat er unglaubliches geleistet, neben Chris Squire und John Wetton sicher einer der besten Progrockbassisten pder 70er, für mich der filigranste, aber auch auf der Gitarre hat er die typisch-vertrackten Rhythmen in Szene gesetzt, die er selber meist erfunden hat, z. B. die Apocalypse in 9/8.

    IN THAT QUIET EARTH: Bestes Beispiel für seinen Desert-Rocksound, bei dem er wechselhaft kurze, abgehackte und lange "Wüstenakkorde" anschlägt, den er m. E. besser beherrscht und eindrucksvoller umsetzt als Robert Plant im Led Zeppelin - Song "Kashmir".

    Ähnliche typische harte und interessante Riffs finden sich bei Man of our Times und beim CAS Titelstück.

    BURNING ROPE : Wie Steve Hackett, Steve Rothery und David Gilmour kann er seine Gitarre singen lassen und dabei einen äußerst klaren, filigranen und warmen Ton erzeugen, ebenso am Ende von ABACAB, wenn die Keyboard - Klangteppiche mit ihren Wechseln auf die Moll-Akkorde einsetzen.

    Zu Beginn von SAY ITS ALRIGHT JOE (mein Lieblingssong von Mike) zeigt er besonders gut, mit welcher Inbrunst, Hingabe und Wärme er wunderschöne Akkorde erklingen lassen kann, ähnlich wie bei einer Harfe, und wie gut er dabei mit Tony harmoniert. Traumhaft!

    Auch eine Spezialität von ihm : Die fanfaren- oder Ouverturenartigen Melodien beim Intro von Behind the Lines oder beim Intro von Burning Rope, unisono mit Tony. Wer könnte das besser bzw klangvoller hinbekommen? Im Unterschied zu manch virtuoseren Gitarristen ist seine Spielart sehr warm bzw. gefühlvoll, gruppendienlich, klar, pointiert oder akzentuiert, und seine Staccato - Riffs können sehr kontrapunktisch sein oder auf einer krummen Zählart liegen, dabei äußerst präzise, wie Phil's Schlagzeugspiel. Auch wenn ich mehr der Hackett - Fan bin, ich verstehe, warum die drei besser miteinander harmonieren, weil sie besser miteinander synchronisiert sind /waren.

    “It doesn`t have to be like this. All we need to do is make sure we keep talking"

    Stephen Hawking

    (Zitat aus dem Song "Keep Talking" von Pink Floyd, mit Stephen Hawking`s Stimme)

  • Zitat

    Aber ich denke er hat dann gemerkt, dass er gar nicht 'Steve' spielen will und seinen Part eher im eigenen Stil beitragen will.

    Und ich denke, da hat er gemerkt, dass er kaum Soli im eigenen Stil spielen kann, es sei denn, Tony komponiert sie ihm vorher, wie eben bei Burning Rope. ;)