Wie sehr ging Phil in der alten Genesismusik auf?

  • Also, Phils beruflich-professionelle Haltung, die ich ein bischen ernüchternd-schnöde, aber nicht unverständlich finde (Haltung: „Ich geh dann mal zu Genesis, weil das meine musikalische Karriere voranbringt und ich Aufritte haben kann – und uninteressant ist es ja nicht, was die machen; und ich kann mein Drum-Spiel verfeinern und ausbauen, es ist herausfordernd und damit prima, auch wenn so wirres Zeug wie beispielsweise The Battle of Epping Forest im Innern nicht mein Herz berührt“), hat mir auf jeden Fall diese eine Aussage von Steve verständlich gemacht und die Bedeutung noch mehr hervorgehoben – es ist eine Ausage, die Steve auf seinen Revisited-Konzerten und in Interviews immer mal gemacht hat:


    Sinngemäß meiner Erinnerung nach etwa so: „Die wahren Experten unserer alten Songs seid Ihr Fans. Ihr kennt die Sachen heute zum Teil besser als wir. Ihr geht darin auf. Es ist ein Stück Eures Lebens. Und darum finde ich es wichtig, Euch dieses Leben wieder zurückzugeben, für Euch die Erinnerungen wieder wach werden zu lassen. Es ist ein Teil von Euch.“


    Ich dachte immer ein bisschen: „Hä, wieso sind WIR die größeren Experten?“
    Jetzt habe ich es verstanden. Wir lieben die alte Musik zum Teil mehr, als sie vielleicht Phil je geliebt hat ...


    .... Und: Vielleicht kann Phil es gar nicht so nachvollziehen, dass es für uns schön und wichtig ist, dass die alte Musik weiterlebt??


    Auf jeden Fall: Großartig, dass Steve der Sache Respekt zeugt – und dass er Gefühle und Erinnerungsgefühle aufbringen kann, wo seine Bandkollegen offenbar keine (mehr) haben. Und klar verdient Steve mit dem alten Genesis-Material heute schönes Geld und wird einen Teufel tun, in die Hand zu beißen, die ihn füttert. Aber ich bin so romantisch, dass ich überzeugt bin zu glauben: Er hat sich nicht gesagt: „Ach, mit den Erinnerungen der Fans lässt sich doch vielleicht ganz gut Geld verdienen. Damit mach ich jetzt mal einen Reibach.“ Ich glaube ihm, wenn er sagt: „Diese Stücke sind für viele ein Stück Leben. Und darum sind sie des Respekts wert. Und darum führ ich sie auf.“ Das war meiner Überzeugung nach die Ursprungsintention seiner Revisited-Nummer. Dass er jetzt noch seine Solo-Konzerte mit so dermaßen viel Genesis mixt – ja, das liegt sicher daran, dass er nur auf diese Weise die Hallen halbwegs gefüllt kriegt, klar.

  • Es ist wohl sehr oft so, dass die Komponisten und Bands ein sehr viel distanzierteres Verhältnis zu ihrer Musik haben als die Fans. Bei einigen steigert die Fan-Verehrung auch ihre persönliche Akzeptanz, so dass sie erst viel später bemerken, WAS sie zu der Zeit eigentlich erschaffen haben. Das sollte man als Fan nie vergessen.

    Jazz is not dead, it just smells funny - FZ 1974


  • ich finde diese Diskussion hier schon sehr befremdlich. Ich weiß nicht, wie viele von euch hier Musiker sind, oder ob irgend einer von euch gar ein professioneller Musiker ist: aber ob ihr euch es vorstellen könnt oder nicht, Musik machen ist auch nur ein Job. Wenn ein Audi Ingenieur abends nach Hause geht, träumt er privat auch nicht weiterhin von seinem Auto. Er macht nur seinen Job. Und vor allem Phil Collins als der beste Musiker in der Band, damit meine ich zumindest handwerklich talentierteste und vielseitig einsetzbar, hat bestimmt nicht in einem Band Projekt bei jedem Song gedacht: oh das ist jetzt das aller größte, und ich bin dem Himmel etwas näher gekommen. Diese Vorstellungen sind einfach in Idealisierungen von Fans. Musik machen ist letztendlich einfach auch etwas was man für seinen Lebensunterhalt macht. Und wenn Steve Hackett heute solche Geschichten erzählt, ist er letztendlich auch nur ein sehr schlauer Marketing Mensch, denn er hat längst begriffen dass er mit den alten Genesis Sachen Das meiste Geld verdienen kann. So mag es durch aus plausibel sein, dass sich viele Musiker zwar positiv über die Projekte äußern, an denen sie mitgewirkt haben, aber das machen sie nur so wie ein Winzer auch nie sagen wird dass der Wein den er produziert nur durchschnittlich ist. Ob das aber stimmt, ist eine ganz andere Frage. Aber wie gesagt, ich finde es sehr befremdlich dass in diesem Forum ausgegangen wird dass ein Musiker amateurhaft zu seiner Band steht, und damit meine ich die richtigen Bedeutung des Wortes, Amateur heisst nämlich auf französisch Liebhaber, daher auch der Ausdruck Amateur-Musiker als Gegenteil zum Profi-Musiker. Amateurlusiker musizieren weil sie es lieben. Ein professioneller Musiker tut es weil es sein Job ist, ob er es liebt oder nicht.

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    • Offizieller Beitrag

    Während ich im Großen und Ganzen zustimme, dass ein professioneller Musiker Musik als Job macht, kann ich mir vorstellen, dass bei einem "künstlerischen Beruf" auch eine gewisse Freude mitspielt (Wortspiel billigend in Kauf genommen), die Musik technisch gut zu machen. In der Live-Situation kommt bestimmt auch noch eine Freude dazu, die Zuhörer zu erreichen - wie Peter Gabriel das formulierte "... but when it touched something it touched something real".
    Was natürlich überhaupt kein Widerspruch zu dem ist, was du sagst, sondern eher eine Ergänzung.

  • Ich find`s ja gut, dass mir ein Licht aufgegangen ist, ehrlich!
    Nur: So ganz supergewöhnlioh jobmäßig wie ein Audiwerkstattjob ist das dann vielleicht doch nicht immer – und ich kann mir sogar vorstellen: Auch ein Winzer findet seinen durchschnittlichen Wein süffig und toll, auch wenn er weiß, dass er eigentlich bloß durchschnittlich ist. Aber jetzt wird es wirklich immer karierter und verquaster...
    Jedenfalls: Danke fürs Wachrütteln!

  • ich finde diese Diskussion hier schon sehr befremdlich. Ich weiß nicht, wie viele von euch hier Musiker sind, oder ob irgend einer von euch gar ein professioneller Musiker ist: aber ob ihr euch es vorstellen könnt oder nicht, Musik machen ist auch nur ein Job. Wenn ein Audi Ingenieur abends nach Hause geht, träumt er privat auch nicht weiterhin von seinem Auto. Er macht nur seinen Job.


    Ich halte diese Aussage für zu eindimensional und pauschal. Generell ist die Spannweite dessen, was die "alltägliche Tätigkeit" für den Einzelnen bedeutet riesengroß. Das hängt natürlich von der Art der Tätigkeit ab. Aber selbst bei ein und der selben Tätigkeit kann dies variieren zwischen dem "Job" als nötiges Übel um zu überleben, also Geld zu verdienen und dem "Beruf" im Sinne der Berufung. Einer Tätigkeit, in der man voll und ganz aufgeht. Und genau in diesem Sinne halte ich die Fragestellung dieses Threads für absolut sinnvoll und interessant und in keinster Weise befremdlich.
    Ich möchte behaupten, dass auf der Skala die Tendenz weg vom reinen Geldverdienen um so größer ist, je stärker die Tätigkeit künstlerisch kreativ geprägt ist. Und dies ist natürlich beim Berufsmusiker, der zwecks Ausführung seines Handwerks für Live-Konzerte oder CD-Produktionen engagiert wird weniger der Fall. Aber sind die wirklich bedeutenden Kreationen der Musikgeschichte tatsächlich überwiegend dadurch entstanden, dass Berufsmusiker sich gedacht haben, wir kreieren jetzt einen Meilenstein der Musikgeschichte und scheffeln Kohle?
    Waren die 19-jährigen Jungs, die Trespass aufgenommen haben Berufsmusiker die sich gedacht haben mit "Stagnation" eher das große Geld machen zu können als mit Bee Gee Pop? Oder waren sie einfach nur froh, endlich die Musik zu machen, wo sie Bock drauf haben? Hätte Phil Collins nicht nach Nursery Cryme eigentlich wieder aussteigen müssen, weil man mit kommerzieller Musik mehr Kohle machen kann? Veröffentlicht man "Supper´s Ready", wenn man leicht Geld verdienen will? Ist Steve Hackett ausgestiegen, weil er sich mit seinen Soloalben einen größeren kommerziellen Erfolg versprochen hat?
    Warum veröffentlichen Mitglieder kommerziell überdimensionell erfolgreicher Bands Soloalben? Um mehr Geld zu scheffeln? Oder wollen sie sich vielleicht doch eher selbst verwirklichen? Also im Ernst...wer professionell Musik macht, der hat dies zumindest ursprünglich aus Leidenschaft getan. Niemand lernt ein Instrument weil er der Ansicht ist, damit einen sicheren Job erzielen zu können...

  • Waren die 19-jährigen Jungs, die Trespass aufgenommen haben Berufsmusiker die sich gedacht haben mit "Stagnation" eher das große Geld machen zu können als mit Bee Gee Pop? Oder waren sie einfach nur froh, endlich die Musik zu machen, wo sie Bock drauf haben.


    Genau so war es. Laut Chapter & Verse wollten sie Musik machen, die ihnen selber gefällt. Nichts mit Kohle. Daher war die Scheibe auch so anders, als das, was es damals sonst so gab.
    Sie wollten sogar noch nicht mal live auftreten, sondern sahen sich ¨nur¨als Songwriter.

    Das Leben ist eine Illusion, hervorgerufen durch Alkoholmangel

    Charles Bukowski

  • Ich glaube, an allen Aussagen ist etwas dran - und die "Ernüchterungskommentare" haben jedenfalls meinen Blick geweitet und meine Toleranz geweckt. Dennoch, das glaube ich auch: Für die 19-jährigen Trespass-Jungs war die Sache eine innere Notwendigkeit, ein beseelter Drang, der sie angefixt hat, ein innerer Imperativ, der auch aus dem Herzen gekommen sein muss.


    Dass es nicht jeder mit der Musik (oder sonstiger Kunst) immer berufshandwerklich sieht, so er die Musik nicht nur angeheuert aufführt, sondern eben auch selber schreibt - das beweist für mich ein Zitat von Steve. Dieses Zitat sehe ich übrigens als Indiz dafür, dass Steve die ersten Revisitetd-Konzerte nicht nur aus komerziellem Interesse aufgeführt hat, sondern wirklich auch den Gefühlen der Fans (und seinen eigenen?) zuliebe - und dass seine diesbezüglichen Aussagen tatsächlich keine geschickte Marketingverpackung waren, sondern ehrlich. Das Zitat, das ich meine, steht bei Armando Gallo, S. 133.


    "Frauen sind für mich so etwas wie Götter. Und wenn ich verliebt bin, dann ist das fast eine Religion für mich. Romantizismus ist eine große Sache für mich. Ich drücke meinen Romantizismus musikalisch aus. Ich werde dadurch beinahe nackt. (...) Wenn ich früher ein Stück Musik im Radio hörte, das ich wirklich liebte, konnte ich die Leute nicht anschauen, weil ich errötete. Es berührte mich so tief, dass ich dadurch beinahe nackt wurde.

  • ich finde diese Diskussion hier schon sehr befremdlich. Ich weiß nicht, wie viele von euch hier Musiker sind, oder ob irgend einer von euch gar ein professioneller Musiker ist: aber ob ihr euch es vorstellen könnt oder nicht, Musik machen ist auch nur ein Job. Wenn ein Audi Ingenieur abends nach Hause geht, träumt er privat auch nicht weiterhin von seinem Auto. Er macht nur seinen Job. Und vor allem Phil Collins als der beste Musiker in der Band, damit meine ich zumindest handwerklich talentierteste und vielseitig einsetzbar, hat bestimmt nicht in einem Band Projekt bei jedem Song gedacht: oh das ist jetzt das aller größte, und ich bin dem Himmel etwas näher gekommen. Diese Vorstellungen sind einfach in Idealisierungen von Fans. Musik machen ist letztendlich einfach auch etwas was man für seinen Lebensunterhalt macht. Und wenn Steve Hackett heute solche Geschichten erzählt, ist er letztendlich auch nur ein sehr schlauer Marketing Mensch, denn er hat längst begriffen dass er mit den alten Genesis Sachen Das meiste Geld verdienen kann. So mag es durch aus plausibel sein, dass sich viele Musiker zwar positiv über die Projekte äußern, an denen sie mitgewirkt haben, aber das machen sie nur so wie ein Winzer auch nie sagen wird dass der Wein den er produziert nur durchschnittlich ist. Ob das aber stimmt, ist eine ganz andere Frage. Aber wie gesagt, ich finde es sehr befremdlich dass in diesem Forum ausgegangen wird dass ein Musiker amateurhaft zu seiner Band steht, und damit meine ich die richtigen Bedeutung des Wortes, Amateur heisst nämlich auf französisch Liebhaber, daher auch der Ausdruck Amateur-Musiker als Gegenteil zum Profi-Musiker. Amateurlusiker musizieren weil sie es lieben. Ein professioneller Musiker tut es weil es sein Job ist, ob er es liebt oder nicht.


    Ich weiß nicht, ob du Berufsmusiker bist oder zumindest welche kennst. Letzteres ist bei mir der Fall.


    Es gibt sicherlich einige Musiker, die Musik (nur) als ihren Job betrachten. Und den machen sie dann mehr oder weniger gut - im Prinzip wie eine Prostituierte (oder ein Callboy, um nicht einseitig zu sein). Zum Glück ist das aber nicht die Regel, denn als Zuhörer merkt man schon, ob ein Musiker mit dem Herzen (oder zumindest mit Begeisterung) bei der Sache ist. Und das ist zum Glück nicht ganz selten.

  • Es gibt sicherlich einige Musiker, die Musik (nur) als ihren Job betrachten. Und den machen sie dann mehr oder weniger gut - im Prinzip wie eine Prostituierte (oder ein Callboy, um nicht einseitig zu sein). Zum Glück ist das aber nicht die Regel, denn als Zuhörer merkt man schon, ob ein Musiker mit dem Herzen (oder zumindest mit Begeisterung) bei der Sache ist. Und das ist zum Glück nicht ganz selten.


    ...danke...genau so ist es...:huhu::topp:


    ...ach ja, mein langjähriger Freund und Musik-Kollege H. Neuser z.B. ist auch Profi-Musiker...bei dem hast du ja bereits Unterricht genossen :) damit verdient er sein Geld...aber er macht nach wie vor aus Leidenschaft seine eigene Musik...