Die Politik ist tot, es lebe die Politik! - kleiner politischer Frühschoppen, Live-Ticker, Austicker und was man sonst noch so zur Meinungsbildung braucht - oder auch nicht...

  • Kinder brauchen in erster Linie eine unbeschwerte Kindheit. Sie mit negativen Visionen von Erwachsenen zu konfrontieren, für die selbst diese keine Lösung haben, halte ich für die Ausbildung von (für die Zeit des Erwachsenseins dringend benötigter) Resilienz nicht für förderlich.

    Ja, deshalb sind Bücher so wichtig! Gerade an den Klassikern der Kinderliteratur lernen Kinder die Freuden der unbeschwerten Welt. Ja, Kinder dieser Welt, lest Erich Kästner*, lest Astrid Lindgren**), lest Enid Blyton***), lest Christine Nöstlinger, Klaus Kordon****), lest Grimms und Andersens Märchen*****)!




    Aber nur wenn ihr darin zwecks Unbeschwertheit folgendes ignoriert:

    *) die Überforderung mit der Großstadt und die Kriminalitätsdarstellung in Emil und die Detektive, die Darstellung von Armut und Kriminalität in Pünktchen und Anton, die Darstellung von nicht-intakten Familien in Emil und die Detektive und Der Kleine Mann und dem Doppelten Lottchen, die Armut in

    **) die Thematisierung von Altersarmut und Behinderung in Bullerbü, die Thematisierung von grundsätzlicher Armut in den Michel-Büchern,

    ***) die Darstellung von Kriminalität in den Fünf Freunden passim

    ****) bei Nöstlinger und Kordon würde die Liste zu lang werden

    *****) ... diese unfassbare Sammlung von Brutalität, Grausamkeit, Verstümmelung und Folter - und bei Andersen noch diese lebensverneinend depressive Grundhaltung.




    Erich Kästner hat mal (sinngemäß) gesagt: Kinder bekommen viel mehr mit als man glaubt. Und Kinder verstehen viel mehr als man glaubt. Oder um einen ehemaligen Bundeskanzler zu variieren: "Wir können mehr Realität wagen" in Kinderbüchern.

  • Gerade bei Astrid Lindgren gibt es nur in seltenen Fällen -- wenn überhaupt -- eine heile Welt zu bestaunen. Von Kästner gar nicht zu reden. Allerdings würde ich Mutzelkönig zustimmen, dass Kinderbüchern ein gewisser Grundoptimismus schon ganz gut tut. Auch hier bieten Lindgren und Kästner gute Beispiele. Übrigens ein ganz tolles aktuelles Kinderbuch, das sich mit einer aktuellen Krise in Form einer noch etwas heftigeren Pandemieerfahrung auseinandersetzt, ist Katja Ludwigs Ellie und Oleg.


    Ellie & Oleg – außer uns ist keiner hier - Klett Kinderbuch Verlag GmbH


    Aber eigentlich gehört das eher in den "Was lese ich..."-Thread.

    FolkProg bei www.favni.de oder fauns.bandcamp.com und favni.bandcamp.com

  • Herrje, Mutzelkönig hat doch nichts von heile Welt geschrieben, sondern lediglich eine gewisse Leichtigkeit im Umgang mit widrigen Umständen hervorgehoben. Wieso dieser schulmeisterliche Sarkasmus?

  • Herrje, Mutzelkönig hat doch nichts von heile Welt geschrieben, sondern lediglich eine gewisse Leichtigkeit im Umgang mit widrigen Umständen hervorgehoben. Wieso dieser schulmeisterliche Sarkasmus?

    Dass Kinder Resilienz erwerben, indem sie "negativen Visionen von Erwachsenen" (so sehr sie auch der Realität entnommen seien) nicht aussetzt, halte ich, gelinde gesagt, für fragwürdig. Ich habe mich hinreißen lassen, das zu ironisieren.

  • Doch, ich finde schon, dass die Frage, ob und womit Kinder traumatisiert werden, eine politische Frage ist. Und vor alles ist es politisch, zu überlegen, wie man sie da wieder herausholt.

    Nie habe ich mir vorstellen können, wie extrem Kinder leiden würden aufgrund der familienbezogenen Maßnahmen der damaligen CDU-SPD Regierung. Zur Ehrenrettung: Die Politker hatten Angst, in China und Italien starben Containerweise Menschen. Aber der Versuch, Kinder zu isolieren, der war mehr als systemisch undurchdacht. Fachleute hatten gewarnt. Ein furchbarer Bruch für Kinder: Nie mehr die geliebten Großeltern sehen, nie andere Kinder sehen, auf engstem Raum eingepfercht mit gestressten Müttern und Vätern, keine Spielplätze waren offen. Ein Klima der Angst und des permanenten Stresses. Erwachsene, die nicht mit Skype umgehen konnten. Es klappte kaum etwas. Später viel latente Unruhe: Traumatisierte Eltern gefixt auf Soziale Medien und deren Gift, viele Krankheiten. Vor allem die Trennung von den Großeltern blieb aufgrund Entfremdung zum Teil dauerhaft. Ich sehe heute noch Kinder im Umfeld, die das nicht weggesteckt haben.

    Die SPD mit Lauterbach, der sich mal halbherzig entschuldigte, hat leider keine Konzepte entwickelt, um hier zu heilen (Therapien, Spielgruppen, whatever). Vielleicht ist die SPD bei Heilung sozialer Fragen überfordert.

    Andererseits gab es gleichzeitig andere kleine Kinder, die auf andere Art es schwerst traumatisiert waren, durch Kriege und 3000 km Fussmärsche, der Heimat entrissene Kinder. Erstaunlicherweise machen viele von ihnen den Eindruck, oberfächlich ihre Probleme besser weggesteckt zu haben. Ähnlich, wie auch viele Nachkriegskinder sich schnell mit den Umständen arrangierten. Ein Experte erklärte, diese "Resilienz" entstehe auch, wenn die Kinder nicht allein sind im Elend, wenn sie mit genau gleich Miteidenden in soziale Zweckgemeinschaften eingebunden waren. Es hat wohl sogar Kleinste vom Stress abgelenkt, wenn sie feststehende tägliche Aufgaben zu erfüllen hatten.

    Es war aber laut Protokollen eine bewusste Entscheidung der CDU ab 2015, keine oder zu wenig Fördermittel für Therapie-Angebote auszugeben. Man hört vermeintlich Merz sagen: Zahnärzte UND Traumatherapie, oh nein, kein Geld für solche Schmarotzer.

    Ich warte auf Kinderbücher, die für betroffene Kinder auf lustige oder spannende Art Wege aus den Erinnerungen an die schwierigen Jahre heraus weisen. Ein Buch für Kinder, das diese die verschiedenen Traumatisierten gleichermaßen zusammenbringt und zum Lachen bringt, wäre wunderbar. "Conny vermisst ihre Großeltern nach 3000 km zu Fuss" oder sowas, mit lustigen Briefvorlagen zum Schreiben.

    Jedenfalls, ganz sooo unverständlich fand ich Mutzels Sorge um die überlastenden Negativ-Botschaften nicht.

  • Diesen sehr guten Artikel habe ich gerade entdeckt:

    „Linksgrün durchseucht - hautnah erlebe ich, wie Menschen über ARD und ZDF denken
    Das Vertrauen der Bevölkerung in die Medien ist stark angeknackst. Das in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, bei dem ich arbeite, besonders. Wie es ist, auf…
    www.focus.de

    Er beschreibt sehr anschaulich, warum die politische Debatte so schwierig und die AfD so stark geworden ist. Eine Lösung dieser Misere scheint zumindest laut der Autorin nicht in Sicht.

    But we never leave the past behind, we just accumulate...

    "Von jedem Tag will ich was haben

    Was ich nicht vergesse

    Ein Lachen, ein Sieg, eine Träne

    Ein Schlag in die Fresse"

  • Frau Ruhs ist in der jüngeren Vergangenheit ähnlich wie Anna Schneider schon oft mit "Gutmensch-Bashing" aufgefallen. Ist natürlich auch diesmal sehr "anschaulich", einen Bericht über irgendwelche Menschen zu schreiben, welche die immer gleichen Stereotypen wiederholen nach dem Motto "man darf ja mittlerweile nichts mehr sagen, auch wenn ich mit dem nächsten Satz das Gegenteil beweisen werde, ohne mir darüber im Klaren zu sein."


    Kann man natürlich machen. Wirkt aber etwas platt und hilflos. Die Haltung dieser sehr, sehr offensichtlich alles andere als "linksgrün" versifften Journalistin wird allein schon in diesen Worten mehr als ersichtlich:


    "Ob die aktuellen Anti-AfD-Proteste daran etwas ändern werden? Ich glaube nicht. Vielleicht vergrößern sie die Gräben sogar. Die Demonstranten, die so fleißig gegen Rechts auf die Straße gehen, sollten sich lieber fragen, wie es sein kann, dass viele Menschen so vorsichtig mit ihren Meinungen geworden sind."


    Ekelhaft. Muss man aber aushalten, um die politischen Richtungen der Presse ausgewogen zu halten.


    Der Beißreflex war zudem vorhersehbar. Kommt natürlich im rechtskonservativen und ganz rechten Lager gar nicht gut an, dass "Wir sind das Volk" nun nicht mehr nur von im Verhältnis kleinen, rechten Gruppen skandiert wird.

  • "Ob die aktuellen Anti-AfD-Proteste daran etwas ändern werden? Ich glaube nicht. Vielleicht vergrößern sie die Gräben sogar. Die Demonstranten, die so fleißig gegen Rechts auf die Straße gehen, sollten sich lieber fragen, wie es sein kann, dass viele Menschen so vorsichtig mit ihren Meinungen geworden sind."


    Ekelhaft.

    Mit diesem einen Ein-Wort-Satz bestätigst du sehr schön, warum das Führen von Debatten (auch gerade hier im Thread!) so schwierig, frustrierend, ermüdend geworden ist.

    Da hat man (habe ich!) eigentlich sofort überhaupt keine Lust mehr, inhaltlich weiter einzusteigen. Da kommt sofort eine unnötige aggressive Note in den Austausch, die ich im Artikel von Frau Ruhs nirgendwo bemerkt habe. Auch ihre "Vorgeschichte" war mir unbekannt.


    Es hätte doch völlig ausgereicht, sachlich und begründet darzulegen, dass du anderer Meinung als sie bist und warum. Was soll die Bewertung dieser Sichtweise als "ekelhaft"? Und was soll sie bringen?Ich jedenfalls werde jetzt erstmal zu dem Artikel nichts mehr schreiben. Soll sich jeder selbst ein Bild machen.

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    "Von jedem Tag will ich was haben

    Was ich nicht vergesse

    Ein Lachen, ein Sieg, eine Träne

    Ein Schlag in die Fresse"

  • Bis zum letzten Absatz dachte ich noch, ok, dass ist eine anschauliche Beschreibung des Journalistenalltag.

    Den letzten Absatz, da geht's mir wie Virgil, finde ich unerträglich. Die vielen Leute, die nun gegen rechts auf die Straße gehen, demonstrieren natürlich gegen den Nachbarn, der gegen die Grünen wettert oder den konservativen Opa, dem die Sozis schon immer suspekt waren. Ironie off.

    Hier wird gegen Hass und Hetze demonstriert, gegen eine Zersetzung der Bundesrepublik. Lübkemord, NSU, immer radikaler werdende AFD.

    Was brauchen Konservative eigentlich noch um aufzuwachen?