Schöne Stimmen - Große Stimmen

  • Tja, ist alles relativ. Gilmours Stimme hat tatsächlich schon viel Schönes, langweilt mich aber nach einer Weile, ist mir irgendwann zu glatt, auf Soloalbumlänge zumindest. Am besten wirkt sie im Wechsel mit dem knarzigen Roger Waters. Ich kann übrigens weit besser ein komplettes Album nur mit dessen Stimme hören, die ist nicht das, was man gemeinhin als schön bezeichnet, aber ausdrucksstärker.

    Du sprichst das aus, was ich an PF früher wirklich sehr geschätzt habe: diese Wechsel zwischen Waters und Gilmour. Ich finde mich nämlich auch in dem wieder, was du über Gilmour schreibst - sein Gesang ermüdet mich auf Dauer, obwohl die Stimme angenehm klingt. Das liegt nach meiner Wahrnehmung daran, dass Gilmour ein sehr begrenztes Ausdrucksspektrum hat. Er kann mit seiner "schönen" Stimme nur begrenzt etwas anfangen.

    Waters ist so ein Fall, der m.E. vom Gesanglichen her in die Richtung Dylan geht. Auf Wiki steht unter dem Begriff "Gesang" der Satz: "Als Sänger werden daher ausschließlich Personen bezeichnet, die während ihres Gesangs Liedtexte vortragen und dabei Töne halten und treffen." Das können beide offenbar nicht richtig. Insofern könnte man das, was sie vokal zum Besten geben, vielleicht mit anderen Worten umschreiben, als man es bei wirklichen Sängys tun würde. Dylan und Waters haben so einen vokalen Stil, der gesangliche, aber auch sprechend-deklamierende Anteile aufweist. Und so etwas funktioniert, da gebe ich Big Jim Recht, im Bereich Rock/Pop, aber hundertprozentig nicht auf einer Opernbühne oder beim Gesangswettbewerb.


    Mir ist es eben noch einmal direkt zu Ohren gekommen: Herma hat eine schöne Stimme.

  • Dylan und Waters haben so einen vokalen Stil, der gesangliche, aber auch sprechend-deklamierende Anteile aufweist. Und so etwas funktioniert, da gebe ich Big Jim Recht, im Bereich Rock/Pop, aber hundertprozentig nicht auf einer Opernbühne oder beim Gesangswettbewerb.


    Wobei man sagen muss, dass es schon interessante Fusionen von Rock & Klassik gegeben hat. Musikalisch, aber auch gesanglich. Gut, auch Meat Loaf war natürlich kein Tenor, aber er verfügte doch immerhin über eine beachtliche Stimmgewalt. Zumindest in seinen früheren Jahren:


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    Hier mit Peter Hofmann noch ein "echter Tenor", der's auch mal mit Rockmusik versucht hat. Sogar äußerst erfolgreich. Sein Album Rock Classics war Anfang der 80iger Jahre ein großer Verkaufs-Hit.


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  • Waters ist so ein Fall, der m.E. vom Gesanglichen her in die Richtung Dylan geht. Auf Wiki steht unter dem Begriff "Gesang" der Satz: "Als Sänger werden daher ausschließlich Personen bezeichnet, die während ihres Gesangs Liedtexte vortragen und dabei Töne halten und treffen." Das können beide offenbar nicht richtig. Insofern könnte man das, was sie vokal zum Besten geben, vielleicht mit anderen Worten umschreiben, als man es bei wirklichen Sängys tun würde. Dylan und Waters haben so einen vokalen Stil, der gesangliche, aber auch sprechend-deklamierende Anteile aufweist. Und so etwas funktioniert, da gebe ich Big Jim Recht, im Bereich Rock/Pop, aber hundertprozentig nicht auf einer Opernbühne oder beim Gesangswettbewerb.


    Mir ist es eben noch einmal direkt zu Ohren gekommen: Herma hat eine schöne Stimme.

    Was den Mix aus Singen und deklamieren betrifft, stimme ich zu. Der gilt aber glaubich etwas mehr noch für den späteren Waters als für Dylan. Das für den Hörer Squirefish Entscheidende ist, dass beider Vortrag so eindringlich ist, dass ich den Sound der Stimme nicht so leicht von der lyrischen Botschaft trennen kann. Ich verspüre keinerlei Künstlichkeit, die Töne der Sänger scheinen direkt aus ihnen herauszukommen. Was etwa bei einem Gilmour nicht unbedingt der Fall ist.

    Ich höre ganz gerne auch mal einen Bach, Brahms, Beethoven... Mit klassischem Gesang/Operngesang aber habe ich ein Problem. Wenn ein Mensch traurig ist, wütend, böse, eifersüchtig, verletzt, fröhlich oder was auch immer, äußert er diese Gefühle nicht so wie Opernsängerinnen und Opernsänger mit ihren jahrelang künstlich hochgezüchteten Stimmen, die vor allem Vokal-Akrobatik sind. Für mein Empfinden kommt bei diesen großen/schönen Stimmen - anders als bei Dylan, Waters, Hammill und anderen - nicht wirklich etwas aus der Seele, es erreicht mich jedenfalls nicht.

  • Wobei ich bei Christopher Lee immer zuerst an die alten Filme mit Graf Dracula denken muss. Aber in Das Phantom der Oper hätte er bestimmt singen können.

    Das hat dann Tim Howar gemacht, womit wir wieder näher am Kern dieses Forums wären 😉:

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    Understand, Rael: It´s a trick of the tail ...

  • Wer singen kann, ist klar im Vorteil. :)

    Ich halte mich jedenfalls bis auf Weiteres (bis es überzeugendere Abgrenzungen gibt) an den Wiki-Satz. Singen kann, wer Töne trifft und hält. Sorry, Bob.


    Ich höre ganz gerne auch mal einen Bach, Brahms, Beethoven... Mit klassischem Gesang/Operngesang aber habe ich ein Problem. Wenn ein Mensch traurig ist, wütend, böse, eifersüchtig, verletzt, fröhlich oder was auch immer, äußert er diese Gefühle nicht so wie Opernsängerinnen und Opernsänger mit ihren jahrelang künstlich hochgezüchteten Stimmen, die vor allem Vokal-Akrobatik sind. Für mein Empfinden kommt bei diesen großen/schönen Stimmen - anders als bei Dylan, Waters, Hammill und anderen - nicht wirklich etwas aus der Seele, es erreicht mich jedenfalls nicht.

    Da gehe ich überhaupt nicht mit. In deiner Formulierung "künstlich hochgezüchteten Stimmen" verbirgt sich eine Abwertung, die aus meiner Sicht absolut nichtkünstlerisch gedacht ist. Und in der "Vokal-Akrobatik" ein Nichtverstehen dessen, worum es auch im klassischen Gesang geht: um Ausdruck. Nur darum. Der ganze technische Unterbau ist lediglich dafür da, um auf hohem Niveau ausdrucksvoll singen zu können.

    Dass du denkst, bei Dylan käme was aus der Seele, aus Callas' Mund aber nicht, ist reine Projektion von dir, weil du Dylans Vortrag bzw. dessen Ästhetik verstehst.

    In Wirklichkeit - so meine Erfahrung und Überzeugung - sind alle Sängys und Vokalkünstlys im Moment des Vortrags gleichermaßen Interpreten, und es geht nur und ausschließlich um Ausdruck, der aus dem gewonnen wird, was stimmlich und technisch zur Verfügung steht.

    Es wäre aus meiner Sicht geradezu wahnwitzig zu glauben, Opernbesuchys ginge es nicht genau wie Rockhörys um Gefühl, um Berührung, um Faszination am Klang.


    Einmal editiert, zuletzt von townman ()

  • Hier mit Peter Hofmann noch ein "echter Tenor", der's auch mal mit Rockmusik versucht hat. Sogar äußerst erfolgreich. Sein Album Rock Classics war Anfang der 80iger Jahre ein großer Verkaufs-Hit.

    Bei Peter Hofmann schüttelt's mich schon ein bisschen, und dann auch noch als Scott-Walker-Ersatz.


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  • Mit klassischem Gesang/Operngesang aber habe ich ein Problem. Wenn ein Mensch traurig ist, wütend, böse, eifersüchtig, verletzt, fröhlich oder was auch immer, äußert er diese Gefühle nicht so wie Opernsängerinnen und Opernsänger mit ihren jahrelang künstlich hochgezüchteten Stimmen, die vor allem Vokal-Akrobatik sind. Für mein Empfinden kommt bei diesen großen/schönen Stimmen - anders als bei Dylan, Waters, Hammill und anderen - nicht wirklich etwas aus der Seele, es erreicht mich jedenfalls nicht.

    Der Rocksänger hat den Vorteil, dass er mehr Stimmungen ausdrücken kann als der Opernsänger. Der Opernsänger hat's schwerer, weil er sich - vor allem live - voll auf seinen Gesang konzentrieren muss. Der Opernsänger ist gesanglich ein Perfektionist, bei dem jeder Ton sitzen muss. Beim Rocksänger sieht man das nicht ganz so eng.


    Was die Überbetonung/Außendarstellung der Gefühlswelt von Opernsänger*innen betrifft, stimme ich Dir zu. Noch schlimmer ist es bei der Operette. Da frage ich mich immer, ob die Sänger*innen auf der Bühne nicht alle komplett einen an der Waffel haben. Ich jedenfalls kann mir das nicht länger als 10 Minuten geben, ohne dass bei mir sämtliche Sicherungen rausspringen. Selbst wenn die Damen und Herren exakt jeden Ton treffen und noch so "schön singen" mögen:


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  • Der Rocksänger hat den Vorteil, dass er mehr Stimmungen ausdrücken kann als der Opernsänger.

    Kein Vorteil, sondern Vorurteil und Fehlurteil.


    Der Opernsänger hat's schwerer, weil er sich - vor allem live - voll auf seinen Gesang konzentrieren muss.

    Opernsängys müssen sich auf eine ganze Menge mehr konzentrieren. Was ich auch so sehe: Klassischer Gesang erfordert oft mehr Konzentration auf das Sängerische, als es beim Rock-Gröhler der Fall sein muss. Deswegen haben klassische Sängys auch weniger Möglichkeiten, locker auf der Bühne rumzuposen.


    Der Opernsänger ist gesanglich ein Perfektionist, bei dem jeder Ton sitzen muss. Beim Rocksänger sieht man das nicht ganz so eng.

    Würde ich tendenziell auch so sehen. Das, was musikalisch abgeliefert wird, hat in der Oper einen höheren Stellenwert bzw. steht mehr im Mittelpunkt. Ein Grund mehr für mich, lieber öfter in die Oper zu gehen als zu irgendwelchen Rockposern, bei denen es in erster Linie um die Show und nicht die Musik geht.

  • Opernsängys müssen sich auf eine ganze Menge mehr konzentrieren. Was ich auch so sehe: Klassischer Gesang erfordert oft mehr Konzentration auf das Sängerische, als es beim Rock-Gröhler der Fall sein muss. Deswegen haben klassische Sängys auch weniger Möglichkeiten, locker auf der Bühne rumzuposen.

    Nun gut, ich kann mich natürlich nicht in die Gefühlswelt eines Opern-Liebhabers hineinversetzen, würde es für einen Moment aber gerne einmal tun, das gebe ich zu. Vielleicht würde ich diese Musik dann auch lieben, noch mehr gute Musik, wäre schon weltklasse.

    Aber ich vermute eben, dass gerade dieses ausschöpfen dessen, was stimmlich zur Verfügung steht, ein vor allem technischer Vorgang ist, der auf Perfektion aus ist, und zumindest bei mir die Magie des Moments verhindert. Mir kommt's in der Oper - in die ich durchaus zuweilen gehe - jedenfalls so vor, als ob es ein Reproduzieren von Gefühlen auf höchstem technischem Niveau ist. Aber werden die Gefühle wirklich bei all der Konzentration auf die hohe stimmliche Anforderung im Augenblick des Singens gelebt? Klar, in der Rockmusik ist das in vielen Fällen auch nicht so.

    Mein Problem mit Operngesang hat aber nicht zuletzt auch mit den für meine Ohren übertriebenen Färbungen zu tun, Koloraturen gehören dazu. Die Wahnsinnstechnik beeindruckt mich schon, aber es klingt für mich auch höchst unnatürlich und erreicht mich nicht (höre das Beispiel "Zauberflöte"). Ich finde diese Gefühlsäußerungen zu übertrieben, um sie nacherleben zu können.

    Bei einem Dylan, Hammill oder Anderson reißt es mich viel eher mit, da bin ich nah bei den Sängern, oder sie bei mir. Aber freu Dich, dass Du das in der Oper auch erlebst. Da bist Du ein gutes Stück reicher als ich.


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    Der Rocksänger hat den Vorteil, dass er mehr Stimmungen ausdrücken kann als der Opernsänger. Der Opernsänger hat's schwerer, weil er sich - vor allem live - voll auf seinen Gesang konzentrieren muss. Der Opernsänger ist gesanglich ein Perfektionist, bei dem jeder Ton sitzen muss. Beim Rocksänger sieht man das nicht ganz so eng.

    Da stimme ich auch zu, ein Opernsänger hat viel mehr Freiheiten, auch weil sein Vortrag spontaner ist, spontaner sein kann und darf, weil eben nicht so viel Technik im Spiel ist. Aber kann er mit dieser Freiheit eben nicht auch mehr den Text, die Lyrik so singen, wie er sie im Moment wirklich empfindet - und damit authentischer sein?!

    5 Mal editiert, zuletzt von SquireFish ()

  • Als die meisten Opern komponiert wurden, gab es meines Wissens noch keine Mikrophone. Die Opernsänger und -sängerinnen mussten also gegen ein ganzes Orchester ansingen. Das lässt deutlich weniger Spielraum in der Dynamik als bei elektronisch verstärkter Musik. In wie weit sich ein Orchestersound so weit runterdimmen lässt, dass das geneigte Publikum einen hingehauchten Gesang noch wahrnimmt, entzieht sich meiner Kenntnis.

    I'll never find a better time to be alive than now.

    Peter Hammill (on "X my Heart")