Für mich geht nichts über den Klangkörper eines Orchesters. Und ich kann nur jedem empfehlen, einmal in ein Konzert zu gehen um das zu erleben. Es muss ja nicht ein Strauss-Walzer sein...
Klassik? Nein danke.
-
-
-
littlewood: Was soll ich sagen...ein wunderbares Posting (wie immer)...
basco: Darauf komme ich auch immer mehr. Zwar möchte ich auf fette Grooves auch zukünftig nicht verzichten, aber ein gutes Orchester live zu hören, ist dann schon der besondere Zungenschnalzer.
-
Für mich war es anfangs eher uninteressant, sogar fast etwas einschläfernd. Das lag wahrscheinlich daran, dass wir uns in der Schule jede Musikstunde mit den alten Kamellen rumschlagen mussten. Mozart und Beethoven haben in ihren Kompositionen nunmal keine surrenden Gitarren und gigantische Schlagzeugparts untergebracht... dies sind nunmal Instrumente die mir persönlich sehr gut gefallen. Nicht das ich ihre Fähigkeiten in Frage stelle, wahrscheinlich würden sie mit unseren heutigen Instrumenten wahrhaft eindrucksvolle Werke schaffen.
Ich muss aber zur Verteidigung klassischer Musik sagen: das Klangvolumen welches sich entfaltet wenn ein ganzes Orchester loslegt ist nicht zu verachten. Das ist mir zum ersten mal bei Peter Gabriel´s "New Blood" Tour in Stuttgart dieses Jahr aufgefallen. Man möge es mir verzeihen, falls ich das nur für "klassische" Musik halte und es in Wirklichkeit der Versuch eines Musikers ist, Rockmusik in ein "Klassikgewand" zu verpacken. -
Birth Control sind (waren) ja eher für härtere Töne à la "Gamma Ray" bekannt. Bei diesem Stück auf ihrem Album "Operation" haben sie allerdings die Klassik, insbesondere den guten Beethoven dermaßen ausgeschlachtet, dass man sie schon der Leichenfledderei bezichtigen könnte. Man ist fast dankbar, dass bei ca. 4 Minuten das Schlagzeug einsetzt, auch wenn es von den Bläsern gleich darauf beinahe platt gemacht wird.
Wer starke Nerven hat, möge sich zurück lehnen, die Augen schließen (oder auch nicht) und die Ohrmuscheln auf weit stellen.
Birth Control - Let us Do It Now - YouTube -
Man sagt, wenn jenseits des Meeres
ein Schmetterling einem Menschen in die Hände fällt,
wird er mit einer Nadel durchbohrt und an ein Brett geheftet.
(I. Akt, gegen Ende)Ist ja nicht so, daß hier was verlorengeht.
Ich hab das mal hierhergezogen, falls sich doch mal jemand auf die Insel verirrt, der verwechselt das sonst vielleicht mit "Klassik zum Tee".
Gut Ding will zwar Weile haben, aber nun hat sich's ausgetrödelt.
Dachte mir immer, irgendwas muß dran sein, wenn der Mann da so in Bewegung gerät und das Teil unter 20 für die Insel auswählt. Also war beschlossen, dem ersten Hördurchgang mindestens einen weiteren folgen zu lassen. Ein bißchen schob ich's vor mir her, so ganz mit Macht zog es mich nicht zur Oper. Nun aber liefen die Leihfristen der schon zweimal verlängerten CDs ab, und vor allem brachte ein unübersehbare Hinweis "Mme Butterfly" zurück ins Bewußtsein.
Vor kurzem sah ich im Kino "Sushi in Suhl" (kann, muß man nicht machen), der in der ostdeutschen Provinz der 70er spielt. Dort nun besucht der Hauptprotagonist, ein Koch, der seine Leidenschaft für japanisches Essen entdeckt, mit seiner Frau eine Opernaufführung, die ich - nun halbwegs vorgebildet - umgehend als Mme Butterfly identifizieren konnte. Wir sehen nur die Schlußsequenz, aber die hat es bekanntlich in sich, und so gibt sich die Gattin des Kochs verschämt dem Tränenfluß hin - was mich noch im selben Moment an Deine Schilderung der Mainzer Aufführung gemahnte, der Du vor ein paar Jahren aufgewühlt beigewohnt hast.
Nachdem ich nun, bewaffnet mit dem ausführlichen Beiheft, das ganze Drama noch zweimal durchlitten habe (um die verschiedenen Versionen zu vergleichen), hat Puccini tatsächlich gepunktet. Die Tragik seiner Hauptfigur ist bestürzend, auch wenn man schon sagen muß, daß dieser Leutnant eine ziemliche Lusche ist. (Braucht er am Ende dann auch nicht mehr so entsetzt rumkrakeelen, der Depp, wenn seine Frau sich umbringt, denke ich jedes Mal). Überhaupt kommt es schon ganz schön dicke: dem Glauben abgeschworen, von der Familie verstoßen, vom Manne verlassen… aber drunter machen sie's in der Oper halt nicht.
In der Tat ist das Finale ergreifend, insbesondere wenn ich mir die von Dir beschriebenen Elemente der Inszenierung vorstelle. Was in meinem Kopf ebenfalls sehr bewegend stattfindet, ist das Bild der Butterfly, wie sie in einer der vorausgehenden Szenen das Haus für die Rückkehr des Gatten schmückt und anschließend drei Löcher für sich, das Kind und die Bedienstete in die Wand schneidet, um von dort aus die Nacht durchwachend den Hügel hinunterzublicken - in Erwartung des Glücks, von dem wir bereits wissen, daß es ihr Untergang sein wird. Zum Heulen.
Und bereits im ersten Akt streifte die 15-jährige am Abend der Hochzeit die ferne Ahnung des Todes.
Das Ergeben in das Schicksal angesichts des Unausweichlichen ist nach drei Jahren zermürbender Warterei nachvollziehbar. Wenn das Leben nur eine Illusion ist, was willst Du dann noch. Bitter.
Kann mir nicht vorstellen, daß die Frauenbewegung ein gutes Haar an dieser Figur gelassen hat.
Ob man die Butterfly innerlich stark oder äußerlich schwach findet, hängt sicher von der philosophischen Dimension ab, der man hier dem weiten Feld des Begriffes "Liebe" zugestehen mag.
Überhaupt ist der Rang des Werkes unbestritten, seine gesellschaftspolitische Einordnung zwischen Exotismus und Bürgerlichkeit hingegen diskussionsanhängig, wie mich das Beiheft lehrt.
Interessant ist der Umstand, daß die Mailänder Uraufführung zum kompletten Fiasko geriet, bevor Puccini sie dann umschrieb - eine Schmach, von der er sich angeblich nie ganz erholt hat.
Musikalisch gefällt mir die letzte halbe Stunde des ersten Aktes mit am besten, wo das Hochzeitspaar allein ist. Da werden die Charaktere sortiert, die Weichen gestellt, und es wird mal nicht so aufgeregt herumgerannt. Auch im zweiten Akt ist es ungefähr die letzte halbe Stunde, die am stärksten wirkt. Hier steht das Verhängnisvolle im Mittelpunkt, findet berechtigte Entsprechung in der orchestralen Wallung.
Den Vergleich zwischen den Wiener Philharmonikern unter Karajahn, starring Freni & Pavarotti und Maazels Philharmonia mit Scotto & Domingo entscheiden letztere relativ klar für sich. Für meine ungeschulten Ohren schwer zu beurteilen, woran's liegt, Genesis '72 und '92 vergleichen ist einfacher.
Ich höre da mehr Leidenschaft und weniger Ausgestelltes, es fließt mehr, vielleicht ist's das Orchester vielleicht sind's einfach die Stimmen.
Zum glühenden Opern-Verehrer werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr. Das permanente Dramatisieren und Geschreie will erstmal ausgehalten werden. Aber ich höre das stellenweise nicht ohne Teilnahme, sobald mir das Ausmaß der Tragik bewußt ist. Und man braucht natürlich Zeit und eine gewisse Bereitschaft zur Versenkung. So für nebenher ist das nix.
Insofern habe ich zumindest eine Ahnung bekommen, was einen das Teil ins Inselgepäck verfrachten läßt. Soweit würde es bei mir vorerst nicht kommen, ich danke aber für die bereichernde Anregung.Wie ein gefangener Falter,
so flattert das kleine Herz!
(II. Akt, gegen Ende)
Nun habe ich mir das auch noch einmal gegeben. Stellenweise war ich in Versuchung, mir eine Verfilmung im Stile der Rosamunde-Pilcher-Reihe im ZDF vorzustellen. Es ist halt Drama, das unter allen Umständen bewegend sein soll. So rein auf das Libretto fahre ich da eher nicht ab - und das geht mir vor allem im ersten Aufzug so.
Im zweiten Aufzug merkte ich, dass es da aber doch ein Mehr gibt. Die Butterfly ist durchaus mehrschichtig (und ja: Der Pinkerton ist wirklich schon fast grotesk blöd). Das spürte ich jetzt wieder im Hinblick auf ihre soziale Situation. Ist das Kind wirklich die reine Frucht ihrer Liebe? Wem oder was gilt ihre Liebe? Wirklich Pinkerton? Eher nicht, oder?
Jedenfalls sehe ich Butterfly nicht nur als die rührend und hingebungsvoll Wartende, deren liebend-projizierende Augen die Wirklichkeit verblenden. Es brodelt in ihr, sie setzt alles auf eine Karte - denkt sie nicht auch "Ich zeig's euch allen!"?Und dann eben die Musik dazu. Puccini ist so arg sinnlich. Und je öfter da Melodien und Motive auftauchen, die man schon zuvor mal gehört hatte, desto mehr Sogwirkung entwickelt das. Das Finale berührt mich weiterhin extrem, weil der erkannte Abgrund, der Abschied vom Kind und die Absage ans Weiterleben so unfassbar leidenschaftlich besungen werden. Ist das eigentlich typisch italienisch?
Ich habe neulich mit meiner Frau in Hamburg das Neumeier-Ballett "Die kleine Meerjungfrau" gesehen. Auch das hat mich gerade wieder am Ende so tief bewegt und getroffen, wie es in der Form selbst ein Peter Gabriel nicht schafft. Mit Wagners "Ring" erging es mir ähnlich. Solch Krams muss definitiv mit auf die Insel.
-
Naja, das ist alles Interpretationssache. Wenn man sich wirklich versucht vorzustellen (was ja schwer genug ist), daß die Gute am Anfang 15 ist, muß man wohl schon zwangsläufig von naiv verklärtem Blick auf die Liebe sprechen. Um so bestürzender ist ja ihr Fall. Wenn ich das ganze ernst nähme, würde ich sofort wütend werden.
Andererseits ist diese Liebe dann wohl die Stärke, die sie über Jahre und Entfernung hinweg am Leben hält. Mit tödlichem Ausgang. Nun ja, viel tragischer geht's eigentlich nimmer, oder?Dieses "Ich zeig’s Euch allen!" könnte ich auf die Familie bezogen sehen. Die möchte man ja auch nicht geschenkt und schwingt da insofern mit der Heldin mit, aber ich nehme an, die muß dramaturgisch so finster sein, damit Butterfly dann auch wirklich völlig isoliert zum Opfer werden kann. Ja, ich sehe sie schon eher als Opfer.
Ob dieses Gewese und die Leidenschaft typisch italienisch sind? Soweit das Klischee. Zumindest sind sie wohl typisch Oper, und deren Wiege steht ja bekanntlich in Italien.
Mein letzter Besuch im Lande liegt schon über 10 Jahre zurück, aber zumindest der permanente Hang zu großer Geste ist mir noch erinnerlich. Das wirkt anfangs auf uns kühle Nordies befremdlich, aber nach einer Weile völlig normal - und durchaus belebend. Und wenn alle so drauf sind, funktioniert das ja auch. Genauso, wie man sich in Finnland verständig anschweigt, (zumindest wenn man Kaurismäkis Filmen glauben kann).
Weil Du Peter Gabriel im Zusammenhang mit der kleinen Meerjungfrau erwähnst: Es gibt tatsächlich ein ganz hübsches an Andersen angelehntes Hörspiel mit Musik, titels "The Mermaid", in dem PG und Annie Lennox die Sprechrollen übernommen haben. Ich hab's ewig nicht gehört, aber meiner Erinnerung nach hat Gabriel da ein paar intensive Momente.@ Aprilfrost:
Die Musik geht in Ordnung, aber den Gesang bräuchte ich nicht.
(Wie oft in der Oper). -
Naja, das ist alles Interpretationssache. Wenn man sich wirklich versucht vorzustellen (was ja schwer genug ist), daß die Gute am Anfang 15 ist, muß man wohl schon zwangsläufig von naiv verklärtem Blick auf die Liebe sprechen. Um so bestürzender ist ja ihr Fall. Wenn ich das ganze ernst nähme, würde ich sofort wütend werden.
Andererseits ist diese Liebe dann wohl die Stärke, die sie über Jahre und Entfernung hinweg am Leben hält. Mit tödlichem Ausgang. Nun ja, viel tragischer geht's eigentlich nimmer, oder?Naja, klassischerweise müsste man jetzt Romeo und Julia nennen, das Liebespaar. Ist den Leuten eigentlich klar, dass Romeo offenbar um die 20 ist - und Julia, zumindest bei Shakespeare, erst 13? (Interessanterweise hat Julia die viel reifere Sicht auf Liebe als Romeo... so halt auch im Leben...)
-
Schon schon, die Parallele ist: Lieber sterben als ohne den anderen weiterleben, aber das "Schöne" bei Shakespeare ist ja, daß sie sich beide lieben, und die bösen äußeren Umstände ihr Glück verhindern.
Bei Madama Butterfly ist das eine recht einseitige Angelegenheit, und wenn dann noch das junge betrogene Ding ihr Kind und den Glauben an das Leben aufgibt, sieht man das nicht so gern. Da hat Romeo & Julia die für mich goutierbarere Form der Tragik zu bieten - zumal ihr Ende, wenn man so will, noch sinnstiftend ist. Das rundet ab und entläßt zwar gebeutelt doch zuversichtlich wieder in's Leben. -
Die tollen Tage sind vorbei, nun darf es wieder etwas besinnlicher zugehen.
Vor wenigen Tagen erreichte mich eine ganz zauberhaft eingefangene Klassik-Variation, die ich gerne mit Euch teilen würde:
Rolling Bach
Nur unwesentlich schmälern kann den kontemplativen Effekt, daß es sich meiner Vermutung nach um einen Fake handelt. Der allerdings überragend gemacht ist.
Etwas schwerer könnte ein anderer Umstand wiegen. Damit es Euch am Ende nicht jäh aus dem Traumland reißt, möchte ich dahingehend vorbereiten, daß der Beitrag leider keine Abschlußarbeit der Filmhochschule Osaka im Rennen um den Oscar ist…
Wer sich an derlei Rahmenbedingungen nicht stört, wird in eine erstaunliche Welt der Schönheit und Phantasie reisen. Viel Spaß. -
Liebe Freunde der gepflegten ernsten Musik.
Nun wißt Ihr wieder, warum es sich lohnt, keine Meldung der classical corner zu versäumen. Denn nur HIER gibt es unter einem Dach Raritäten, Querverweise und Lebenskunde.
Kürzlich stieß ich auf ein kleines, offenbar relativ aktuelles Video unseres Lieblingspianisten, in dem dieser seine drei all time favourites unter den Klassikern preisgibt:
Tony Banks‘ Top 3 Classics
So richtig gesund sieht er, finde ich, nicht aus, auch die Stimme scheint etwas brüchig, wie stets wirkt er etwas unlocker, aber hoffen wir mal, daß es ihm wohl geht.
Nicht völlig verwunderlich, daß Banks ein Sinfoniker ist. Banause, der ich bin, kannte ich von den drei Werken nur den Mahler. Da bin ich sofort dabei. (Wie Banks - und wahrscheinlich mancher andere - habe auch ich das Stück durch den Film "Tod in Venedig" kennengelernt). Aber die ganze Sinfonie ist ein Hammer.
Nun, aus berufenem Mund läßt man sich gerne mal was empfehlen, so habe ich mich denn gespannt mit den beiden anderen beschäftigt - und mit seinem Liebling Shostakovich, der ihn als jungen Mann zur klassischen Musik geführt hat, gleich einen Volltreffer gelandet. Breitwand, Drama, große Leidenschaft - ein richtiges Brett, dazwischen auch viele besinnliche, fragile Passagen. Unbestätigten Deutungen zufolge läßt sich die gesamte Sinfonie als Abrechnung mit Stalin verstehen, dem Shostakovich neben einigen Auszeichnungen Verbote, Repressalien und ein halbes Leben in Angst verdankte. Der zweite Satz fegt über den Zuhörer hinweg wie ein Wirbelsturm, und wenn das der Soundtrack zu Stalin sein soll, kann man nur froh sein, ihn nicht kennengelernt zu haben.
(Teufel auch, schon wieder Politik, sie ist einfach überall).
Nicht gleich auf Anhieb so begeistert hat mich der Sibelius, das war mir anfangs etwas wirr, aber nach mehrmaligem Hören finde ich das auch groß und vor allem sehr reich an Stimmungen, allerdings weitaus mehr in jedem anderen als in dem von Banks hervorgehobenen ersten Satz.
Hat man den ein oder anderen Genesis- oder Banks-Song im Hinterkopf, ist die Verknüpfung zwischen seinem eigenen Schaffen und dem seiner Vorbilder in allen drei Fällen recht naheliegend.
Und ein Gedanke drängt sich auf: mußte nicht jemand, der diese Musik so wertschätzt, eines Tages, nachdem die letzten progressiven Wurzeln lange gekappt sind, dem vergleichsweise harmlosen Popliedchen entsagen und nach Höherem streben?
Also, hier nochmal des Meisters Empfehlungen:
Shostakovich, 10. Sinfonie
Mahler, 5. Sinfonie (4. Satz - Adagietto)
Sibelius, 4. Sinfonie (1. Satz)
Aus meiner unmaßgeblichen Sicht eine Zierde jeder Sammlung. Natürlich findet man das alles im Netz. Für Shostakovichs 10. rücke ich auch einen Link raus, weil die das wirklich toll machen und der Jubel so unglaublich ist.
Venezuelas Jugend grüßt Shostakovich
Klanglich wünschenswerter scheint mir aber schon eine Platte. Wenn man das Zeug nicht gleich kaufen will, könnt Ihr es ja auch so machen wie weiland der junge Banks und die Werke erstmal in der nächsten Bibliothek abgreifen. Wenn Ihr sie nicht sowieso längst habt und ich hier offene Türen einrenne.
Schönes Wochenende.