SdW [07.02.-13.02.11]: GENESIS - All In A Mouse's Night

  • womit ich meine Probleme habe seit es den Song der Woche gibt:
    da gibt es offenbar zwei Gruppen von Bewertern,
    die einen die die 15 Punkte innerhalb der Genesis-Familie aufteilen und
    andere, die das gesamte Musikgeschehen miteinbeziehen.


    Also ich versuchs mal anders zu erklären:
    bei mir wäre beispielsweise Ripples 15, Domino 11, Illegal Alien 5 und Since I Lost You 1


    die andere Gruppe bewertet aber:
    Lady Gaga´s Bad Romance 1, Queen´s Bohemian Rhapsody 10, Wot Gorilla 11 und Supper´s Ready 15,
    was letztlich bedeutet, dass kein Genesis-Song schlechter als 10 wegkommt.
    Das verschmälert einerseits die Skala beträchtlich und verfälscht natürlich auch das Ergebnis ziemlich.


    Diesmal hab ich das ganz besonders stark so empfunden, nachdem die Kommentare zu AIAMN doch recht durchwachsen ausfallen, das Umfrageergebnis dann aber doch wieder vor 13ern und 14ern strotzt (okay, bisher haben noch nicht sehr viele abgestimmt)


    Geht das nur mir so ? Seh ich das falsch ?

  • @ MTV: Also ich höre jedes Mal den SdW bewußt, bevor ich werte. Songs anderer Gruppen nehme ich da nicht zum Vergleich und diese unsägliche "Zweiteilung" der Fans ist mir vollkommen banane, mir gefallen Songs aus allen Äras.


    Und so höre ich einen Song relativ unvoreingenommen und werte spontan. So können bei mir auch mal durchaus schlechte Wertungen zustande kommen. Bei AIAMN gibt es Elemente, die mir sehr gefallen, aber auch kurze Phasen, die mir nicht gefallen. Allerdings überwiegen die "guten" Elemente und so kam ich nach einigem Abwägen auf "noch gut" (2-).


    Aber ich gestehe gerne, daß ich zur Weihnachtszeit "Since I lost you" durchaus eine bessere Bewertung gegeben hätte, als im tiefsten Sommer... Nur bei "halt mein Herzchen fest", da käme ich selbst volltrunken auf 1 Punkt (und nüchtern auf 0 Punkte)


    Man muß aber auch anmerken, daß jeder von Notenstufe zu Notenstufe anders differenziert, also jeder eigene Maßstäbe anlegt, was zB "ausreichend" ist und so Bewertungen im Mittelfeld recht relativ sind. "Sehr gut" und "ungenügend" sind denke ich eindeutig, aber was bedeutet konkret "befriedigend" oder "ausreichend"?
    Hinzu kommt, daß wir buchstäbliche Musiksachverständige haben, deren Kommentare ich immer sehr gerne und oftmals begeistert lese (zB prophet, little nick u.a.) - eine derart differenzierte Analyse kann ich nicht machen. Ich denke, daß sie anders werten, als ein Otto-Normal-Hörer wie ich

    Tony Banks - der virtuoseste und beste Komponist und Keyboarder!


    Tour 1987: Mannheim / Tour 1992: Hockenheim / Tour 1998: Mannheim / Tour 2007: Frankfurt - Düsseldorf

  • 12 Pkt.
    Bei mir hat das Album und jeder einzelne Song auf W&W einen Sonderstatus. Es war das erste Genesis-Album, das ich mir direkt am Erscheinungstag zugelegt habe. Ich habe jeden Song und jede Textzeile auf W&W tausendfach gehört und mag es auch heute noch sehr.


    Nun aber eine Anmerkung zum Text:
    Kürzlich habe ich mal in das Buch "Story und Songs kompakt" von Chris Welch reingelesen. Da steht dann neben vielen anderen Merkwürdigkeiten, die ich völlig anders bewerte,:
    Die lustige Story endet damit, daß die Katze sich eines Gnadenstosses rühmt, den sie angeblich einer ten feet tall großen Monstermaus versetzt hat.
    Endet die Geschichte nicht eher so, daß die Monstermaus die Katze erschlägt? Deutet nicht schon der Titel des Songs darauf hin? Oder liege ich da falsch?

    • Offizieller Beitrag

    Zunächst einmal Danke an townman, dem mit seinem "total verschrobenen Quarkauflauf" eine herrliche Wortneuschöpfung gelungen ist, die mir heute den Tag erheblich versüßt hat.


    Die 10 Fuß große Monstermaus taucht immer mal wieder als der schlagende Beweis auf, dass Genesis beim Texten nicht alle Latten am Zaun hatten. Ich wage zu behaupten, dass die meisten dann nicht genau aufgepasst haben (und dass Chris Welch nicht einmal für ein Buch genau genug liest, ist leider symptomatisch für seine Veröffentlichung).


    An den Liedern von Genesis mag ich besonders, dass sich Texte und Musik oft wie zu einem kleinen Film verbinden. Wind & Wuthering bietet gleich mehrere solche Stücke, deren „Filmlänge“ von kurzen Impressionen (Afterglow) bis zu abendfüllenden Dramen (One For The Vine, Eleventh Earl Of Mar) reicht. Hier reiht sich die Erzählung All In A Mouse’s Night als Kammerspiel ein, das aus mehreren Blickwinkeln erzählt wird – oder als Cartoon.


    Die Hauptfiguren der Geschichte sind eine Maus, ein Liebespaar und eine Katze. Die Geschichte ist an und für sich schnell zusammengefasst: Eine Maus begibt sich auf Nahrungssuche, schreckt dabei ein Pärchen auf, das sie zu fangen versucht. Die Maus entkommt und wird kurz darauf von einer Katze gestellt.


    Die erste Strophe deutet von dieser Handlung allerdings noch nichts an. Sie zeigt ein Liebespaar beim Kuscheln (im Bett, wie der Erzähler in der dritten Strophe enthüllt) – beziehungsweise sie zeigt es nicht, denn es ist dunkel. Bis hierhin ist es ein einfaches Liebeslied eines glücklichen Paars. In dem Schlafzimmer aber gibt es offenbar noch Untermieter, nämlich eine Maus, die sich in der Dunkelheit auf Nahrungssuche begibt. Sie hat neben dem Hunger noch ein anderes Problem. Der neue langflorige Flauschteppich erschwert ihr Vorankommen. Gleichzeitig bietet der shag pile noch eine subtile zotige Anspielung auf einen eventuell vorhandenen Kleiderhaufen (pile of clothes), den das Paar im Eifer sich zu paaren (to shag) hinterlassen haben mag. Hinter dem Teppich rennt die Maus in die geschlossene Tür. Das Geräusch schreckt die Liebenden auf; sie schalten das Licht ein. Geblendet sucht sie ein anderes Versteck, denn der Weg zu ihrem eigenen Mauseloch ist blockiert.


    Das Paar beratschlagt unterdessen, was zu tun sei. Während er/sie dafür ist, die Maus laufen zu lassen, besteht sie/er darauf, das Tier aus dem Zimmer zu entfernen. Eine/r der beiden will eine Schachtel holen, um die Maus darin zu fangen. Die Maus nutzt die geöffnete Tür zur Flucht die Treppe hinab und in die Küche oder die Speisekammer. Dem Pärchen scheint das nur recht zu sein, denn sie tauchen in der Geschichte nicht mehr auf. An ihrer Stelle kollidiert die wohl etwas unkoordinierte Maus mit einem formidableren Gegner, der Hauskatze. Die beiden liefern sich eine heiße Jagd, deren Ausgang allerdings von vornherein feststeht: Ohne Hilfe von außen ist die Maus verloren, stellt der Erzähler bedauernd fest. In der Tat holt die Katze zum tödlichen Schlag aus – und hält der Maus noch eine höhnische Ansprache: „Pech gehabt, Maus, dein Weg ist hier zu Ende. Das Straßenschild sagt in mir, lass mich deine schwere Last tragen.“


    Die Rede enthält wiederum einige Wortspiele, die assoziativ voranschreiten: Die Katze stellt zunächst fest: „Dein Weg ist hier zu Ende.“ An einer road stehen Straßenschilder (signposts), und auf manchen davon steht „heavy load“ (für Schwerlastverkehr). Die heavy load ist aber auch ein eine leichte Verballhornung des heavy lot, des schweren (Todes-)Loses, dem die Maus gerade entgegen geht. Nahezu makaber wird der Satz, wenn man das im Englischen optionale Komma um zwei Worte nach vorne zieht: „The signpost says, inside me let me bear your heavy load“ – „Das Straßenschild sagt: Lass mich in mir deine schwere Last tragen“, nämlich indem die Katze die Maus verschlingt.


    Die vier Zeilen, die hier nun folgen, sind inhaltlich die kompliziertesten des gesamten Stücks. Zunächst wird festgestellt „Aber er sollte nicht sein, dieser letzte Schlag.“ Mit der nächsten Zeile entpuppt sich das aber als falsche grammatische Konstruktion, denn der Satz geht noch weiter und lautet dann : „Aber es sollte nicht sein, jener letzte Schlag stößt einen Glasbehälter auf seinen Kopf und streckt sie nieder.“ Die Katze nämlich. Will heißen, die Katze ist ähnlich grobmotorisch wie die Maus, wischt ein (Marmeladen-)Glas vom Regal und schlägt sich damit selbst k.o. Ist das plausibel? Wen kümmert’s – der Text kommt von einer Band, die auch schon über bärtige Geisterkinder gesungen hat. Damit verglichen ist die Geschichte von All In A Mouse’s Night durchaus glaubwürdig.


    Ganz obskur wird es in den letzten beiden Zeilen dieser Vierergruppe. Sie ergeben zwar Sinn, aber keinen einen durchgehenden; der Satz schlägt gewissermaßen mehrere Haken, und nur die Teilelemente für sich ergeben einen Sinn, der mit den vorhergehenden und darauffolgenden Sinneinheiten nur über Assoziationen verbunden ist. Die Zeile „But it’s all in a mouse’s night“ scheint mir eine Anspielung zu sein auf die Redewendung „all in a day’s work“ (soviel wie: „Das ist nichts Besonderes, das war doch gut zu schaffen.“) und sich darauf zu beziehen, dass als Maus ein knappes Entkommen zum Alltag (bzw. zur Allnacht) gehört. Die „night“ verwandelt sich als Anknüpfungspunkt für die darauffolgende Zeile in einen gleichlautenden „knight“, einen Ritter also, der sich auf einen Kampf einlässt („to take on somebody“) mit allen, die zu kämpfen bereit sind. In diesen beiden Zeilen, so wie ich sie lese, klopft sich die Maus den Staub von den Vorderpfoten und zieht gleichsam als triumphierender Held von dannen: „Dank mir ist die Katze k.o. Na, ich bin aber mal ein Teufelskerl!“


    Als Schlusspointe hat dann die großsprecherische Katze das Wort. Sie erzählt wahrscheinlich ihren Katzenkollegen von diesem Ereignis und kann, angeberisch, wie sie ist, nicht zugeben, dass sie die Maus wegen ihrer eigenen Ungeschicklichkeit nicht erwischt hat. Also denkt sie sich eine hanebüchene Geschichte aus – man beachte, dass die „Sprecherzuweisung“ in den Lyrics hier statt „loving couple“, „cat“ und „mouse“ hier ganz ausdrücklich die „Geschichte der Katze“ („cat’s story“) angibt. Natürlich ist sie unglaubwürdiger Quatsch, lässt die Katze aber wieder gut aussehen – diese Geschichte ist von derselben Qualität wie die, die Jake Blues in den Blues Brothers seiner Freundin erzählt: („Der Anzug ist nicht aus der Reinigung gekommen… der Wagen sprang nicht an … da war ein Erdbeben und eine riesige Flutwelle!“). Der letzte Satz ihrer Geschichte und des Liedes insgesamt ist dann aber wieder korrekt: „Es hat nur einen einzigen Schlag gebraucht.“


    Ein alternatives Szenario für die Schluss-Szene der Mäusejagd ist sogar noch ein bisschen plausibler. Die oben skizzierte Folge der Ereignisse macht es erforderlich, dass die Katze mit der Pfote ein Glas so ungeschickt aus dem Regal holt, dass sie sich damit selbst zu Boden streckt. Vielleicht ist aber auch der Schachtelsucher oder die Schachtelsucherin inzwischen in der Speisekammer eingetroffen und hat das Glas heruntergeworfen, das die Katze dann trifft. Dann hätte die Katze in ihrem vom Schlag benebelten Zustand einen verwuschelten Menschen als drei Meter große Monstermaus wahrgenommen (oder beschlossen, ihn später als solchen auszugeben).


    All In A Mouse’s Night ist für mein Empfinden einer der nicht ganz so starken Songs auf meinem ausgesprochenen Lieblingsalbum von Genesis. Wind & Wuthering ist voll von literarischen Anspielungen unter anderem auf H.G. Wells und Emily Bronte – All In A Mouse’s Night wirkt darin ein bisschen wie ein Tom & Jerry-Cartoon. Die Engländer nennen so etwas „comic relief“, als etwas, das ein befreiendes Lachen unter den ganzen ernsten Themen ermöglicht. Als solches ist es gut. Insgesamt 7 Punkte.




    Edith meint: Bewertungskriterien lege jeder an, wie er glücklich ist. Im Großen und Ganzen mittelt sich das schon wieder aus.

  • 12 Punkte von mir, bin auch durch W & W initialisiert (auf der anderen Seite der Cassette war TRespass.. bin heute noch für diese Mischung dankbar :).


    Ich habe übrigens die Theorie, daß die "Monstermaus"der Mann des Loving Couples ist,der auf die Katze stößt als der die Maus sucht und sie für die unruhe verantwortlich macht :)

    Here come the Cavalry!

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe übrigens die Theorie, daß die "Monstermaus"der Mann des Loving Couples ist,der auf die Katze stößt als der die Maus sucht und sie für die unruhe verantwortlich macht :)


    Finde ich einen guten Ansatz. Aber was ist mit dem Glas, das der Erzähler erwähnt?

  • Und ich war immer der Ansicht, dass die Maus der Katze später als Geist erscheint (eben als "monster mouse") und sich an der Katze rächt, wahrscheinlich wie bei "Itchy und Scratchy". Nur, dass es eben kurz und schmerzlos war ("it only took one blow").


    Ach ja, für den Song 11 Punkte, musikalisch finde ich ihn sehr schön aufgebaut und klasse finde ich's auch, wie Phil (ähnlich wie Peter bei "Epping Forest") in die verschiedenen Rollen schlüpft. Gut, textlich wahrscheinlich kein Highlight, aber das war "Firth Of Fifth" noch weniger.;)

    31.10.1997 PHIL COLLINS (Hannover)
    11.06.2004 PHIL COLLINS (Berlin)
    15.06.2007 GENESIS (Hamburg)
    15.06.2012 ROACHFORD (Kiel)
    24.06.2012 MIKE & THE MECHANICS (Kiel)
    18.05.2014 STEVE HACKETT (Hamburg)