AUDIO: neue Stereomixe sind überlaut

  • So hatte der Anfang von "Eleventh Earl of Mar" unzweifelhaft im alten Mix eine höhere Dynamik, find leiser an und steigerte sich mit dem Mellotron viel stärker als es im neuen Mix der Fall ist.


    Richtig...der Unterschied ist wirklich extrem...es beginnt beim neuen Mix deutlich druckvoller, dafür schwillt das Mellotron später deutlich weniger an...das ist allerdings nicht auf den Einsatz von Kompressoren zurückzuführen...das hat Nick Davis tatsächlich anders abgemischt...

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe es jetzt mal rausgesucht - analysiert habe ich Ripples (als ein Track mit hoher Dynamik), Turn it on again (ein Rock-Song mit reduzierter Dynamik) und Tonight Tonight Tonight (ein Longtrack mit sowohl lauten als auch leiseren Passagen, den es zudem nie remastered gab).


    Benutzt habe ich das Statistik-Tool von Adobe Audition, dazu wurden von allen Tracks Ein- und Ausblenden abgeschnitten, damit die Fadekurven nicht das Ergebnis verfälschen. Von den gemessenen Werten ist der RMS-Wert am aussagekräftigsten, da er annähernd den Effektivwert, also den Durchschnitt der Wellenform ermittelt - nicht die absoluten Spitzen. Da es sich jedesmal um dieselben Songs handelt, kann man die Werte somit gut vergleichen. Die Ergebnisse sind jedoch insofern schwierig zu interpretieren, als dass die CDs ja unterschiedliche Lautheiten aufweisen, also unterschiedliche Durchschnittslautstärken - wobei die Maximallautstärke einer CD mit 0 dBFS (Full Scale) technisch unverrückbar ist. Um die Lautheit (nicht die Lautstärke) dennoch zu steigern, werden kurze Lautstärkespitzen "beschnitten"; d.h. knapp unterhalb von 0 dBFS hart limitiert, damit sie nicht clippen. So erzielt man einen höheren Durchschnittspegel - das verfälscht allerdings so auch das Messergebnis. Ich habe deshalb alle leiseren CDs um den Differenz-Durchschnittspegel (Average RMS Power) verstärkt und hart limitiert und danach, bei nunmehr annähernd gleichem Durchschnittspegel, noch einmal gemessen. Das Ergebnis ist dadurch erst vergleichbar.


    Noch ein Wort zum Verständnis von "dB"= DeziBel - dies ist keine Einheit, sondern nur ein Bezugswert, eine Rechengröße, die sich auf einen Wert einer echten Einheit bezieht, etwa eine Wechselstromspannung in Volt (dBV). Dezibel-Skalen sind logarithmisch, d.h. alle 6 dB verdoppelt bzw. halbiert sich der dahinter liegende Echtwert. "6 db lauter" heißt also: "doppelt so laut". Dadurch lassen sich dB-Werte beliebig addieren und subtrahieren ("Pegelrechnen" war in meiner Ausbildung gehasst und gefürchtet). Das menschliche Ohr kann Pegeldifferenzen > 2 dB unterscheiden, ausgebildetes Gehör erkennt 0,5-1 dB Differenz.


    Hier die Zahlen:


    Ripples
    Stereo-Remix:
    Minimum RMS Power: -72.05 dB
    Maximum RMS Power: -6.76 dB
    Average RMS Power: -17.9 dB
    Dynamic range: 65.29 dB


    DER:
    Minimum RMS Power: -55.16 dB
    Maximum RMS Power: -8.82 dB
    Average RMS Power: -22.96 dB
    Dynamic range: 46.34 dB


    DER + 5.06 dB (bereinigt):
    Minimum RMS Power: -50.1 dB
    Maximum RMS Power: -6.52 dB
    Average RMS Power: -17.96 dB
    Dynamic range: 43.58 dB


    Turn It On Again
    Stereo-Remix:
    Minimum RMS Power: -52.09 dB
    Maximum RMS Power: -7.47 dB
    Average RMS Power: -14.04 dB
    Dynamic range: 44.62 dB


    DER:
    Minimum RMS Power: -56.22 dB
    Maximum RMS Power: -9.1 dB
    Average RMS Power: -18.85 dB
    Dynamic range: 47.12 dB


    DER + 4.81 dB (bereinigt):
    Minimum RMS Power: -51.39 dB
    Maximum RMS Power: -6.42 dB
    Average RMS Power: -14.32 dB
    Dynamic range: 44.97 dB



    Tonight, Tonight, Tonight
    Stereo-Remix:
    Minimum RMS Power: -47.01 dB
    Maximum RMS Power: -7.25 dB
    Average RMS Power: -14.16 dB
    Dynamic range: 39.76 dB


    Original 1985 CD:
    Minimum RMS Power: -50.62 dB
    Maximum RMS Power: -12.38 dB
    Average RMS Power: -20.76 dB
    Dynamic range: 38.24 dB


    Original 1985 CD + 6.6 dB (bereinigt):
    Minimum RMS Power: -44.04 dB
    Maximum RMS Power: -6.93 dB
    Average RMS Power: -14.24 dB
    Dynamic range: 37.11 dB


    Der ermittelte Wert für die Dynamikumfang (Dynamic range) errechnet sich jeweils aus der Differenz von Minimum- und Maximum RMS Power.
    Der sensationelle Wert von knapp 20 dB höherer Dynamik bei Ripples entsteht natürlich durch den extrem niedrigen Minimalpegel von -72 dB, was eine Folge der besseren technischen Möglichkeiten bei der Neuabmischung (u.a. niedrigeres Grundrauschen) ist. TIOA lässt (bereinigt) gar keinen Unterschied erkennen, ohne gekappte Spitzen sind es -unhörbare- 2,5 dB mehr für die DER. Bei Tonight x3 gibt es fast keinen Unterschied (1 dB) zwischen Original von 1985 und der um 6.6 dB angehobenen Version. Das liegt daran, dass die 85er CD extrem leise war - die Spitzen sind nicht limitiert. Trotzdem liegt die Remix-Fassung nach Bereinigung mit 2,65 dB mehr Dynamik vorn.


    Fazit: Je mehr Dynamik in der Aufnahme enthalten ist, desto mehr profitieren diese Songs von den besseren technischen Möglichkeiten des Remix - desto mehr technische Dynamik wird genutzt - trotz Erhöhung der Lautheit hat Nick Davis die Neuabmischungen tendenziell eher weniger stark komprimiert als es die früheren Releases waren.


    tom



  • Das ist mal wieder ein sehr interessanter Beitrag - Vielen Dank dafür und die dahinter steckende Arbeit Tom!
    Inwieweit hat eigentlioch der Produzent / Remixer noch Einfluß auf das Mastering, das dann ja letztendlich die (anderen) Produktionen (die Genesis-Remixe ja offenbar nicht) "versaut" und platt macht? Ist er noch irgendwie eingebunden oder hat der Masterer (mir fällt da z.B. Legende Bob Ludwig oder Remasterer Eroc ein) dann die alleinige Möglichkeit für gut oder schlecht?

  • Hallo Tom!


    Hast du dein Ergebnis evtl. mal AUDIO zukommen lassen? Ich habe nämlich den Beitrag in der AUDIO auch gelesen und hatte gehofft, daß wir so eine fundierte "Untersuchung" bekommen.


    Wenn du es denen nicht hast zukommen lassen, würdest du das evtl. machen (per Mail oder in deren Forum)? Mich würde eine Erklärung von AUDIO sehr interessieren. Nicht um die Zeitschrift in Frage zu stellen o.Ä. Ich bin einfach an der Materie interessiert und für jede Info dankbar.


    Danke schön und Grüße,
    Jens

  • Ich habe mir von den neuen Mixen, bisher nur A Trick geholt, und muss sagen, das mir die Ursprungsversion am besten gefällt. Die klingt am natürlichsten.

    Bussi

    Eure Mel.

  • Ich habe mir von den neuen Mixen, bisher nur A Trick geholt, und muss sagen, das mir die Ursprungsversion am besten gefällt. Die klingt am natürlichsten.

    Bussi

    Eure Mel.


    Welche Ursprungsversion? Die Originalversion von damals (Primär auf Schallplatte enthalten, gibts aber auch auf CD und sowieso auf MC) oder meinst du die Remasterd-Version?
    Also bei mir ist es nämlich so, dass ich auch mehr auf die Originale stehe, aber dann nur von LP - hat sicherlich was mit dem besonderen Reiz von Vinyl zu tun ;)

    Smokey, wir sind hier nicht in Vietnam, wir sind hier beim Bowling, da gibt es Regeln.

  • Wie ich mal irgendwo las, sind die CD Originale vom Klang her unter aller Sau. Brei soll es am ehesten treffen.

    Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.

    • Offizieller Beitrag

    Also, ich bin ehrlich nicht daran interessiert, mich mit der AUDIO oder anderen Hifi-Zeitschriften auseinanderzusetzen. Ich habe die früher auch mal gelesen und fand es erschreckend, wie nach dem Einzug der Digitaltechnik in den Consumerbereich dort der Aberglauben grassierte. Ich erinnere mich an Testberichte, wonach zwischen Original-CD und einer gebrannten, technisch einwandfreien Kopie klangliche Unterschiede angeblich deutlich hörbar waren und andere Späße, die zur Desinformation der interessierten Laien beigetragen haben.


    Ich kann diese Postillen leider nicht mehr ernstnehmen - es steht dir aber frei, meine Untersuchungsergebnisse weiter zu verbreiten. Du kannst dich dann aber schon mal auf kritische Einwände vorbereiten, z.B. was den RMS-Wert anbetrifft - dieser ist als echter Effektivwert immer umstritten, weil er im Grunde nur auf reine Sinusschwingungen zutrifft, die in der Musik praktisch nicht vorkommen. Mir ist das Ergebnis dennoch aussagekräftig genug, weil ich es bei allen untersuchten Tracks gleichermaßen angewendet habe.
    Grundsätzlich haben Messwerte ja ohnehin an Bedeutung verloren - dort wo sich keine Unterschiede messen lassen, glaubt man eben daran, Unterschiede zu hören (z.B. SPDIF-Kabel oder am Rand bemalte CDs), dort, wo es meßtechnische Einwände gibt, werden diese negiert oder als bedeutungslos dargestellt (z.B. das Vinyl-ist-besser Thema). Es bringt also nix.


    tom

  • des Themas der "überlauten" Musik nehmen sich jetzt sogar Versicherer an: Lautstark: Volle Dröhnung auf die Ohren - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Netzwelt

    Mit solchen hochkomprimierten dauerlauten CDs kann kein Musikliebhaber wirklich zufrieden sein, höchstens DauerbrieselungsMuzakRadios (auch von Bob Fripp höchst trefflich "Noise Polution Units" genannt).
    Und da fällt mir der altbekannte 80er Slogan "Home taping is killing music" in neuerer Fassung ein: "Formatradio is killing music" oder auch "99dB are killing music" ;)

    Interessant, daß im Klassikbereich alles beim Alten geblieben ist