Woran CAS gescheitert ist

  • Ob CAS wirklich der "Tiefpunkt der Genesis Geschichte" ist, weiß ich nicht. Ein Höhepunkt ist es aber mit Sicherheit nicht. Was jedoch keinesfalls Ray Wilson anzulasten ist.

    Ja, Ray hat keine Schuld, er musste das singen, was ihm vorgesetzt wurde, so wie manchen Kleinkindern Spinat: ¨Iss das jetzt¨.

    Er hat das Beste draus gemacht, natürlich im Rahmen seiner Gesangsmöglichkeiten.

    Das Leben ist eine Illusion, hervorgerufen durch Alkoholmangel

    Charles Bukowski

  • "Gescheitert" ist ja auch relativ. Meines Wissens gehört CAS zu den meistverkauften Genesis-Alben. Nur im direkten Vergleich zu den beiden ausgesprochen erfolgreichen Vorgänger-Scheiben IT und WCD fiel es gnadenlos ab. Zumindest kommerziell. Musikalisch konnte ich CAS irgendwie nie wirklich einordnen.


    Jedenfalls habe ich CAS inzwischen öfter und lieber gehört als z.B. WCD, welches zwar um Welten Hitparaden-tauglicher ausfiel, aber mich trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb?) kaum ansprach. Mit Schrecken erinnere ich mich an das edel-schnulzige "Hold on my Heart" und diverse andere grauenhafte WCD-Songs, die niederzuschreiben sich die Tinte meiner Feder sträubt.


    Und ja, an Ray Wilson lag es in keinem Fall. Überhaupt empfinde ich die Wimmer-Laute von Phil Collins als wesentlich schlimmer. Ob im Radio, Supermarkt, beim Zahnarzt oder im Fahrstuhl -: nirgendwo ist man vor dem Gesäusel sicher.


    PS.:

    Höre weiterhin mit Vorliebe die älteren Genesis-Alben. Die Zeit mit Peter Gabriel als Sänger war musikalisch/künstlerisch IMO die beste in der Geschichte der Band. 8):thumbup:

  • Die meisten Genesis-Alben waren immer eine Weiterentwicklung. Nicht immer zum Besseren, aber man konnte einen deutlichen roten Faden erkennen, der sich von einem Album zum nächsten durchzog. Manchmal waren Sprünge etwas größer, manchmal zögerlicher, aber es war eine Entwicklung erkennbar. Zur CAS war das aber kein Sprung, es war ein Bruch. Neuer Stil, neuer Sänger, neue Drummer. Die Songs an sich blieben hinter dem Drang zur Neuerfindung irgendwie zurück. Es gab ein paar nette Sachen, aber das hatte so niemand erwartet. Es verkaufte sich ganz gut, viele Songs waren nicht schlecht, aber es bleib hinter den Erwartungen zurück. Die Ticketverkäufe waren enttäuschend.


    Das Ganze war nicht der Tiefpunkt von Genesis (das waren die Kitsch-Songs der WCD), aber es war einfach viel, viel zu gewagt und nicht bis zum Ende ausgegoren.

  • ...

    Das Ganze war nicht der Tiefpunkt von Genesis (das waren die Kitsch-Songs der WCD), ...

    Fand CAS musikalisch auch besser als WCD. Den kommerziellen Erfolg von WCD führe ich hauptsächlich auf die vielen darauf enthaltenen Kitsch-Songs zurück (grausamer Höhepunkt und gleichzeitig ein Tiefpunkt der Band-Geschichte: "Hold on my Heart"). War halt größtenteils gut produzierte Fahrstuhl- und Kaufhausmusik, die jedem 08/15-Musikkonsument sofort in die Ohren geht. Im Vergleich dazu konnte CAS nur schlechter (gemessen an den Verkaufszahlen) abschneiden.


    Habe WCD mehrmals gehört. Von zwei oder drei Songs mal abgesehen, empfinde ich das Album als einzige Qual. CAS ist für meine Begriffe etwas erträglicher, obschon es ebenfalls nicht zu meinen Genesis-Lieblingsalben gehört.

    • Offizieller Beitrag

    Im direkten Vergleich tun sich beide Alben nichts. Ich fand beide beim ersten Hören gar nicht so schlecht, der Verdruss kam bei beiden erst später - auf unterschiedliche Weise und aus unterschiedlichen Gründen.


    Von WCD wurden einfach zu viele Singles ausgekoppelt, die dann Hits und bei MTV und Radio totgedudelt wurden. Diese deutlich geringere "Radiotauglichkeit" hat mir bei CAS zunächst gefallen, denn nach WCD war klar, dass es so nicht weitergehen konnte - ich hätte das nicht noch einmal ertragen. Den erwähnten "Bruch" habe ich daher begrüßt, fand die erste Präsentation mit Ray in Berlin sehr interessant und war in gespannter Vorfreude auf das Album.

    Leider ist CAS auf andere Weise relativ ungenießbar geworden: Zum einen sind es die Songs selbst - da ist noch mehr Durchschnittsware drauf als bei WCD und die bräsige Produktion, wo man sich einfach mit den notwendigen Details nicht genug Mühe gegeben hat. Sieht man schon an den Ausblenden.


    Größtes Manko von beiden Alben: sie sind die beiden einzigen Studioalben, die nicht für das Vinyl-Format von 2 x 15 bis 2 x 20 min Laufzeit konzipiert waren. Die CD hatte eine deutlich längere Laufzeit, die man zu der Zeit auch gern ausgenutzt hat (dies wurde von der Musikpresse auch begrüßt bzw. kritisiert, wenn ein neues Album weiterhin nur 35-40 min Laufzeit hatte).

    72 bzw. 68 min liegen jedoch schon in der Größenordnung "Doppelalbum" - ein Begriff des Vinylzeitalters.


    Echte Doppel-LPs waren in der Regel jedoch anders konzipiert und strukturiert: wenn sie gut gemacht sind, hatte jede der vier Seiten einen eher knalligen Opener und ein aus technischen Gründen eher ruhiges Finale. Ein separater Spannungsbogen verband die Songs jeder Seite und machte das Hören so angenehm (auch die Pausen zum Umdrehen/Wechseln waren für die Rezeption wichtig). Auf den CDs gibt es das nicht annähernd. Beide haben zwar einen klassischen Opener, aber vergleichbare Spannungsbögen sind nicht erkennbar, mal davon abgesehen, dass ein einziger über 70 Minuten auch gar nicht funktionieren würde.


    Man hat daher schnell das Gefühl, dass beide Alben einfach viel zu lang und zu langweilig sind. Das ist das Problem mit WCD und CAS.

    • Offizieller Beitrag

    Größtes Manko von beiden Alben: sie sind die beiden einzigen Studioalben, die nicht für das Vinyl-Format von 2 x 15 bis 2 x 20 min Laufzeit konzipiert waren. Die CD hatte eine deutlich längere Laufzeit, die man zu der Zeit auch gern ausgenutzt hat (dies wurde von der Musikpresse auch begrüßt bzw. kritisiert, wenn ein neues Album weiterhin nur 35-40 min Laufzeit hatte).

    72 bzw. 68 min liegen jedoch schon in der Größenordnung "Doppelalbum" - ein Begriff des Vinylzeitalters.

    Bin mir nicht sicher, ob du dich hier nicht völlig verrennst. Das Vinyl hatte als Medium eine Laufzeitbeschränkung, genau wie die CD. Da die CD mehr Kapazität hatte, konnte man diese auch nutzen.

    Keine Regel der Welt besagt, dass 20 min pro Seite eine perfekte Größe für einen Spannungsbogen ist. So gesehen war es ja Zufall, dass dies längere Zeit so war.


    We Can't Dance erscheint vielen zu lang, das hatten wir schon öfter mal. Insgesamt ist es für mich aber völlig okay, auch wenn ich den ein oder anderen Song seltener höre. Das geht mir aber bei fast JEDER anderen Genesis-Platte auch so.


    Was CAS angeht - es wäre sicher interessant, ob eine kürzere Version besser angekommen wäre. Aber so schlecht war das ja außerhalb der USA auch nicht- auch die Tour in Europa war bis auf wenige Städte sehr gut, was die Zuschauerzahlen angeht.


    Übrigens gab es ja eine frühe Version der CAS Tracklist, die seinerzeit kursierte. Diese enthielt auch noch Run Out Of Time - und The Dividing Line war der letzte Song - wohl weil er der einzige mit einem echten Ende war.


    Wie könnte CAS in optimaler Länge aussehen? Etwa so?


    Calling All Stations

    Shipwrecked

    Not About Us

    Small Talk

    Congo

    There Must Be Some Other Way

    The Dividing Line


    Banjo Man fand ich damals auch sehr interessant - aber das würde vermutlich nicht gut passen...

    • Offizieller Beitrag

    Bin mir nicht sicher, ob du dich hier nicht völlig verrennst. Das Vinyl hatte als Medium eine Laufzeitbeschränkung, genau wie die CD. Da die CD mehr Kapazität hatte, konnte man diese auch nutzen.

    Keine Regel der Welt besagt, dass 20 min pro Seite eine perfekte Größe für einen Spannungsbogen ist. So gesehen war es ja Zufall, dass dies längere Zeit so war.

    Finde meine Argumentation relativ logisch... ;)

    Natürlich liegt der Grund in den Beschränkungen der jeweiligen Medien, die Frage ist jedoch, was man daraus macht oder machen kann.


    Die Ursprünge des "Albums" stammen noch aus dem Schelllack-Zeitalter - die Plattenfirmen brachten damals tatsächlich gebundene "Alben" heraus, die aussahen wie dicke Fotoalben, daher der Name. Darin waren Taschen für Einzel-Platten, die natürlich pro Seite nach wie vor nur einen Titel hatten. Aber so ließen sich auch klassische Werke mit längerer Gesamtspieldauer zusammenhängend verkaufen.

    Den Begriff "Album" behielt man später auch für die Vinyl-Ära bei, betrieb allerdings außerhalb des Klassik-Genres zunächst nur wenig Aufwand mit dem Format, weil das junge Publikum sich lange Zeit deutlich mehr für Singles interessierte - was auch eine Preisfrage war.


    Das Vinyl-"Album"-Format hat sich daher erst ab Mitte der 1960er wirklich durchsetzen können. Ein Album war erstmals keine mehr oder weniger zufällige Ansammlung von Einzelsongs, sondern wurde eine eigene Kunstform - was die "Konzeptalben" später auf die Spitze trieben.

    Man hatte verstanden, dass es nicht nur auf die Songs, sondern auch auf die Abfolge derselben ankam. "Regeln" dafür gab es keine, außer der, dass man schnell erkannte, dass laute und höhenreiche Songs wegen der stark abnehmenden Relativgeschwindigkeit besser am Anfang als am Ende einer Seite stehen sollten. Dies musste bei der Kompilation berücksichtigt werden, ebenso wie die Tatsache, dass man zwar durchaus auch 30 min auf eine LP-Seite packen konnte, aber nur mit deutlich reduziertem Pegel und Qualität. An 2 x 20 min war man so irgendwann gewöhnt, auch daran, dass der knallige "Hit" immer am Anfang kam.


    Mit der verlängerten Spieldauer der CD waren die Vinyl-Beschränkungen aufgehoben. Dass diese auch Vorteile für die Rezeption hatten, hat man erst deutlich später verstanden. Heutzutage ist allgemeiner Konsens, dass die ideale Albumlänge medienunabhängig zwischen 35 und 45 min liegt.


    Was die Länge angeht, auf jeden Fall, Congo wäre dann natürlich der Opener von Seite 2.

    Lustig: wenn ich mir deine Liste so anschaue, könnte ich jetzt nicht auf Anhieb sagen, welche Songs du weggelassen hast... ^^

    • Offizieller Beitrag

    Von WCD wurden einfach zu viele Singles ausgekoppelt, die dann Hits und bei MTV und Radio totgedudelt wurden.

    Einspruch: Ich finde nicht, dass dieser Aspekt die größte Schwäche der WCD sind. Persönlich sehe ich das Manko des Album (und den Faktor, der es "zu lang" macht) eher in den durchschnittlichen "Füller-Songs" (die größtenteils keine Singles waren), böse formuliert in den "Collins-Songs" des Albums (die Songs, die ein nettes Collins-Solo-Album ergeben hätten, welches Collins nie aufgenommen hat; rein persönliche Meinung):

    - Never A Time

    - Tell Me Why

    - Hold On My Heart

    - Way Of The World

    - Since I Lost You


    D.h. die für mich perfekte WCD sähe daher aus:

    1.) No Son Of Mine

    2.) Jesus He Knows Me

    3.) Driving The Last Spike

    4.) I Can't Dance

    5.) Dreaming While You Sleep

    6.) Living Forever

    7.) Fading Lights

    (personal taste)


    Wie könnte CAS in optimaler Länge aussehen? Etwa so?

    Einspruch 2! :D Also "Shipwrecked" wäre bei mir in absolut jeder "optimalen" Fassung draußen. Mit der größte und zäheste Langweiler, den Genesis je verbrochen haben. In Ton gegossener Sound-Kaugummi.


    Da sähe das bei mir eher aus:

    1.) Calling All Stations

    2.) Congo

    3.) Alien Afternoon

    4.) Not About Us

    5.) Phret

    6.) There Must Be Some Other Way

    7.) 7/8

    8.) Uncertain Weather

    9.) The Dividing Linge

  • Meine wäre eher eine Single:

    a: Calling all stations

    b: not about us


    Diese Compilation würde ich mir sogar gerne und oft anhören.

    Hier steht nichts wichtiges! Trotzdem danke für's Lesen.

  • Habe gerade festgestellt, dass CAS das einzige Genesis-Album ist, das nicht bei Spotify läuft. Seltsam.

    I'll never find a better time to be alive than now.

    Peter Hammill (on "X my Heart")