Beiträge von Jürgen B.

    Mir gefällt die Scheibe.

    Ich finde, man sollte bei der Kritik auch auf die Strukturen des Kritisierten eingehen. Der Titel lautet: "Surrender of Silence" - und da erwartet man allen Ernstes Popsongliches, aalglatte Vocals und schmalspurigen Sound?

    Der Musikgedanke arbeitet sich doch aus Lockdowndepressions heraus, indem er einmal durchs Universum kreist. Da liegt es doch auf der Hand, dass er sich mit europäischen Streichern (und einer bislang noch gar nicht recht gewürdigten Solovioline), persischer Dotar, orientalischer Zither und christlichster Kirchenorgel auszudrücken versucht.

    Übrigens finde ich auch das kurze Zitat aus der DDR-Hymne (oder ist es doch "Goodbye Jonny" gesungen von Hans Albers?) ganz apart: Nach der weltumspannenden Tour de force stellt sich als Lohn ein klitzekleiner Hoffnungsschimmer ein. Was will man mehr?

    :)

    Meine drei Lieblingsalben, in chronologischer Reihenfolge:

    1. Trespass. Für mich das erste Wunder: Fünf Schuljungs, die bisher nur Beatleshits nachgespielt haben, bauen eine musikalische Wunderwelt auf.

    2. Lamb. Das zweite Wunder: Fünf Hardcore-Individualisten in prekärer sozialer Situation schreiben schräge Texte und schräge Musik, die auf so wundervolle und fast unbegreifliche Weise zusammenpassen, dass man sie nie mehr getrennt sehen und hören will.

    3. Trick. Das dritte Wunder: Hier zeigt sich, die Band besteht nicht nur aus einem Hardcore-Fuchs mit rotem Kleid, sondern aus vier Musikern, die für jede Krise eine wundervollere musikalische Lösung finden. Bis hin zur Popmusik, aber davon verstehe ich nix.

    Letztes Jahr schrieb Wolfgang Schneider in der FAZ, dass Prog keine Altherrenmusik sei, sondern die "Klassik des 20. Jahrhunderts". Das ist an diesen drei Alben wunderbar nachvollziehbar.

    Ist eigentlich schon was zu Hacketts neuer Rolle gesagt worden? In gewisser Weise ist er der Looser der neuen Show, da ja seine schönsten Soli gestrichen wurden. So konnte er nur mannschaftsdienlich brillieren. Kleine Entschädigung, aber typisch für das Konzept der potentiellen Show: Im zweiten Teil der Cinema Show musste er nicht bedröppelt die Bühne verlassen, sondern konnte Aufgaben am Keyboard übernehmen. Konsequent zeigte uns der Hackett-Darsteller immer sein miesepetrigstes Gesicht. Es fehlt nicht mehr viel, und bei der nächsten Tournee ist er weg. Das darf nicht noch mal passieren. Müsste der potentielle Hackett jetzt nicht die Chance bekommen, sich im weiteren Verlauf der Show stärker solistisch einzubringen: Mit gefaketer Gitarrenarbeit für das Material aus ATTWT; das wäre doch der Hammer: Ein Hackett-Solo bei Burning Rope oder, noch besser: Follow me! ;)

    Mich hat besonders bewegt, dass die Band als sie selbst auftreten konnte. Bisher waren die Spieler ja vor allem Künstler, die jemanden nachmachten; jetzt können sie etwas Eigenes beitragen. Das war wie eine Befreiung, sie haben auch begeistert aufgespielt, vor allem die beiden Neuen, Drums und Keyboard, konnten sehr überzeugen. Außerdem wurde meines Erachtens die Show weiterentwickelt. Gabriel war weniger im Vordergrund, war dafür mehr an der musikalischen Gestaltung beteiligt (Bass, Gong, Keyboard etc.), aber am Ende war er die Quintessenz der Show: als androgynes Rätselwesen im roten Kleid mit Fuchskopf, das uns aufforderte: Touch me now!


    Nichts von Lamb?

    1) In The Cage wurde beim letzten TMB-Konzert im Lamb-Encore gespielt (allerdings auch noch Hairless Heart, was auch auf dem Extravaganza-Plakat zu sehen ist),
    2) die Welt wartet auf die Afterglow-Präsentation mit PG,
    3) Los Endos ist ein unschlagbares (erstes) Finale, darauf dürfte auch ein PG nicht verzichten wollen...
    Übrigens, beim Lamb-Encore hatte der PG-Stellvertreter auf Erden eine weiße Strickmütze auf. Check ich jetzt erst: Lamb - Wolle - Mütze....

    Setlist:
    1. Eleventh Earl of Mar (PG schwebt als Earl vom Schnürboden herab.)
    2. Fly on a Windshield
    3. Broadway Melody
    4. In the Cage
    5. Looking for Someone
    6. Harold the Barrel
    7. Seven Stones
    8. Alehouse Twilight
    9. One for the Vine
    10. Afterglow
    11. Dance on a Vulcano
    12. Los Endos
    Encore:
    13. Supper's Ready (Closing Section) (PG schwebt wieder gen Jerusalem hinan.)

    Mir macht noch jede Show unglaublich viel Spaß. Okay, es war in Walsrode erst die siebte... Ich genieße es, immer auf neue Details zu achten. In der Black Show konnten wir erleben, wie das Schlagzeug noch härter, der Bass noch vibrierender klang... Dagegen hören sich die Studioaufnahmen weicheirig an :cool:
    Ich bin gespannt, wie uns im nächsten Jahr der Querschnitt dargeboten wird: Ob da für jede Epoche auch die Instrumente gewechselt werden? Und wird für die nie live gespielten Tracks eine Liveschow entwickelt? Ein virtuelles Genesis-Konzert von 1977 mit Gabriel?