King Crimson

  • Diese ganze 3-Drummer-Inkarnation war völlig unerwartet und ein tolles Geschenk an die Fans. Nach 2003 und noch mehr nach der verunglückten 40er-Anniversary Tour 2008 und der unschönen Trennung von Belew musste man ja annehmen, dass da nichts mehr kommt.


    Musste gerade nochmal nachzählen: habe diese Inkarnation von 2015-19 unfassbare 11x gesehen (schüttel grad selber den Kopf), aber sie waren einfach so gut und jedesmal nochmal besser, das Repertoire wuchs, die Sets wurden immer länger....und Starless blieb!

    Erst die 50 Jahre Jubiläumstour fühlte sich schon ein wenig wie eine Ehrenrunde an. Irgendwo stieß dieses Konzept dann auch an Grenzen.


    Aber ein Ende ist immer ein Neubeginn, daran erinnert heute Sid Smith und sinniert, was folgen könnte:

    https://www.loudersound.com/news/what-next-for-king-crimson

    you're the ones we've been waiting for...
    Genesis - 98 München - 07 Linz, Düsseldorf x 2, Berlin, München - 22 Berlin x 2, London x 2

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  • Selbst als Hauskatze finde ich KC radikaler und mutiger als jede andere einigermaßen bekannte britische Band. Yes und Genesis eingeschlossen.

    Ja, es gibt ja einige, die es so sehen. Für mich ist der Enttäuschungsfaktor ziemlich genau so hoch wie bei Yes-Official, und der ist sehr hoch.


    Ich hab mir die aktuellen KC auch angesehen und besitze die meisten der jüngeren Live-Alben und finde, das ist eine ziemlich vorhersehbare Oldie-Show auf hohem Niveau. Radikal finde ich das wirklich nicht, mutig ist relativ. Aber es ist ja mein Verlust, wenn ich es nicht checke.

  • Man könnte sich ja auf das „hohe Niveau“ einigen. Der Rest ist Geschmackssache.


    Mich hat ja auch immer ein wenig gestört, dass die 3-Drummer-Inkarnation nichts wirklich neues und eigenständiges produziert hat (sprich neue Alben mit neuem Songmaterial).


    Aber live waren sie halt saugut und als Live-Ensemble eine Wucht, die ihresgleichen sucht.

  • Ich hab mir die aktuellen KC auch angesehen und besitze die meisten der jüngeren Live-Alben und finde, das ist eine ziemlich vorhersehbare Oldie-Show auf hohem Niveau. Radikal finde ich das wirklich nicht, mutig ist relativ.

    Kann ich nachvollziehen. Es war eine allerdings auch überraschend ungewöhnliche Oldieshow mit den drei Drummern und dann auch noch der Rückkehr von Mel Collins. Mit solchen Comeback-Lineups konnte man vor 10 Jahren wohl kaum rechnen. Und sie haben auf einem wirklich hohen Niveau viel Raum für Improvisation und Veränderungen der Stücke gelassen sowie immer wieder "neue" Stücke aus dem Backkatalog integriert - alles blieb im Fluss. Wie jetzt auch auf dem letzten Live-Album zu hören. Es kam ebenfalls wenigstens eine begrenzte Anzahl wirklich neuer Stücke hinzu - besonders die mit Gesang waren aber von bescheidener Qualität wie z.B. "Suitable Grounds For The Blues". Und ja: "Radikal" war das alles sicher nicht, den Begriff hätte ich nicht gewählt, um die Qualität dieser Band-Inkarnation ausdrücken zu wollen.

  • Ich habe King Crimson 1996 in der Doppel-Trio-Besetzung zum ersten Mal live gesehen und vier Jahre später dann auch in der Quartett-Besetzung. Meine ersten KC-Alben waren „THRAK“ und „B‘BOOM (Live)“ und dementsprechend war die Band für mich eine lange Zeit vor allem das, was in der Zeit zwischen 1981 und 2003 passiert ist. Ich bin zwar irgendwann auch am Debütalbum nicht vorbeigekommen, aber trotzdem war King Crimson für mich untrennbar mit dem Namen Adrian Belew verbunden.

    In den Jahren 2008 und 2009 hatte ich durch meinen Job als Booker vom Hot Jazz Club in Münster dann das Glück, Adrian Belew, Tony Levin und Pat Mastelotto im Rahmen ihrer Konzerte mit dem Adrian Belew Power Trio und Stick Men kennenzulernen. Auf das Thema King Crimson angesprochen sagte Tony Levin damals schulterzuckend, dass nur Robert Fripp entscheidet, ob mit der Band noch einmal etwas passieren wird oder nicht. Adrian Belew war etwas pessimistischer und hatte das Gefühl, dass da gar nichts mehr kommen wird. Dementsprechend habe ich dann auch nicht mehr damit gerechnet, King Crimson noch einmal live erleben zu dürfen.


    Als schließlich bekannt gegeben wurde, dass die Band jetzt ohne Adrian Belew, dafür aber wieder mit Mel Collins und den drei Schlagzeugern neu besetzt wird, war ich etwas irritiert. Ohne Adrian Belew? Das konnte ich mir nicht so richtig vorstellen. Und nach dem Konzert zum 40jährigen Jubiläum in Nashville hätte ich auch nicht unbedingt darauf gewettet, dass wirklich eine längere Tour daraus wird, die dann auch noch durch Europa führt.


    Die Setlisten der ersten Konzerte habe ich dann mit einer gewissen Skepsis („Was? Fast gar nichts aus der Zeit mit Adrian Belew?“) überflogen und einige Kritiken zu den Shows gelesen, aber angehört habe ich mir erstmal gar nichts. Als dann für 2016 die ersten Konzerte in Deutschland angekündigt wurden, war für mich trotz aller Vorbehalte zum Programm und zum Verzicht auf Adrian Belew klar, dass ich die Chance nutzen sollte. Ich bin dann schließlich ganz offen, aber ohne irgendwelche Erwartungen zum Konzert im Mehr!-Theater in Hamburg gefahren und habe mich nicht noch einmal mit Setlisten, Live-Aufnahmen oder Kritiken zur aktuellen Tour beschäftigt, sondern mich einfach überraschen lassen.


    Was da dann in Hamburg geboten wurde, hätte ich in dieser Form nicht erwartet. Ich saß sehr weit vorne in der Mitte der Stuhlreihen und fand den Hinweis zum Foto-Verbot direkt sehr sympathisch. Die vielen hochgehaltenen Smartphones haben mich bei Konzerten schon länger genervt und die Live-Atmosphäre für mich gestört. Der Sound im Theater war glasklar, bestens abgemischt und hatte genau die Wucht, die er haben musste. Und als die Band gespielt hat, habe ich dann irgendwie auch verstanden, warum Robert Fripp sich gegen Adrian Belew entschieden hat. Zum einen hätte das sehr ernste und konzentrierte Auftreten ohne Ansagen und mit einheitlichem Dresscode nicht so ganz zu Adrian Belew gepasst, der sich bei seinen Konzerten einfach anders bewegt und gibt. King Crimson wirkten an diesem Abend eher wie ein klassisches Orchester und weniger wie eine Rockband. Zum anderen passt die Stimme von Jakko Jakszyk für meinen Geschmack dann doch auch besser zu den ausgewählten Songs. Das alles hier war zwar King Crimson, aber dann irgendwie doch nicht vergleichbar mit dem, was King Crimson für mich bis zu diesem Zeitpunkt immer gewesen ist. Das Konzert war grandios und gehört für mich zu den wirklich sehr besonderen Konzerterlebnissen, bei denen mit Sound, Atmosphäre, Sicht, Musik, Lautstärke, Location usw. wirklich alles gestimmt hat. Und trotzdem ich zu Hause immer noch eher das Doppel-Trio oder die Discipline-Ära in den CD-Player lege, hat mir dieses King Crimson-Konzert sehr viel besser gefallen als die beiden Konzerte 1996 und 2000. Ich habe mir dann die Radical Action-Box mit CDs und BluRay gekauft und mich darüber dann auch in die älteren Songs reingehört, die ich zumindest zum Teil vorher noch gar nicht kannte. Das Konzert in Hamburg hat mir deshalb einen ganz neuen Zugang zur Band gegeben, über den ich sehr froh bin.


    Dass das eine Art Abschiedstour sein würde, habe ich mir dann irgendwie gedacht. Der Fokus auf die Vergangenheit von King Crimson war dann doch anders als in den Jahren davor und wirkte wie eine Art Resümee zum Abschluss. Für mich war die Umsetzung dabei aber weitaus mehr als die Rückschau einer Oldie-Band. Tony Levin hat es aus Sicht eines mitwirkenden Musikers so geschildert, dass hier von Cover nicht die Rede sein kann, sondern dass die Band das alte Material in ihrer aktuellen Besetzung neu interpretiert, neu arrangiert und immer wieder überarbeitet. Und genauso hat es auf mich gewirkt. Ein uninspiriertes Herunterspulen von Vergangenem war das nicht. Und trotz der bewusst ausgelassenen Ansagen kam die Band für mich auch nicht überheblich oder unnahbar rüber. Es gab schließlich beim Betreten und Verlassen der Bühne trotzdem Kommunikation mit dem Publikum. Der volle Fokus auf die Musik war das Ziel und ist auch in sehr beeindruckender Form gelungen.


    Ich bin dann 2018 auch zu den beiden Konzerten in der Essener Lichtburg gefahren und war danach ähnlich begeistert. Diese drei Konzertabende sind für mich mit anderen Rockkonzerten auf eine gewisse Art und Weise nicht vergleichbar und stechen aus den oben genannten Gründen heraus. Wer dabei gewesen ist wird das vielleicht nachvollziehen können. Es war schon sehr besonders, King Crimson so und in diesen für Rockmusik untypischen Locations erleben zu können und wahrscheinlich würde ich mir auch noch weitere Konzerte ansehen, wenn sich die Gelegenheit noch einmal ergeben würde. Vielleicht ist es aber auch ganz gut, dass ich gar nicht erst in Versuchung komme, diese besonderen Abende immer und immer zu wiederholen. Es wird letztendlich ja auch dadurch besonders, dass es eben nicht wiederholbar ist. Bei anderen Konzerten jedenfalls musste ich manchmal auch lernen, dass es durch Wiederholungen nicht gerade besser wird und ich manchmal im Endeffekt doch lieber nur dieses eine besondere Erlebnis in Erinnerung behalten hätte.


    Man weiß ja nie, was den Herren vielleicht doch noch einfällt und ob Robert Fripp nicht plötzlich doch Lust darauf bekommt, dass Doppel-Trio zu reaktivieren. Aber ich gehe davon aus, dass da nichts mehr kommen wird. Und angesichts des fortschreitenden Alters der einzelnen Musiker sollte man wohl auch die Chance nutzen und Konzerte der anderen Projekte wie Stick Men, Power Trio usw. besuchen, bevor es nicht mehr möglich ist.


    In diesem Sinne: Danke, King Crimson! Für sehr viel tolle und ausgefallene Musik und für sehr besondere Konzertabende!

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  • Tony Levin hat einen sehr berührenden Road-Diary-Eintrag zur drittletzten Show gemacht

    https://tonylevin.com/road-dia…/in-the-company-of-ghosts


    ...und auch die letzte Show dokumentiert: Fripp ging am Ende zur Verbeugung alleine nach vorne zum Bühnenrand. Das ist schon symbolträchtig

    https://tonylevin.com/road-dia…apan/tokyo-the-final-show

    you're the ones we've been waiting for...
    Genesis - 98 München - 07 Linz, Düsseldorf x 2, Berlin, München - 22 Berlin x 2, London x 2

  • Auf den BBS heute eine Besprechung des neuen Albums, die das trifft, was ich auch nach dem ersten Hören dachte: Es ist trotz der insgesamt wenig überraschenden Tracklist keine Frage, dass auch "Music is our friend" seine musikalische Berechtigung hat, weil sich KC immer im Fluss befinden, und erneut dieses oben erwähnte fantastische Niveau zu Ohren bringt. Ein würdiger und womöglich letzter Output, der noch innerhalb der Zeit des Bandbestehens herausgebracht wurde - und eine entsprechend würdigende Rezi: Music is our friend (Farewell KC!)