Hab ich das eigentlich richtig verstanden, dass das Kunstwerk für Road to Joy von Ai Weiwei stammt?
Fantastisches Konzert auf der Waldbühne mit einer gut aufgelegten Band, Peter bei guter Stimme und mit einer gut funktionierenden Setlist.
Ich hab mich extra nicht von Youtube spoilern lassen und hörte die bisher unveröffentlichten Songs das erste Mal. Ich hatte ein wenig Angst, dass die Vielzahl der neuen Songs mich überfordern würde, aber die waren insgesamt sehr eingängig und funktionierten gut im Set. Einzig And Still fand ich etwas langatmig, aber auch hier gab es einzelne Passagen, die mich aufhorchen ließen.
Als Opener dann die Flut Schade, ich hätte sehr gerne Washing of the Water gehört, einer meiner All Time Favoriten, den ich bisher noch nicht live erleben konnte. Ich hoffe mal auf Hamburg.
Leider war es bei Konzertbeginn noch viel zu hell, die Sonne schien mir direkt ins Gesicht. Das ging nur mit Sonnenbrille und auf der Bühne war dadurch leider kaum was zu erkennen, zumal die Bühnenbeleichtung zu Beginn der Show noch recht sparsam eingesetzt wird. Es sollte noch eine gute halbe Stunde dauern, bis die Sonne hinter den Bäumen verschwand. Und so richtig dunkel wurde es auch erst bei den Zugaben Leider war es zu Beginn der Show im Publikum auch sehr unruhig, Hunderte kamen zu spät und suchten Plätze (auf den Tickets stand eben auch 19.30), das war Mist! Insgesamt war diese Kirmes-Atmosphäre mit umherlaufenden Bierverkäufern, laut redenden Gästen, von denen anscheinend auch viele nur zum Rauchen und Biertrinken gekommen waren, sehr nervig und störend. Hätte irgendwann jemand wie auf dem Wochennarkt noch "Aale, frische Aale!" geschrien, es hätte mich kaum noch gewundert.
Die zweite Hälfte hatte mir dann auch besser gefallen, da war es insgesamt ruhiger bzw. das Publikum fing an, die Songs abzufeiern und war weniger mit Speis und Trank und Sitzplatzsuchen beschäftigt, auch wenn die Pause überraschend schnell vorbei war und dann natürlich noch nicht alle wieder auf den Plätzen waren.
Zur Show: Wer auf spektakuläre Bühnentechnik wie den Zorb-Ball, Hebebühnen mit Bäumen, Telefonzellen und anderen abgefahrenen Kram hoffte, wie man es von der Growing Up Tour, der Secret World Tour und eigentlich auch schon der So Tour kannte, musste enttäuscht werden. Robert Lepage hat wieder für eine State of the Art Show gesorgt - mit Videoscreens und schöner Beleuchtung und einigen netten Gimmicks, aber nichts, was man nicht alles schon bei anderen großen Acts gesehen hätte, alles Standard. Wirklich niemand erwartet mehr einen kopfüber hängenden Gabriel (will man auch nicht wirklich sehen), aber so ein oder zwei echte Hingucker, über die man noch in 10 Jahren gesagt hätte "weißt du noch, die Show mit der Telefonzelle?", hätte ich mir doch gewünscht. Aber gut, mit über 70 muss man nicht zum wiederholten Mal die Rock Show neu erfinden.
Peter hatte wieder viel Deutsch gesprochen. Das war charmant, oft witzig. Aber in der für ihn typischen behäbigen Sprechweise leider auch langatmig und ermüdend, hat den Drive der Show unnötig abgebremst. Aber egal, kennt man schon.
Fuck Ups gab es diesmal keine, nur mal wieder ein paar kreative Textänderungen. Allerdings wurde Digging nach ein paar Takten abgebrochen - Peter wollte zunächst Happy Birthday für Richard Evans anstimmen.
Zu den Highlights: Für mich ganz klar die neuen Songs, besonders die noch ganz neuen, mir noch unbekannten. Im ersten Set war alles noch etwas schwierig Wie gesagt, die Sonne, unruhiges Publikum, die Soundabmischung war irgendwie auch noch nicht optimal. Besonders Four Kinds of Horses, eigentlich für mich die stärkste Nummer unter den bisher veröffentlichten, hatte für mich in Berlin leider nicht gut funktioniert. Aber das war zum Glück der einzige. Panoptikum und vor allem Playing for Time kamen stark rüber. I/o war gut, da hätte man aber mehr draus machen können - und eigentlich auch müssen. Für den Titelsong von Album und Tour hätte man aber auch einen prominenteren Platz im Set erwartet. Aber ganz offensichtlich ist diesem Song nicht der gleiche Stellenwert im Set eingeräumt wie Secret World oder Growing Up auf der jeweils gleichnamigen Tour.
Digging war besonders kraftvoll, stark in Szene gesetzt. Die Trompete ist hier ein echter Gewinn, wie konnte man diesen Song nur jemals ohne spielen?
Der Schmiedehammer kam allerdings viel zu früh im Set. Das Publikum war dafür noch nicht in der richtigen Stimmung. Trotz überzeugender und unterhaltsamer Performance wollte Gabriels größter Smashhit noch nicht richtig zünden.
Nach der Pause lief aber alles irgendwie runder. Och freute mich über jeden der neuen Songs und versuchte das Erlebnis visuell und akustisch einzufangen. Auch das Publikum groovte sich immer nehr ein. Die während der neuen Songs befürchtete Völkerwanderung zu Fress- und Saufständen und zu den Toiletten blieb jedenfalls aus und die Resonanz war doch sehr positiv.
Mit die größte Begeisterung löste überraschenderweise Don't Give Up aus. Gleich nach den ersten Takten lautstarker Applaus, nach dem wirklich wunderschön gesungenen Duett wurde es regelrecht frenetisch. Mir war gar nicht bewusst, dass der Song so ein Publikumsliebling ist.
Auf Biko hätte ich eigentlich verzichten können. Doch gerade dieser Song funktionierte in Berlin so gut, wie wahrscheinlich seit 30 Jahren nicht mehr. Die Waldbühne bot hier auch wirklich mal genau die richtige Kulisse, das war ein richtig starker Abschluss!
Jetzt freu ich mich auf Hamburg.