Klassik 03/2013: G. Verdi "Gefangenenchor" aus Nabucco

  • Der Gefangenenchor aus NABUCCO


    Nabucco ist eine Oper von Guiseppe Verdi. Sie wurde 1841 komponiert und am 9. März 1842 in Mailand uraufgeführt. Das Libretto stammt von Temistocle Solera (1815–1878). Die Oper beschäftigt sich mit dem Streben des jüdischen Volkes nach Freiheit aus der babylonischen Gefangenschaft und zugleich steht die Hybris des Titelhelden im Zentrum, der sich selbst zum Gott machen will, daraufhin mit Wahnsinn geschlagen wird und erst durch seine Bekehrung zum Gott der Hebräer geheilt wird.


    "Gefangenenchor": Dritter Akt,2. Szene – An den Ufern des Euphrat


    Die zur harten Arbeit gezwungenen Hebräer beklagen ihr „schönes und verlorenes Heimatland“ und rufen den Herrn um Hilfe. Zaccaria ermutigt die Leute mit einer Propezeihung dass eine furchtbare Rache Babylon heimsuchen werde.


    Warum habe ich dieses Klassik-Beispiel gewählt? Aus persönlichen Gründen.


    Mein Vater hörte nur und viel Klassik, insoweit wurde ich schon als kleines Kind beeinflusst, auch wenn ich später eher leichte Progmusik und gute Popmusik bevorzugte. Mein Zimmer lag neben seinem Arbeitszimmer, und so gab es kein Entkommen. Von Verdi ging es zu Beetkoven zu Wagner zu Puccini. Ich gewöhnte mich daran und mir gefielen die mächtigen Chöre. Das ist bislang der einzige Klassikgesang, den ich ertrage.


    Der Gefangenenchor aus Nabucco war eines der ersten Klassikstücke, das ich von Anfang mochte und meinen Vater fragte, von wem das sei. Ich kann es kaum beschreiben, denn es ist emotional. Und eben in meiner Kindheit verankert. Der Chor beginnt sachte und steigert sich, ohne dass sich die Melodie grundlegend ändert. Die Kraft beeindruckt mich heute noch und die Melodie ist ergreifend. Es erwächst eine Stärke, die sich durch die Musik transportiert, die ich nicht fassen kann und weshalb ich Musik trotz versuchter Analytik immer noch mystisch finde. Heute, denke ich, dass es , flotter gespielt, fast ein Tanzwalzer sein könnte, aber das hängt auch vonn der jeweiligen Interpretation ab.


    Bekanntermaßen vernetzt Musik im Hirn Bereiche, die sonst nicht zusammenfinden würden. Warum soll ich begründen, dass mir der Chor gefällt, wenn ich es nicht kann? Vielleicht mag es jemand von euch?


    Vielleicht erklärt es sich ja mit links:
    Nabucco- Chor der Deutschen Staatsoper Berlin - YouTube
    * Giuseppe Verdi *


    Viel Spaß!

    Gedankenrauschen – Da geht noch was!




  • Super! Danke! :huhu:
    Habe nämlich ähnliche Kindheits-Erfahrungen mit diesem Musikstück gemacht.
    Habe dies sobald es (von meiner Mutter) aufgelegt wurde stets begeistert "mitgesungen" (na, ja, wohl eher "mit-gesummt":rolleyes:).
    War sozusagen während meiner frühen Kindheit einer meiner "Lieblings-Klassik-Schlager"! :topp:
    Konnte quasi von dieser Musik nicht genug kriegen. :)

    Habe mir dann auch irgendwann mal, auf Nachfrage den Hintergrund dieser Szene erklären lassen.
    Was mich (aus meiner heutigen Erinnerung) damals derart betroffen gemacht hat, dass ich mir fortan (in meiner kindlichen Fantasie) jedesmal bei "wieder-Auflage", viele, in einem kellerartigen Kerker, eng-aneinander-gedrängte- um ihre Freiheit singende- Menschen vorstellte. :(
    Dieses innere Bild ist mir auch bis heute irgendwie eindrücklich haften-geblieben...

    PACKUNGSBEILAGE MIT WARNHINWEISEN:
    Alle hier von mir geposteten Beiträge stellen lediglich meine ganz persönliche und somit subjektive Ansicht dar! ;)


    "...Download love and download war
    Download the shit you didn´t want
    Download the things that make you mad
    Download the live you wish you had..."


    Nordlichter Stargast ´2012 !

  • Mächtig gewaltig (Egon) !


    Auch ich verbinde mit dem Stück eine Kindheitserinnerung.
    Meine Eltern hatten eine (auf Plattenspieler) abspielbare Postkarte
    (ich glaube sogar mit der Staatsoper als Motiv)
    und darauf war als einziges Stück dieser Gefangenenchor.
    Ich habe diese Karte unzählige Male aufgelegt und fand nicht nur die Tatsache,
    dass sich das Bild abspielen lässt, faszinierend.


    Ein echt großes Stück Musik!

  • Unglaublich, dass Du diesen Thread aufmachst, P.! Danke!
    Gerade kürzlich erlebt - Anfang Januar.
    Beerdigung. Der Weg von der Kirche zur Grabstelle zu weit für meinen alten Onkel. Anschließend sollen wir zur Gedenk-Kaffeetafel ins Restaurant um die Ecke, das liegt gegenüber seinem Haus. Ich begleite ihn, er checkt die Zeit, ich soll' doch bitte mit 'reinkommen. Vertraute Stube, Sonne, vertrauter Geruch,wir haben lange Tür an Tür gewohnt. Dem alten Mann sind alle Lieben verstorben in den letzten 10 Jahren, Ehefrau, Tochter, neue Partnerin, alles weg. Nun auch noch seine Cousine und lebenslange Nachbarin.
    Er rückt mir den Stuhl an seine Hammond-Orgel, nimmt die schwarze Plastikhaube ab, setzt sich auf den Hocker und spielt die ersten Noten für mich. Normal wären jetzt seine Seemanslieder oder friesische Weisen. Ich lausche.
    Weißt Du, beginnt er, ich war lange in Gefangenschaft. Da haben wir jeden Abend immer 'was gesummt. Das hat mich nie losgelassen. Jetzt hab' ich mir endlich die Noten besorgt. Nur den Text finde ich nirgendwo. Und dann spielt der 85 jährige weißhaarige Mann im dunklen Zwirn für mich den Gefangenenchor von Nabucco, den er sich autodidaktisch selbst beigebracht hat auf der Hammond-Orgel an den langen Abenden in seinem stillen Haus.

    3 Mal editiert, zuletzt von Get-in-to-get-Out () aus folgendem Grund: PS Ich hab ihm den Text aus Inet nächsten Tag vorbeigebracht.

  • Mit diesem Stück verbinde ich recht seltsame Erinnerungen. An meiner ersten Pfarrstelle hatte ich bei Trauungen desöfteren mit einem Panflötisten zu tun, der sich "erdreistete" den Gefangenenchor jeweils nach dem Trauakt mit seiner Panflöte zu "massakrieren". Ihr merkt schon, Panflöte ist für mich ganz generell das "Instrument des Grauens". Aber der Gefangenenchor nach einem Trauakt, das hat dann schon wieder satirische Qualitäten, die nicht zu leugnen sind. Allerdings befürchte ich, dass jeniger Flötist sich der Ironie seines Spiels gar nicht recht bewusst war. Jedenfalls hat er sich dumm gestellt, als ich ihn mal drauf angesprochen habe.
    Nichtsdestotrotz ist Verdi ein Meister der Opernchöre und der Gefangenenchor ein schönes Beispiel dafür.

    "Don't get up gentlemen, I'm only passing through"

  • Unglaublich, dass Du diesen Thread aufmachst, P.! Danke!
    Gerade kürzlich erlebt - Anfang Januar.
    Beerdigung. Der Weg von der Kirche zur Grabstelle zu weit für meinen alten Onkel. Anschließend sollen wir zur Gedenk-Kaffeetafel ins Restaurant um die Ecke, das liegt gegenüber seinem Haus. Ich begleite ihn, er checkt die Zeit, ich soll' doch bitte mit 'reinkommen. Vertraute Stube, Sonne, vertrauter Geruch,wir haben lange Tür an Tür gewohnt. Dem alten Mann sind alle Lieben verstorben in den letzten 10 Jahren, Ehefrau, Tochter, neue Partnerin, alles weg. Nun auch noch seine Cousine und lebenslange Nachbarin.
    Er rückt mir den Stuhl an seine Hammond-Orgel, nimmt die schwarze Plastikhaube ab, setzt sich auf den Hocker und spielt die ersten Noten für mich. Normal wären jetzt seine Seemanslieder oder friesische Weisen. Ich lausche.
    Weißt Du, beginnt er, ich war lange in Gefangenschaft. Da haben wir jeden Abend immer 'was gesummt. Das hat mich nie losgelassen. Jetzt hab' ich mir endlich die Noten besorgt. Nur den Text finde ich nirgendwo. Und dann spielt der 85 jährige weißhaarige Mann im dunklen Zwirn für mich den Gefangenenchor von Nabucco, den er sich autodidaktisch selbst beigebracht hat auf der Hammond-Orgel an den langen Abenden in seinem stillen Haus.



    Danke für diese schöne (wenn auch aus traurigem Kontext) Geschichte! ;)
    Sehr berührend.

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  • Unglaublich, dass Du diesen Thread aufmachst, P.! Danke!
    Gerade kürzlich erlebt - Anfang Januar.
    Beerdigung. Der Weg von der Kirche zur Grabstelle zu weit für meinen alten Onkel. Anschließend sollen wir zur Gedenk-Kaffeetafel ins Restaurant um die Ecke, das liegt gegenüber seinem Haus. Ich begleite ihn, er checkt die Zeit, ich soll' doch bitte mit 'reinkommen. Vertraute Stube, Sonne, vertrauter Geruch,wir haben lange Tür an Tür gewohnt. Dem alten Mann sind alle Lieben verstorben in den letzten 10 Jahren, Ehefrau, Tochter, neue Partnerin, alles weg. Nun auch noch seine Cousine und lebenslange Nachbarin.
    Er rückt mir den Stuhl an seine Hammond-Orgel, nimmt die schwarze Plastikhaube ab, setzt sich auf den Hocker und spielt die ersten Noten für mich. Normal wären jetzt seine Seemanslieder oder friesische Weisen. Ich lausche.
    Weißt Du, beginnt er, ich war lange in Gefangenschaft. Da haben wir jeden Abend immer 'was gesummt. Das hat mich nie losgelassen. Jetzt hab' ich mir endlich die Noten besorgt. Nur den Text finde ich nirgendwo. Und dann spielt der 85 jährige weißhaarige Mann im dunklen Zwirn für mich den Gefangenenchor von Nabucco, den er sich autodidaktisch selbst beigebracht hat auf der Hammond-Orgel an den langen Abenden in seinem stillen Haus.


    Auch ich musst ziemlich schlucken, als ich das gelesen haben.


    Vorhin habe ich mal zum Chor die Harmonien gespielt, gestaunt, wie kindisch einfach es ist und dennoch hat es nichts von seiner Faszination eingebüßt. Der Chor gibt Hoffnung.

    Gedankenrauschen – Da geht noch was!

  • Die große Beliebtheit des Gefangenenchores könnte daran liegen, dass er Volksliedcharakter hat. Klassische Komponisten wie z. B. Bach, Tschaikowsky, Brahms, oder eben Verdi haben sich oft an der "Seele" der Musik ihres Volkes orientiert. Nun finde ich, dass der Chor keinen hebräischen Charakter hat, sondern eher italienischen, was bei Verdi ja auch Sinn macht. Die Struktur solcher Stücke erleichtern es dem Hörer, schon bald mitsummen zu können. Das erging mir als Kind - meine Eltern fanden Nabucco natürlich auch klasse -nicht anders. Bei dem Gefangenenchor ist es dann geblieben. Ich kenne keine weitere Note der Oper. Weiß jemand mehr darüber (nicht über die Handlung sondern über die Musik)?

    I'll never find a better time to be alive than now.

    Peter Hammill (on "X my Heart")

  • @ Aprilfrost: Die gesamte Oper durfte ich in meiner Kindheit mehrfach hören, aber hängen geblieben ist nur der Chor.


    Aber ich nehme es mal zum Anlass, mir eine CD der Oper zuzulegen, nachdem ich in den letzen Monaten mal im Bereich Klassik aufgestockt habe: Mozarts Requiem, Puccinis Tittico, Holsts Planeten ...

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  • Wie auch immer diese Berührung unseres Innersten durch Musik zustande kommt - dieser Thread spricht mal wieder in unterschiedlichen und sehr lesenswerten Variationen von ihrer geheimnisvollen Zauberkraft. Hier ein weiteres Mal zu lesen, dass das wirklich so ist, macht mich leider sentimental.


    Ich habe keine Geschichte dazu. Ich wusste seit langem, dass dieser Chor ein "Klassik-Hit" ist. Gehört habe ich ihn aber hier zum ersten Mal, und in Verbindung mit den Postings war das wirklich schön.
    Bei mir ging übrigens sofort die "Italien"-Lampe an: Diese Art der direkt-sinnlich-schlichten melodischen Eleganz bringe ich vor allem mit Verdi, Rossini, Puccini & Co in Verbindung. Meine Schwiegermutter war neulich bei einer Opernaufführung in Verona, es könnte in der Tat "Nabucco" gewesen sein. Sie erzählte, dass sich die Melodien wirklich ganz unmittelbar auf das einheimische Publikum übertragen, so wie es in Deutschland niemals zu spüren wäre - wenn dann der höchste Ton naht, dann sammelt sich alles schon in gespannter Erwartung...und wenn er dann da ist, gibt es einen großen ruckartigen, leidenschaftlich ausgestoßen Kollektivseufzer...
    Muss mal fragen, wie das italienische Gemüt auf den Gefangenenchor reagiert hat, falls es wirklich "Nabucco" war.