23.11.2018 BREMEN - THE MUSICAL BOX: A Genesis Extravaganza

  • Mich hat besonders bewegt, dass die Band als sie selbst auftreten konnte. Bisher waren die Spieler ja vor allem Künstler, die jemanden nachmachten; jetzt können sie etwas Eigenes beitragen. Das war wie eine Befreiung, sie haben auch begeistert aufgespielt, vor allem die beiden Neuen, Drums und Keyboard, konnten sehr überzeugen. Außerdem wurde meines Erachtens die Show weiterentwickelt. Gabriel war weniger im Vordergrund, war dafür mehr an der musikalischen Gestaltung beteiligt (Bass, Gong, Keyboard etc.), aber am Ende war er die Quintessenz der Show: als androgynes Rätselwesen im roten Kleid mit Fuchskopf, das uns aufforderte: Touch me now!

  • Lieber Jürgen B. Dank für die Beschreibung, 100% auf den Punkt.


    Das Authentische und Weiterentwickelnde zeigte sich sehr bewegend im Act 3. Die Band spielte innig, leidenschaftlich, als sei es ihr eigenes Werk. Mir trieb es mehrfach das Wasser in die Augen. (Cinema Show! ) Looking For Someone herrlich, ließ ahnen, was der Welt 69-74 entgangen ist - welche Begeisterung hätte die Originalband entfacht, wenn doch nur die Produktionsmittel höher und die Tour-Ausstattung von 69-74 professionell organisiert gewesen wären. ((Ein dickes Lob auch an die Licht-Designer und Beleuchter von TMB! )).

    Dramaturgisch wunderbar der Höhepunkt am Schluss. Durch die fantastische Anstrahlung von unten wirkte der Fuchs plastisch und anklagend. Eine ganz neue Bedeutung für das Touch Me NOW - >> Wag' es doch, mich JETZT zu berühren, wo ich gefährlich und nicht mehr zart-weiblich, sondern abwegig und animalisch aussehe.<<


    Schön, dass der Saal bis auf wenige Plätze gefüllt war (echte Fans und Experten :)), Mehrfache Standing Ovations - voll verdient. Freue mich auf nächstes Jahr.

  • Heißt das, Sie kommen nächstes Jahr wieder?!?!
    Oh Mann, ich hoffe, ich schaffe es da. Bin untröstlich, es verpasst zu haben.
    Ich war beim IT-Specual event in Duisburg damals, wo es die Vorahnung gab, was möglich ist, wenn die Band mal aus dem Korsett aussteigt..Damals spielten sie neben Can -Utillity auch meinen Trespass-Liebingssong Stagnation.

    Ich habe bereits einige Clips gesehen und bin hingerissen.
    Allerdings gibt es eine Sache, die mich umtreibt, die ich euch fragen möchte_

    Genesis nach Lamb waren live nun mal immer mit zwei Drummern..
    Selbst bei Hackett sind die Wind-und TRick.Sachen mit Gary O´Toole alleine immer eine kleine Enttäuschung-

    da fehlt der Druck.
    Los Endos; afterglow etc nun auch hier nur mit einem DRummer..
    Vermisst man da nichts?

    Here come the Cavalry!

  • Das kommt m.E. auf die Erwartungshaltung an: Ich habe schnell gemerkt, dass ich gut daran tue, mir die Studioalben bzw. früheren Touren als Bezugspunkt zu wählen, da ich eigentlich unwillkürlich eine "Seconds out"-Spur im Kopf mitlaufen lasse - gerade bei Sachen wie "Los endos" und "Cinema show".

    Da der Drummer okay war und ich mich nicht zuletzt deshalb gut auf das Konzept "Wind", "Tail", "Lamb" und "Before the ordeal" einstellen konnte, war bei mir praktisch keine "Enttäuschung" vorhanden. Und so unvertraut ist Genesis als "One drummer-band" mir natürlich sowieso nicht.

    Was mich tatsächlich gerade zu Beginn des Konzerts gestört hat: der Sound resp. die Überbetonung der Snare im Mix. Das wurde dann aber besser mit der Zeit.

    Übrigens haben sie sich auch mit der Gestaltung der Tempi sehr an die Zeit vor Chester gehalten. Mir ist da mal wieder deutlich aufgefallen, dass sie früher deutlich weniger in puncto 'Zeitdehnung' gemacht haben, z.B. bei Schlusswirkungen. Insgesamt waren sie rhythmisch in der Peter-Zeit an mehreren Stellen straffer. Da scheint es auch bei dieser Tour immer noch ein hohes Maß an 'Authentizitätsethos' zu geben, das sich bis in die Gestaltung kleinster Nuancen auch bei Tempofragen auswirkt. Hat mir sehr gefallen. Auch die Art der Präsentation, die überhaupt nichts 'Schwitziges', sondern vor allem 'Darstellerisches' hatte. Muss man mögen. Ist nicht gerade das, was man vielleicht als wesentlich für Rockmusik erachtet. Ich fand aber eine solche Art der Präsentation der Musik sehr, sehr angemessen.

    "Afterglow" wurde gestern übrigens nicht gegeben. Ach ja: Und nach Bremen kommen sie nicht wieder, aber z.B. nach HH (Barcleycard Arena??? Echt jetzt????). Und da sie ja wohl weiterhin eine sich verändernde Setlist pflegen wollen, gehe ich wohl auch nochmal hin. Im Gegensatz zu Hackett.


    Dieses Ding mit der Fuchsmaske ist für mich übrigens auch längst nicht nur ein einfacher theatralischer 'Gag'. Ganz abgesehen von der direkten surrealistischen Wirkung bringt das Bild am Schluss ganz genau das auf den Punkt, was ich mit 'Darstellung' meinte. Und das bezieht sich eben nicht nur auf Visuelles, das u.a. vom Verzicht darauf lebt, schwitzend rockende Musiker zu sehen. Das bezieht sich genauso auf die Texte, die ja in der Gabriel-Zeit über eine direkte Wirkungsebene hinaus (fast?) immer auch gebrochene Konstrukte sind. Und schließlich lassen sich solche hybride Brechungen auch mehrfach in der Musik wiederfinden. Faszinierend und besonders.


    Gestern habe ich auch mehrmals gedacht, dass ich keine Rockband kenne, die so virtuos und elegant mit der melodisch-harmonischen Formgestaltung umgegangen ist. Das ist auch in solchen verhältnismäßig "unauffälligen" Songs wie "Time table" zu hören, das mich gestern enorm gefreut hat.


    2 Mal editiert, zuletzt von townman ()

  • Also ich habe "Los Endos" live schon druckvoller gehört als bei der Extravaganza Show. Für gewöhnlich liegt das Stück aber auch am Ende des Sets, wo dann alle Register gezogen werden (ja, ich weiß, 2007 war es auch nicht am Ende, fand ich aber auch nicht so druckvoll, trotz zweitem Drummer). Ich hatte den Eindruck, dass auch der Mischer die Lautstärke etwas zurückgehalten hat.

    Meiner Meinung nach steht und fällt der Druck nicht mit der Anzahl der Drummer, sondern eher mit der Spielweise des Drummers. Gary O´Toole ist eben kein Power-Schlagzeuger. Die bisher druckvollste Live-Version habe ich bei "Seconds Out" erlebt, mit Christian Koch am Schlagzeug. Alleine.

    • Offizieller Beitrag

    Das mit dem Druck hängt davon ab was man erwartet: The Musical Box halten sich bei der Wiedergabe der Songs nach wie vor sehr stark an die Versionen der Studioalben, nicht an die Versionen, die Genesis später live dargeboten haben. So entsprechen Songs wie Los Endos (mit Ausnahme des Abschlusses) und Cinema Show nicht den Versionen der Seconds Out, sondern eben den Albumversionen, die gerade zur Gabriel-Phase alles hatten, aber drumtechnisch keinen "Drive". Wer also den Drive und Druck von Sachen wie Firth of Fifth oder Cinema Show von der Seconds Out den Studiofassungen vorzieht (so wie ich), der wird mit den Livefassungen von The Musical Box nie wirklich glücklich werden.

  • Mir gefiel gerade - ich war am 11.11. in Essen - bei "Cinema Show" das sehr filigrane Getrommel von Bob St. Vincent.


    Meines Erachtens ist er der bisher beste "Genesis"-Dummer, den ich je gesehen habe. Mir geht es dabei auch um die Studioversionen.

    Gerade bei "Cinema show" hat Phil im Studio die beste Leistung ever abgeliefert. Auf einem noch sehr reduzierten Drumset hat er damals eine dermaßen filigrane Spielweise an den Tag gelegt. Kein Takt während der 7/8-Phase des Keyboardsolo war wie der andere.

    Genau so spielt Bob St. Vincent das während der Tour. Er spielt übrigens auch noch in einer Led Zeppelin-Tribute Band den John Bonham, von dem Phil ja auch immer ein großer Fan ist.

    Es gibt Tage, da ziehe ich die rockigen Live-Versionen vor, aber in Essen hat mich die Studioversion gepackt.

    Can you tell me where my country lies
    said the unifaun to her true love's eyes

  • Was mich tatsächlich gerade zu Beginn des Konzerts gestört hat: der Sound resp. die Überbetonung der Snare im Mix. Das wurde dann aber besser mit der Zeit.

    Jo, ist mir auch sofort aufgefallen. Das war in Frankfurt noch deutlicher und in Dresden etwa auf Bremer Niveau. Hab ich nicht verstanden. :ka:


    Ansonsten war sogar ganz vorn ein sehr präziser Sound, es ließ sich wirklich jedes kleinste Gezupfe oder Gebimmel raushören, das ist schon großes Ohrenkino. :topp: