Genesis Revisited II: Welcher Sänger überzeugt am meisten?

  • townman: genau diesen Vergleich von alten PT Alben zu den heutigen Songs hatte ich ja hier bereits gezogen...eine erstaunliche Entwicklung. Und ich glaube, Wilson würde es nicht gern hören, eher als "kein Sänger" bezeichnet zu werden- und mittlererweile trifft es auch nicht mehr zu. :)



    Ja, ich glaube, dass er auch auf diesem Gebiet hart an sich gearbeitet hat. Aber ich höre an seiner Stimme nichts groß "Sängerisches". Sie ist eher flach und schmal, mit relativ wenig Grundvolumen. Nicht gerade gute Voraussetzungen für einen Sänger, wofür er nix kann. Dennoch und gerade deswegen erstaunlich, dass er so konsequent als Frontmann durchzieht, sich verbessert (sodass er mittlerweile auch mit so etwas wie 'Ausdruck' singt) und dann auch noch als Gastsänger von einem seiner eigenen Idole geadelt wird. Wilson ist schon ein Phänomen und in der "Szene" derzeit sicherlich eine der, wenn nicht die prägende, einflussreiche Gestalt.
    Seine Stärke auf den "Coastliners" finde ich den schlichten, geschmackvollen Vortrag. Er macht da nix Gewolltes, sondern empfindet einfach die Linien nach, gestaltet sie sehr treffsicher aus - das klingt absolut natürlich und gefällt mir.
    Wie gesagt - "gute" sängerische Beiträge sind auf der "Revisited 2" durchaus mehrere zu finden.

  • Wahrscheinlich hat Christian die Frage mit Bedacht genau so formuliert, wohl wissend, daß das mit der Beurteilung von Sangeskunst so eine Sache ist. Tatsächlich geht es wohl um's Überzeugen, weil andere Kriterien sich als sehr flüchtig erweisen.
    Meine Freundin hört Peter Gabriel gerne singen, Phil Collins erträgt sie an guten Tagen zwei, drei Stücke lang. Bei Tom Waits rennt sie sofort davon. Meine Mutter mag alle drei gerne hören, kann sich aber auch für den Gesang von Jennifer Rush erwärmen, der bei mir umgehend Fluchtreflexe auslöst. Auch wenn ich auf der Flucht konstatieren muß, daß da jemand mit einer voluminösen und vermutlich klassisch ausgebildeten Stimme singt. Ich wiederum knie nieder vor Mike Scott, (der, soweit ich weiß, nie Gesangsunterricht hatte) und Sinéad O'Connor, die mir auch gerne aus dem Telefonbuch vorsingen könnte. Ersteren nimmt kaum jemand wahr, letztere geht vielen auf die Nerven. Dies und viele weitere Beispiele im Freundeskreis erhärten den Verdacht, daß es sich bei der Zu- und Abneigung gegenüber Stimmen allgemein und dem Gesang im besonderen um ein Phänomen handelt, das allein mit "objektivierbaren" und ästhetischen Maßstäben nicht zu erklären ist, gleichzeitig aber entscheidend dazu beiträgt, ob man sich in ein Lied verliebt oder mit Grausen von ihm abwendet.
    Insofern finde ich diese Diskussion sehr interessant, aber zwangsläufig noch subjektiver als der Diskurs über Musik oder Kunst ohnehin schon ist. Und kann nach dieser Vorrede und drei bis vier Hördurchgängen guten Gewissens abrechnen.

    Akerfeldt, Keely und Morse legen viel Schmackes in ihren Vortrag - und scheitern. Sicher lieben sie diese Songs, sind aber m.E. der Versuchung erlegen, sie zu vereinnahmen. Das kann man machen - wenn man der Sache gewachsen ist.
    Simon Collins läßt mich kalt. Seine Stimme mag der seines Vaters ähneln, bleibt für mich aber völlig ohne Ausdruck. Ihm ausgerechnet die "Apocalypse", also gewisermaßen das Herzstück des Herzstücks, anzuvertrauen, halte ich für keine gute Idee, denn hier wirkt er völlig überfordert. Für das Ende der Welt braucht man schon etwas mehr Kraft.
    (Ansonsten finde ich die Idee, die vocals bei "Supper's Ready" auf verschiedene Schultern zu verteilen, durchaus originell. Klappt halt nur bedingt).
    Gary O‘ Toole trommelt passabel, und ebenso löst er seine Aufgabe bei "Fly…/Brooadway Melody", bis er bei "Blood..." leider spätestens im Schlußteil dermaßen aufdreht, daß er den fatalistischen Charakter des Songs geradezu konterkariert, wie auch schon pealmu festgestellt hat.
    Jakko Jakszyk bereichert und schadet nicht, aber er paßt.
    John Wetton hat keine unangenehme Stimme. Bei King Crimson ging das in Ordnung, "Starless" war ein Monument. Den Kredit hat er dann mit Asia wieder verspielt, und auch seinen Beitrag zum Vorgänger fand ich wenig erbaulich. Bei "Afterglow" ist er für mich fehlbesetzt. Die Sehnsucht nach Collins, meinetwegen auch 2007, wird mit jeder Zeile größer.
    Nad Sylvan versuche ich mir schönzuhören, denn er wird die Show bestreiten. Bei "Chamber" gelingt mir das mittlerweile überraschend gut, bei "Eleventh Earl Of Mar" bin ich noch unentschlossen, aber bei "Musical Box" habe ich definitiv aufgegeben. Schade um einen der ganz großen Songs.
    Hackett selbst, ich meine das nicht böse, kann ich als Sänger nicht ernst nehmen, und diesmal scheint das auch – zumindest bei "Supper's Ready" nicht gewollt.

    Bleiben vier wirklich auffällige Darbietungen:
    Nik Kershaw mochte ich für seinen schönen 80er Pop-Song "Wouldn't It Be Good". Bei Banks sang er ein, zwei der schwächeren Stücke und war mir egal. Hier näselt und flattert er sich mit seinem dünnen Stimmchen durch ein Juwel von "The Lamb" und nervt mich nach dem dritten Durchgang bereits so gewaltig, daß ich das erlösende Solo von Rothery und Hackett herbeisehne. Und das, obwohl er interessanterweise die morbide Stimmung des Originals trifft, wie ich irritiert anerkennen muß. Mit seinem Gejammer drückt er dem Lied seinen Stempel auf, und wenn man das mag, hat man einen klaren Favoriten. Ich fürchte, hier gibt es nur Liebe oder Haß. Unmöglich für mich, das als Song der Woche zu bewerten.

    Die andere zwangsläufig polarisierende Performance stammt von Amanda Lehmann. Ob sie den Job auch als Nicht-Verwandte bekommen hätte, sei mal dahingestellt, aber sie ist verantwortlich für die einzige Metamorphose, die ich bisher bei diesem Album erlebt habe. Nach anfänglich ebenso reflexartiger wie heftiger Abwehr kann ich ihre rauhe Interpretation von "Ripples" mittlerweile durchaus schätzen, aber auch nur, weil ich mich hier völlig vom vertrauten Original freimachen konnte. Wie ihr das gelungen ist, weiß ich nicht, bin aber bereit, das als Qualitätsmerkmal zu werten. Einen gewissen Ausdruck hat das jedenfalls, und ich würde sogar sagen, sie sorgt gesanglich für die einzige echte Neu-Interpretation.

    Steven Wilsons Stimme mag weder charakteristisch noch großartig sein, aber wenn der Song, den er gibt, nicht zu depressiv ist, höre ich ihm stets gerne zu. Hier überzeugt er mit dem ihm eigenen resignativ-nasalen Timbre in deutlichem, aber songdienlichem Respekt vor dem Original und macht eigentlich alles richtig. Er singt einfach nur wie Steve Wilson. Allerdings höre ich hier anders als manche Kollegen keine großartige Entwicklung, denn das gleiche hat er eigentlich bei Porcupine Tree vor 10 Jahren auch schon gemacht.

    Überrascht hat mich der mir bislang weitgehend unbekannte Francis Dunnery. Seine Stimme klingt interessant, (wenn auch bei "Moonlit Knight" irgendwie etwas erkältet), er entfernt sich in beiden Fällen nicht sehr weit vom Original, hat aber so viel Power, ein Zeichen zu setzen, ohne sich aufzudrängen. Sympathisch.

    Abschließend sei angemerkt, daß ich bei aller Kritik dem gesamten Vocalisten-Cast einen gewissen Respekt entgegenbringe, denn eine leichte Aufgabe ist das irgendwie nicht, und bei der Verehrung, die beide Ex-Sänger genießen, kann man fast nur verlieren.
    Und irgendwie, das stimmt schon, lugen einem nach all den Jahren heftigen Konsums unweigerlich permanent Gabriel und Collins über die Schulter und meckern rum wie Waldorf und Statler.

  • Nik Kershaw mochte ich für seinen schönen 80er Pop-Song "Wouldn't It Be Good". Bei Banks sang er ein, zwei der schwächeren Stücke und war mir egal. Hier näselt und flattert er sich mit seinem dünnen Stimmchen durch ein Juwel von "The Lamb" und nervt mich nach dem dritten Durchgang bereits so gewaltig, daß ich das erlösende Solo von Rothery und Hackett herbeisehne. Und das, obwohl er interessanterweise die morbide Stimmung des Originals trifft, wie ich irritiert anerkennen muß. Mit seinem Gejammer drückt er dem Lied seinen Stempel auf, und wenn man das mag, hat man einen klaren Favoriten. Ich fürchte, hier gibt es nur Liebe oder Haß.


    ...du sprichst mir sehr aus der Seele...

  • Nad Sylvan versuche ich mir schönzuhören, denn er wird die Show bestreiten. Bei "Chamber" gelingt mir das mittlerweile überraschend gut, bei "Eleventh Earl Of Mar" bin ich noch unentschlossen, aber bei "Musical Box" habe ich definitiv aufgegeben. Schade um einen der ganz großen Songs.


    ...beim finalen "Now, Now, Now, Now, Now" trieb es mir auch die Runzeln auf die Stirn. Mit der gedoppelten hohen Stimme hört sich das irgendwie an , als wenn ein Hund und eine Katze unisono "Wau, Wau, Wau, Wau, Wau" und "Miau, Miau, Miau, Miau, Miau" singen :p

  • Also ich muß nun leider sagen, daß für mich diese CD "Genesis Revisted II." die überflüssigste Platte seit langem ist.
    Kein Sänger ist so gut wie Peter/Phil, die Musik wirkt auf mich zwar technisch perfekt aber emotionslos. Warum soll ich mir das antun, wo ich doch die Originale der wahren Meister vereint besitzte?

  • Nad Sylvan versuche ich mir schönzuhören, denn er wird die Show bestreiten. Bei "Chamber" gelingt mir das mittlerweile überraschend gut,..., aber bei "Musical Box" habe ich definitiv aufgegeben. Schade um einen der ganz großen Songs.


    Mir geht es umgekehrt. Bei Chamber stört mich die Stimme deutlich mehr. Hört sich irgendwie so an, als habe er die Gesangsspur mit ner dicken eitrigen Mandelentzündung eingesungen.
    Bei "The Musical Box" find ich gerade den mehrstimmigen Gesang genial. Und den "Background-Collins" macht Nad deutlich besser als den Gabriel...so meine Meinung.
    Letztlich ist für mich bei "TMB" ein echter Hörgenuss möglich, bei "Chamber" leider nicht.


    Wegen der Konzerte mache ich mir allerdings keine Sorgen. Das fällt live nicht so ins Gewicht.

  • ...so, nach mehrmaligem Hören würde ich sagen,


    Nad Sylvan macht seine Sache ziemlich gut.
    Nik Kershaw passt sehr gut zum Song.
    Steven Wilson überzeugt auch.


    Simon Collins Auftritt ist zu kurz, um ihn zu beurteilen.


    Überhaupt nicht anhören mag ich mir Blood On The Rooftops mit Gary O´Toole.
    Das ist mir alles zu übertrieben und ausdrucksverstärkt.


    Ich glaube, das ist noch schlimmer als Amanda Lehmann bei Ripples.
    Shadow Of The Hierophant hingegen meistert sie gut, finde ich.


    Die weiteren Sänger fallen nach Meiner Meinung nach nicht weiter auf, weder durch eine besonders gute Gesangsleitung noch durch besonders schlechte Interpretation.

  • Was? Der Gesang? Fällt nicht ins Gewicht? Wie jetzt?
    Weil der Sound live so schlecht ist? Oder man sich das schön trinkt?
    Was meint er?


    Das, was das Live-Erlebnis der alten Genesis-Stücke so besonders macht, funktioniert auch, wenn der Gesang nicht das Original ist. Die Magie, der Druck, die Athmosphäre, die man etwa bei einem TMB-Konzert erlebt, sind bei einem Audio-Mitschnitt nicht mehr vorhanden. Eine CD-Aufnahme von TMB wäre witzlos, da würde allein wegen der Stimme jeder lieber zum Original greifen. Das Live-Erlebnis jedoch ist eine Erfahrung, die man selbst mit Audio-Aufnahmen der "echten Genesis" nicht repruduzieren kann. Und so wird es bei der Hackett-Tour auch sein. Für das Live-Erlebnis spielt es eine bedeutend geringere Rolle, ob der Gesang nah am Original ist als es bei einer Studio-Aufnahme der Fall ist.

  • Überhaupt nicht anhören mag ich mir Blood On The Rooftops mit Gary O´Toole. Das ist mir alles zu übertrieben und ausdrucksverstärkt.
    Ich glaube, das ist noch schlimmer als Amanda Lehmann bei Ripples.
    Shadow Of The Hierophant hingegen meistert sie gut, finde ich.


    Wie bereits gesagt, die gebrüllten Textzeilen in Blood On The Rooftops sind nicht wirklich schön.
    Und dass Ripples und Shadow Of The Hierophant von der selben Sängerin bestritten werden, mag man fast nicht glauben. Shadow Of The Hierophant find ich schon ziemlich gelungen...