Was bedeutet "Driving The Last Spike" eigentlich?

  • Es klingt auf jeden Fall poetischer als "Den letzten Nagel reindreschen"... ;)


    Ich muß jetzt mal ausnahmsweise die neunmalklugen Kritiker in Schutz nehmen, denn des Volkes Zorn (wenn es denn schon sein muß, daß das Volk mal wieder zornig wird) sollte sich eher an die neunmalklugen Eisenbahnveteranen richten.


    Ich hatte beim Erscheinen des Albums selbst nur kurz mal ein paar harsche Worte über den Text von einem The Waiting Room Mitglied gehört, denen ich aber auch nicht gleich jedes Wort glaube. Also habe ich irgendwann später (vielleicht 2-3 Jahre) einen Führer in einem Nordwalisischen Eisenbahnmuseum gefragt, in dem ich sowieso gerade war.


    Ich kam gerade noch zum "l" von "Driving the l...", da hatte der arme Mann in prachtvoller historischer Bahnuniform schon Schaum vor dem Mund und lieferte mir einen fünfminütigen Crash-Kurs in nationaler und transatlantischer Technologiegeschichte...


    Selbstverständlich ist die Eisenbahngeschichte sehr genau dokumentiert und der Unterschied zwischen Europa (oder zumindest Großbritannien) und den Staaten signifikant. Die Nagel-Variante ist notwendig, wenn es zwar Holz im Überfluß, aber nur völlig ungelernte Arbeiter zum Nulltarif (sprich: Sklaven) und keine Stahlfabriken im Umkreis von 2000 Meilen gibt. Überall sonst (und das betrifft ganz Europa) ist die Schraub-Variante einfach mittel- und langfristig besser.


    Nun, das klingt schon recht glaubwürdig, zumindest für meinereiner. Was nun den Genesis-Titel angeht, ergab sich das Problem ja auch allein aus dem Marketing. Gegen ein universelles Gedenklied, sozusagen einem audiophiligranen Mahnmal für den unbekannten, globalen, multikulturellen Gleisarbeiter, hätte wohl selbst der konservativste britische Eisenbahner nichts einzuwenden gehabt.


    Aber man muß auch Verständnis haben, daß Menschen, die selbst, oder ihre Väter und Vätersväter (und Vätersvätersväter - add your favourite Python-Sketch here :lol:), von einem Unglück betroffen wurden, sehr sensibel reagieren. Wenn Politiker oder Künstler sich ihres Themas bemächtigen (und besonders wenn die Resultate dann auch noch in deren eigene Taschen fließen), dann schauen sie sehr genau hin, ob das wirklich echtes Mitgefühl und konkretes Wissen um die Situation ist, oder ob die sich eher dem Verdacht der Trittbrettfahrerei mit anderer Menschen Schicksal aussetzen. Und diesbezüglich nun so darauf herumzureiten, daß dieses Lied ganz gezielt für die britischen Opfer geschrieben wurde, war da wohl doch etwas suboptimal. :-?

    "If it's worth doing, it's worth overdoing!" (THE DEEP FREEZE MICE)

  • @ Ricarda,
    so ungefähr hätte ich den Titel auch aus meinem Empfinden übersetzt...


    @ Martin C,
    mag sein daß diverse Eisenbahnveteranen puterrot geworden sind.
    MIR ist darüber nichts bekannt und ich denke einmal vielen anderen Fans auch nicht.
    Im Übrigen reicht mir persönlich die Info, daß es um die (leidvolle) Geschichte des Gleisbaus geht. Alles andere sollte man seiner Fantasie überlassen. Ist es nicht reizvoll daß die Texte (auch z.b. von Fading Lights)von jedermann frei interpretierbar sind??? Ich persönlich will gar nicht wissen ob Holz oder sonstige Nägel verwendet wurden. :teufel:
    Mir persönlich reicht es daß GENESIS an diese Leute gedacht haben. Das ist das was zählt... Andernfalls hätten Phil und Co. vielleicht erstmal zig Rechtsanwälte, Historiker u.ä. einstellen müssen... :teufelgrins:

  • Konnte es mir net nehmen lassen noch ma in meinem Wörterbuch nachzuschauen, demnach heißt es tatsächlich "Den letzten Stift(oder Nagel) reintreiben" und weiter frei übersetzt heißt es ja "...angetrieben die letzte Spur zu legen..." also das würde dann meines Erachtens auch einen Sinn ergeben. Bei der Live-Tour damals hat es Phil ja sehr schön interpretiert eben wie es nur er kann...er zelebrierte das ganze...da brauchte man auch dank der Videoprojektion fast kein Englisch(oder Amerikanisch) zu übersetzen.

    Only you know and i know...

  • Zitat von Helge

    mag sein daß diverse Eisenbahnveteranen puterrot geworden sind.
    MIR ist darüber nichts bekannt und ich denke einmal vielen anderen Fans auch nicht.


    damit machst Du es Dir aber ein bischen einfach! Ich finde schon, dass MartinC vollkommen Recht hat! Ähnliche Diskussionen gab es ja auch bei Phil's Another day in Paradies...

    "Son", he said, "grab your things, I've come to take you home!"

  • Also dürfen keine sozialkritischen Texte mehr verfasst werden, weil man sofort als Heuchler dahingestellt wird? Lächerlich.


    Selbst, wenn sie nur die Zeit, in denen sie das Lied geschrieben haben, über diese Situation nachgedacht haben, hat es gereicht, hunderte, vielleicht tausende Leute darauf aufmerksam zu machen. Das schafft kaum ein Geschichtsunterricht in Deutschland.

    Keep 'em mowing blades sharp!

    • Offizieller Beitrag

    Quatsch. Martin hat völlig recht. Wenn Phil sooo betroffen war von diesem Buch, warum macht er sich dann nicht ein wenig mehr Mühe und recherchiert ein wenig?
    Gerade weil ihm bereits mit Another Day... Oberflächlichkeit vorgeworfen wurde, die sein - m.E. durchaus glaubwürdiges - Engagement in Zweifel gezogen hatte, hätte er hier einfach sorgfältiger sein sollen.


    martin: vielen Dank für deine Ausführungen! Habe wieder was dazu gelernt! ;)


    tom

  • Simon:
    Genauso ist es :bravo:
    @ Tom Morgenstern:
    Total Quatsch: Recherchierst Du immer bis ins kleinste Detail bei welchen Dingen auch immer??
    Ich denke auch, der Gedanke zählt. Klasse :P
    Im Übrigen finde es echt schlimme daß dieser wirklich tolle Song durch solche (unnötige) Diskussion verrissen wird. :(

  • Also grundsätzlich finde ich es ja schon nicht schlecht, wenn man für Texte recherchiert. Aber dann gibt es da sowas wie dichterische Freiheit. Und nur weil ein Titel nicht den Gegebenheiten entspricht, muss es ja nicht heißen, dass Genesis wussten, dass es nicht ganz so stimmt. Außerdem bin ich mir auch ziemlich sicher, dass "Driving the last spike" eine Art Redewendung ist. Und bildlich ist sie wirkungsvoller als die realen Gegebenheiten.


    So oder so danke ich Martin für die informativen Beiträge.

    Keep 'em mowing blades sharp!

    • Offizieller Beitrag
    Zitat von Helge

    Recherchierst Du immer bis ins kleinste Detail bei welchen Dingen auch immer??

    Die Frage ist gut: natürlich nicht! Ich schreibe allerdings auch keine Songtexte mit hehren Anliegen, die anschließend von einem Millionenpublikum gehört werden noch weise ich dann in mehreren Interviews ausdrücklich auf den sozialkritischen Hintergrund der Texte hin.... ;)


    Ob der Song gut ist oder nicht, steht hier gar nicht zur Debatte. Ein kleiner Fehler im Detail ändert nichts an der Qualität, und ob wir hier darüber diskutieren oder nicht, wird da auch nichts dran verderben! - Da wäre es sicher spannender gewesen, zu sehen, was passiert wäre, hätte man schon vor 14 Jahren auf diese Unstimmigkeit hingewiesen. ;)


    Heute ist der Song in jedem Fall ein Klassiker - mir war er immer ein wenig zu lang und ich habe ihn mir, wie auch den Rest des WCD-Albums, schnell leid gehört.


    tom

  • Zitat von Tom Morgenstern

    Quatsch. Martin hat völlig recht. Wenn Phil sooo betroffen war von diesem Buch, warum macht er sich dann nicht ein wenig mehr Mühe und recherchiert ein wenig?
    Gerade weil ihm bereits mit Another Day... Oberflächlichkeit vorgeworfen wurde, die sein - m.E. durchaus glaubwürdiges - Engagement in Zweifel gezogen hatte, hätte er hier einfach sorgfältiger sein sollen.


    Hat Phil wegen seinem Text zu We Wait And We Wonder nicht sogar Morddrohungen erhalten? Meine jedenfalls, so etwas gelesen zu haben.

    31.10.1997 PHIL COLLINS (Hannover)
    11.06.2004 PHIL COLLINS (Berlin)
    15.06.2007 GENESIS (Hamburg)
    15.06.2012 ROACHFORD (Kiel)
    24.06.2012 MIKE & THE MECHANICS (Kiel)
    18.05.2014 STEVE HACKETT (Hamburg)