AUDIO: neue Stereomixe sind überlaut

    • Offizieller Beitrag

    Der Spiegel-Artikel ist leider von jemandem geschrieben, der leider nicht den Hauch einer Spur von technischem Sachverstand hat. Natürlich sind CDs heutzutage lauter als früher, aber das heißt doch nicht, dass man sie auch lauter abhört. Jedenfalls hat selbst die billigste Anlage einen Lautstärkeregler, und er ist mit einiger Sicherheit das am häufigsten benutzte Bedienungselement.


    Der Rest ist ebenso großer Unfug:

    Zitat

    Der Dauerschallpegel des Titels "So Far Away" betrug 1985 noch 88 Dezibel (dB), 1995 bereits 93 dB und 2005 dann 99 dB - elf dB mehr für die gleiche Musik.


    88 dB von was? - "Dezibel" sind keine Einheit, sie sind eine Bezugsgröße und ohne eine Angabe, auf was sich der Wert bezieht, absolut nutzlos. Natürlich sind auf CDs auch messbare Dezibel, sie messen sich jedoch völlig anders: so hat das lautest mögliche Signal auf einer CD einen Pegel von exakt 0 dB, gemessen an der Vollaussteuerung, die dann erreicht wird, wenn alle 16 Bits eines CD-Audio-Samples eine 1 darstellen. Mehr als 1111111111111111 geht nicht (denn für höhere Werte müsste man die Anzahl der Bits erhöhen und das ist laut CD-Audio-Spezifikation nicht möglich). Diese 0 dB bezogen auf Vollaussteuerung nennt man in der Digitaltechnik daher 0 dBFS (Dezibel Full Scale - wenn klar ist, worauf man sich bezieht, kann man den Zusatz durchaus weglassen). Der Durchschnittspegel einer CD von 1985 (in meinem Beispiel oben) beträgt daher etwa -20 dB (FS), eine CD von 2008 liegt etwa bei -14 dB, ist also 6 dB lauter (also doppelt so laut stimmt; Dezibel sind logarithmisch).
    (Übrigens wird Dezibel in dem dort verlinkten Glossar korrekt definiert - der Autor hätte es also durchaus wissen können.) ;)


    Ich habe daher auch als Fachmann keine Ahnung, wie der Autor auf die Werte 88, 93 und 99 dB kommt. Die leiseste Stelle einer CD ist nämlich erreicht, wenn alle Bits auf 0 stehen. Zwischen 0000000000000000 und 1111111111111111 gibt es exakt 65535 Zwischenstufen, was einem Dynamikumfang von etwa 96 dB entspricht. Mehr geht nicht und selbst dieser Wert wird nur theoretisch erreicht.


    Der Autor spricht denn auch von "Dauerschallpegel" - dies ist aber etwas völlig anderes, denn hier bezieht sich der Dezibelwert auf den messbaren Schalldruck, der bei der Schallausbreitung im Raum entsteht. Der ist aber einerseits abhängig von der verwendeten Anlage und, wie schon gesagt, natürlich von der Stellung des Lautstärkereglers.


    Dass Ohr- und Kopfhörer ein Problem sind, ist schon zu Analogzeiten bekannt gewesen. Versuche haben gezeigt, dass bei gleichem Lautstärkeempfinden bezogen auf Lautsprecher- bzw. Kopfhörerwiedergabe der Schalldruck am Ohr gemessen beim Kopfhörer etwa 10 mal so hoch ist!
    So kommt es leicht zu einer dauerhaften Schädigung des Gehörs - die Warnungen hat es auch beim guten alten Walkman gegeben.


    Das alles hat wie gesagt, jedoch überhaupt nichts mit dem Problem überlauter CDs zu tun.

    • Offizieller Beitrag

    TM, darfst mich gerne korrigieren:


    Das "Problem" vieler heutiger CDs bzw. korrekter der heutigen Musikproduktionen ist nicht wie TM richtig bemerkt der Dauerschallpegel, die zu hohen db, oder was auch immer, sondern vielmehr, dass die meißten Produktionen heutzutage (speziell die Popproduktionen) absolut bis zum Anschlag totkomprimiert sind.


    D.h. sie weisen kaum bis keinerlei Dynamik mehr innerhalb des Songs auf. Normal leisere Stellen oder "schwächer" instrumentierte Passagen eines Songs sind gleichlaut mit Passagen, die das "volle Brett" der Band wiedergeben.
    Schaut man sich z.B. in einem Wave-Editor das Wellenform eines solchen Songs auf, fällt einem gleich die (ich nenn sie immer so) "Wurst" auf.


    Um das ganze Übel mal anschaulich zu demonstrieren:


    Bis vor ein paar Jahren sah das Klangbild einer normalen Musikproduktion in etwa so aus:
    [Blockierte Grafik: http://images.digitalmedianet.com/2008/Week_6/4t7y57m8/story/audition%20waveform%20editing.jpg]
    Schön sieht man laute Stellen (hoher Ausschlag) und leise Passagen (kleiner Ausschlag), ergo eine recht hohe Dynamik. Das ganze ergibt auch gleichzeitig ein ausgewogenes, luftiges Klangbild (laienhaft ausgedrückt).


    Vergleicht man das mit aktuellen Produktionen, sieht das Klangbild aber mittlerweile eher so aus:
    [Blockierte Grafik: http://recordrestoration.com/01b-waveform%20recorded%20at%20excessive%20volume..gif]
    Wie man sieht ist alles eine einzige "Wurst", leise Passagen unterscheiden sich nicht mehr in der Lautstärke von lauten Passagen.
    Im Ergebnis wirkt eine solche totkomprimierte Produktion bei gleichen Ausschlag der Lautstärke-Regler an der Anlage lauter, allerdings auch komplett leblos und kann einem audiophilen Höhrer regelrecht auf die Nerven gehen. Die Dynamik des Songs geht gegen null.


    Und DAS ist mittlerweile das Hauptübel aktueller Produktionen, speziell im Pop-Sektor.

  • Tom, da hast Du sicher Recht. Ich hatte den Link nach kurzem Überfliegen des Artikels hier gepostet, weil es interessant finde, daß das Thema der früher schon von mir zitierten "Loudness Wars" oder auch Totkomprimierung nun endlich in der Nicht-Fachpresse angekommen ist. Leider - wie fast zu erwarten - fachlich falsch. Danke Dir und Prophet für die Erläuterungen!
    Dabei gab es in den 90ern scheinbar auch Gegenbewegungen, die den durch Digitaltechnik m.E. leichter zu erreichenden Dynamikumfang schätzten. So ist auf der "Talk"-CD von Yes extra ein Warnhinweis (wahrscheinlich zum Schutze der Endstufen und Lautsprecher), daß der Dynamikumfang sehr groß sei.
    Schade, daß es so nicht blieb.

    Das Thema Kopfhörer + Walkman kenne ich auch noch aus den 80ern, also nix neues.
    Ich benutze seit ca. 2 Jahren In-Ohr-Hörer und denke, daß sich damit der Schalldruck signifikant senken lässt: Durch die hohe Geräuschdämmung nach aussen (Umgebungslärm) muß der Walkman (hoppla, das ist ja ein geschützter Markenname ;)) auch nicht so aufgedreht werden, um halbwegs störgeräuschefrei die Musik geniessen zu können.
    Zudem hat mein Sony Gerät noch eine aktive Geräuschunterdrückung („Noice-Cancelling“), was den Grundpegel gerade in Verkehrsmitteln nochmals reduziert - tolle Sache! Leider produziert Sony das nicht mehr - Warum bloß?

    • Offizieller Beitrag

    TM, darfst mich gerne korrigieren: ...


    Nö, kein Grund. Höchstens eine Ergänzung: Komprimiert wurde auch früher schon, sowohl beim Mix als auch beim Mastering. Bei letzterem wurden früher, da es um Vinyl ging mit seinen prinzipbedingten Einschränkungen in erster Linie die hohen Frequenzen zum Teil stark und hörbar limitiert. Ein Pop/Rock-Mix ist ohne Kompressoren schon seit den späten 1950ern nicht mehr denkbar.


    Das Problem heutzutage ist vielmehr das aggressive Peak-Limiting. Das hat mit Kompression erstmal nicht viel zu tun. Dazu sollte man vielleicht Folgendes wissen:


    In der Produktion wird heutzutage mit erheblich höheren Auflösungen als 16 bit/44.1 KHz (CD-Norm) gearbeitet. Für die Aufnahme ist das wichtig, denn die Verstärkung des einzelnen Signals wird ja erst später beim Mix festgelegt, außerdem weiß man ja nie genau, wie laut ein Signal im Verlauf werden wird, also benötigt man eine Reserve ("Headroom") von 6-12 dB. Wenn man aber eine Aufnahme mit -12 dBFS aussteuert, hat man praktisch 2 bit verschenkt. Gute Audio-A/D-Wandler sollten daher mindestens echte 24 bit schaffen. In der Weiterverarbeitung ist man mit 32 bit Float und mit 96 oder 192 KHz auf der sicheren Seite.


    Besonders durch die höhere Bitauflösung lässt sich also ein erheblich höherer Dynamikumfang realisieren, als hinterher auf die CD mit ihren theoretischen 96 dB draufpasst. Durch ein Hard-Limiting beim Mastern erreicht man nicht nur eine höhere Lautheit, sondern auch eine bessere Auflösung bei geringen Lautstärken. Die erwähnten 65535 Pegelstufen stehen ja leider nur für Vollaussteuerung zur Verfügung. Bei sehr leisen Signalen stehen nur noch wenige Bit und Pegelstufen zur Verfügung, dementsprechend hoch ist der Wiedergabefehler, der sich in erhöhtem Rauschpegel (Quantisierungsrauschen) niederschlägt. Ein Anheben der Gesamtlautstärke verbessert also auch die Wiedergabe der sehr leisen Signalanteile - hilft also somit, die Verluste des hochauflösenden Produktionsformats beim Herunterkonvertieren auf das CD-Format zu minimieren.


    Natürlich darf man es nicht übertreiben mit dem Hard-Limiting. Leider wird das seit einigen Jahren gemacht und genau da liegt das Problem, nicht bei der Methode an sich.


    Wenn ich CDs mastere, versuche ich immer, einen Kompromiss zu finden. Bei normalisiertem Rock-Pop-Material (also dann, wenn mindestens eine Spitze bereits exakt bei 0 dB liegt), kann man mit Hard-Limiting die Gesamtlautstärke um mindestens 3 dB steigern, ohne dass man eine Beeinträchtigung hört. Denn an der eigentlichen Dynamik ändert sich nichts, nur die Spitzen werden sanft abgerundet, was natürlich punktuell zu Verzerrungen führt, diese treten aber zu kurz auf, um hörbar zu sein. Man kann dann versuchen, den Wert leicht zu steigern. Oft sind auch 6 dB noch gut drin. Die Verzerrungen treten jedoch irgendwann deutlich hervor - wenn aus sanft gerundeten Sinuswellen harte Rechtecke werden, gibt es einen Haufen unangenehmer Obertöne, die im Original nicht vorhanden waren.


    Die neuen Genesis-Remixe sind durchschnittlich 3 dB lauter als die DER-Serie von 1994, die nur leicht limitiert war. Das ist also kein Wert, um den man sich ernsthaft Gedanken machen sollte.

  • Eine Frage in die "andere Richtung" an die Fachleute:

    Wenn nun eine komprimierte Aufnahme vorliegt ("moderne" Pop-Produktion oder FM Radiomitschnitt), kann man die Komprimierung nachträglich wieder dekomprimieren?
    Falls ja - wie gut wird das Resultat?
    Gerade Radiomitschnitte klingen ja aufgrund der Komprimierung (und natürlich des eingeschränkten Frequenzumfangs) häufig recht platt.

  • Eine Frage in die "andere Richtung" an die Fachleute:

    Wenn nun eine komprimierte Aufnahme vorliegt ("moderne" Pop-Produktion oder FM Radiomitschnitt), kann man die Komprimierung nachträglich wieder dekomprimieren?
    Falls ja - wie gut wird das Resultat?
    Gerade Radiomitschnitte klingen ja aufgrund der Komprimierung (und natürlich des eingeschränkten Frequenzumfangs) häufig recht platt.


    Bin kein Recording Fachmann. Theoretisch kann man durch einen Expander wieder "Luft" schaffen. Das Problem ist allerdings dass sich der ursprüngliche Zustand nicht mehr herstellen lässt da die dynamikverluste quasi rekonstruiert werden müßten.

  • Bin kein Recording Fachmann. Theoretisch kann man durch einen Expander wieder "Luft" schaffen. Das Problem ist allerdings dass sich der ursprüngliche Zustand nicht mehr herstellen lässt da die dynamikverluste quasi rekonstruiert werden müßten.



    genau das ist auch mein Gedanke - woher weiß der Expander / Decompressor, was früher mal laut oder leise war?

  • Eben, er kann es nicht wissen da er ja nur das potenziert was er vorfindet. Es gibt "intelligente" Geräte die da schon einiges machen können, wenn allerdings zu viel limitiert wurde trifft man nach meiner Erfahrung auf Probleme die zu einem "unruhigen" Ergebniss führen können.
    Bin gespannt was TM zu meinem Homerecording Geseier sagt....:p

    • Offizieller Beitrag

    Eben, er kann es nicht wissen da er ja nur das potenziert was er vorfindet. Es gibt "intelligente" Geräte die da schon einiges machen können, wenn allerdings zu viel limitiert wurde trifft man nach meiner Erfahrung auf Probleme die zu einem "unruhigen" Ergebniss führen können.
    Bin gespannt was TM zu meinem Homerecording Geseier sagt....:p


    Stimmt genau, was ihr sagt. Eine Umkehrung ist allerdings bei Kompressor und Limiter wegen der unterschiedlichen Einstellungen diverser Parameter auch unterschiedlich schwierig (ein Grund mehr, diese prinzipiell ähnlichen Effekte gut zu differenzieren).


    Bei beiden ist die Ratio das Verhältnis von Eingang zu Ausgangsdynamik. Eine Ratio von 2:1 bedeutet, dass ein Pegelunterschied zwischen zwei Signalen von z.B. ursprünglich 4 dB am Ausgang nur noch 2 dB groß ist. Dies allerdings nur, solange die Signale lauter sind als der Schwellwert (Threshold). Der Unterschied liegt in den Einstellbereichen der Parameter. Beim Hard-Limiter ist die Ratio nicht einstellbar, sie beträgt Unendlich:1, da jedes Signal, das den Schwellwert überschreitet, unabhängig von der ursprünglichen Lautstärke, den selben Pegel am Ausgang hat (den des Schwellwerts).


    Kompressoren und Limiter sind prinzipiell Regelverstärker mit definierten Ansprech-, Halte- und Abklingzeiten. Wiederum sind diese unterschiedlich flexibel einstellbar. Beim Kompressor macht man sich dies für die Klanggestaltung nutzbar. Eine Ansprechzeit von > 15 ms bedeutet z.B., dass stark impulshaltige Signale wie der Klang einer Snare unabhängig von Threshold und Ratio ungeregelt den Kompressor passieren, da der Regelverstärker erst nach dem Attack einsetzt. Kürzere Ansprechzeiten würden schon die frühen Anschlagsspitzen bedämpfen und könnten dazu führen, dass die Drums "tot" klingen.


    Um einen Kompressor wieder umzukehren, müssten also ausser der genauen Kennlinie, die sich aus Threshold und Ratio ergibt, auch die eingestellten Regelzeiten bekannt sein. Erschwerend kommt dann noch dazu, dass bei komplexen Signalen (wie ein Stereomix) gern Multiband-Kompressoren eingesetzt werden, die drei oder vier variable Frequenzbereiche mit unterschiedlich einstellbaren Parametern haben.


    Einfacher ist es, ein hard-limitiertes oder gar geclipptes Signal zu reparieren. Da der Limiter eine Sonderform eines Kompressors mit relativ fixen Parametern ist, sind Kennlinie, Schwellwert und Ratio in der Regel bekannt. Das Ansprechverhalten ist ultrakurz, oft haben die Plugins eine interne Verzögerung, um immer einige Samples in die Zukunft schauen zu können, damit auch ja keine Spitze durchschlägt.


    Hier gibt es Plugins, die mit einer Art Häufigkeitsanalyse schauen, ob es im Bereich der Pegelspitzen eine statistisch ungewöhnliche Häufung von Werten knapp unterhalb von 0 dBFS gibt. Danach wird der Gesamtpegel abgesenkt und die abgeschnittenen Spitzen rekonstruiert. Das funktioniert recht gut, besonders bei geclippten Signalen, die oft fies zerren. Diese Verzerrungen können meist gut beseitigt werden.

  • Möchte aus aktuellem Anlaß mal diesen Thread wiederbeleben:

    Bei der neuen Ultravox "Brilliant" fiel es mir auf und bei der neuen Rush "Clockwork Angels" ebenso und noch stärker:
    Obwohl neueste Technik verwendet wurde, klingen bei Scheiben (habe die CDs) bestenfalls mittelmäßig (s. auch entsprechende Foreneinträge der Rezis bei amazon http://www.amazon.de/product-r…ySubmissionDateDescending).

    Der dynamische Umfang liegt bei 8/20 bzw. 7/20 (DR Database).
    Ist der wenig klare Sound, der oft auch die Instrumentenfarben und Nuancen unterschlägt, allein auf ein übermäßig komprimierendes Mastering zurückzuführen oder sind da andere Produktionsschritte mitschuldig?
    Ist es nicht möglich "zeitgemäß" zu mastern und trotzdem einen transparenten, detailreichen und dynamischen Sound (wie noch allgemein vor 10+ Jahren üblich und seit über 40 möglich) hinzubekommen? Die originalen Multitracks können ja eigentlich nicht so dynamikarm und farblos klingen.
    Habe die Macher ihre Ohren abgeschaltet und lassen andere (wer ?) bestimmen? Ich möchte meine Mucke auf der guten Anlage / mit guten Kopfhörern geniessen und nicht als mp3 auf dem Smartphone! Und der Großteil der Zielgruppe o.g. Bands sicher auch nicht.

    Irgendwie verleidet einem "die Industrie" nun auch noch auf diesem Wege das CD-Kaufen.

    Einmal editiert, zuletzt von coldfire ()