TotW: [14.03.-20.03.2016]: PETER GABRIEL - No Self Control

    • Offizieller Beitrag

    Bewertung des Tracks "No Self Control" nach Schulnoten 53

    1. 15 Punkte - überragend (1+) (9) 17%
    2. 14 Punkte - sehr gut (1) (10) 19%
    3. 13 Punkte - sehr gut (1-) (8) 15%
    4. 12 Punkte - gut (2+) (11) 21%
    5. 11 Punkte - gut (2) (7) 13%
    6. 10 Punkte - gut (2-) (1) 2%
    7. 9 Punkte - befriedigend (3+) (2) 4%
    8. 8 Punkte - befriedigend (3) (2) 4%
    9. 7 Punkte - befriedigend (3-) (1) 2%
    10. 6 Punkte - ausreichend (4+) (0) 0%
    11. 5 Punkte - ausreichend (4) (0) 0%
    12. 4 Punkte - ausreichend (4-) (0) 0%
    13. 3 Punkte - mangelhaft (5+) (0) 0%
    14. 2 Punkte - mangelhaft (5) (0) 0%
    15. 1 Punkt - mangelhaft (5-) (0) 0%
    16. 0 Punkte - ungenügend (6) (2) 4%

    Track Of The Week – 14.03.-20.03.2016

    PETER GABRIEL - No Self Control



    Jahr: aufgenommen im Sommer/Herbst 1979, veröffentlicht 1980
    Album: PG3 'Melt' [Rezension]
    Arbeitstitel: unbekannt
    Credits: Peter Gabriel
    Länge: 3:55
    live gespielt: 1979, 1982, 1983, 1986, 1987, 1988, 2007, 2009, 2012, 2013, 2014
    bekannte Coverversionen: -

    Bemerkungen: Der zappelige Rhythmus, die gehetzten Textzeilen, da ist jemand kurz vom Durchdrehen ... aber bevor uns an dieser Stelle "keine Selbstbeherrschung" attestiert wird, liegt Sicherheit in den Zahlen: No Self Control liegt auf Platz 5* der "besten Songs auf Melt", bei den "Song-Favoriten von Peter Gabriel" auf Platz 25* von 175. Hingewiesen sei auch noch darauf, dass es unseren aktuellen Track der Woche auch auf Deutsch gibt... und als Video zum Beispiel in Live In Athens (und teilweise auch auf dessen Vorläufer P.O.V.)... und auf den Eintrag im Peter Gabriel Kompendium ... und ... Selbstbeherrschung! Auf geht's, jetzt habt ihr das Wort!


    *) Abfragestand 11.03.16, 22:30

  • GRANDIOS!
    ...für mich besonders auf PLAYS LIVE !
    :)

  • Sehr guter Song. Ich mag den hektischen Rhythmus, der den Song nach vorne treibt.
    Überhaupt die ganze Rhythmus-Sektion ist grandios. Phil (who else) drumt genial - ich liebe es wie vielseitig er da auf seinen Fellen herumdrischt. Peter singt absolut passend - mich reisst der ganze Song mit.
    Die Life-Versionen sind ebenso fantastisch. Die auf der SO-Sonderedition ist vor allem am Anfang wunderbar jazzig angehaucht.
    Schade, dass die Studio Version mit einem Fade out endet.

    Zy
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    "The music is the true currency. It's more valuable than the accolades or the money. The relationship is with the invisible muse and you know if she's pleased or if she ain't." - Steve Hackett

  • Einer meiner Favoriten von Gabriel, in der Studioversion sowie live, welche ja etwas anders arrangiert wurde.
    Besonders freue ich mich immer auf den Zwischenteil (There are always hidden silences...) mit dem anschliessenden "No self control". War natürlich auf der SO-Tour und Back to front-Tour auch visuell ein highlight!

    No cloud, a sleepy calm
    Sunbaked earth that's cooled by gentle breeze
    And trees with rustling leaves
    Only endless days without a care
    Nothing must be done

  • PG wie ich ihn liebe - Musik, die die Grenzen zwischen New Wave, Rock, Prog und Pop sprengt (ein Vibraphone als Lead-Instrument? Merkwürdig verzerrte Gitarre, dumpfe, brutale Drums ohne Becken) Ein einfacher, aussagestarker Text, der stakkato-artig dem Leben im Kapitalismus den Spiegel vorhält: Gier, Einsamkeit, Paranoia - die Ausbeutung von Körper und Geist...und so brandaktuell. Traurig, oder?
    Mein Gott, was war der Peter damals gut! - 15 P


    P.S. I don´t know how to stop......to hear PG II, III und IV.....

  • Gabriel schraubt Artrock auf faszinierende Weise neu zusammen und macht seine Version für die Post-Punk Zeit glaubwürdig. Egal ob Collins "Tomtom Orgie" oder die jazzige Version von 1987 das Stück besticht durch eine drängende und rastlose Atmosphäre, eben "i dont know how to stop."
    Großes Lob auch an die Brand X Wunderknaben Collins, Giblin und der leider schon verstorbene Morris Pert, die Rythmusgruppe ist für mich der heimliche Star der Studioversion.


    13 Punkte

    • Offizieller Beitrag

    „Brauch was zu essen“ – ein geistesabwesender Halbsatz wirft uns Hörer in eine völlig unklare Situation hinein. Konzentration ist hier wohl kaum möglich: Klar, wenn man richtig Hunger hat, geht die Grammatik flöten, dann geht’s ums Essen, der Rest kommt später. „Ich bin immer so hungrig“, erfahren wir als nächstes. Begleitet werden diese abgehackten Sätze von unruhig sprunghaften, nervösen Staccato-Noten; hier ist jemand ganz zappelig vor Hunger. Warum das so ist, bleibt unklar.


    Aus diesen zwei Zeilen können wir ganz verschiedene Szenarien entwickeln, in denen jemand furchtbaren Hunger hat: ein Schiffbrüchiger auf einem Rettungsfloß auf dem Meer, ein Ire während der großen Hungersnot infolge der Kartoffelfäule. Aber kaum eine der Situationen, die man sich ausmalt, passt dann zur nächsten Textzeile: „Ich kann einfach nicht aufhören“. Womit der Sprecher nicht aufhören kann, bleibt unklar.


    So sprunghaft wie die Musik wechselt mit der Strophe auch die Aussage: „Muss mal schlafen“ – und diesmal bekommen wir noch die Zusatzinformation „Ich bin nachts immer so nervös“, denn, so wiederholt der Sprecher: „Ich kann einfach nicht aufhören“. Woher die Nervosität kommt, bleibt wiederum unklar.


    Der Erzähler versucht hier womöglich seine Situation zu beschreiben und zum Kern dessen vorzudringen, was ihn so hungrig, so schlaflos macht – womit er nicht aufhören kann. Er nähert sich diesem Kern von mehreren Seiten, beschreibt, was dieses Etwas in ihm auslöst, und schafft es aber doch nicht, sich auszudrücken.


    In einer neuen Strophe nimmt er wieder Anlauf: „Ich muss mit jemandem reden, ganz egal mit wem“. Und das scheint ein Schlüssel zu sein: Die Erkenntnis, mit jemandem reden zu wollen, führt offenbar dazu, dass er auch reden kann, dass er zumindest mehr sagen kann als in den vorherigen Versuchen: „Ich bin weg, ich bin viel zu weit weg dieses Mal“. Dieses „I’m gone too far“ hat im Englischen viele Anklänge, die eine deutsche Übersetzung kaum alle erfassen kann. „I’m gone“ heißt zunächst mal „Ich bin weg“, und umfasst auch die Dimension von „Ich bin erledigt“. Der Zusatz „zu weit“ weist darauf hin, dass der Sprecher eigentlich wieder zurück will – wohin auch immer, ins Leben, in Normalität oder sonstwohin.


    Und dann erfahren wir noch, dass irgendetwas passiert sein muss, was der Sprecher sich nicht in Erinnerung rufen mag (oder kann). Das scheint der Kern zu sein, um den der Erzähler hier kreist. Nach wie vor gibt es aber den Befund: „Ich kann einfach nicht aufhören.“
    Unruhe, Schlaflosigkeit, Hungergefühle und das Gefühl, sich weit von dem Ursprungszustand entfernt zu haben – für den Laien (also mich) liegt die Vermutung nahe: Hier spricht jemand aus seiner Sucht heraus: Die Unruhe, die einen Süchtigen befällt, wenn die Droge nachlässt – oder die eben gerade die Wirkung der Droge ist? „Ich bin diesmal zu weit weggegangen“ vielleicht im Sinne einer Überdosis? Die offenbar unangenehmen Ereignisse, sind sie Ausfallerscheinungen oder Ausfälligkeiten eines Süchtigen?
    In einem englischsprachigen Forum äußert sich jemand mit mehr Erfahrung: „Kokain? Methamphetamin? Such dir was aus! Dieses Stück illustriert hervorragend die paranoide und psychotische Geistesverfassung eines Menschen, der nach Aufputschmitteln süchtig ist. Der düstere und bedrängende Refrain „No self control“ klingt ziemlich so, wie man sich auf Methamphetaminen fühlt. Ich habe das Zeug einmal genommen und habe es gehasst. Man wird völlig besessen und verliert alles Menschliche, wird fast wie ein Roboter. Meth-Süchtige werden ganz paranoid und wahnhaft, erschrecken vor jedem Schatten, glauben, dass sie von der Regierung beobachtet werden… lauter solche Sachen. Das Stück greift so gut wie jeden dieser Aspekte auf.“ (Quelle: No Self Control by Peter Gabriel Songfacts, eigene Übersetzung)


    In der Tat: Die große Brücke vor dem roboterhaften und doch aufwühlenden „No self control“ nennt das „versteckte Schweigen, das hinter dem Stuhl lauert“, nennt „die da“, „die rauskommen, wenn der Weg frei ist“, nennt die „Sterne, die sich wie ein Bienenschwarm herabstürzen“.
    „No self control“: Hier hat jemand keine Kontrolle mehr über sich – hier hat jemand nicht mehr das Gefühl, seine Umwelt unter Kontrolle zu haben – hier hat jemand das Gefühl, dass seine Umwelt ihn kontrolliert: Er selbst kann nicht aufhören.


    Und dabei ist er nicht allein. Es gibt ein Gegenüber in diesem Stück, jemanden, dem der Erzähler – wohl aus der Sucht heraus – wehtut. Für diese Gewalt hasst sich der Erzähler offenkundig, und „kann doch nicht aufhören“.


    Der Erzähler ist in der letzten Strophe Nacht für Nacht draußen unterwegs. Um sich einen Nachschub an Drogen zu besorgen? Vielleicht entfernt er sich aber auch von der Person, die ihm so wichtig ist, um ihr nicht weiter wehzutun; vielleicht ist das ein Versuch, die Kontrolle zurückzugewinnen. Auch wenn dieser Versuch aktuell noch nicht von Erfolg gekrönt ist – die letzte Zeile des Liedes wiederholt: „Ich kann einfach nicht aufhören“ – vielleicht steckt in den Nachtspaziergängen der letzten Strophe auch der metaphorische Weg zur Heilung.


    Musik und Text leben hier in einer guten Symbiose, verstärken gegenseitig die jeweilige Unruhe – in der deutschsprachigen Fassung gelingt das fast noch besser, weil der deutsche Sprachrhythmus sich nicht nur gegen die Instrumente, sondern auch ein Stück weit gegen den Rhythmus der Gesangsmelodie sträubt. Mächtig wird dieser Song wirklich erst live; selten ist Gabriel eine Visualisierung im Live-Konzept so gut gelungen wie bei diesem Stück auf Live In Athens. Ein Stück, das mich immer wieder packt.


    13 Punkte.