Die Politik ist tot, es lebe die Politik! - kleiner politischer Frühschoppen, Live-Ticker, Austicker und was man sonst noch so zur Meinungsbildung braucht - oder auch nicht...

  • Eric hat es sehr gut beschrieben: Menschen, die sich angesichts der Übermacht der rechtslastigen Randbemerkungen ihres Umfelds allmählich frustriert aus der politischen Debatte zurückgezogen hatten, die fühlen sich nun endlich nicht mehr allein. Ein wunderbares Gefühl der Geborgenheit, mit Gleichgesinnten friedlich und ohne Aufgeregtheit Flagge zeigen zu können. In den vergangenen Monaten hatte mich das Phänomen, von dem einige hier berichten, ebenfalls überrollt: Überall braseln mir ungefragt "ganz freundliche und beliebte" Menschen meines Umfelds rechts-tendierende Phrasen ins Ohr. Keine Feier ohne "jetzt sofort auszureißende Gasheizungen", kein Shopping-Bericht ohne Seitenhieb auf die Geflüchteten-Gelder.

    Ein harmloses Gespräch über 2 Landwirte, die illegal und verbotenerweise morgens um 5 Uhr ihre Gülle auf die übernässten und halbgefrorenen Felder verklappen ... und kaum zwei Minuten später tönt die sanfte, liebliche Stimme unserer 24jährigen Amts-Influencerin durch die Räume: "Die sollen die Gülle doch lieber nach Berlin fahren, wo sie hingehört".

    Irritiert tappe ich in die Falle: Ähm, wieso? >>"Ja weil die Grünen soviel Mist machen". (Pause). In Sekunden fallen von allen Seiten immer krassere, dann ins Rechte abdriftende Phrasen auf Blöd-Zeitungs Niveau. Es gibt kein Entrinnen. Dagegen zu diskutieren würde jedwede Team-Zusammenarbeit künftig gefährden.


    Die letzten 2 Tage im Kreise von Gleichgesinnten in der nächstgrößeren Stadt, die waren wie Urlaub von der dörflich-dümmlichen Amts-Plattheit, Erholung von Frauen, die ihren Stammtisch-Männern und Jägern nachplappern, von Ex-Bundeswehr-Soldaten, die nun als Kreisoberamtsinspektoren ihre stählerne Haltung in jedem Nebensatz kundtun und Abschiebe-Fantasien als Normalstandard bestimmen.


    Wie riesig die Gefahr aus dem Volke anwächst, erkenne ich tatsächlich erst in voller Bandbreite jetzt. Zum Glück haben gute Zeitungen ein Einsehen und stellen wichtige Informationen dazu frei / kostenlos online. So eröffnet die ZEIT neue Einblicke in die alte Frage, woher auch noch die AfD ihre Lobby-Connectons und ihr Geld bezieht: Die Wirtschaft und die AfD


    Ich gehe heute wieder auf die Strasse oder - genauer gesagt- überlege ich, in die zweitnächste ganz große Stadt zu fahren und mit Gleichgesinnten in der Stille und Friedlichkeit ein kleines Pünktchen im Zeichen zu setzen. Und, naja, um mich aufzutanken mit der Kraft der anderen und ... ein bischen auch, um zu ... urlauben ... vom IST.

  • Die letzten 2 Tage im Kreise von Gleichgesinnten in der nächstgrößeren Stadt, die waren wie Urlaub von der dörflich-dümmlichen Amts-Plattheit, Erholung von Frauen, die ihren Stammtisch-Männern und Jägern nachplappern

    Das illustriert meine weiter oben kritisierte Attitüde zum Beispiel ganz gut. :thumbup:

  • Das illustriert meine weiter oben kritisierte Attitüde zum Beispiel ganz gut. :thumbup:

    Wie würdest du es denn ausdrücken wollen, damit es nicht "von oben herab" klingt, aber dennoch die Dinge beim Namen nennt?

    “THE NIGHT WE TRACKED DOWN PHIL COLLINS, BECAME BEST FRIENDS WITH HIM, AND TALKED HIM INTO REUNITING WITH PETER GABRIEL, AND THEN WE GOT TO SING BACKUP ON THE NEW GENESIS ALBUM AND IT WAS AWESOME!”

    — Barney Stinson, How I Met Your Mother, Season 7, Episode 21 ‘Now We’re Even’

  • Wie würdest du es denn ausdrücken wollen, damit es nicht "von oben herab" klingt, aber dennoch die Dinge beim Namen nennt?

    Ich würde "dörflich" und "dumm" schon einmal nicht in einen Zusammenhang bringen wollen und somit einen Kausalzusammenhang suggerieren. Ich habe in Großstädten, in Kleinstädten, in Vorstädten und in Dörfern gelebt. Andere Interessen, andere Lebensvorstellungen vielleicht, ja. Aber nicht mehr oder weniger dumm.

  • Ich würde "dörflich" und "dumm" schon einmal nicht in einen Zusammenhang bringen wollen und somit einen Kausalzusammenhang suggerieren. Ich habe in Großstädten, in Kleinstädten, in Vorstädten und in Dörfern gelebt. Andere Interessen, andere Lebensvorstellungen vielleicht, ja. Aber nicht mehr oder weniger dumm.

    Zustimmung! Darauf können wir uns sicherlich einigen.

    “THE NIGHT WE TRACKED DOWN PHIL COLLINS, BECAME BEST FRIENDS WITH HIM, AND TALKED HIM INTO REUNITING WITH PETER GABRIEL, AND THEN WE GOT TO SING BACKUP ON THE NEW GENESIS ALBUM AND IT WAS AWESOME!”

    — Barney Stinson, How I Met Your Mother, Season 7, Episode 21 ‘Now We’re Even’

  • Rob Plant : Sorry, nein, auch wenn ich Dir in sehr vielen Dingen zustimme, hier bleibe ich mal bei mir. Ich habe ebenfalls in allen möglichen Regionen, Süd und Nord, gelebt. Diese spezielle Art von "dümmlich" hat mit dumm nichts zu tun. Auch hochintelligente und gebildete Menschen können dümmlich agieren - in meinem Umfeld wird das Wort seit jeher verstanden eher als stoffelig, drömelig, bräsig. Dümmlich ist hier diese spezielle Art, mit aufgeblasenen Backen Meinungen des Stammtisches in die Welt zu prusten. Das habe ich so unter allen 28 Wohnorten ausschließlich im ländlichen Bereich gefunden. Früher saugte das die Dorfjugend quasi beim Aufwachsen ein. In manchen Regionen ist diese Haltung so traditionell, dass diejeningen, die nicht mitmachen wollen, für ewig Außenseiter bleiben oder früh nach der Schule das Ländliche verlassen. Als gebürtiger Dörfler musste ich lernen, nicht auch in dieses dümmlich-stoffelige Braseln zu verfallen - bei Müdigkeit gelingt es mir oft nicht. Was sich heute geändert hat: Es sind seit den 70gern viele tolerante Naturliebhaber in die Dörfer gezogen. Es gab viel Hoffnung, in Niedersachsen war das Wendland ganz weit vorn in der Integration. Aber all das läuft in letzter Zeit wieder rückwärts. Die Staatsverdrossenheit und allgemeine Abwertung der jetzigen Regierung ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und es werden an den virtuellen Stammtischen frech und aggressiv Beschuldigungen ausgesprochen, die keine Substanz haben. Hier wächst etwas heran, das nicht gut ist.


    Die Ablehnung dieses breitbeinigen Gebrasels ist mein ganz tief empfundenes Erfahren. Breitbeinig auch mit sanften Frauenstimmen. Und nein, in großen Städten zumindest des Westens ticken vielleicht EINZELNE so, gelegentlich in den bekannten Brutstätten wie Kleingartenvereinen, aber die Haltung prägt nicht flächen-deckend die städtischen Umfelder. Berlin ist ein gutes Beispiel, hier agiert der Außenring häufig eher "d-d", die Zentralcity eher städtisch. In zentralen Amtsstuben wagen sich solche Ausgrenzer nicht in Massen nach vorn. Arrogant zu sein möchtest Du mir vorwerfen ... hm - ist es nicht eher eine unsägliche arrogante Haltung in manchen - ja!- ländlichen Regionen, ohne konkretes Wissen immer die Ökos und die Grünen per se abzuwerten und ohne konkrete Informationen eher rechtslastig zu wählen? Gewachsen auf dem selben ländlichen Beet wie die überwiegend ländlichen "Leave"-Wähler gegen die EU in UK?

  • Ich gehe heute wieder auf die Strasse oder - genauer gesagt- überlege ich, in die zweitnächste ganz große Stadt zu fahren und mit Gleichgesinnten in der Stille und Friedlichkeit ein kleines Pünktchen im Zeichen zu setzen. Und, naja, um mich aufzutanken mit der Kraft der anderen und ... ein bischen auch, um zu ... urlauben ... vom IST.

    Das werde ich heute auch tun, um Kraft für die täglichen Diskussionen in meinem Umfeld zu tanken.

  • In der Rubrik "guut" müsste jetzt in diesen Minuten eigentlich der (sonst gelegentlich dümmlich-bräsige) BR Sonntags-Stammtisch von heute 21.01.2024 erwähnt werden.

    Übrigens wurde auch dort mit Erstaunen festgestellt, dass über 40% der Rentner unter 1.250 € erhalten. Wie jetzt - das weckt Erstaunen? Wo leben solche Redaktionen eigentlich?

    Ich werde dennoch den BR Sonntags Stammtisch vom 21.01.24 in "Guuut" einstellen, sobald ich die Links finde: Harald Lesch hat hier soeben sehr gute, wahre Worte gesprochen. Er hat das bedenklich harte Verfassungsgerichts-Urteil als zu hart kritisiert, hat Fake-News einiger Politiker offen gelegt und kritisiert, und er hat schön ruhig dagegen gehalten, wenn Alt-Politiker Bosbach die üblichen höhöhö CDU-CSU-Plattitüden als "Bonmots" unters Volk warf (obwohl gerade die CDU-CSU in den Zeiten, als Zinsen unter 0 waren, KEIN Geld aufgenommen hatte, sondern von der Substanz und auf Verschleiß lebte, so dass unsere gesamte Infrastruktur kaputt gewirtschaftet wurde ... es herrscht in Kreisen von Wirtschaftswissenschaftlern die Einheitlichkeit, dass die letzten 20 Jahre CDU uns zerbrochen haben). Lesch als einer, der die breitbeinigen Granden mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Gut!

  • In der Rubrik "guut" müsste jetzt in diesen Minuten eigentlich der (sonst gelegentlich dümmlich-bräsige) BR Sonntags-Stammtisch erwähnt werden. Auch dort wurde mit Erstaunen festgestellt, dass über 40% der Rentner unter 1.250 € erhalten. Wie jetzt - das weckt Erstaunen? Wo leben solche Redaktionen eigentlich?

    Ich kenne noch jemanden der erstaunt darüber sein dürfte.

    Wollte aber gar nicht in die laufende Diskussion reingrätschen, sondern nur diesen nicht ganz unwichtigen Fakt ergänzen. Wenn es alle bereits wussten, um so besser ...

    "Before Elvis, there were nothing ..."

    - John Lennon