Je suis Charlie

doctordiper · 8. Januar 2015

"Dort wo der Humor aufhört wird sehr oft der Platz frei für die Selbstzensur" (Cabu, einer der vier ermordeten Karikaturzeichnern)

Für mich persönlich liegt das Problem in der Ignoranz. Die französischen Staat hat seit Jahren aufgegeben die Bildung in den Schulen angemessen zu fördern, den diejenigen die solche Attentate ausüben sind ungebildet, können sich nicht richtig ausdrücken, nicht lesen, nicht einmal den Koran.

Gibt es vergleichbare Comix wie Charlie Hebdo in Deutschland?

**UK76** · 8. Januar 2015

Zitat von doctordiper

Die französischen Staat hat seit Jahren aufgegeben die Bildung in den Schulen angemessen zu fördern, den diejenigen die solche Attentate ausüben sind ungebildet, können sich nicht richtig ausdrücken, nicht lesen, nicht einmal den Koran.

Dieser Rückschluss ist viel zu einfach und die Aussage darin finde ich gefährlich! Solche Taten werden nicht nur von "Ungebildeten" verübt.

Zitat von doctordiper

Gibt es vergleichbare Comix wie Charlie Hebdo in Deutschland?

Am ehesten vergleichbar ist hier wohl das Magazin Titanic.

doctordiper · 8. Januar 2015

Die meisten haben keine Bildung, nicht alle, das stimmt. Aber der Unterschied ist sehr wichtig!

thepriest · 8. Januar 2015

In der Schweiz ist es wohl der Nebelspalter, auch wenn der eine etwas weniger provokative Linie fährt. Übrigens ein Lesenswerter Kommentar des Chefredaktors zum Thema hier auf der HP: nebelspalter.ch - FRONT - Um Antwort wird gebeten

doctordiper · 8. Januar 2015

Marco Ratschiller, Chefredaktor des Nebelspalters: (Ausschnitt)

Zitat

Wenn sich unsere heutige Zeit also die Frage stellt - oder viel mehr unter dem Eindruck von Terroranschlägen aufzwingen lässt -, ob die Meinungs- und Pressefreiheit unverhandelbar bleiben soll oder mit Rücksicht auf andere Weltbilder und im Interesse unserer Sicherheit Einschränkungen und Selbstzensur erfahren soll, dann ist es nicht allein an den Satirikern, dies zu entscheiden, sondern Sache der gesamten Öffentlichkeit, allen voran die Aufgabe unserer Leitmedien und Qualitätszeitungen.

"Unsere heutige Zeit"......wer gehört da alles dazu?

Anders sieht es

Zitat

Tim Wolff, Chefredakteur TITANIC

Es ist anläßlich der fürchterlichen Morde in Paris wohl nötig, mal wieder Grundsätzliches über Komik und Satire zu sagen. Denn nicht nur islamistischen Terroristen, so unsere Erfahrung bei der Titanic, fehlt es da an der Grundausstattung. Komik ist zu allererst ein Mittel, dem Ernst des Lebens, der die meisten von uns bedrückt, selbst wenn nicht gerade Raketenwerfer in Redaktionsräumen abgefeuert werden, etwas entgegenzusetzen, im besten Falle seiner Herr zu werden. Und je ernster die Lage, desto wichtiger der Humor. Komik schafft Distanz zu bedrückenden Ereignissen, sie erlaubt, uneigentlich über eigentlich Unerträgliches zu sprechen – und so den Schrecken zu bekämpfen. Sehr viele Komikunkundige, ob Islamisten, Rassisten oder deutsche Durchschnittsjournalisten, begehen meist den Fehler, einen Witz auf einen unkomischen, ernsten (und zumeist noch auf einem Mißverständnis beruhenden) Aussagekern herunterbrechen zu wollen. Die einen, weil sie den Witz auslöschen wollen; die anderen, weil sie glauben, Satire und Komik zu ernsten Themen sei nur angebracht, wenn sie „wertvoll“, „geistreich“ oder was auch immer ist.

Es ist natürlich schöner, wenn Komik auch noch eine kluge Botschaft transportiert, aber sie ist auch ohne sehr viel wert. Das müßten die meisten Menschen eigentlich wissen, denn sie praktizieren es privat. Als etwa gestern ca. 100 Journalisten Interviews und Statements von mir haben wollten, fielen immer wieder Wendungen wie „Wir wollten Sie nicht überfallen“ oder „Schießen Sie los“ – und was taten diese Leute, als Ihnen auffiel, was sie da gerade versehentlich, aus Routine gesagt hatten? Sie lachten. Nicht etwa, weil sie sich damit über die ermordeten Satiriker lustig machten, sondern weil ihre üblichen Phrasen auf einmal in einem anderen Kontext standen, eine Bedeutung bekamen, die sie nicht haben sollten. Dahinter steckt keine wertvolle Aussage, es nimmt schlicht für einen Moment dem Ernst die Macht.

Und das dürfte der Grund sein, weswegen Fanatiker, speziell religiöse, Komik verachten. Sie vertreten eine todernste, einzige ewige Wahrheit, und der Witz – egal wie klug oder lustig er im Einzelfalle sein mag – bedroht diese Wahrheit. Religion (und so manch andere Weltanschauung) ist Wahnsinn im Kleide der Rationalität, Satire und Komik Rationalität im Kleide des Wahnsinns. Das eine muß das andere mißverstehen. Deshalb werden Vertreter des heiligen Ernstes der Komik stets mit Zorn begegnen. Und es ist ihr gutes Recht. Solange sie dies mit denselben Waffen wie Satiriker tun: mit Wort und Bild. Und nicht mit Maschinenpistolen.

Seit gestern gilt mehr denn je: Es lebe der Witz. Der kluge. Der platte. Jeder, der genügend Menschen findet, die über ihn lachen. Und für alle, die ihn nicht mögen, sollte mehr denn je gelten: Ertragt ihn oder ignoriert ihn. Ihr werdet der Komik nicht Herr!

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chandelier · 8. Januar 2015

Ich bin zutiefst betroffen über den Anschlag, wie jeder sensible, offenherzige, poetische, gewaltablehnende Mensch.

Nur noch eins:

"Die Graumsamkeit der meisten Menschen ist Phantasielosigkeit und ihre Brutalität Ignoranz."
Kurt Tucholsky

littlewood · 9. Januar 2015

Naja docteur, die Bildung - schön und gut. Darf man nie vernachlässigen. Hat sich in Deutschland auch allmählich rumgesprochen.
Aber die Erkenntnis, daß es sich nicht ziemt, dem Nachbarn den Schädel wegzupusten, wenn er anderer Meinung ist, sollte eigentlich in jeder Kinderstube schon mal vorgekommen sein.
Ich fürchte, wenn das Herz vergiftet und das Hirn geschädigt ist, hat nicht nur die Bildung versagt.

Dennoch gut zu wissen, daß der Humor zuletzt stirbt. Titanic-Herausgeber Oliver Maria Schmitt wurde gestern zu seiner Einschätzung befragt, ob angesichts der Exekution nahezu der gesamten Redaktion die Arbeit am Magazin überhaupt fortzusetzen sei. Der Religionsexperte meint, wenn Allah tatsächlich groß ist, werde er "Charlie Hebdo" weiter erscheinen lassen.
Das wird vermutlich so sein, wenn nun ein Haufen Leute die Zeitschrift abonniert, der bis vor kurzem vielleicht noch nicht mal von ihr gehört hat.

Mir geht das zeichnerische Talent leider völlig ab, aber vielleicht kann einer der diesbezüglich Begabten einen Cartoon entwerfen, in dem Aasgeier von AfD, Pegida, SVP, FPÖ und was da noch so herumschwirrt hektisch versuchen, sich die Leichenteile von diesem Festschmaus wegzuschnappen. Und über dem Schlachtfeld kreist Le Pen und beschwichtigt die gierigen Genossen : "Ruhig, Kinder, es ist genug für alle da…!"
Oder sowas in der Art.

RiverOfChange65 · 9. Januar 2015

Zitat von littlewood

......-.....
Aber die Erkenntnis, daß es sich nicht ziemt, dem Nachbarn den Schädel wegzupusten, wenn er anderer Meinung ist, sollte eigentlich in jeder Kinderstube schon mal vorgekommen sein.
Ich fürchte, wenn das Herz das Hirn geschädigt ist, hat nicht nur die Bildung versagt.

....-.....

Mir geht das zeichnerische Talent leider völlig ab, aber vielleicht kann einer der diesbezüglich Begabten einen Cartoon entwerfen, in dem Aasgeier von AfD, Pegida, SVP, FPÖ und was da noch so herumschwirrt hektisch versuchen, sich die Leichenteile von diesem Festschmaus wegzuschnappen. Und über dem Schlachtfeld kreist Le Pen und beschwichtigt die gierigen Genossen : "Ruhig, Kinder, es ist genug für alle da…!"
Oder sowas in der Art.

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Lieber littlewood,

im "Kern" möchte ich dir beipflichten, doch ist mir hier dein Tonfall zu zynisch.
Auch wenn bei mir selbst- angesichts der von dir o.g. "Zeitgenossen"- das Blut regelmäßig in ähnlicher Weise "in Wallung" gerät.*Psycho-Modus-an* Jedoch "entlarve" ich diese vordergründig "kochende-Wut" bei mir selbst, relativ schnell als eigendlich darunter liegendes Gefühl einer nahezu ohnmächtigen Angst- vor einer allem Anschein nach- immer stärker "aus-dem-Ruder-laufenden" Welt. *Psycho-Modus-aus*
Ähnlich "abgehängt" von Einflussnahme und überdies auch noch der Teilhabe, an einem Leben in Würde (wie immer sich dieser oft strapazierte Begriff, in diesem Kontext auch definieren mag...) erleben sich womöglich diejenigen, die solche Übergriffe der Gewalt verüben, nachdem sie sich zuvor selbst als "Opfer" wähnten und gleichsam als solche, leichte Beute für "Rattenfänger" aller Art geworden sind.
Und das sehe ich "in-der-Wurzel" als eigendliches, zu Grunde liegendes Übel an: unsere- in einem System, eines völlig deregulierten Neoliberalismus- immer "willkürlicher" gewordene Lebenswelt. Eine sozusagen "moderne Form", des bereits im Mittelalter verbreiteten Herrschaftssystems...
Daher assoziierte ich- anlässlich des hiesigen Diskurses/bzw. der wiedermal aktualisierten Vorkommnisse- spontan Eco's "Der Name der Rose". Wo auf das Lachen ebenfalls die Todesstrafe stand.

Meine obigen "Auslassungen" sollen natürlich ausschließlich als ein Erklärungsversuch angesehen werden, keinesfalls jedoch als "Freibrief" gelten!!!

By the way : fängt "Bildung " ja im Herzen/bzw. der Seele an,... aber das weißt du ja...;)

Monti · 9. Januar 2015

Der Anschlag in Paris war krank. Aber dass die Bild-"Zeitung" auf der Titelseite (!!) Ein großes Bild veröffentlicht, wo einem Passanten in den Kopf geschossen wird, zeigt die traurige Sensationsgeilheit dieser Klatschpresse.

Helge · 9. Januar 2015

Die Frage ist doch, wie man mit dem Problem umgeht.
Bildung ist sicher ein Schlüssel, doch auch der schützt vor den Auswüchsen nicht.
Mir gefiel gestern auf der Demonstration ein Plakat - "NOT AFRAID", ich glaube, DAS ist die richtige Reaktion auf diese Missetaten.

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