TotW: [26.08.-01.09.2019]: GENESIS - Invisible Touch

  • Dennoch ist ein Konzert ein völlig unpassender Rahmen, um den Zuschauern mitzuteilen, welche Musik man im Prinzip scheiße findet.

    Insbesondere dann, wenn es sich um die Musik ehemaliger Bandkollegen handelt.


    Diese Szene bestätigt einmal mehr folgende Einschätzung: Es gibt da in gewissen Progkreisen einen unüberwindbaren (Minderwertigkeits)Komplex gegenüber der Popmusik, weil diese so viel mehr Erfolg und Aufmerksamkeit genießt.

    Die Einschätzung beruht vermutlich nicht auf den Ergebnissen einer repräsentativen Umfrage. (Gerade frag ich mich, wer denn wohl die "gewissen Progkreise" sein mögen.) Dann hat wahrscheinlich auch in "gewissen Feinschmeckerkreisen" jemand, der gerne im 3-Sterne-Restaurant isst, einen "unüberwindbaren (Minderwertigkeits)Komplex" gegenüber Fastfood, weil dieses viel mehr Erfolg und Aufmerksamkeit genießt. (Womit ich - um Himmels Willen - weder etwas gegen Fastfood noch gegen Popmusik gesagt haben will.)

    I'll never find a better time to be alive than now.

    Peter Hammill (on "X my Heart")

  • Für mich ist es ein typischer Vertreter des Mainstreams der 80ziger Jahre. Es ist eigentlich unerheblich, ob der Song unter dem Etikett Genesis oder Collins vermarktet wurde.


    Vergebe exakt 3 Punkte, da Steve Hackett hier den Song 3 Sekunden anspielt :topp:


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    Tatsächlich könnte Steve sich an einer Akustikversion von IT oder manch anderem Genesis-Popsong heranwagen. Sowohl er als auch wir würden dann mit Erstaunen feststellen, wie gut diese doch sein können.

    Und wollte er nicht auch mal Abacab covern? :D


    Rein zufällig habe ich mir gestern im Zug die Invisible Touch gegeben, dass es nun SdW ist, kommt also genau passend.


    Ich habe in letzter Zeit sehr viel andere Musik gehört und kaum Genesis. Aus dem Genesis-Kosmos rotiert momentan eigentlich nur die "Still" von Tony.


    Gerade wenn man davor die "Still" gehört hat, merkt man, wie WICHTIG Invisible Touch eigentlich war.

    Man nehme banksche Akkorde, eine Prise Mechanics und lässt Phil viel textlichen Freiraum und heraus kam ein Album, welches den Zeitgeist super einfängt.


    Ehrlich, als ich gestern die Studio-Version von Domino gehört habe, das hat mich UMGEHAUEN, das DRUMMING, der Mix aus E-Drums und Akustik, ehrlich gesagt besser als live mit Chester!


    Der Mittelteil von Tonight³, welche stellenweise an Banks' Soloalben erinnert, die verstärkte Distortion bei Mikes Gitarre, ein Klang den es so auf keines der jeweiligen Soloalben gab.


    "Do The Neurotic" als B-Seite zu IN TOO DEEP(!) zu veröffentlichen war doch mit Sicherheit auch kein Zufall. Ich wage fast zu behaupten, die Band war "self-aware" genug um zu wissen, dass die "alten Progfans" ITP verfluchen würden und DTN wurde bewusst ausgesucht, als Nod zu den alten Fans.

    "Ätschi Bätsch, wir können immer noch Instrumentals mit coolen Gitarrenläufen, nun veröffentlichen wir aber Popalben, weil wir Bock darauf haben".


    DTN als Opener hätte in abgewandelter Form das "Cinema" (Yes) von Genesis werden könnten, wurde es aber nicht. Es wurde Invisible Touch.


    "Invisible Touch" kombiniert all die erlangten Stärken und heraus kommt ein Popsong, welcher zum Mitsingen einlädt und insbesondere live wie eine Bombe einschlug.

    Ich wage zu behaupten, dass kaum jemand etwas gegen "Thriller" von MJ hat, da er eben als Popkünstler angesehen wird. Aber auch er hat den Motown verraten!!!!!!11!!!!!!

    Michael Jackson ist nicht er selbst, wie kann er sich nur SEINER MUSIKRICHTUNG abwendene!1!!


    Bitteschön, noch eine Analogie: "Roundabout" und "Love Will Find A Way":

    Es tut mir leid, aber abgesehen von der Taktart höre ich da keinen signifikanten Unterschied vom Gefühl her, es klingt für mich immer noch nach Yes. Die ARW-Konzerte der letzten beiden Jahre haben bewiesen, wie komplex und spannend die Stücke sind, nur dass die Takte "massentauglicher sind".


    Und wenn wir nun weniger auf die Albumversion achten und mehr daraus, was live daraus gemacht wurde, dann ist Invisible Touch in gewisser Hinsicht Phils Motown-Liebe in 80er-Style ohne Bläser, dafür mit "quierligen" Keyboards.


    Man könnte jetzt sagen: "Man bewertet kein Potenzial, sondern ein fertiges Produkt".

    Nein. Musik ist lebendig und Wandel gehört zum Leben dazu, daher bewerte ich auch, wie aktuell Mike and Phil alte Genesis-Stücke wieder auf die Bühne bringen.


    "ALLE" sprechen darüber, wie GEIL Los Endos live ist,


    wenn wir das jetzt auch mit "Invisible Touch" endlich machen würden und uns "Proghead" insgeheim eingestehen, dass wir bei IT auch mit dem Kopf nicken, dann wäre ich glücklich.


    = 12 points goes to Invisible Touch.

    <!---

    The rain auditions at my window
    Its symphony echoes in my womb
    My gaze scans the walls of this apartment
    To rectify the confines of my tomb


    -->

  • Die Einschätzung beruht vermutlich nicht auf den Ergebnissen einer repräsentativen Umfrage. (Gerade frag ich mich, wer denn wohl die "gewissen Progkreise" sein mögen.) Dann hat wahrscheinlich auch in "gewissen Feinschmeckerkreisen" jemand, der gerne im 3-Sterne-Restaurant isst, einen "unüberwindbaren (Minderwertigkeits)Komplex" gegenüber Fastfood, weil dieses viel mehr Erfolg und Aufmerksamkeit genießt. (Womit ich - um Himmels Willen - weder etwas gegen Fastfood noch gegen Popmusik gesagt haben will.)

    Nein, völlig unrepräsentative Eindrücke aus den Musikforen, in denen ich mitlese.


    Der Vergleich mit dem Essen ist interessant. Und ich glaube durchaus, dass in "Feinschmeckerforen", sofern es sie gibt, in ähnlich stänkernder Weise die Nase über gewisse Rezepte gerümpft wird wie in Progkreisen über gewisse Popsongs.


    Worauf ich hinaus will: Eigentlich sollte doch jeder das genießen, was er gut findet, ohne darüber zu lästern, was er blöd findet. Aber das fällt nach meiner Beobachtung oft denjenigen schwer, die denken, dass sie den besseren Geschmack haben.


    Ich nehme mich da übrigens nicht aus, denn auch mir passiert das immer mal wieder.

    But we never leave the past behind, we just accumulate...

    "Von jedem Tag will ich was haben

    Was ich nicht vergesse

    Ein Lachen, ein Sieg, eine Träne

    Ein Schlag in die Fresse"

    • Offizieller Beitrag

    Ich selbst finde die von ihm angeführte Vorstellung vom Tod des Autors so reizvoll, weil sie den Umgang mit Texten für mich auf den wesentlichen Punkt hin zuspitzt: die Begegnung von ästhetischem Zeichen und Empfänger.

    Und wenn man sich auch einen tausendfach toten Autor vorstellt, wird diese Vorstellung ad absurdum geführt durch eine einfache Tatsache: Es gibt einen Text, der von einem Autor verfasst wurde, und der Autor hat dabei eine Intention gehabt, sonst hätte er den Text nicht verfasst.

    Zumal es eben ein Liedtext ist, der eh ganz grundsätzlich nicht nach literarischen Kriterien zu beurteilen ist, sondern ob und wie gut er in seiner Wechselwirkung mit den musikalischen Aspekten funktioniert.

    Ein Liedtext wie der von Invisible Touch ist Lyrik (fun fact: Lyrik stammt von dem griechischen Ausdruck lyriké poiesis, und das bedeutet "Dichtung, die zum Lyraspiel gehört"), also Dichtung, also Literatur. Man kann einem Songtext unter Umständen die "schöpferische Höhe", die Qualität, absprechen, aber es bleibt Literatur, eventuell eben nach dem Urteil des Einzelnen schlechte solche (genauso wie ein schlecht geschriebener Brief immer noch ein Brief ist).

  • Und wenn man sich auch einen tausendfach toten Autor vorstellt, wird diese Vorstellung ad absurdum geführt durch eine einfache Tatsache: Es gibt einen Text, der von einem Autor verfasst wurde, und der Autor hat dabei eine Intention gehabt, sonst hätte er den Text nicht verfasst.

    Ich weiß nicht, worauf du hinaus willst. Jeder Text hat einen oder mehrere Autoren, klar. Glaubst du, Barthes, Tom oder mir wäre es darum gegangen, Banalitäten zu leugnen? Barthes hatte allerdings gute Gründe, die Vorstellung zu evozieren, der Autor als Instanz sei für die Begegnung mit Texten dringend abzuwerten.

    Ähnliches gilt für diese 'Intention'. Selbstverständlich gibt es eine oder mehrere Intentionen für Texte, was denn sonst. Aber du hast es ja (z.T.) selbst gesagt: Entweder sie vermitteln sich (gebrochen oder wie auch immer) über den Text, oder der Text ist schlecht resp. irrelevant. Für mich ist der poetische Text der Anlaufpunkt meines Interesses, nicht die Intention des Autors. Ich gehe auch davon aus, dass sich in guten Texten viel, viel mehr finden lässt als das, was der Autor hineinlegen wollte. Das wäre ja sonst auch blöd. Und dass Autoren über den ästhetischen Überschuss auch längst nicht immer (oder gar: nie?) den Überblick haben.

    Ein Liedtext wie der von Invisible Touch ist Lyrik (fun fact: Lyrik stammt von dem griechischen Ausdruck lyriké poiesis, und das bedeutet "Dichtung, die zum Lyraspiel gehört"), also Dichtung, also Literatur. Man kann einem Songtext unter Umständen die "schöpferische Höhe", die Qualität, absprechen, aber es bleibt Literatur, eventuell eben nach dem Urteil des Einzelnen schlechte solche (genauso wie ein schlecht geschriebener Brief immer noch ein Brief ist).

    Auch hier wieder: Na und? Der Liedtext mag Lyrik sein, so viel er will (ich habe das nicht bestritten): Dann ist er erst recht ein grottiger Text, und es wird sich kaum einer bei Genesis finden lassen, der mehr ist als dilettantisch.

    Du führst hier halt nichts an, was meine Überlegung (und ich habe diese nicht erfunden) tangiert, ein solcher Text solle nicht nach literarischen Kriterien beurteilt werden. Für mich eine Binsenweisheit. Es gibt so viele hoffnungslose Versuche, Lied- und Operntexte zu diskreditieren, die für sich gelesen einfach Schrott sind. Aber in Verbindung mit Musik dann einzigartige Qualitäten aufweisen. Unter Musikwissenschaftlern hat sich diese Erkenntnis mittlerweile wohl ziemlich gut etabliert - es ist lange genug auf den poetischen Schwächen des "Zauberflöten"- oder des "Ring des Nibelungen"-Librettos herumgehackt worden, ohne zu sehen, dass sich einige dieser vermeintlichen Defizite erst in der Musik zum schönen Schwan verwandeln. Und dann aber grandios! Wallala, weiala weia! Und so weiter.

    Und ich lasse mir mal ein Zitat Goethes auf der Zunge zergehen: "Der Text einer Oper gehört unter die Dichtungsarten, welche sehr schwer zu beurteilen sind, weil man sie nicht als selbstständiges Kunstwerk ansehen darf." Ich wüsste es jedenfalls nicht besser. Aber immerhin der Fettdruck ist überraschenderweise von mir.

    • Offizieller Beitrag

    :!:Moderationshinweis: Das wird hier immer mehr off topic. Da sich die Diskussion aus dem TotW heraus on topic in diese Richtung quasi übergangslos entwickelt hat und viele der Beiträge nur teilweise off topic sind, werden wir bis hierhin nichts löschen. Wenn der Wunsch nach Öffnung eines neuen Threads besteht, in dem bestimmte Teil-Diskussionen weitergeführt werden sollen, sind wir gerne beim Aufräumen behilflich (bitte per PN).


    Ansonsten werden hier ab sofort alle Beiträge, die nicht ausschließlich und unmittelbar mit der Bewertung des TotW Invisible Touch zu tun haben kommentarlos gelöscht.

  • Ich finde ja das Phils Stimme absolut genial ist bei IT und überhaupt auf diesem Album. Da kann meiner Meinung nur Peter mithalten.

  • Totally ontopic:


    Hm, wenn ein Song 33 Jahre nach Veröffentlichung derart bewegt, dass in ein oft ziemlich totes Forum wieder Leben kommt, dann zeugt das von einer großen Bedeutsamkeit.


    Vielleicht hätte ich doch mehr als meine 11 Punkte springen lassen sollen...

    But we never leave the past behind, we just accumulate...

    "Von jedem Tag will ich was haben

    Was ich nicht vergesse

    Ein Lachen, ein Sieg, eine Träne

    Ein Schlag in die Fresse"

  • IT.... o je, eine absolute Zumutung für meine musikalischen (progressiven) Ohren. Wird eigentlich nur noch vom mega-schmalzigen "In too Deep" und einigen anderen belanglosen Trallala-Liedchen auf dem gleichnamigen Album getoppt.


    Das Album als solches - einschließlich Titel-Song - eignet sich aber prima als Hintergrundmusik auf Feten, Gartenpartys usw. Zieht wahrscheinlich besonders rein, wenn man einigermaßen breit ist. Aber da ich nicht trinke, tue ich mir das nicht an.


    In jungen Jahren, also damals in der zweiten Hälfte der 1980er, gefiel mir die Nummer (wie überhaupt das ganze IT-Album) sogar, weil: sehr gut produziert und Tanz-bar. Aber da kannte ich ja auch noch nicht die alten genialen Genesis-Sachen aus der Gabriel-Ära.

  • Zitat von Mutzel

    Hm, wenn ein Song 33 Jahre nach Veröffentlichung derart bewegt, dass in ein oft ziemlich totes Forum wieder Leben kommt, dann zeugt das von einer großen Bedeutsamkeit.


    Nein, eigentlich nicht. Es beweist nur, dass das Sommerloch gerade wieder besonders tief und groß ist. "Last Christmas" ist auch kein bedeutsames Stück, nur weil guter Geschmack sich lautstark davon abgestoßen fühlt.

    Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.