Das Zukleistern mit Text kann ich gut nachvollziehen. Dies war allerdings das Merkmal verdammt vieler Songs vor allem der Gabriel zeit. Bei Battle of Epping Forest ist es wirklich verherend, genauso störend auch bei Hogweed, teilweise Salmacis oder der Anfang von The Kife, Ich mag alle drei songs, aber dieses zurattern mit Text ist wirklich ein Nacheil. Bei Squonk jedoch hält es sich meiner Meinung nach noch so sehr in Grenzen, dass es den Song nicht stört. Phil singt teilweise über, teilweise aber auch mit der Melodie und dem Rhytmus und diese Mischung hört sich für mich noch gut an.
SdW [05.-11.07.10]: GENESIS - Squonk
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Ich kann's versuchen.
Für meine Begriffe gibt es kaum einen Song, in welchem sich Gabriel-Ära und Collins-Ära so überzeugend und geradezu sinnbildlich begegnen. Der Song lässt den Blick gleichermaßen zur alten "schrulligen" Bandtradition schweifen wie auch geradezu prophetisch bis hin zum kommerziellen Erfolg der 80er / 90er.
Hier gibt's mal wieder ein Abtauchen in die Welt der Sagen und Märchen, in eine epische Parallelwelt, die explizit kaum Anknüpfungspunkte zur gesellschaftlichen Realität aufweist.
Und die Perspektive der Darstellung ist in sich mal wieder sehr mehrdeutig, sodass der Hörer hier wie zu Gabriel-Zeiten aktiv Zusammenhänge konstruieren und inhaltliche Leerstellen füllen muss.
Wesentlich für die Art der Darbietung scheint mir hier aber auch das Theatralische zu sein. Da wird in dieser hybriden Erzählsituation oftmals wörtliche Rede zumindest suggeriert, da wird wiederholt jemand angesprochen, werden Imperative formuliert, Handlung fast szenisch-anschaulich vermittelt.Keine Frage: Diese Art der "theatralischen Epik" verweist auf die Bandtradition, bedeutet ästhetische Kontinuität.
Und da kommen jetzt auch Phils Vocals ins Spiel. Dass "Squonk" möglicherweise der erste Song ist, an welchem Phil zeigen konnte, dass er der richtige Frontman ist, scheint mir eher ein äußerlich-zufälliger Umstand zu sein. Nein, Phil zeigte hier einfach sehr überzeugend, dass er die theatralische Bandtradition auf seine eigene Weise bedienen und fortsetzen konnte. Auch deswegen nimmt "Squonk" für mich eine recht bedeutsame Stellung ein. Genesis - zuvor oftmals zu sehr auf den schillernden Gabriel reduziert - brauchten vor diesem Hintergrund keinen zu riskanten Bruch mit der Vergangenheit zu provozieren. Phil machte es möglich. Er stand hier gleichermaßen für die Emanzipation von Gabriel als auch für die Anknüpfung an ihn.
Musikalisch gibt's auch weitere Anknüpfungspunkte zur Gabriel-Ära. Da sind zunächst einmal die längeren, ausladenderen Melodiebögen, z.T. von Tony gespielt, aber eben auch von Phil gesungen. Diese Melodien haben nur wenig mit der Kurzatmigkeit der kommerzielleren Bandphase zu tun, sind keine auf Gefälligkeit abzielenden Ohrwürmer. Gerade rhythmisch befinden sie sich fast dauerhaft im Fluss anstatt leicht fassbare, prägnante Motive zu etablieren. Hier werden keine Slogans auf's vegetative Nervensystem abgefeuert, sondern eben Text erzählt - durchaus farbig und anschaulich (s.o.).
Über das Outro hatte ich mich schon geäußert. Hier findet die erwähnte Mehrdeutigkeit der textlichen Darstellung auch musikalisch ein Pendant. Das Outro ist kein Ausrufezeichen, sondern entspricht eher: ...? Dieses durchaus raffiniert wirkende Stilmittel findet sich zuvor (und natürlich nicht gänzlich analog) z.B. in "Dancing with the moonlit knight".
Zudem: "Squonk" hat für ATOTT sowie für "Seconds out" eine konzeptionelle Funktion. Das zeigt sich ja in "Los endos", wo eine harmonisch-melodische Wiederaufnahme stattfindet - und das ja nun an einer spannungsmäßig äußerst wichtigen Stelle: kurz vor dem krönenden Abschluss (der ja von der Wiederaufnahme von "Dance on a volcano"-Motivs bestimmt wird). In diesem Sinne: Ohne "Squonk" würde sich in "Los endos" nicht dieser musikalische Kreis schließen, das "Konzept" von ATOTT wäre sehr viel loser geknüpft.
(Bei "Seconds out" wird dies ja insofern verändert, als dass "Squonk" hier als Einstieg gewählt wird, der aber ebenfalls eine zirkuläre Albumstruktur mit "Los endos" als letztem Stück ermöglicht.)Und zuletzt: "Squonk" weist eine rockige Art der Geradlinigkeit auf, die hier schon recht früh auf die Zukunft der Band verweist. Soundmäßig wird geklotzt (z.B. bei den Drums und dem Bass), die Dynamik des Songs bleibt überwiegend auf einem (recht hohen) Grundlevel, sodass feinere Klangschattierungen oder -abstufungen nicht mehr so die Rolle spielen. Phils Drumming ist notentechnisch sehr abgespeckt / klar / transparent gehalten - offensichtlich mit Blick auf die große Gesamtwirkung.
In diesem Sinne lässt sich hier schon der Wandel von der "proggigen" Komplexität hin zum "poppigen" Minimalismus in entscheidenden Ansätzen ausmachen.
Sehr interessanter Beitrag, kann ich gut nachvollziehen.
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Townman: Danke, dass Du für mich noch einmal dargelegt hast, was Squonk in Deinen Augen in der Geschichte von Genesis so relevant macht. Ich bin überrascht, in wie vielem ich problemlos zustimmen kann - und doch finde ich, dass Squonk gerade deshalb abfällt, weil es ein janusköpfige Hybride ist. Aber hier werden wir wohl nur darin übereinstimmen, dass wir nicht übereinstimmen...
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Townman: Danke, dass Du für mich noch einmal dargelegt hast, was Squonk in Deinen Augen in der Geschichte von Genesis so relevant macht. Ich bin überrascht, in wie vielem ich problemlos zustimmen kann - und doch finde ich, dass Squonk gerade deshalb abfällt, weil es ein janusköpfige Hybride ist. Aber hier werden wir wohl nur darin übereinstimmen, dass wir nicht übereinstimmen...
Ja, dass der Song Elemente beider Ären in besonderer Weise vereint, muss sicherlich nicht bedeuten, dass er gelungen ist. Abgesehen davon, dass ich ihn mag und er konzeptionell eben auch über sich selbst hinausweist, finde ich es aber manchmal auch ganz spannend zu sehen, dass wichtige Songs wirklich nicht immer die besten sein müssen (z.B. in meinen Augen "The musical box", "Land of confusion"...).
Allerdings gibt es derlei Janusköpfiges in der Folgezeit immer wieder ("[Second] Home by the sea", "The dividing line", "Domino", "Behind the lines", "Abacab", "Say it's allright, Joe" usw. usw.). Gilt hier stets der "Weder-Fisch-noch-Fleisch-Gedanke" für dich?
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Allerdings gibt es derlei Janusköpfiges in der Folgezeit immer wieder ("[Second] Home by the sea", "The dividing line", "Domino", "Behind the lines", "Abacab", "Say it's allright, Joe" usw. usw.). Gilt hier stets der "Weder-Fisch-noch-Fleisch-Gedanke" für dich?
Nein. Gleichermaßen rückwärts- und vorwärtsgewandte Stücke gibt es ja zu mehreren allein schon auf TOTT (ich nenne nur mal DOAV, Los Endos). Nur ist Squonk in meinen Ohren eben das Stück, bei dem "es nicht klappt". Vielleicht in Variation eines alten feministischen Kalauers: "Als Genesis Squonk schrieben, haben sie nur geübt." Die anderen Stücke diskutieren wir dann in den respektiven SdW.
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Für mich eines der schwächsten Stücke auf aTooT!
Warum?
Es passiert an vielen Instrumentenpositionen über weite Strecken zu wenig. Zwar ist das Drumming,wie townman so schön schrieb ein Genuss.Die Stereoeffekte bei Toms und Snare bringen Spass.
Aber Rhythmusgitarre und Bass sind über weite Strecken stumpf. Gerade die Pedals in den Strophen bremsen den Drive der Drums kräftig aus.
Weitaus lebendiger und farbiger dann der "mirror..."-Teil,Steves Vibratoeffekt,schöne Gesangsmelodie.Am Schluss wird dann auch im Bassbereich etwas fahrt aufgenommen, und als es dann nach dem Finale im Instrumentalteil richtig schön wird, wird auf einmal ausgeblendet. Warum bloss? Da hätte man erheblich mehr herausholen müssen. Schade.
Was bedeutet nun relativ schlecht auf aTooT? Gut! Gemessen am Instrumentalteil von Robbery,Assault&Battery ( das beste,wirklich hinreissendste,was Genesis je schufen) oder Los Endos vermag Squonk mich an keiner Stelle richtig zu packen, aber gemessen an den meisten Stücken nachfolgender Alben ist dies immer noch Qualitätsmusik.
11 1/2 P
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Bei all den wissenschaftlichen Beiträgen hier bleibt nur eins zu sagen:
Squonk ist für mich über jeden Zweifel erhaben! Ein Stück, welches es schafft einen Zuhörer über 3 Jahrzehnte zu begeistern das schafft den Rest auch noch! Full Points!
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Die erste Assoziation, die ich bei diesem Titel habe, sind die ersten Sekunden der Studioversion. Wie sich dieser schwere Drumbeat und das 12 String Gitarrenriff plötzlich aus dem "Mellotronnebel" von Entangeld hervorhebt, ist einfach wunderbar. Der typische Genesis Eskapismus funktioniert für mich auf TotT besser als auf allen Alben vorher und nachher. Die Texte, Melodien und die filigranen Arrangements, der Gesangsvortrag und natürlich auch das brilliante Hipgnosis Artwork korrespondieren hervorragend miteinander.
Auch auf Squonk, im Gegensatz zu palmeo habe ich eine andere Theorie zur Verbindung Musik/Text. Der Text übernimmt ja mehr oder weniger die Perspektive der Jäger, mit all ihrer Großspurigkeit und ihrer eingebildeteten Heldenhaftigkeit. Das massive Getrommel könnte auch eine Treibjagd symbolisieren. Letztlich entpuppt sich das unbekannte, vielleicht gefährliche Fabelwesen, als flüchtige, schemenhafte und harmlose Gestalt.(Mittelteil)
Mit dem Livetrack habe ich meine Probleme. Da ist es für mich nicht der kraftvolle Rocker, den ich bei einem Konzert gerne hätte, da bin ich wohl ziemlich einfach gestrickt. Da fehlen die heftigen Gitarren, die an sich ja wirklich schöne Keyboardmelodie nimmt eher den Drive raus.
Die "Experimente" der Band, also das eigenwillige Getrommel von Bruford oder Phils Bemühungen als Rockshouter 1980 machen die Sache für mich nicht besser.Studio 12 Punkte Live: 9 macht 11 Punkte
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Die erste Assoziation, die ich bei diesem Titel habe, sind die ersten Sekunden der Studioversion. Wie sich dieser schwere Drumbeat und das 12 String Gitarrenriff plötzlich aus dem "Mellotronnebel" von Entangeld hervorhebt, ist einfach wunderbar. Der typische Genesis Eskapismus funktioniert für mich auf TotT besser als auf allen Alben vorher und nachher. Die Texte, Melodien und die filigranen Arrangement, der Gesangsvortrag und natürlich auch das brilliante Hipgnosis Artwork korrespondieren hervorragend miteinander.
Auch auf Squonk, im Gegensatz zu palmeo habe ich eine andere Theorie zur Verbindung Musik/Text. Der Text übernimmt ja mehr oder weniger die Perspektive der Jäger, mit all ihrer Großspurigkeit und ihrer eingebildeteten Heldenhaftigkeit. Das massive Getrommel könnte auch eine Treibjagd symbolisieren. Letztlich entpuppt sich das unbekannte, vielleicht gefährliche Fabelwesen, als flüchtige, schemenhafte und harmlose Gestalt.(Mittelteil)
Mit dem Livetrack habe ich meine Probleme. Da ist es für mich nicht der kraftvolle Rocker, den ich bei einem Konzert gerne hätte, da bin ich wohl ziemlich einfach gestrickt. Da fehlen die heftigen Gitarren, die an sich ja wirklich schöne Keyboardmelodie nimmt eher den Drive raus.
Die "Experimente" der Band, also das eigenwillige Getrommel von Bruford oder Phils Bemühungen als Rockshouter 1980 machen die Sache für mich nicht besser.Studio 12 Punkte Live: 9 macht 11 Punkte
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Fripp In der Tat war Squonk mit Bill sehr zwiespältig. Da finde ich die 78er Version ausgewogener, vor allem dynamischer gespielt als auf der Duke Tour. Höre es dir am besten selber an, ich finds so genial
Genesis Live 1978 New York Squonk Great Performance - YouTube