Belanglose Popmusik?!

  • Ach noch etwas, Herma. Definiere doch bitte mal "Prog". Wenn ich mich recht entsinne, sagten Genesis selbst in Interviews meist, sie wüßten nicht mal, was das eigentlich sein soll.


    genesis: Ich stimme Dir zu, diese Threads sind Brechmittel. Mußte mir bloß mal Luft machen und werde - es sei denn, es kommt noch ein besonders dämlicher Beitrag - nur noch mitlesen.

    Showing no fear of what lies up ahead,
    they'll never see the likes of us again!

  • Zitat von Duke

    Auch, wenn Du das scheinbar nicht nachvollziehen kannst, ich mag halt alles, egal aus welcher Zeit. Kannst Du das nicht verstehen, oder willst Du das nicht verstehen, zumindest aber respektieren? Du magst mich nun für einen kritiklosen Idioten halten, aber das ist mir sowas von egal.


    Was bist du denn so angepisst? Ruhig Blut. ;) Scheinbar lag ich mit meiner 'Hardcore-Fan'-Definition bei dir gar nicht mal so daneben - deine Sammelleidenschaft ist zumindest sehr ausgeprägt. (Das war jetzt eine liebevolle Feststellung - also ruhig sitzenbleiben, Sammler sind keine Idioten !!)


    Zitat von genesis

    Ich finde diese, "Früher war Genesis besser-Threads" bzw. Diskussionen langsam zum Kotzen.
    Entweder man ist Fan (dann aber vom ganzen), oder man läßt es bleiben, basta.


    Zum ersten Punkt: Beachte diesen Thread einfach nicht - er ist gar nicht da. ;)
    Zum zweiten Punkt: Totaler Blödsinn. Gerade bei einer Band wie Genesis, die im Laufe der Zeit ihr musikalisches Erscheinungsbild so radikal geändert hat, muss man doch nicht jede Platte für die beste halten. Aber auch bei dir scheine ich mit 'Hardcore-Fan' den Nagel auf'n Kopf getroffen zu haben.

  • @Grob: Hardcore-Fan trifft's wirklich. Und mit Millionen Fans sind eben Genesis-Fans gemeint, und nicht Küblböck- o.ä. "Fans". Der Unterschied ist, die interessieren sich doch für ihre momentanen Idole in 6 bis 12 Monaten mit Sicherheit nicht mehr - bis dahin gibt's längst neues Frischfleisch, neue Castings etc., wir hingegen ...


    Interessantes Forum übrigens, das Du da woanders moderierst. Habe mir kürzlich die neue Metallica gekauft und eben ein Stückchen von 'nem ellenlangen Thread bei Dir verfolgt.

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  • Zitat von Duke

    Interessantes Forum übrigens, das Du da woanders moderierst. Habe mir kürzlich die neue Metallica gekauft und eben ein Stückchen von 'nem ellenlangen Thread bei Dir verfolgt.


    Jo, (auch) ein heißes Thema und eine kontroverse Diskussion. Gewisse Parallelen zu diesem Thread sind nicht von der Hand zu weisen. :mrgreen:

  • genesis: Fan von ganzem Herzen?? Also alles geil finden, egal was für ein Scheiß es ist??? Sorry, aber das ist nicht mein Ding...


    Duke: Genau so seh ich das. Ob gENESIS nun schwarze Messen feiern weiß ich nicht. Machen das Leute die für jeden Penny die Beine breit machen? :?: Wäre mir neu...


    @der Grob:

    Zitat

    Millionen Fans kaufen auch Platten von Daniel Küblböck, Dieter Bohlen, Scooter, Pur, etc. - das macht die Musik auch nicht unbedingt besser.


    Amen, sag ich ;)

    Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.

  • Und nochmals ich.


    Duke, du wolltest wissen, was Prog ist. Da ich zu faul zum selber tippen bin, war ich mal so frei, mich auf bei www.babyblaue-seiten.de zu bedienen. Laut Udo Gerhards definiert sich Prog folgendermaßen:


    1.1. Spielarten



    Die Frage "Was ist Progressive Rock?" gehört zu jenen Fragen, auf die man genauso viele Antworten bekommen kann, wie man Leute befragt. Und dies ist wirklich kein Wunder angesichts der ungeheueren Anzahl und Vielfalt an Künstlern und Spielarten, die dem Progressive Rock zugerechnet werden, wobei - natürlich - nicht jede dieser Variationen von jedem als Progressive Rock ansehen wird...


    Die übliche Palette reicht von den "Großen 4" Yes, Genesis, Emerson, Lake & Palmer (ELP), King Crimson über die jazzig-verspielte Canterbury-Szene (Soft Machine, National Health et al.), die bizarre Zeuhl-Gemeinde mit den Übervätern Magma, den eingängigeren Neoprog (Marillion, IQ, Pendragon usw.), die zwischen Freejazz, neuer Klassik und kommunistischer Programm-Musik oszillierenden RIO-Bands (RIO: Rock In Opposition) als da wären Henry Cow und Ableger, agressiven Prog-Metal à la Dream Theater, Krautrock aus Deutschland (z.B. Amon Düül II, Faust), die oft mit diesem in einem Atemzug genannte synthielastige kosmische Musik bzw. neue E-Musik von Tangerine Dream und Co. bis hin zur Jazz-Fusion, sei aus aus der Jazz-Ecke (Return To Forever, Mahavishnu Orchestra), sei aus aus der Prog-Richtung (Bruford, Area, Deus Ex Machina). Dazu Jethro Tull zwischen Folk und Hardrock, die kaum vergleichbaren Gentle Giant, Meister des Kontrapunkts, und der Rock-Exzentriker und genialisches Enfant Terrible Frank Zappa sowie tausende mehr.


    Diese Liste ist schon fast überwältigend uneinheitlich und vielfältig, dennoch gibt es einige Merkmale (siehe unten), die fast allen dieser Bands und Richtungen gemein sind, und die dazu führen, daß sie zum Progressive Rock zählen können. Natürlich hat nicht jede dieser Gruppen mit jeder ihrer Platten jedes "Prog-Kriterium" erfüllt, was die Kategorisierung nicht gerade einfacher macht, ebenso wie, daß manche der Bands im Laufe ihrer Geschichte ihren Sound teils mehrfach grundlegend geändert hat.


    1.2. "Progressive Rock" ist nicht unbedingt progressiv!


    Vor der Betrachtung einiger theoretischer Merkmale von Progressive Rock muß ein Mißverständnis ausgeräumt werden, daß wie kaum ein zweites zu Verwirrung und in nicht geringem Maße Feindseligkeit gegenüber Prog führt: Progressive Rock ist nicht gleichbedeutend mit progressivem Rock/Pop oder progressiver Musik.


    Die Genre-Bezeichnung Progressive Rock entstand aus einer historischen Entwicklung. Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger wurden viele Bands aus einer gewissen musikalischen Bewegung bezeichnet, die i.w. ihren Ursprung in der Hippie-Bewegung und in der englischen Gegenkultur hatte. Einige davon wurden die Urväter dessen, was heute als Prog bezeichnet wird, während aber auch viele entweder nach kürzester Zeit wieder im Nichts verschwanden oder heute nicht mehr als Prog-Bands betrachtet werden. Übrigens waren am Anfang die Grenzen zwischen dem, was als Psychedelic und was als Progressive bezeichnet wurde, noch sehr fließend.


    Natürlich waren viele dieser Bands damals im Wortsinne progressiv, da sie Rock- und Popformate weiter entwickelten und die Grenzen der Populären Musik zu erweitern versuchten. Und natürlich gibt es auch heute noch Progressive Rock-Künstler, die innovativ und originell sind. Aber ebenso werden heute Bands als Progressive Rock betrachtet, die sich in die musikalische Tradition einreihen, die in den Sechziger/Siebziger Jahren begründet wurde und die dabei teilweise bis zum Plagiat die großen Vorbilder kopieren oder zumindest großzügige Anleihen bei Sound, Format und Spielweise machen.


    Dahingegen werden viele musikalische Richtungen kaum umstritten nicht dem Progressive Rock zugeordnet, die unzweifelhaft progressiv sind. Ein gutes Beispiel dafür ist die Techno-Bewegung (einmal ein Kreuz schlagen: der Antichrist wurde beim Namen genannt!), die die Grenzen der Populären Musik in vielerlei Hinsicht weiter nach außen geschoben und auch in Sachen Entwicklung elektronischer Klänge viele fruchtbare Impulse gegeben hat, die von anderen Musikrichtungen aufgenommen wurden. Ironischweise beziehen sich dabei viele Techno-Künstler auf Vorbilder, die oft dem Prog zugesprochen werden (siehe Can, Tangerine Dream, Kraftwerk)...


    Fazit: die Bezeichung Progressive Rock darf nicht im Wortsinne verstanden werden, sondern ist lediglich ein Genre-Name, eine Schublade mit Label, in die bestimmte Bands und Künstler gesteckt werden können, teils gegen ihren Willen (z.B. wehrt sich Robert Fripp immer wieder dagegen, daß King Crimson als Teil der Prog-Bewegung betrachtet werden).



    1.3. Zur Sache, Schätzchen! (Merkmale des Prog)


    Als erste allgemeine Feststellung kann man festhalten, daß es im Progressive Rock darum geht, Konventionen und Beschränkungen des musikalischen Mainstream im Pop/Rock-Bereich zu sprengen. Darunter fallen z.B. die radiofreundliche 3-Minuten-Songlänge oder das formale Standard-Schema aus Strophe, Refrain, Bridge, die Übernahme und Transformation musikalischer Merkmale außerhalb der Blues-Tradition und viele andere Punkte, auf die unten näher eingegangen wird. Daß dabei eigene, prog-spezifische Konventionen entstanden (z.B. gibt es heutzutage kaum eine sogenannte Prog-Platte, die nicht mindestens einen "Longtrack" enthält, also ein Stück mit mehr als 9 oder 10 Minuten Laufzeit), die das Argument des "Grenzen sprengens" scheinbar ad absurdum führen, ist eine unvermeidliche Entwicklung; der entscheidende Punkt ist hierbei der Bezugspunkt "musikalischer Mainstream", dem gegenüber der Prog sich abzugrenzen versucht. Ein paar Zitate könnten hier hilfreich und erleuchtend sein:
    >> It is our goal to expand the frontiers of contemporary popular music at the risk of being very unpopular. We have recorded each composition with one thought - that it should be unique, adventurous and fascinating. It has taken every shred of our combined musical and technical knowledge to achieve this. <<


    Vom Album-Cover der Gentle Giant-LP Acquiring The Taste, 1971
    >> The music on this C.D. is not dancing music, but basically music for listening to. It is harmonically and rhythmically complex, designed to be as original as possible within the confines of the instrumental line-up; so it's pretty demanding on the listener's attention. <<


    Aus den Linernotes zum Debut-Album der Canterbury-Band Egg, 1970


    Wie weit die jeweiligen Künstler ihren eigenen Anspruch tatsächlich eingelöst haben, muß anderswo geklärt werden, z.B. in den entsprechenden Babyblauen Rezensionen.


    Eines der Resultate des oben erwähnten Ziels ist, daß Prog oft keine Musik ist, die sich ohne weiteres im Nebenbei-Hören erschließt (siehe das Egg-Zitat). Viele Prog-Platten setzen voraus, daß der Hörer sich intensiv auf die Musik einläßt und ihr durch aktives, bewußtes Hören die Chance gibt, sich zu entfalten. Dadurch ergibt sich fast zwangsweise (da Airplay in Radio und Musik-Fernsehsendern praktisch wegfallen), daß heutzutage Progressive Rock kaum kommerzielle Erfolge verbuchen kann und ein Dasein im Untergrund fristet, das nur durch den Einsatz und die Treue einer kleinen Fangemeinde und einer Schar opferbereiter Musiker überhaupt möglich ist. Warum dies in den frühen Siebziger Jahren anders war, ist eine Diskussion, die an anderer Stelle geführt werden muß.


    Und noch einmal die Warnung: die nun folgende Auflistung bestimmter musikalischer, textlicher und visueller Merkmale des Prog, die den Versuch der Erweiterung musikalischer Grenzen dokumentieren, kann nicht vollständig und objektiv sein. Keines dieser Merkmale ist hinreichend dafür, daß Prog vorliegt, ebenso wie kein einzelnes davon notwendig ist. Letzten Endes bleibt die Zuordnung einer Band oder Platte zum Prog tatsächlich eine Frage des Gefühls und des persönlichen Geschmacks. Aber dennoch scheinen die folgenden Kriterien vielen Prog-Bands im Laufe der Geschichte gemein zu sein.



    1.3.1. Eklektizismus


    Ein typisches Element des Prog ist Eklektizismus, d.h. Übernahme bestimmter Elemente aus verschiedenen Kunstrichtungen jenseits der populären Musik. Natürlich haben auch viele andere Rock-Künstler mit außermusikalischen und 'außerpop' Formen gearbeitet, aber gewisse Elemente sind ziemlich Prog-spezifisch:
    1.3.1.1.Musikalischer Eklektizismus



    Als nahezu unerschöpflicher kreativer Steinbruch für Prog-Bands hat sich insbesondere die klassische Musik erwiesen. Dies reicht von der Übernahme des musikalischen Formats der mehrsätzigen Suite (unzählige Beispiele) bis hin zum Versuch, Fugen zu komponieren (oder zumindest etwas ähnliches; siehe z.B. Carnival Fugue von Focus auf Focus 3 oder Fugue auf ELPs Trilogy. Auf Trilogy findet sich übrigens ein weiterer Versuch den Klassikern - dort: Ravel - nachzueifern: Abaddon's Bolero. Aber auf King Crimsons Lizard gab es ja schon zwei Jahre vorher einen Bolero; ein paar Jahre später zogen Heldon mit Bolero auf Stand By nach...).


    Die zu Rate gezogenen Epochen der klassischen Musik reichen von Mittelalter und Renaissance (Gentle Giant, Jethro Tull, Gryphon) über den Barock, insbesondere J.S.Bach (ELP, in neuerer Zeit Pär Lindh) bis hin zur Romantik und Spätromantik, deren Hang zum 150-Mann-Riesenorchester sich sicherlich in unzähligen bombastischen Prog-Passagen wiederspiegelt (vgl. auch King Crimsonss The Devil's Triangle, das eine kaum verschleierte Bearbeitung von Gustav Holsts Mars aus der The Planets-Suite enthält. Übrigens gehörte Mars in einer Bandbearbeitung zum regelmäßigen Live-Repertoire der ersten King Crimson-Besetzung). Auch das Mellotron verdankt seine Popularität bei Prog-Känstlern sicher seiner Fähigkeit, Streicher- und Chorklangfarben wiedergeben zu können. Auch Zusammenarbeiten mit echten klassischen Orchestern kamen immer wieder vor (beispielsweise Journey To The Center Of The Earth von Rick Wakeman, Song Of Scheherazade von Renaissance oder Chris Squires Album Fish Out Of Water).


    Als besonders notorisch in Sachen Klassik-Klau taten sich ELP hervor, die fast auf jedem ihrer Alben eine Bearbeitung eines klassischen Stückes präsentierten (z.B. besteht die LP Pictures Of An Exhibition zum größten Teil aus Bearbeitungen von Klavierstücken aus Mussorgskis Bilder einer Ausstellung).


    Aber auch die "zeitgenössische", "moderne" Klassik steht Pate. Angefangen bei Strawinsky und Sibelius, den Jon Anderson von "Yes" einmal als großen Einfluß genannt hat, über Carl Orff, dessen düstere Chorsätze aus den Carmina Burana in Magmas Mekanïk Destruktïw Kommandöh ihr Prog-Gegenstück finden, Varèse, der ein großer Einfluß auf Frank Zappa war, bis hin zur modernen E-Musik: die Experimente mit Tonbändern und deren Manipulation und Bearbeitung der "Musique Concrete" aus Frankreich, "Music For Tape" aus Amerika und der "Kölner Schule" wurden von Bands und Künstlern wie Soft Machine (Spaced), Henry Cow (Unrest) und Hugh Hopper aufgenommen. Und einige Mitglieder der überaus einflußreichen Krautrocker Can hatten vor ihrer Rock-Karriere bei Karl-Heinz Stockhausen studiert.


    Ein weiterer großer Einfluß auf den Prog muß dem Jazz zugestanden werden. Z.B. arbeiteten Soft Machine viel mit ausgedehnten modalen Improvisationen, wie sie z.B. von Miles Davis oder John Coltrane gepflegt wurden. Letzteren gibt übrigens auch Christian Vander als großen Einfluß bei der Entwicklung der Musik von Magma an. Soft Machine begannen auch, dem Jazz-entlehnte Bläsersätze zu integrieren, was letztendlich zum Beitritt des Jazzers Elton Dean zur Gruppe führte, bis Soft Machine fast puren Jazz spielten. Aber auch Frank Zappa - insbesondere in seiner Jazzrock-Phase (ab ca. Hot Rats, 1969 bis Mitte der Siebziger) - schuf einige sehr jazz-beeinflußte Scheiben mit ausgedehnten Improvisationen, treibenden Rhythmen und teilweiser Big Band-Orchestrierung.


    Überhaupt gab es immer wieder Grenzgänger zwischen den Prog- und Jazzwelten. Der Free-Jazzer Keith Tippett z.B., dessen Bläsergruppe auch Soft Machine zu Diensten war, wirkte auf drei King Crimson-Alben mit (siehe seine atonalen Piano-Einwürfe im eigentlich harmlosen Popsong Cat Food). Oder Allan Holdsworth, der mit Soft Machine, Gong, UK und Bruford Jazz-infizierte Prog-Fusion spielte, arbeitete auch in der Gruppe Lifetime des Jazz-Schlagzeugers Tony Williams. Und nicht zuletzt Bill Bruford (Yes, King Crimson, UK, Bruford, Session-Arbeit für Genesis, National Health, Gong), der mit seiner eigenen Band Earthworks inzwischen fast puren akustischen Jazz spielt und eine Platte mit den Jazz-Größen Ralph Towner und Eddie Gomez aufgenommen hat. A propos Schlagzeuger: sogar Phil Collins wandelte mit Brand X auf Jazzrock-Pfaden.


    Viele Gruppen, die aus der Prog-Richtung kamen und kommen, ziehen ihre Inspiration aus dem Jazzrock von Bands wie Mahavishnu Orchestra: z.B. die italienischen Area oder Deus Ex Machina, Boud Deun aus USA.


    Eine dritte große musikalische Inspirition waren und sind Folk und Weltmusik. Englische Folkeinflüsse zeigen sich z.B. ganz deutlich in der Musik Jethro Tulls oder von Mike Oldfield, schwedische Volksmusik hinterläßt ihren Stempel auf Platten von Änglagård oder Sinkadus. Des weiteren übte auch asiatische Musik immer wieder einen gewissen Einfluß auf viele Prog-Künstler aus, z.B. in der Instrumentierung mit Sitar, Tablas etc.; vgl. Yes (Steve Howe hat eine sogenannte Sitar Guitar), Stardust We Are von den Flower Kings oder Trey Gunns Soloscheiben.



    1.3.1.2. Textlicher und visueller Eklektizismus


    Nicht nur musikalisch lassen sich Prog-Künstler von verschiedensten Stilrichtungen inspirieren. Auch in den Inhalten der Musik und ihrer Präsentation (Album-Cover, Bühnenshow, Bandnamen) lassen sich bestimmte Einflüsse recht häufig wiederfinden.


    Insbesondere Science Fiction und Fantasy-Mythologien haben es dabei den Proggern angetan. Dies beginnt bei den Bandnamen: Marillion (vom "Silmarillion" von Tolkien), Isildurs Bane (Umschreibung für den Ring in Tolkiens "Herr der Ringe"), Eloy (ein Volk aus der "Zeitmaschine" von H.G.Wells), aber auch Soft Machine (aus einem Roman von Burroughs). Viele Prog-Album-Cover sprechen sowieso Bände mit ihrer Darstellung fantastischer Szenen. Nicht ganz unschuldig daran sind sicher die großen Vorbilder Yes durch ihre langjährige Zusammenarbeit mit dem Fantasy Künstler Roger Dean, aber auch ELP mit dem berühmten Cover zu Brain Salad Surgery vom schweizer Fantasy/Science Fiction-Künstler H.R.Giger können als Beispiel dienen. Weiter bevorzugten Greenslade, Grobschnitt (Rockpommel's Land) und viele andere Fantasy-Graphiken oder surreale Szenen. Diese Tendenzen fließen auch in Themen der Songs ein: Ocean (Eloy), Atlantis Suite (Pallas) über Atlantis, Bo Hansson, Isildur's Bane, Sylvan über Themen von Tolkien etc.


    Düstere Vertreter der Zunft, wie die belgischen Kammer-Progger Univers Zero oder die französischen Shub Niggurath bedienen sich auch gerne beim amerikanischen Schriftsteller H.P.Lovecroft und dessen Horror-Szenarien als Inspiration.


    Nicht nur Fantasy- oder Science-Fiction-Szenarien wurden geräubert. Auch die griechische oder fernöstliche Mythologie/Philosophie wurde gerne genutzt, siehe z.B. Genesis' The Fountain Of Salmacis oder Tales From Topographic Oceans von Yes, ein Konzept-Doppel-Album inspiriert durch indische Schriften.


    Und wenn man ganz konsequent ist, dann erfindet man gleich seine eigene Science-Fiction-Mythologie inklusive eigener Sprache und arbeitet diese in mehreren Alben aus, wie es Magma mit ihrer Geschichte des fernen Planeten Kobaïa und seiner Menschensiedler getan haben.


    Ein weiterer Einfluß im Progressive Rock sind Theater und szenische Darstellung. Zum einen haben Bands wie Henry Cow oder Soft Machine an Theateraufführungen aktiv als musikalischer Teil oder Komponisten mitgewirkt, zum anderen begründete insbesondere Peter Gabriel eine Tradition der szenischen Umsetzung der Musik auf der Bühne. Genesis' Songs erzählen oft Geschichten, teilweise schon in dialogischer Form (Get Em Out By Friday, Harold The Barrel, Fountain Of Salmacis), in deren Personen Gabriel auf der Bühne mit Hilfe von Masken und Verkleidungen zu schlüpfen versuchte. So wurde jeder Song zu einer kleinen Rock-Oper. In jüngerer Zeit hat z.B. IQs Peter Nicholls bei den Live-Aufführungen des Konzept-Werks Subterranea diese Tradition fortgesetzt.



    1.3.1.3. Natürlich ist das noch nicht alles...


    Natürlich sind die vorhergehenden beiden Punkte bei weitem keine erschöpfenden Beschreibungen des Eklektizismus im Prog; es gibt sicher viele weitere Elemente, die Prog-Künstler stark beeinflussen. Insbesondere heute, da dreißig Jahre Prog-Geschichte hinter uns liegen, geht der Eklektizismus noch eine Spur weiter, da moderne Progger nicht mehr unbedingt die "Originalquellen" zu Rate ziehen, sondern stattdessen die bereits gebrochene Version der Einflüsse via die Prog-Vorreiter.


    Z.B. entstand der Prog-Metal à la Dream Theater aus einer Kombination von Prog-Einflüssen (Yes, Genesis, Marillion, King Crimson) und Einschlägen von Hardrock-Veteranen (Deep Purple, Led Zeppelin, Black Sabbath) sowie Heavy Metal-Bands wie Metallica.



    1.3.2. Formale Komplexität


    Den Prog zeichnete seit seinem Beginn in den späten Sechziger Jahren die Tendenz aus, mit dem traditionellen Pop-Songformat (z.B. Blues-Schema oder Aufteilung des Songs in Strophe, Refrain, Bridge) auf verschiedene Arten zu brechen.


    Manche Gruppen gingen dazu über die einzelnen Stücke immer komplexer zu gestalten, mehr als die traditionellen drei Teile einzuführen, Variationen und Durchführungen bereits vorgestellter Themen und Teile später im Stück wieder aufzunehmen, auch mal ein längeres Instrumentalsolo einzustreuen. Ein schönes Beispiel ist z.B. Firth Of Fifth von Genesis (auf Selling England By The Pound), wo das eröffnende Solopiano-Intro später im Stück vom Synthie mit Begleitung der ganzen Band wieder aufgenommen wird, oder auch Tarkus von ELP, in dem ein bestimmtes Baß-Ostinato in mehreren Teilen der Suite als Grundmaterial herhalten muß.


    Ein weiteres beliebtes Stil-Mittel ist die Kontrastierung von schrägen oder heftigen energetischen Teilen mit sanften, melodischen Parts. Während normale Popsongs meist in einem halbwegs durchgehenden Stil gehalten sind, versuchen Prog-Künstler oft, mehr Abwechslung und gewisse Überraschungsmomente in ihre Stücke einzubauen. Ein schönes Beispiel dafür bieten Yes im dritten Satz von Tales From Topographic Oceans: nach einem überaus schrägen, zerissenen Gitarren-Solo mit exotisch anmutender treibender Percussion als Begleitung wird plötzlich das Tempo reduziert und sanft schwellende Mellotron-Akkorde erscheinen mit einem kurzen Gesangsteil und einer sanften Reprise eines Themas eines anderen Satzes in den Keyboards. Über einige weitere Reprisen und Variationen kehrt das Stück zurück zu einem dissonanten Gitarren-Teil im Stil des Anfangs, der dann abgelöst - wieder das Kontrastprinzip am Werk - wird von einem wunderschönen akustischen Balladen-Teil. Ein weiteres Beispiel: in ELPs Tarkus-Suite werden die heftigeren, dissonanten Sätze abgewechselt mit melodischeren, gesangslastigen Teilen.


    Andere Bands, insbesondere aus dem Spacemusic-Bereich, brachen das Songformat auf, in dem sie minutenlange Jams spielten, in denen die Musiker meist über einer ständig wiederholten Baßfigur und einem monotonen Rhythmus ausgedehnt improvisierten, um einen schwebenden, tranceartigen Zustand heraufzubeschwören (siehe z.B. Grobschnitt mit Solar Music Live. In eine ähnliche Richtung gehen die frühen, monotonen Soundexperimente der E-Mucke-Fraktion (siehe Tangerine Dreams Alpha Centauri oder Zeit), in denen über schwebenden Synthie- und Orgelflächen ein zeitlupen-langsamer Aufbau von Spannung zelebriert wurde.


    Aber nicht nur die einzelnen Songs wurden im Prog komplexer. Sehr beliebt war und ist auch das Arrangieren von musikalisch oder textlich verwandten einzelnen Stücken in mehrteiligen Suiten, einem aus der Klassik entlehnten Format: siehe z.B. die schon erwähnte Tarkus-Suite von ELP, aber auch das Titelstück von King Crimsons Lizard, die Scheherazade-Suite von Renaissance, die ersten drei Nummern des ersten U.K.-Albums oder Garden Of Dreams von den Flower Kings (auf FlowerPower).


    Das Suiten-Konzept wird auf die Spitze getrieben in der Idee des Konzept-Albums, d.h. einer Platte, in der alle Stücke zu einer zugrundeliegenden Idee oder Geschichte gehören, die in Musik, Text und Artwork des Albums ausgearbeitet wird. Dieses Format erfreut sich bei Proggern seit jeher großer Beliebtheit, siehe Three Friends von Gentle Giant, The Lamb Lies Down On Broadway von Genesis, Thick As A Brick von Jethro Tull, Journey To The Center Of The Earth von Rick Wakeman, Brave von Marillion oder Subterranea von IQ, verschiedene Platten von Pink Floyd und und und.



    1.3.3. Rhythmische Komplexität


    Neben dem Songformat begannen die Progger auch bald damit, die rhythmischen Beschränkungen des normalen Pop auf's Korn zu nehmen. Die meisten Pop- und Rock-Songs sind in den traditionellen Rhythmen 4/4 und (schon etwas seltener) 3/4 oder verwandten Formaten gehalten (12/8, 6/8 etc). Im Progressive Rock werden mit Vorliebe sogenannte "krumme" Rhythmen benutzt, also solche, die sich nicht in zweier Zählzeiten auflösen lassen; die gebräuchlichsten davon sind 5/4 und 7/4 bzw. ihre Variationen mit Achteln statt Vierteln. Dies sorgt bei schlechter Benutzung für einen holprigen, stolpernden Effekt, bei guter Benutzung für einen treibenden oder auch surrealen Groove.


    Eine nette, augenzwinkernde Abrechnung mit ihrer eigenen Obsession für krumme Rhythmen bietet die Band Egg schon 1969 in dem Song Seven Is A Jolly Good Time:
    >> I used to play in four-time when I was very small
    Recently I've realized the folly of it all
    So grim a thought disturbed me, upset my peace of mind
    I started writing songs in all the rhythms I could find <<


    Bekannte Beispiele für obskurere Rhythmen im Prog: natürlich Apocalypse in 9/8 von Genesis auf Foxtrot, weiterhin ist das Hauptriff von Larks' Tongues In Aspic 2 (King Crimson) in 10/8, große Teile des Epilog-Albums von Änglagård ist in 5/4, während viele Stücke von Trey Gunns zweitem Album (The Third Star) in 7/8 gehalten sind.


    Natürlich kann sich der wahre Progger nicht damit zufrieden geben, einen Song in einem durchgehenden Rhythmus zu schreiben; aus Gründen der Progression und der Abwechslung müssen sich verschiedene Rhythmen im Takt-Takt die Klinge während eines Songs in die Hand geben, siehe z.B. Eggs I will be absorbed mit 9/4-, 7/4- und 13/8-Teilen. In Genesis' Firth Of Fifth besteht das Klavierintro aus abwechselnden Teilen in 6/8 und 7/8, bzw. 6/8, 5/8, 4/8 bzw. 4/4, 6/8, 3/8, 2/4...


    Irgendwann wird es ja auch langweilig, einfach nur verschiedene Rhythmen hintereinander abzuspulen; dann muß man beginnen, in Polyrhythmik einzutauchen, d.h. verschiedene Rhythmen gleichzeitig in den verschiedenen Stimmen eines Stückes ablaufen zu lassen. Erste schüchterne Versuche kann man in dieser Richtung schon bei Magma ausmachen: bei großen Teilen von MDK spielt Schlagzeuger Christian Vander ein 2/4-Schema gegen die 7/8-Figuren der restlichen Band. Und auf King Crimsons Discipline-Album, das viele für "King Crimson Goes Pop" hielten, laufen in Stücken wie Frame By Frame, Thela Hun Ginjeet und Discipline auch mehrere Rhythmen gegeneinander.


    Oder Frank Zappa, der in seinen Gitarren-Soli und seiner späteren Synclavier-Arbeiten eine besondere Vorliebe für eine andere Art von Polyrhythmik entwickelte: er bricht die Restriktion von Achteln, Sechzehnteln, 32teln ganz auf und benutzt komplexle "Tuplets", eingebettet in andere Rhythmen. Einfachstes und gebräuchlichstes Beispiel dieser Technik sind Triolen, die drei Noten im Platz von eigentlich zwei Noten in einem Takt unterbringen; dieses kann man jedoch mit beliebigen anderen Kombinationen von Notenwerten durchführen, z.B. sieben über drei etc.


    Daß die Obsession mit krummen Rhythmen nicht gerade zur Popularisierung des Prog beiträgt, ist jedem klar, der einmal versucht hat, auf einen 13/8 zu tanzen...



    1.3.4. Harmonische Komplexität


    Neben dem Rhythmus bieten auch Melodien und Akkorde eines Stückes jede Menge Möglichkeiten für die Weiterentwicklung gegenüber einem normalen Pop-Song, wobei natürlich Melodien und Akkorde in gewissem Sinne voneinander abhängen, wenn es sich beim betrachteten Stück nicht gerade im eine sehr freie Nummer handelt.


    Allerdings gab es auch genug Progger, die Ausflüge in atonale Gefilde wagten und wagen, d.h. Stücke, in denen überhaupt kein Bezug auf einen Grundton vorhanden ist, z.B. Keith Tippets Piano-Einlagen in King Crimsons Cat Food, aber auch ganze frei improvisierte Stücke der Extrem-Progger Henry Cow oder King Crimsons THRaKaTTaK-Album.


    Normale Pop-Songs sind meist in einer Grundtonart gehalten, auf die sich alle Teile des Stückes und innerhalb der Teile die verschiedenen Akkorde beziehen.


    Viele Progger versuchen zum einen, Akkord-Abfolgen zu finden, die noch nicht so ausgelutscht sind wie viele andere (z.B. die "a-G-F"-Kombination oder Transpositionen davon, alle Variationen von "Tonika-Subdominante-Dominante"), die notwendigerweise etwas komplexer ausfallen und oft die im Rock häufig vorkommenden 4, 8, 16-Takte Schemata in den Akkorden verlassen.


    Zum anderen wird die Beziehung zum Grundton aufgebrochen in dem Sinne, daß es kein einzelne Grundtonart mehr gibt, sondern das verschiedene Teile in verschiedenen Grundtonarten gehalten sind, die nicht notwendigerweise viel mit einander zu tun haben. Dadurch ist es möglich, Stücke noch stärker zu entwickeln und zwischen den einzelnen Teilen Spannung aufzubauen und wieder abzubauen. Als Beispiel mag wieder Firth Of Fifth dienen, das in B-Dur beginnt, nach H-Dur wechselt, dann zwischen e-Moll und B-Dur wechselt um über H-Dur in E-Dur zu enden...


    Aber nicht nur die Beziehung zwischen den Akkorden kann komplexer werden, auch die Akkorde selbst. Normale, gebräuchliche Rock/Pop-Akkorde sind Dur- und Moll-Drei- oder Vier-Klänge. Durch Hinzunahme von zusätzlichen Tönen zu diesen Drei- oder Vierklängen kann man komplexere, aber auch oft dissonantere Klangeindrücke schaffen. Im Jazz gibt es eine reichaltige Theorie zu einer solchen Harmonik, und z.B. Dave Stewart von Egg, Hatfield and the North, National Health, Bruford bedient sich des öfteren solcher Jazz-Voicings in einem Prog-Rahmen.


    Natürlich muß man überhaupt nicht bei den normalen Dur- und Moll-Beziehungen bleiben, wie sie ja auch noch in den erweiterten Akkorden vorherrschen. King Crimsons Fracture besteht z.B. aus Riffs in Ganzton-Skalen, das heißt Tonfolgen, die nicht wie normale Dur- oder Moll-Tonleitern bzw. die Kirchentonarten aus einer abwechselnden Folge von Halbton- und Ganzton-Schritten gebildet werden, sondern aus puren Ganztonschritten, was einen sehr bedrohlichen und exotischen Grundsound provoziert.


    Natürlich sind alle diese obigen Techniken keine Erfindungen der entsprechenden Prog-Künstler, sondern werden in der Klassik, im Jazz und teilweise in bestimmten Weltmusik-Kreisen schon seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten praktiziert, wie die Atonalität in der Entwicklung der Zwölfton-Musik oder Ganzton-Reihen bei Debussy.



    1.3.5. Instrumentale Virtuosität


    Natürlich verlangen die oben beschriebenen Techniken eine gewisse Beherrschung der Instrumente, mit denen die vergleichsweise anspruchsvollen Konzepte und Kompositionen ausgeführt werden sollen. Daher gibt es im Prog auch eine große Tradition herausragender Instrumentalisten und Sänger, die ihre Instrumente bzw. die Stimme für Rock/Pop-Verhältnisse außergewöhnlich gut beherrschen.


    Ein paar Namen: Steve Howe, Robert Fripp, Jan Akkerman, Allan Holdsworth und in neuerer Zeit z.B. der unglaublich fitte John Petrucci (jemals Flight Of The Bumblebee von Dream Theaters Once In A Live Time gehört?) an der Gitarre, für die Keyboards natürlich Rick Wakeman oder Keith Emerson, am Schlagzeug Leute wie Carl Palmer, Neal Peart oder Mike Portnoy, als Sänger Jon Anderson oder Peter Hamill und viele viele andere, auch an den weiteren Instrumenten.


    Aber seien wir ehrlich: ob ein professioneller Klassik-Pianist mit langjähriger intensiver Ausbildung angesichts des machmal doch ziemlich schlampigen Anschlags von Emerson oder Wakeman wirklich von Virtuosität sprechen würde, sei dahingestellt. Weiterhin gibt es sicher im Jazz-Lager jede Menge Leute mit genauso guter oder besserer Technik als die meisten Progger, egal um welches Instrument es geht. Aber im Vergleich zum Rock/Pop-Mainstream geht es im Prog eben virtuoser zu, weshalb eine gewisse Virtuosität durchaus zu spezifischen Prog-Merkmalen gezählt werden muß.


    Aber Virtuosität ist nicht alles. Bill Bruford z.B., einer der renommiertesten Prog-Schlagzeuger überhaupt, glänzt auf seinen Aufnahmen weniger durch atemberaubende Technik oder Soli sondern durch einfallsreiches, außergewöhnliches, innovatives Spiel mit, um und gegen den Rhythmus. Und Einfallsreichtum, Originalität, Innovation sind letztlich das, worum es im Prog geht.



    1.3.6. Weitere Merkmale


    Neben den oben beschriebenen, mehr abstrakt-theoretischen Merkmalen gibt es noch eine Reihe weiterer Punkte, die im Prog häufig anzutreffen sind.


    Zum einen ein bestimmter Sound, eine gewisse Hinwendung zum Bombast, zum Versuch, orchestrale Fülle mit den Mitteln einer Rockband zu erreichen. Dieser spezifische Sound liegt natürlich an der Art der Kompositionen, aber auch an den Instrumenten, die gerne von Proggern in diesem Zusammenhang verwendet werden: Mellotron, Hammond-Orgel, Moog- und ARP-Synthesizer, Kirchenorgeln, Rickenbacker-Baß, Chapman Stick, Clavinet usw. Überhaupt war der entstehende Prog meist keyboardlastiger als die anderen zeitgenössischen populären Musikstile, was heute nicht mehr unbedingt ein besonderes Merkmal darstellt, da oft bis auf den Gesang einhundertprozent eines Hitparadentitels synthetisch erzeugt werden... Oft findet man auch Bläsersätze, Unterstützung durch Streicher oder vollkommen rock-untypische Instrumente wie Blöckflöten, mittelalterliche Instrumente, Xylophon, Vibraphon, Gongs und vieles mehr. Weitere Infos zu manchen dieser Instrumente und ihrem Klang finden sich auf den Babyblauen Praxis-Seiten.


    Außerdem ist die Prog-Welt viel zu vielfältig, um von EINEM Prog-Sound zu sprechen: z.B. haben die englischen Henry Cow nun wirklich überhaupt nix mit Bombast zu tun (vgl. auch die kurze Stil-Liste in Abschnitt 1.1.).


    Was vielleicht noch angesprochen werden sollte ist, daß Prog-Künstler und -Bands zu den Vorreitern bei der Entwicklung von Live-Lichteffekten und aufwendigen Bühnenshows gehörten. King Crimson experimentierten schon Ende der Sechziger intensiv mit Lichteffekten und Projektionen auf der Bühne, ELP hatten z.B. bei ihren Shows in den Siebzigern Pyrotechnik-Effekte, die Yes-Tour zum Topographic Oceans-Album hatten ein riesiges Bühnenbild aus Motiven des Album-Covers, und von den Live-Exzessen von Pink Floyd zu sprechen, ist wirklich unnötig, denke ich.



    2. Prog heute


    Leider Gottes fristet der Prog heutzutage ein Randasein im Untergrund. Plattenverkäufe und Konzertbesuche sind kaum nennenswert und auf jeden Fall viel zu niedrig, um größere Plattenfirmen oder Konzertveranstalter für Prog zu interessieren. Umso erstaunlicher ist es, welche Vielfalt an verschiedenen Bands in den letzten Jahren aktiv waren und sind. Das stilisitische Angebot an Prog-Platten, die auf kleinen spezilisierten Labels für eine kleine Schar von Fans produziert werden, ist überaus umfangreich und fast alle Stilrichtungen werden abgedeckt. De Enthusiasmus sowohl von Fans als auch von Musikern aus der ganzen Welt ist bewundernswert. Es gibt also viel zu entdecken! Wir hoffen, die Babyblauen Seiten leisten einen kleinen Beitrag dazu, interessante und lohnenswerte Platten und Bands zu fördern und bekannter zu machen.


    Etwas sollte hier vielleicht noch erwähnt werden: Prog ist international! Nachdem das Genre ursprünglich ein hauptsächlich englisches Phänomen war (obwohl sehr früh gute und bedeutende Gruppen aus Kontinental-Europa dazukamen), finden sich inzwischen in fast allen Kontinenten Bands des Genres, die auch von Fans ausserhalb ihrer Landeskreisen geliebt werden. Auf unseren Länder-Seiten finden sich die hier besprochen Bands nach Herkunftsländern sortiert und bieten ein schönes Beispiel für die Internationalität des Prog.


    3. Nachbemerkung



    Natürlich kann eine solche theoretische Beschreibung eines nicht ersetzen: das konkrete Hörlebnis. Jedem, der sich für Progressive Rock interessiert, bleibt nichts anderes übrig, als seine Lieblings-Bands und -Richtungen über intensives Hören von Platten und CDs zu finden.


    Einen kleinen Leitfaden versuchen die Babyblauen Seiten und viele andere Prog-Seiten und -Publikationen zu bieten, um anzudeuten, welche Platten und Gruppen besonders einflußreich waren und sind, um lohnenswerte Versuche aufzuzeigen und zum Weiterforschen zu ermutigen. In diesem Sinne: viel Spaß!


    4. Literatur



    Für alle, die sich intensiver mit der Geschichte und Theorie des Prog beschäftigen möchten, haben wir einige Tips zu Büchern, deren Ideen (vor allem aus den Büchern von Macan und Stump) teilweise in den vorliegenden Artikel einflossen. Diese finden sich in der Babyblauen Lesestoff-Abteilung.


    (Udo Gerhards)


    Vom Herma: Ich hoffe, dass ich dir damit helfen konnte Duke. Formatierungen sind von mir.

    Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.

  • Herma
    das wäre mir auch zuviel Arbeit gewesen,hehe :D


    @all
    Ich höre einfach was mir gefällt.Mir doch egal ob sich das Rock/Pop oder gar Prog.Rock nennt.Hauptsache die Muke bringt mich in Stimmung,oder hilft mir über irgendwelchen Kummer hinweg.
    Für mich ist The Lamb-Album immer noch das größte,aber ab und an höre ich auch gerne mal Titel mit Collins(zugegeben nicht sehr oft),aber manchmal gefällt mir sogar seine Stimme.

    Wer für alles offen ist,kann nicht ganz dicht sein.

  • :schockiert: Is ja interessant der Prog-Definierungsbeitrag... :D

    Zitat

    Daß die Obsession mit krummen Rhythmen nicht gerade zur Popularisierung des Prog beiträgt, ist jedem klar, der einmal versucht hat, auf einen 13/8 zu tanzen...


    :mrgreen:
    "Turn it on again" ist doch im 13/8! Bis zur 12 tanzt es sich bei dem Ding ganz gut, dann muß man kurz zwischensteppen... ;) Das Teil dürfte wohl einer der ohrwurmigsten Off-Beat-Songs sein, dicht gefolgt von "Solsbury Hill" in diesem unfaßbar mit-beat-trächtigen 7/4! :lol: Oder der kultige 7/4-Marsch am Anfang von Epping Forest...(da hat der Gabe wohl sich für Solsb.H. inspiriert... ;) )
    Und sogar die Grungies von Soundgarden haben in ihrem (übrigens geilen) Song "Black hole sun" während des Gitarrensolos und am Ende einen "apocalyptischen" 9/8... :lol:
    Und seit es in unserem hiesigen Griechen Live-Musik gibt, hab ich auch mitgekricht, daß der Grieche gelegentlich auch nach 12/8, 7/8 und 9/8 (!) zu tanzen pflegt... :mrgreen:

    GIANT HOGWEED LIVES

    • Offizieller Beitrag

    nicht nur bei den griechen! auch vor unserer haustür! bei der "echten" bayerisch-östereichischen volksmusik wird auch liebend gerne mit krummen takten gearbeitet, vorwiegend 5/4. auch nachzuhören bei einigen werken des hubert von goisern...


    zur 9/8-apokalypse: 9 geteilt durch 3 ist 3, d. h. wenn man sich konzentriert (HumTaTa-feel) kann man sogar dazu schunkeln...yeah! :lol:

    Got no friends? Got no fun? Listen to SPLIFF and you'll see the sun!

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