Berlin - 19.12.2016

  • Nun sind die Befürchtungen wahr geworden.
    Erste Gedanken gelten den Verwandten, den Freunden, auch den Forums-Freunden.
    Mitfühlen mit den eben noch fröhlich gewesenen Opfern, deren Angehörigen, den geschockten Weihnachtsmarkt-Besuchern.


    Inniglich wünsche ich, dass uns alle dies nicht zerreisst. Nicht auseinander bringt. Nicht die Vorurteile und deren Abwehr zwischen uns kommen lässt.
    Denn dann hätten "SIE" gewonnen, werimmer sie sind.


    Bitte helft mit, in Eurem Umfeld, im Büro, in der Schule und im Yogakurs, die aufkommenden Hetzereien zu dämpfen. Alles muss in Ruhe und gründlich aufgeklärt und verarbeitet werden.
    Auf fb zeichnet sich jetzt schon - zwei Stunden danach - eine schäumende, sich aufschaukelnde Raserei ab.


    Peter Gabriel sang 1977: Angst ist die Gebärmaschine für Gewalt
    Lasst sie nicht gewinnen.
    Nicht die Angst und nicht die, die sie als Kontroll-Halsband einsetzen.

  • Gestern Abend klang "Afterglow" aus, der Whisky war getrunken, Bronte hab ich dann doch nicht gelesen. Meine Gedanken dazu: http://www.genesis-fanclub.de/…-mit-steve-hackett-2.html Ich war beseelt von meiner Lieblingsmusik.
    Doch dann machte ich impulsiv noch das Radio an und..........
    Ich bin sehr traurig, aber ängstlich? Nein! Obwohl der Breitscheid-Platz für mich als ehemals West - Berliner eine besondere Bedeutung hat und damit der Krieg (ich treib es mal auf die Spitze) nun ganz nah ist. Es regt sich Trotz. Ich lasse mir die Freiheiten der offenen Grenzen / offenen Gesellschaften nicht nehmen. Mir nicht und meinen Kindern nicht, die im nächsten Jahr die USA und Frankreich besuchen werden. Wir können in meinen Augen nur dies tun: Zu "unseren" Werten stehen, nach ihnen leben, sie verteidigen nach innen gegen den Kleingeist der Populisten und nach außen in dem Bemühen zu teilen.


    Noch dies hier, als Trost: https://www.youtube.com/watch?v=tXKZQAW6TJY

    Einmal editiert, zuletzt von chandelier () aus folgendem Grund: Rechtschreibung

  • Warum jedes Unglück immer gleich dafür genutzt werden muss, um mit Worthülsen um sich zu schmeißen und heiße Luft abzusondern, ist mir nachwievor unbegreiflich. Statt nun also endlos herumzusalbadern, dass ich mir meine Freiheit nicht kaputt machen lasse, gehe ich Apfelschorle kaufen. Irgendwie zielführender. :)


    Ja, ich weiß, nur 0,5 Punkte. Volle Punktzahl nur, wenn ich ohne Kommentar Apfelschorle kaufen gegangen wäre, aber ich hab Zeit und es ist bald Weihnachten und so.

    Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.

  • Ich schließe mich Chandelier an. Lasst uns unsere Freiheiten verteidigen.


    Und gerade gegen unsere Hetzer im Inland. Vor denen habe ich persönlich am meisten Angst, da ich befürchte das freie Meinungsäußerung irgendwann mit stumpfen Parolen und Gewalt beantwortet werden. Auf dem Weg dorthin sind wir schon.
    Die Kleingeister gewinnen an Einfluß. Und ich wette einige haben nur darauf gehofft, dass so etwas wie Berlin passiert.

  • Warum jedes Unglück immer gleich dafür genutzt werden muss, um mit Worthülsen um sich zu schmeißen und heiße Luft abzusondern, ist mir nachwievor unbegreiflich. Statt nun also endlos herumzusalbadern, dass ich mir meine Freiheit nicht kaputt machen lasse, gehe ich Apfelschorle kaufen. Irgendwie zielführender. :)


    Ja, ich weiß, nur 0,5 Punkte. Volle Punktzahl nur, wenn ich ohne Kommentar Apfelschorle kaufen gegangen wäre, aber ich hab Zeit und es ist bald Weihnachten und so.


    Herma auch eine Art damit umzugehen.
    Viel Spaß bei der Apfelschorle.

  • Mich lässt das, was da gestern passiert ist, aus verschiedenen Gründen ziemlich ratlos zurück...


    1.) Mich überrascht es eigentlich überhaupt nicht, dass derartige terroristische Akte 'jetzt' auch in Deutschland stattfinden. Was mich aber stark irritiert, ist die Tatsache, dass wir uns wohl daran gewöhnen müssen, dass derart primitive Anschläge (entführe ein schweres Fahrzeug und überfahre damit Menschen im öffentlichen Raum) durchgeführt werden und durchgeführt werden können. Das gleiche Schema (mit noch schlimmerem Ausmaß) hatten wir dieses Jahr schon mal und um die erhöhte Gefahrenlage für Weihnachtsmärkte wissen wir auch schon seit ein paar Jahren. Trotzdem passiert sowas (- und das ist weder ein Vorwurf an die Exekutive noch eine Forderung nach (noch) Sicherung und Überwachung im öffentlichen Raum! -).


    2.) Ich habe gestern Nacht ein etwa zehnminütiges Video im Netz gesehen, das ein Journalist der Berliner Morgenpost (?) wenige Minuten nach der Attacke gefilmt hat. Abgesehen davon, dass das ein Horrorszenario ist, war ich sprachlos zu sehen, wie lange es doch dauert, bis da vor Ort Ordnung herrscht - die Polizei und Rettungssanitäter kommen, der Bereich unmittelbar um diesen LKW herum abgesperrt und Sichtschutz augefbaut wird, die umherstehenden Menschen zurückgedrängt werden und so weiter. Und das Mitten in Berlin! (Auch keine Kritik, bloß eine Feststellung - und trotz alldem sind das ziemlich zivilisierte Prozesse, die man da sieht.)


    3.) Ich habe momentan recht viele Freunde in Berlin, die im Rahmen unseres Studiums Praktika machen, und die ich natürlich gleich kontakiert habe, ob sie wohlauf seien. Einen meiner Musikfreunde habe ich erst sehr spät erreicht - er schreibt, er sei nur 20 Meter davon weg gewesen, mit Kollegen am Glühweinstand, und sie seien "einfach nur gerannt", als "das Ding auf uns zu kam" - da wurde mir nochmal deutlicher, dass man, wenn man Pech hat, einfach keine Chance hat, aus sowas rauszukommen. Das gleiche gilt aber auch für Flugzeugabstürze, Verkehrsunfälle und so weiter. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr überzeugt mich Ulrich Becks These der Risikiogesellschaft, in der wir durch unseren eigenen (technologischen/gesellschaftlichen/...) Fortschritt immer mehr Risiken für uns selbst produzieren.


    4.) Die Ausschlachtung des Vorfalls gestern von rechts überrascht mich auch nicht, macht mich aber sehr wütend. PEGIDA, Marcus Pretzell und Lutz Bachmann waren mit die ersten gestern Nacht, die ihre Sicht der Dinge in die digitale Welt hinausposaunt haben: "Na Merkel, biste stolz auf Deine Kumpels in Berlin?", "Merkels Tote" - Bachmanns (3.) Profil ist gerade schon wieder gesperrt, aber gestern Abend gegen 23 Uhr oder so wurde dort schon behauptet, der IS hätte sich zum Anschlag bekannt und die deutsche Lügenpresse würde das nicht melden... PEGIDA schreibt heute morgen "Jeder Welcome-Klatscher, jeder Teddybären-Werfer, jeder Islamversteher, jeder Befürworter der Merkelpolitik und auch jeder der bis jetzt den Mund gehalten hat, also die Mitläufer, Duckmäuser und Speichellecker, JEDER VON EUCH HAT BLUT AN DEN HÄNDEN!"
    Wir erleben in den letzten Monate eine bewusste, zunehmende Spaltung unserer Gesellschaft(en), gegen die noch kein Kraut/keine politische Strategie gewachsen zu sein scheint. Ich denke auch nicht, dass der Ursprung dessen primär sozioökonomische Ungleichheit ist, sondern viel mehr mit (politischer) Kultur zu tun hat. Ich zähle mich in dieser bipolaren Sicht auf Gesellschaft zu den Gutmenschen, aber ich bin relativ verzweifelt, wie man diesen gefährlichen Prozess der Entfremdung untereinander, von Politik und Medien, von Anstand und Moral, von Menschlichkeit, aufhalten kann...

  • Ich befürchte, diese ganzen Flachpfeifen, die sich nun (oder auch schon vor Jahren) zum hetzen entschieden haben, wird man nicht bekehren können.
    Umso mehr ist die Zivilgesellschaft und auch die "seriöse" Politik gefordert einen engagierten Gegenpol zu setzen.


    Leider kommen von konservativer Seite solch Schmarrn wie vom saarländischen Innenminister Boullion:


    Vorsitzender der Innenministerkonferenz, Bouillon (CDU/Saarland), sagt nach Treffen der Ressortchefs: "Wir müssen konstatieren: Wir sind in einem Kriegszustand, obwohl das einige Leute, die immer nur das Gute sehen, nicht sehen möchten


    Ohne die schreckliche Katastrophe bagatellisieren zu wollen, Bouillon sollte mal seine Definition mit einem Flüchtling aus Aleppo diskutieren. Außerdem ist das genau die Reaktion die sich die Islamisten wünschen.

  • Ich befürchte, diese ganzen Flachpfeifen, die sich nun (oder auch schon vor Jahren) zum hetzen entschieden haben, wird man nicht bekehren können.


    Sicherlich hast du damit recht! Aber die besetzen den Diskurs und ziehen Leute, von überall. Ich habe gerade das Statement der Kanzlerin geschaut - da wird (mal wieder) in den Kommentarspalten so viel gehetzt, dass ich den Eindruck habe, dass auch die Zivilgesellschaft zum erheblichen Teil polarisiert ist.



    Umso mehr ist die Zivilgesellschaft und auch die "seriöse" Politik gefordert einen engagierten Gegenpol zu setzen.


    Lasst es uns anpacken ;) Leider sehe ich da momentan häufig eben nicht den Gegenpol, sondern Vakuum oder ebenfalls Populismus (von rechts, leider auch von links) bei vielen Spitzenpolitiker*innen.

    • Offizieller Beitrag

    zu 1) Vorkommnisse wie dieses sind möglich, weil wir alle große Freiheiten genießen. Diese Freiheiten sind grundgesetzlich verankert, sie sind Kern unseres Gemeinwesens. Und unser Gemeinwesen ist stark genug, um so etwas zu ertragen. Wenn wir unseren Staat, unsere Gesellschaft dahingehend umgestalten, dass solche Taten wie gestern in Berlin nicht mehr begangen werden können, dann haben wir unsere Grundrechte komplett aufgegeben. Man kann total frei sein oder total sicher - aber nicht beides gleichzeitig.


    Was mich verblüfft, ist, dass es dich irritiert, dass das passieren kann. Was mich noch mehr verblüfft, ist deine Aussage, dass es "kein Vorwurf an die Exekutive" sei und "keine Forderung" nach mehr Überwachung. Was ist es denn dann?


    zu 2) Bei diesen Videos stelle ich mir - gerade weil es, wie du schreibst, offenbar noch vor dem Eintreffen der Rettungskräfte begonnen hat - immer genau eine Frage: Warum steht diese Person da und filmt, statt die Kamera wegzupacken und verdammt noch mal Erste Hilfe zu leisten?



    Das Problem an der Berichterstattung - jenseits dieses Video-Themas ist dieses:
    Berichten die Medien besonnen (also ohne gleich ANSCHLAG! TERROR! ISLAMISTEN! AUSLÄNDER! zu plakatieren), gelten sie sofort als Lügenpresse, die die Wahrheit unterdrücken wollen (siehe Freiburg), und die (ziemlich) Unerreichbaren finden sich bestätigt.
    Berichten sie "in Großbuchstaben", finden sich die (ziemlich) Unerreichbaren bestätigt.


    Wie erreicht man Menschen, die für Tatsachen nicht mehr erreichbar sind und nur noch das annehmen, was ihrer eigenen Wahrnehmung entspricht? Mich erinnert das an Menschen mit gewissen Zwangsstörungen (z.B. Magersucht), die nur noch das wahrnehmen, was sie in ihrem Bild bestätigt. *)


    Es gibt eine Postkarte zu kaufen mit der Aufschrift "Ich habe meine Meinung, bitte verwirre mich nicht mit Tatsachen." Seit gut einem Jahr ist sie nicht mehr lustig.






    *) Mit diesem Vergleich möchte ich Menschen mit Zwangsstörung nicht abwerten und ihnen nicht zu nahe treten.

  • Widerwärtig und ekelhaft so eine Tat und ich befürchte, dass man das nicht immer verhindern kann. Man darf sich aber davon nicht einschüchtern lassen.
    Hier in Rio, und nicht nur da in Brasilien, gibt es zum Glück (bis jetzt) keine Terroranschläge mit Sprengstoff oder Ähnliches. Es gibt aber diese ewigen Schiessereien in der Nähe von Favelas und ständige Überfälle, die irgendwo stattfinden können, muss nicht in der Nähe einer Favela sein.
    Trotdem, oder gerade deshalb, gilt für Frau Bukowski und mich, dass wir uns nicht vorschreiben lassen, wann und wo wir abends oder nachts (da ist es gefährlicher als tagsüber) ausgehen. Passieren kann immer was, 7 Überfälle in den letzten 10 Tagen in unserem Stadtteil, aber wir wollen uns nicht nach Einbruch der Dunkelheit in der Wohnung einschliessen.

    Das Leben ist eine Illusion, hervorgerufen durch Alkoholmangel

    Charles Bukowski