Hallo!
Ich habe für 'it' einen Bericht zum Genesis-Konzert im letzten Jahr in Hannover geschrieben. Leider wurde dieser Bericht aufgrund zu vieler persönlicher Anmerkungen abgelehnt. Damit die Arbeit nicht ganz umsonst war, möchte ich den Bericht wenigstens hier im Forum zur Diskussion stellen.
Gruß,
Sebastian
AWD-Arena, 23. Juni 2007
Als im November 2006 bekannt wurde, dass Genesis in der Trio-Besetzung Banks/Collins/Rutherford wieder auf Tour gehen war dies zwar nicht die ganz große Sensation (dies wäre zweifelsohne eine Reunion mit Peter Gabriel und Steve Hackett gewesen!) aber immerhin eine Nachricht, die mich in Aufregung versetzte und dazu veranlasste, schnellstmöglichst zwei Tickets für einen Genesis-freundlichen Kumpel und mich für das Konzert im nahen Hannover zu bestellen. Schließlich ging es hier um meine Lieblingsband und diverse Live-Mitschnitte und DVDs haben bewiesen, dass auch der "Dreier" zusammen mit Daryl Stuermer und Chester Thompson hervorragende Konzerte zu spielen imstande ist.
Die Zeit verging und man vertrieb sich das Warten auf den großen Moment mit allerlei Diskussionen, Gerüchten und Abstimmungen im 'it'-Forum. Doch endlich war es soweit, der Sommer 2007 war gekommen. Allerdings ließ der so genannte Sommer seinem Namen nicht gerade viel Ehre zuteil werden. So fielen doch einige Konzerte der Turn It On Again Tour sprichwörtlich ins Wasser, was sich freilich nur auf die metereologischen und nicht auf die künstlerischen Bedingungen bezieht.
Am besagten 23. Juni 2007 schien der Wettergott aber zunächst gnädig zu sein. Auf dem Weg zur so genannten AWD-Arena hielten die himmlischen Schleusen dicht. Die Völkerwanderung in die wir uns auf dem Weg zur Arena einfügten machte schonmal drauf aufmerksam, dass ein Genesis-Konzert anno 2007 ein Massenereignis ist und keine intime Konzertatmosphäre versprüht, wie man es zum Beispiel von The Musical Box oder den Konzerten von Peter Gabriel während seiner überraschenden Warm Up Summer Tour gewohnt war. Für mich war es das erste Konzert dieser Größenordnung und ich war doch recht gespannt auf das, was mich erwarten würde.
Da ich mich damals ohne weiter drüber nachzudenken für zwei Sitzplatz-Tickets im Block O13 entschieden hatte, gestaltete sich der Einlass als problemlos. Bevor wir die Heimstätte von Hannover 96 und vor allem die gewaltige Bühnenkonstruktion begutachteten, stärkten wir uns erstmal mit einem Bier aus liebevoll gestalteten Genesis-Trinkbechern. Dann begaben wir uns auf die Suche nach unseren Plätzen. Diese lagen im unteren Bereich des Oberranges. Die Bühne hatte wirklich gigantische Ausmaße und man konnte sich schonmal darauf gefasst machen, dass diese im illuminierten Zustand erst recht für staunende Gesichter sorgen würde. Jedoch wurde uns schnell klar, dass der Blick nicht optimal war. Unsere Plätze waren zu weit an der Seite und die Bühne ließ sich nicht in der Totale betrachten.
Der Innenraum war bereits gut gefüllt, auf den Rängen gab es hingegen noch einige Lücken. Doch die Stimmung war gut und auch das Wetter hielt - zwischendurch riskierte sogar die Sonne einen Blick durch die Wolkendecke. Kurz vor Konzertbeginn waren auch die Sitzplätze reichlich gefüllt und mehrere Laola-Wellen schappten durch das weite Rund. Doch leider wurde es immer dunkler, und das lag nicht an der einsetzenden Dämmerung...
Nach dem bekannten Intro aus Dead Already und dem Vorspann mit Ausschnitten einiger Genesis-Hits sowie der Standortbestimmung "Hannover" war es dann soweit - unsere Helden betraten die Bühne! Phil, der durch seine 96-Jacke gleich mal ein bisschen Lokalkolorit einstreute, setzte sich gleich an seinen Lieblingsplatz, nämlich hinters Schlagzeug. Mit den ersten Tönen von Behind The Lines passierte es dann: Der Himmel öffnete alle Kanäle und ein dicker Gewitterschauer ging über der Arena nieder. Mit einer solch perfekten Inszenierung der Natur hätte wohl keiner gerechnet und im Innenraum konnte man tausende Menschen dabei beobachten, wie sie sich in Sekundenschnelle in ihre Regenklamotten warfen. Hier erwies sich unser Sitzplatz noch als Vorteil: Wir blieben trocken.
Während der ersten zwei Songs hatte ich noch gar nicht richtig realisiert, dass da unten meine Lieblingsband steht und Musik für mich macht. Die ganze Szenerie wirkte irgendwie irreal. Zudem war der Sound ziemlich mies: Zu leise, kaum Druck und sehr nervige Echos vom Stadiondach. Bei No Son Of Mine begann ich endlich zu begreifen was hier abging und ich hatte Tränen in den Augen. Das waren tatsächlich Genesis, live, geil! Bei Land Of Confusion gab es einige Konfusionen mit Mikes Gitarre und die Techniker eilten erstmals auf die Bühne. Der Regenschauer ging wohl auch an den Instrumenten, Verstärkern und Kabelverbindungen nicht spurlos vorüber.
Nun folgte das In-The-Cage-Medley, auf das ich mich im Vorfeld sehr gefreut hatte. Hier hat es mir vor allem immer der Cinema-Show-Teil angetan. Allerdings presste mich das Basspedal leider nicht wie erhofft unter das Stadiondach, was am ziemlich dünnen Sound lag. Der Übergang zu Duke's Travels wirkte beim ersten Hören auch noch sehr holprig. Wie ich später erfuhr, gab es auch Probleme mit den Video-Animationen auf der LED-Leinwand. Davon bekamen wir allerdings aufgrund der Lage unserer Plätze gar nichts mit, da die geschwungene Bühnenkonstruktion den Blick versperrte. Die Reaktion des Publikums auf diese "schwere" Kost war ebenfalls eher verhalten. Nach der kurzen Atempause namens Hold On My Heart folgte das erste Highlight: Bei Home By The Sea wurde der Sound besser und erstmals konnte man die bombastische Wall Of Sound verspüren, die Genesis doch immer ausgezeichnet hat.
Follow You Follow Me brachte die nächste Überraschung: Phil sang vom Schlagzeug aus und das sogar sehr gut! Die neue "Luftigkeit" tat dem Song gut und die Animationen - bzw. die Teile davon, die wir erkennen konnten - waren nett gemacht. Firth Of Fifth bescherte einen Gänsehaut-Moment: Daryls Solo einmal live zu erleben war erste Sahne! Diese Leistung ist auch dem Publikum nicht entgangen und er bekam seinen verdienten Applaus. I Know What I Like mausterte sich überraschend zum bisherigen Höhepunkt - der Song machte einfach Spaß und das Publikum war bei "seinen" Teilen voll dabei.
Den zweiten Teil des Sets eröffnete Mama. Die einsetzende Dunkelheit ließ die Lightshow das erste mal richtig zur Geltung kommen und Phil sang sich buchstäblich die Seele aus dem Hals. Wer hätte das gedacht, war doch Mama gerade der Song, welcher ihm auf den vorherigen Touren immer große stimmliche Probleme bereitete. Nach diesem Super-Hit bekam das Publikum dann eine volle Breitseite Prog um die Ohren gehauen: Ripples. Die pastorale Zartheit dieses Songs wurde wunderbar von dem grünen Licht und den Wald-Animationen unterstützt. Ripples gehört zwar nicht zu meinen All-Time-Favorites von Genesis, aber diesen Song in einem vollbesetzten Stadion zu spielen ist schon krass. Bei Ripples musste übrigens ein Keyboard von Tony Banks ausgetauscht werden, welches offenbar den Regen nicht überlebt hat. Phil überbrückte die kurze Umbauzeit sehr professionell und charmant indem er einige Roadies vorstellte.
Throwing It All Away war mein Moment um dem Bier Tribut zu zollen und die Toilette aufzusuchen. Dabei nutzte ich die Gelegenheit, mich kurz an die höchste Stelle des Oberranges zu stellen. Von dieser Position aus hatte man wirklich einen wunderbaren Blick aus der Vogelperspektive auf das ganze Geschehen. Mit Domino war nun ein weiterer Pop-Longtrack an der Reihe. Auch hier handelt es sich nicht gerade um einen persönlichen Favoriten von mir, aber einmal Teil des berühmten Domino-Principles zu sein war schon toll. Im Anschluss konnten Phil und Chester im Drum Duett ihre Schlagzeugkünste präsentieren. Die Idee, dieses zunächst auf zwei Barhockern zu präsentieren, war schon sehr originell und spaßig. Direkt im Anschluss dann Genesis' Ode an den Bombast: Los Endos. Die etwas getragenere Version im Vergleich zur 86er Tour wurde sehr wuchtig und routiniert vorgetragen. Gerade hier hätte ich mir allerdings einen kraftvolleren und lauteren Sound gewünscht!
Das Medley aus Tonight Tonight Tonight und Invisible Touch verspricht zwar keine musikalische Feinkost aber - oh Wunder - das Publikum wachte plötzlich auch im Sitzplatzbereich auf! Endlich wurde gestanden, gefeiert, getanzt und mitgegröhlt. Endlich kam Konzert- und Party-Feeling auf. Das Feuerwerk war natürlich die Krönung - das hat wirklich Spaß gemacht! Dummerweise war das Konzert nun schon vorbei und es folgten die Zugaben. I Can't Dance war wohl der Schwachpunkt des Sets. Klar, der durchschnittliche Fan will das hören, aber die Version auf der Turn It On Again Tour war saft- und kraftlos. Schade dass wertvolle Konzertzeit so fahrlässig verschwendet wurde! Einzig die Animationen waren wieder hübsch anzuschauen. Aber Genesis wären nicht Genesis wenn sie nicht noch ein Ass im Ärmel gehabt hätten. Und das waren die Carpet Crawlers. Das war wirklich ganz groß, ergreifend und einfach nur schön. Die Feuerzeuge und Handys wurden geschwenkt, was für ein Abschluss! Am Ende waren sich alle einig: Das war ein großes Konzert einer großen Band.
Was bleibt also abschließend zu sagen zu meinem ersten Genesis-Konzert? Zunächst mal die Erkenntnis, dass ich beim nächsten mal auf jeden Fall Stehplatz-Tickets kaufen werde! Die Stimmung auf den Sitzplätzen war einfach nur einschläfernd. Wenn ich auf einem Konzert bin möchte ich mich eigentlich nicht über die Einkäufe der nächsten Woche unterhalten, sondern die Musik genießen. Damit wären wir auch schon beim Sound: Der war leider, leider eher schwach auf der Brust. Der typische Genesis-Bombast fehlte und die besten Stellen wurden von nervigen Echos vom Stadiondach versaut. Über die Setlist wurde ja schon viel geschrieben. Meiner Meinung nach stellte sie einen sehr guten Kompromiss zwischen Hits und Prog dar. Was die musikalischen Fähigeiten der Band betrifft war ich positiv überrascht: Alle fünf waren noch sehr fit. Vor allem gefiel mir Mike, der auf der Tour zum richtigen Rocker mutiert ist! Auch Phil beherrschte seine Drums für sein Alter und für das wenige Training noch verblüffend gut. Auch seine Stimme war noch wunderbar in Schuss ebenso wie seine Entertainer-Qualitäten, mit denen er nach wie vor spielend jede Masse begeistern kann. Alles in allem war es ein schönes Erlebnis und ich erinnere mich heute noch gern an die Tour zurück wenn ich mir die When In Rome DVD anschaue.