SdW [08.-14.03.10]: GENESIS - Watcher Of The Skies

  • 12 Punkte


    Wie viele Stücke aus der Gabriel-Zeit funktioniert auch dieser Song für mich am besten live und visuell umgesetzt. Gefesselt hat mich dieser Song deshalb vor allem live von TMB ! Genialer kann man kaum spielen denk ich, und überhaupt zeigte die komplette Show glaub ich genau das was die Band damals wollte bzw wie sich die Songs erklären sollten. Es war einfach der Hammer und Gänsehaut pur !
    Aber es gibt mit Sicherheit durchaus stärkere Stücke...

    Only you know and i know...

  • Jetzt schreib ich mal was zum SdW:
    Also erstmal, für die Statistik im ersten Post: bitte Liveversion 1982 (TSL Encore Tour) ergänzen, wurde weiter oben schon erwähnt. Immer wieder eindrucksvoll: Rom 1982. Wenn tausende Italiener nach 7 Jahren ohne Genesis-Konzert und nach einem absoluten Hammerset merken, was da nach The Lamb noch kommt...


    Ich habe 15 Punkte vergeben, ohne zu zögern.
    Wenn man Genesis mit Gabriel liebt, dann kann es eigentlich nur diese Bewertung geben.
    Genau das ist Genesis: was für ein abgefahren pseudoklassisches Intro, was für ein fast geometrisch strukturierter Aufbau, was für ein Text, was für ein Sound!
    Leute, Ihr habt das vielleicht seit ein paar Jahren nicht mehr laut gehört. Aber fahrt mal nachts über die Autobahn und hört Euch die Version von der "Live" im TM Productions Remaster an, oder Rainbow 1973 (als originaler Radiomitschnitt) oder Empire Pool 75 (um mal die mit dem besten Sound von jeder Tour zu nennen)!
    Empfohlene Lautstärke: kurz vor dem Tod Eurer Boxen.


    Das Mellotron!!! Schon der kurze Moment auf der "Live" (Dutch Test Pressing), wenn das Band anläuft und man kurz noch leise "Mellotronvorbereitungen" hört, dann kurze Stille, dann das Intro - WAHNSINN!
    Dank an The Musical Box, daß ich das mal mit Bühnenshow live sehen konnte. Meine Haare auf den Armen hoben fast meinen Pulli an. Unbeschreiblich, unvergesslich.

    Genesis-Fan seit 1991. Interessenschwerpunkt: 1970 bis 1980 ;)

    4 Mal editiert, zuletzt von Mellotron ()

  • 14 Punkte


    Mein erster Kontakt mit den alten Genesis. Das Intro, daß im Konzert so wirkt "als würde ein Raumschiff landen" - Zitat Steve Hackett. Der Morserythmus, das Anschwellen der Akkorde, die Bassgitarre und los gehts....
    Ein kleiner Schwachpunkt: Der Text. "Watcher of the skies - Watcher of all" - das klingt, wenn es nicht so kultig wäre - sehr.....keine Ahnung. Unbeholfen?!?
    Nix für ungut. Das Outro fasziniert immer wieder und reißt mit. Nicht nur dank des Mellotrons, sondern m.E, hauptsächlich wegen Phil, der auf der "Live" da echt stark voran geht.
    Das Jaulen von Steves Gitarre, zu dem man sieht wie Peter langsam hinter dem Tamburin hervorlugt - zeitlos gut.

    Music is the best

    • Offizieller Beitrag

    Zwei unwahrscheinliche Welten treffen zusammen und bringen eine dritte hervor.


    Die erste Welt war der Ausblick, den Mike und Tony vom Dach eines Hotels in Neapel hatten, ein Blick in eine vollkommen menschenleere, verlassene Landschaft, auf die Welt nach dem Menschen. Der Gedanke, dass es eine Welt ohne Menschen geben, dass dieser Moment gar nicht so weit weg sein könnte, war Anfang der 70er noch viel stärker als heute, da der Kalte Krieg vorbei ist und die Wahrscheinlichkeit eines weltumspannenden Nuklearkriegs wenigstens gesunken ist.


    Die zweite war - wieder einmal - die literarische Welt. Motive aus Arthur C. Clarkes Science-Fiction-Geschichte Childhood's End verbinden sich mit einem Sonett aus der Feder eines der bedeutendsten englischen Dichter der Romantik, John Keats, in der er seine Gefühle beschreibt, als er zum ersten Mal in Chapmans Übersetzung der homerischen Epen ins Englische liest:


    "Viel bin ich in den Gefilden des Goldes gereist, / und habe viele gute Staaten und Reiche gesehen; / Habe viele westliche Inseln umkreist, / die die Barden als Lehen Apollos halten. / Oft wurde mir von einer großen Ebene berichtet, / die der tiefbrauige Homer als seine Domäne beherrschte; / doch atmete ich nie ihre ruhige Gelassenheit, / bis ich Chapman laut und kräftig sprechen hörte: / Da fühlte ich mich wie ein Himmelsbeobachter / wenn ein neuer Planet in sein Blickfeld schwimmt; / oder wie der beherzte Cortez, als er mit Adleraugen / auf den Pazifik starrte - und all seine Leute / einander mit wilden Mutmaßungen ansahen - / still, auf einem Gipfel in Darien." *)


    Die beiden Welten wirbeln durcheinander, geben und nehmen, und dann zeigt sich eine neue Welt: Ein Planet, auf dem es einmal Leben gegeben hat. Chapmans "watcher of the skies" gibt dem Stück seinen Titel, doch dreht sich die Welt unter seinen Füßen hinfort, und er ist kein Astronom mehr, der den Himmel beobachtet, sondern ein Außerirdischer. Ein Wesen, das schon so lange durchs Weltall reist, dass ihm nichts darin mehr fremd ist, nichts mehr unbekannt.
    Und dann entdeckt er zu seiner Überraschung einen Planeten, den er doch noch nicht kennt.


    Die zweite Strophe skizziert seine Beobachtungen: Auf dem Planeten gab es Leben, das so weit entwickelt war, dass es sichtbare Spuren hinterlassen hat. Ihre Herrschaft ist jedoch vorbei, sie sind verschwunden. Das Leben hat sie ausgerottet, und dieses Oxymoron ruft förmlich nach der Auflösung, dass es doch wohl die Lebewesen waren, die sich selbst ausgerottet haben. Für den außerirdischen Besucher ist das nichts Neues: Spielen sie jetzt woanders? Kennen sie denn nur diese albernen, kindischen Spielchen? Vielleicht hat "das Leben" es mit dieser Spezies, als sie begann, ihm insgesamt gefährlich zu werden, es genauso gehalten wie die Eidechse: Sie hat diese Lebewesen wie den Schwanz abgeworfen- zur Schadensminimierung. Für den Außerirdischen ist das wahrscheinlich nur ein Schulterzucken wert: So ist es eben, das Leben. Für uns Hörer hält das Ende der Strophe aber eine wichtige Information bereit. Es ist in der Tat ein Außerirdischer, und er betrachtet, was von unserer Zivilisation übrig geblieben ist.


    Soll man die Menschheit nach dem beurteilen, was sie hinterlassen haben? In einer sehr kühnen Parallele - wie Gott die Menschen geschaffen hat, so haben die Menschen die Welt in dieser Form gestaltet - wird der Gedanke weitergeführt.


    Wer spricht da eigentlich zu wem in der dritten Strophe?


    Spricht der Außerirdische? Aber zu wem? Und warum sondert, wer auch immer da spricht, solche (Hippie-)Gemeinplätze ab: "Vom Leben allein zum Leben als Eins (ein Ganzes)", dann der gänzlich abgegriffene Vergleich des Lebens mit einer Schiffsreise, der schon bei Horaz nicht mehr ganz frisch war. Dann allerdings kommt noch einmal eine faszinierende Wendung: Es sind "uralte Kinder", die diese Ratschläge erhalten. Vielleicht sind damit die (zum Teil uralten) Hochkulturen als Produkte, als Sprößlinge der Menschen gemeint?


    Die letzte Strophe wird wiederum noch eigentümlicher. Wieder stellt sich die Frage: Wer spricht jetzt? Sind es die Menschen, die dem Außerirdische antworten: Ja, wir sind vergangen, verschwunden. Du bist noch dort, aber bedenke, welchen Preis du dafür bezahlst: Es ist allein dein Schicksal, allein zu sein und zu bleiben. Vergänglichkeit als Preis für Gemeinschaft?


    Spannend. Und verwirrend.


    Watcher Of The Skies gehört zu den Stücken, von denen ich genau weiß, wann und wo ich sie zum ersten Mal gehört habe. Eine brüllend heißer Sommertag 1991; ich hatte Foxtrot in einer Freistunde bei dem Plattenladen gekauft, der damals noch ein wirklicher Plattenladen war. Also auf Vinyl. Heimgekommen, die Platte aufgelegt, die Anlage aufgedreht... und auf einmal donnert, wirbelt, flutet das ganze heiße Wohnzimmer mit diesem mächtigen Mellotron... dann der Morsecode**), und dann ging's los. Ein magisches Musikerlebnis.


    Das ich allerdings in dieser Intensität bei diesem Stück nie wieder erlebt habe. Ich höre das Stück eigentlich auch nur noch sehr selten. Wenn ich Foxtrot auflege, beginne ich meistens erst mit Time Table. Aber als ich das Album - es war mein erstes "altes" Genesisalbum - als ich es zum ersten Mal hörte, zum ersten Mal Watcher Of The Skies, da tat sich für mich eine neue musikalische Welt auf und ich stand da, wie Cortez, "still auf einem Gipfel in Darien".



    (noch) Gut: 10 Punkte.




    *) Much have I travell'd in the realms of gold,
    And many goodly states and kingdoms seen;
    Round many western islands have I been
    Which bards in fealty to Apollo hold.
    Oft of one wide expanse had I been told
    That deep-browed Homer ruled as his demesne;
    Yet did I never breathe its pure serene
    Till I heard Chapman speak out loud and bold:
    Then felt I like some watcher of the skies
    When a new planet swims into his ken;
    Or like stout Cortez when with eagle eyes
    He star'd at the Pacific — and all his men
    Look'd at each other with a wild surmise —
    Silent, upon a peak in Darien.


    **) Der Morsecode ergibt, wenn man ihn als solchen lesen möchte, keine sinnvolle Buchstabenkombination (habe ich mir von einem ehemaligen Berufsfunker sagen lassen)

  • "Wenn ich Foxtrot auflege, beginne ich meistens erst mit Time Table".
    Ach komm, oder? :huhu:

    Genesis-Fan seit 1991. Interessenschwerpunkt: 1970 bis 1980 ;)

  • 14 Punkte! Watcher of the Skies...

    Eine geniale Einleitung für das Album.

    Und dieses Mellotron-Intro...EINFACH MAGISCH

    Tony Banks: Danke!!! Ich :verneigen: mich...

    Also: Daumen hoch für Watcher of the Skies :topp:

    Play me my Song.
    Here it comes again.

  • Also ich war 8 Jahre Morsefunker und das 'morsen' ist mir heute erst aufgefallen. Ist aber saumäßig schnell und nicht gerade leicht rauszuhören. Vielleicht wenn man nur die betreffende Tonspur hören würde. Ansonsten stört der Rest zu sehr.

    The ice-cold Knife has come to decorate the dead ... somehow

  • Ganz ernsthaft: Ja. Inzwischen sind mir Time Table und Can-Utility die liebsten Stücke auf der ersten Albumseite.


    ps.: Schnell gelesen! Respekt.


    Danke, ich mach da beruflich was in der Richtung...


    Du hast Dir (nicht zum ersten Mal) viel Mühe gemacht mit einem längeren Interpretationstext inkl. Quellensuche. Dafür wiederum meinen Respekt!
    Ich für meinen Teil finde den Text an sich gut und passend: Rhythmus, Wortwahl, Sprachmelodie.
    Hey, die Typen waren 21/22, hatten wieder Musik zusammengeklöppelt und brauchten dafür noch einen Text.
    Idee für das Stück war ja höchstwahrscheinlich beim Gig in Neapel am 19. April 1972, und dann gibt es schon die erste überlieferte Liveaufnahme des Stücks am 26. Juni (Paris) bzw. (wohl weiter verbreitet) am 28. Juni in Watford. Dazwischen 32 Gigs in (gerundet) 70 Tagen!
    Nebenbei noch junge Familien zu Hause UND den klitzekleinen Rest von Foxtrot schreiben, das ja im Sommer aufgenommen wurde. Und war nicht auch die Hochzeit von Tony Banks im Sommer 1972? Genaues Datum stand vor einigen Jahren mit dem Hochzeitsfoto in der gedruckten "it"...
    Was ich damit sagen will: Die werden die literarische Vorlage gekannt haben und dann schnell einen Text dazu geschrieben haben, ohne bis ins Kleinste darüber nachzudenken. Wuchtig klingen mußte es. Gabriel hat ja auch kleine Teile der Gesangsmelodien zwischen Juni und August in Reading (Solihull im Juli hab ich leider noch nicht) noch geändert.


    Im übrigen eine total spannende Sache, mal bei Genesis "work in progress" zu erleben.
    Korrigiert mich, aber ist das mit Gabriel außer bei Watcher, Can-Utility, Alehouse und Happy The Man sonst nicht weiter dokumentiert?
    Stagnation und Looking For Someone waren immerhin bei der BBC vorher.
    (The Light und die Jackson Tapes mal außen vor, da sind es ja jeweils ganz andere Stücke)
    Es ginge also um Songs, die erst nach ihrer Livepremiere aufgenommen wurden.
    Wäre eigentlich ein extra Thema, sorry!

    Genesis-Fan seit 1991. Interessenschwerpunkt: 1970 bis 1980 ;)

    2 Mal editiert, zuletzt von Mellotron ()

  • Watcher war ein Stück, welches ich mir erst aneignen musste. Zu fremd war das alles beim ersten Anhören (das war übrigens anlässlich eines TMB-Konzertes, zu welchem ich eine Freikarte gewonnen hatte).
    Doch heute hat der Song den Weg durch meine Gehörgänge gefunden und gehört zu meinen Lieblingen. 15 Punkte von mir.

    "Don't get up gentlemen, I'm only passing through"