Guter Pop-Song vs. Prog Longtrack

  • Da dies im Totw All I need is a miracle - Thread so lebhaft diskutiert wurde: Warum nicht einen eigenen Thread erstellen. (Hatte etwas Mühe das in einem Forum zu platzieren, denn es hat ja schon etwas mit Genesis zu tun, aber ist ja auch etwas Allgemeines. Man darf das verschieben, kein Problem)


    Als Einstiegspunkt das Zitat von E.M. - darin hat er ja seinen Standpunkt klar dargelegt:


    Und wieder muss ich betonen, dass es genauso beachtenswert und künstlerisch wertvoll ist, einen guten Popsong zu schreiben, wie ein komplexes Werk ala Suppers Ready. Manchmal bekommt man hier im Forum den Eindruck, dass sich manche schämen, etwas gutes über einen Popsong zu schreiben. Warum? AINIAM ist für mich sogar mit eines der besten Beispiele, wie gut ein Radio-Hit sein kann: perfekt auf den Punkt, eingängig und trotzdem auch nach all den Jahren immer noch nicht langweilig. Die heutigen Hits hängen einem manchmal schon nach zweimaligem hören aus den Ohren.


    Millionenfach verkauft und keiner wills wieder gewesen sein...! ;) Ich stehe dazu und vergebe respektvolle 14 Punkte.


    Also ich kann sehr viel Freude an einem guten Popsong haben und kein Musiker muss sich dafür schämen. Zumindest was das 'beachtenswert' angeht, kann ich zustimmen. Mit dem 'künstlerisch' habe ich da schon mehr Mühe.
    Ein guter Popsong gibt für mich einen guten 'Hintergrund' beim normalen Arbeiten, verbreitet gute Laune, motiviert mich zur Aktivität und ist gleichzeitig eine gute Unterhaltung. So sind sie ein sehr geschätzter Begleiter in meinem Leben, die ich nicht missen möchte.
    Aber dann ist irgendwann Schluss. Mehr liegt nicht drin. Obendrein neigen einige von den Dingern dazu, einem nach x-Mal hören auf den Sack zu gehen und dann werden immer weniger positive Vibrations ausgelöst.


    Supper's ready und Konsorten dagegen, würde ich jetzt nie beim Aufräumen, Tippen oder Ähnlichem hören, da sie mich ablenken und gefangennehmen. Das geht einfach für mich eine Stufe höher als der Popsong. Hier wird plötzlich mehr bewegt, da muss ich richtig zuhören. Der Schluss von Supper's Ready packt mich jedesmal auf's Neue, es begeistert, nimmt mich mit, es löst richtige Glücksgefühle aus.
    Das Gleiche gilt für gewisse Jazz und Bluesstücke - diese Musik geht tief rein. Ein einfacher Popsong schafft das einfach nicht.

    Zy
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    "The music is the true currency. It's more valuable than the accolades or the money. The relationship is with the invisible muse and you know if she's pleased or if she ain't." - Steve Hackett

  • Ein guten Popsong weiß ich natürlich auch zu schätzen. Wenn ich einfach nur unterhalten werde möchte, ohne mir mit der einen Hand kenntnisreich durch den Professorenbart zu streichen, während die andere Hand eine Etage tiefer vor lauter Freude Dinge mit mir anstellt, die hier nicht hergehören. Und das nicht nur nebenher, sondern manchmal auch mit voller Aufmerksamkeit. Letztens saß ich zum Beispiel ne halbe Stunde herum und habe mir Billy Idol gegeben White Wedding, Rebell Yell und Dancing with myself. Bei letzterem wird die ganze Zeit nur ein Gitarrenriff durchgeprügelt und dennoch spricht es mich aufgrund seiner "Energie" doch eher an als zum Beispiel "Turn it on again", welches trotz seiner 13/8 bei mir eher gepflegte Langeweile aufkommen lässt.


    Alles in allem muss bei mir für Prog nicht nur die Aufmerksamkeit vorhanden sein, sondern auch die Stimmung. Wenn die nicht da ist, bringt mir die ganze Konzentration nichts. Natürlich höre ich immer noch vor jedem zu Bett gehen meine geliebte Trespass, denn die ist für mich nötig und ohne eine Prise Stagnation schlafe ich absolut unruhig, aber ansonsten muss es mich inzwischen schon arg in den Finger jucken, bevor ich mal ein Progalbum abspiele.

    Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.

    Einmal editiert, zuletzt von Herma ()

    • Offizieller Beitrag

    Eigentlich ist es doch recht simpel (zumindest für mich). Es gibt gute und schlechte Popsongs, genauso wie es gute und schlechte Progsong / Longtracks gibt. Die guten zeichnen sich jeweils für mich dadurch aus, dass sich hier hörbar jemand über die Komposition Gedanken gemacht hat, hörbar "Mühe" in die Produktion hineingeflossen ist und dass mich der Song in irgendeiner Art und Weise fesselt und berüht.


    Und daher mache ich da auch keinen qualitativen Unterschied dahingehend, dass ein Popsong generell geringwertiger und schlechter ist als ein Progsong.


    Positive Beispiele (u.a.):
    - Popsong: Abba - Winner takes it all; hinsichtlich Komposition und Arrangement wurde hörbar Aufwand betrieben, ab 3:53min kriegt mich emotional der Song immer wieder...
    - Progsong: Marillion - The Great Escape; ein stetes emotionales auf und ab, aber ab dem Schlusspart und erst recht ab dem finalen Gitarrensolo haben sie mich...


    Negative Beispiele:
    - Popsong: Die Another Day; indiskutable musikalische Komposition, dazu nerviges Synthiegefiebe und Gesangseffekte. Der Song dient quasi nur als Gerüst für Soundspielereien ohne Konzept. Einfach nur nervig
    - Progsong: Transatlantic - All of the above; yeah 30 Minuten, DAS ist Prog, das muss doch gut sein. Für meine Ohren sorry nein. 30 Minuten jagt ein nicht auskomponierter Part den anderen, jede Menge "Fahrstuhl-Retro-Prog" Gedudel nacheinander. Eine einzige Jamsession, bei der sich niemand die Mühe gemacht hat, das in einen wirklichen kompositorischen Rahmen zu gießen. Konzept war offenbar nur: Lasst es retro klingen und hauptsächlich lang. Ich schlaf bei ein, das tut sich emotional bis auf einige Ausnahmen bei mir nichts bewegen.

  • Ich behaupte, wer Musik ernsthaft geniesst, legt grundsätzlich großen Wert darauf, dass der jeweilige Titel glaubhaft daher kommt. Damit meine ich: nicht offensichtlich auf Hit getrimmt. Man muss spüren, dass den Interpreten etwas daran lag, dass echte Emotionen in die Komposition geflossen sind - sei es positiv oder negativ, sprich Ballade, Popsong oder eben ein komplexer Longtrack.


    Und genau das ist dann auch mein Punkt, wo ich unterscheide. Heute wirkt das meiste im Radio wie billiger Fastfood. Da fehlt einfach die Liebe und Ehrlichkeit in der Musik. Es geht nur noch darum, schnell abzukassieren. Ein äußerst kühles und schnell-lebiges Geschäft, an dem oft nur die Produzenten ordentlich Kohle scheffeln, während der Interpret nur noch Mittel zum Zweck ist.
    Ich verwende bewusst nicht den Ausdruck Künstler. Denn wer von denjenigen Marionetten heutzutage wird denn schon gespielt, weil er seine Musik selbst geschrieben und produziert hat und sich Stück für Stück über einen Plattenvertrag hochgearbeitet hat?


    Oft hängen Sender und Plattenfirmen zusammen, spielen nur gezielt das, was anderweitig firmenintern bis zum erbrechen ausgeschlachtet und gehyped wird. Mittlerweile gibt es ja selbst bei Nachrichtensendungen im TV kein Halt mehr vor charttauglicher Dauerberieselung in den Beiträgen, um den Hörern aufzudiktieren, was man momentan cool zu finden hat. Einfach unerträglich für mich.


    Früher war das eben anders. Natürlich hat es auch da schon sehr einfach gestrickte, ja auch schlechte, Songs gegeben. Aber es war auch immer Glücksache, was die Leute am Ende angenommen und gekauft haben und was nicht. Man wurde nicht in allen Ecken mit einer Masse an Songs überflutet. Es gab gezielt ein paar wenige Musiksendungen im TV und das Radio war viel risikofreudiger und abwechslungsreicher, wo man heute jede Stunde einmal die neuste Bravo Hits runter rattert. So ist eben kein so verzerrtes Bild entstanden wie heute.


    Was ich zum Thema Popsong auch noch sagen muss: Früher konnte keiner prophezeihen, was wirklich ein Hit wird. Das haben am Ende die Käufer entschieden. Ich finde nicht, dass man manchen Songs wie AINIAM deshalb vorwerfen kann, dass sie "totgedudelt" wurden. Vor allem wird ein Song deshalb mit der Zeit nicht schlechter als er zum Release war!


    Ausserdem bin ich der Meinung, dass manche Longtracks nur deshalb nicht nerven, weil sie eben nicht im Radio rauf und runter gespielt werden. Sonst sähe so mancher sicher seine unglaublich komplex ausufernden Meisterwerke mit anderen Augen! ;)

  • Früher war das eben anders. [...]


    Früher konnte keiner prophezeihen ;)


    Keine Ahnung,wie alt du bist, aber in meinem "früher" war das alles schon ganz genauso, und in dem meiner Vorfahren auch. Musik wurde immer genutzt, um zu inszenieren, zu propagieren,zu agitieren und nicht zuletzt um zu scheffeln.


    Ich finde das auch ganz unerheblich für die Frage , ob revelation das gut findet,oder nicht.Er mag Musik,jeder Länge und Qualität, wenn sie ihm gefällt.



    Übrigens sind nach meinem Empfinden auch heute noch seriöse (Nachrichten-)Medien Bedudelungsfrei. Und von denen gibt es in der heutigen BRD mehr,als jemals zuvor.

    Hier steht nichts wichtiges! Trotzdem danke für's Lesen.


  • Ich verwende bewusst nicht den Ausdruck Künstler. Denn wer von denjenigen Marionetten heutzutage wird denn schon gespielt, weil er seine Musik selbst geschrieben und produziert hat und sich Stück für Stück über einen Plattenvertrag hochgearbeitet hat?


    diesem Punkt muss ich widersprechen. Wieviele Songs hat Elvis selbst geschrieben, 2, 3 oder 4? Es war auch schon in den 50er Jahren so, wie du es hier beschreibst und er war da keine Ausnahme.
    Es gibt auch aktuell sehr viel gute Musik, die eben nicht oder nur wenig im Radio gespielt wird, bei der man sehr wohl merkt, dass die Künstler mit Hingabe wirken.


    Grundsätzlich ist es mir egal, ob ein Song lang oder kurz ist, die Musik muss mich erreichen um geliebt zu werden. Weiterhin gefallen mir viele Hits aber auch manche Longtracks, die mir am Anfang gefallen haben, heute nicht mehr. Das sind teils Abnutzungserscheinungen durch zu vieles Hören oder aber auch, weil die Produktion meinem Geschmack aktuell nicht mehr entspricht.

  • ABBA sind für meinen Geschmack ein sehr gutes Beispiel für tolle Popmusik. Die haben nicht nur beeindruckend viele total eingängige Melodien komponiert, sondern diese Ideen auch noch perfekt instrumentiert, arrangiert und produziert. Finde ich klasse! Ich kenne zwar nicht den ganzen Katalog, aber die gefühlt 30 Megahits, die die hatten, höre ich fast ausnahmslos gerne.


    Auch die Beatles haben ja wahnsinnig vielseitige Musik gemacht und in der 'Pop-Phase' mit einfachsten Mitteln ziemlich ansprechende Songideen in zwei bis vier Minuten verpackt, die auch heute noch Evergreens sind und sich kaum ausleiern.

  • Pop und Prog sind geil. Bei mir ist es aber auch so, dass ich Prog nicht als Hintergrundgedudel hören möchte und Pop nur äußerst selten laufen lasse, wenn ich Bock auf konzentriertes Hören mit allen Sinnen habe. Unter Pop verstehe ich Musik, die leichter zu konsumieren ist und tendenziell deshalb auch eine glattere Oberfläche hat. Popsongs bieten mir auch seltener abwechslungsreichere Formen. Die Gefahr, sich zu langweilen, wird bei mir da eher größer.


    ABBA sind für meinen Geschmack ein sehr gutes Beispiel für tolle Popmusik. Die haben nicht nur beeindruckend viele total eingängige Melodien komponiert, sondern diese Ideen auch noch perfekt instrumentiert, arrangiert und produziert. Finde ich klasse! Ich kenne zwar nicht den ganzen Katalog, aber die gefühlt 30 Megahits, die die hatten, höre ich fast ausnahmslos gerne.


    Ja, Abba ist auch für mich zu großen Teilen Vorzeigepop. Und haben für meine Begriffe mit Glaubwürdigkeit nicht das Geringste zu tun. Das ist auf Massengeschmack hin konstruierte Musik. Die Kompositionen und Arrangements erscheinen mir äußerst berechnend gestaltet. Und ob die Damen im Moment des Einsingens nun daran gedacht haben, wie nervig sie ihre Ehemänner finden, oder ob sie sich über den geputzten Studioboden gefreut haben: Sie haben in der Regel da einfach eine gute Arbeit abgeliefert.

  • Ich höre ja eigentlich nie Radio außer auf Abeit. Ja, ich kenne den ganzen 08/15 Scheiß der da auf einen einprasselt.
    Um so erstaunter war ich, als ich vor 2 Wochen von meinem Radiowecker geweckt wurde.
    Er weckte mich mit "Alles brennt" von Johannes Oerding.
    Kannte ich vorher überhauptnicht aber der Song beeindruckt mich vollgas ! Von der Stimme, vom Text, von der Melodie und vom Arrangement !


    Kann ich nur empfehlen:
    Hier der Link: http://youtu.be/yt0FlrmJJn0


    Ich hoffe der passt


  • Als ich den zum ersten mal unbewusst im Radio hörte dachte ich, PUR haben eine neue Single. ;)