Die Politik ist tot, es lebe die Politik! - kleiner politischer Frühschoppen, Live-Ticker, Austicker und was man sonst noch so zur Meinungsbildung braucht - oder auch nicht...


  • Zum Rechtsfrieden ergänze ich einen Satz aus dem von dir verlinkten Artikel:


    "Idealerweise führt der rechtskräftige Abschluss eines Rechtsstreits auch tatsächlich zu einem gerechten Interessenausgleich und einer Befriedung der Parteien."


    Wie man es im aktuellen Prozess schaffen will, sowohl Erdogan, als auch die Satiriker zu befried(ig)en, weiß ich nicht. Könnte eine Quadratur des Kreises sein...


    Das könnte z. B. so aussehen dass Böhmerman schuldiggesprochen wird, die Strafe aber in einer Zahlung von 100 Euro an einen gemeinnützigen Zweck besteht. Die eine Seite wird über den Schuldspruch zufrieden sein, die andere darüber dass die Strafe nicht sonderlich schwer ausfällt. Einen Schuldspruch ohne Strafe gab es im Fall Daschner (Folterdrohung im Zshg. m. d. Metzler-Entführung).

    • Offizieller Beitrag

    Wir alle wollen doch letztlich nur wissen, was erlaubt und was verboten ist. Im Bereich von "satirischen Angriffen" gibt es da aus meiner Sicht nur wenig Klarheit.


    Diese Klarheit wolltest du uns doch schaffen und hast auf "unser Taktgefühl" verwiesen.
    Ich habe dazu nachgefragt und noch keine Antwort erhalten: WESSEN Taktgefühl? Das Taktgefühl desjenigen, der den "Witz" erzählt? Das desjenige, der ihn sich anhört? Das des eigentlich Betroffenen? Und wenn die in unterschiedliche Richtungen gehen, wessen Taktgefühl soll da mehr gelten? Und wer entscheidet das?
    Wenn du das Ganze schon auf "das Taktgefühl" schiebst und dich nicht nur dahinter verstecken willst, "mit dem Finger auf das Problem zu zeigen", dann bekomme ich von dir bestimmt einige spannende Antworten. Wie sieht's aus?


    Zitat

    Zum Rechtsfrieden ergänze ich einen Satz aus dem von dir verlinkten Artikel: "Idealerweise führt der rechtskräftige Abschluss eines Rechtsstreits auch tatsächlich zu einem gerechten Interessenausgleich und einer Befriedung der Parteien."


    Das entscheidende Wort in dem zitierten Satz lautet idealerweise. Es wird doch wohl hoffentlich nicht nötig sein, dir die Bedeutung dieses Wortes zu erläutern?


    Wäre schön, wenn alles immer ohne Rest lösbar wäre. Dann müsstest du nicht so elend unter all diesen Unschärfen leiden (Nebenbei: Wie du ohne existenziellen Zwiespalt Noten machen kannst, ist mir ein Rätsel). Grönemeyer: "Es könnte alles so einfach sein - isses aber nich!" Brecht: "Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so."

  • Wo mein Verständnis von Rechtssicherheit "hochproblematisch" sein soll, verstehe ich nicht.


    Es schien mir so, als sähest du die Rechtssicherheit gefährdet. Davon kann aus meiner Sicht kaum die Rede sein.


    Wir alle wollen doch letztlich nur wissen, was erlaubt und was verboten ist. Im Bereich von "satirischen Angriffen" gibt es da aus meiner Sicht nur wenig Klarheit.


    Das sehe ich anders. Du darfst von der Kunst-, Presse- und Meinungsfreiheit Gebrauch machen, dabei aber nicht die Persönlichkeitsrechte eines anderen verletzen. So verstehe ich als Laie den Zusammenhang, den ich mir eben auf Wiki durchlas bzw. mit TIOA ausklamüsert habe. So wahnsinnig kompliziert finde ich das jetzt nicht.


    Zum Rechtsfrieden ergänze ich einen Satz aus dem von dir verlinkten Artikel:


    "Idealerweise führt der rechtskräftige Abschluss eines Rechtsstreits auch tatsächlich zu einem gerechten Interessenausgleich und einer Befriedung der Parteien."


    Wie man es im aktuellen Prozess schaffen will, sowohl Erdogan, als auch die Satiriker zu befried(ig)en, weiß ich nicht. Könnte eine Quadratur des Kreises sein...


    Zum Thema "Erdogan/Befriedigung" kommt mir jetzt sofort wieder die Ziege in den Sinn. Aber das hat hoffentlich nichts mit der Realität zu tun. Und ich würde Böhmermann auch davon abraten, Erdogan als Zeichen der Befriedung eine solche zu schenken.


    Ich weiß nicht, warum du dir nicht vorstellen kannst, hier könne es einen gerechten Interessensausgleich geben. Das zeigt wohl nur sowas wie dein Misstrauen in unsere Rechtssprechung. Ansonsten sehe ich keinen Grund, das schon im Vorfeld zu befürchten.


    Zudem denke ich, dass es auch möglich ist, eine gewisse "Befriedung der Parteien" zu bewirken - wenn nämlich beide das Urteil womöglich akzeptieren und fortan auf weitere Auseinandersetzungen verzichten, die justiziabel wären. Warum nicht?

  • Absolute Rechtssicherheit kann und wird es nie geben. Das ist einfach nicht möglich und das Leben zu vielfältig, als dass jeder denkbare Sachverhalt glasklar und unstrittig geregelt werden könnte.


    Das ist aber auch völlig in Ordnung so. die Welt wird nicht daran zu Grunde gegen, dass im Moment niemand mit Sicherheit sagen kann, ob Böhmermann nun schuldig oder unschuldig ist und wie hoch das Strafmaß ggf. wäre. Selbst Böhmi kann vermutlich damit ganz gut leben. Im gesamten Streit geht es doch in erster Linie um das Prinzip. Mehr als eine Geldstrafe erwartet wirklich niemand und die wird der "dürre blasse Junge" locker verkraften. Wichtig ist, dass der Gesetzgeber in den elementaren Fragen für möglichst hohe Rechtssicherheit sorgt (z.B. In welchen Rahmen aktive und passive Sterbehilfe möglich sind, ohne dass Ärzte Gefahr laufen, wegen eines Tötungsdelikts angeklagt zu werden). Bei den wirklich kritischen Themen muss der Gesetzgeber notfalls immer wieder nachbessern und sich konkret festlegen, für alles andere bleibt das Sprichwort "Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand".

    “THE NIGHT WE TRACKED DOWN PHIL COLLINS, BECAME BEST FRIENDS WITH HIM, AND TALKED HIM INTO REUNITING WITH PETER GABRIEL, AND THEN WE GOT TO SING BACKUP ON THE NEW GENESIS ALBUM AND IT WAS AWESOME!”

    — Barney Stinson, How I Met Your Mother, Season 7, Episode 21 ‘Now We’re Even’

  • Und wenn die in unterschiedliche Richtungen gehen, wessen Taktgefühl soll da mehr gelten? Und wer entscheidet das?


    Bevor ich mich wiederhole, möchte ich einen neuen Aspekt in die Diskussion einbringen.


    Böhmermann und Extra3 machen Witze über Erdogan. Erdogan regt sich tierisch darüber auf und fühlt sich beleidigt. Warum ist noch niemand auf die Idee gekommen, zu fragen, warum sich die türkische Regierung überhaupt Satiresendungen im deutschen Fernsehen ansieht? Ein Verzicht auf derartige Sendungen wäre doch der einfachste Weg, um einer Verärgerung aus dem Weg zu gehen, oder?


    Mich erinnert dieses Verhalten an jemanden, der kein Blut sehen kann, sich dann trotzdem einen Splattermovie FSK18 reinzieht und anschließend darüber beschwert, dass es so unerträglich blutig war.


    Erdogan hat alle Möglichkeiten, satirischen Beiträgen, die er als beleidigend empfindet aus dem Weg zu gehen. Er muss sich das nicht ansehen oder durchlesen.
    Die Witze wurden ÜBER ihn, aber nicht FÜR ihn gemacht. Er gehört nicht zur Zielgruppe dieses Fernsehprogramms. Warum soll man denjenigen, die das lustig finden, das Lachen verbieten, weil einer, der es nicht lustig findet, nicht abschalten kann?


    Erdogan hat alle Möglichkeiten, durch sein eigenes Verhalten dazu beizutragen, dass sich die satirische Eskalationsspirale nicht weiter dreht. Er macht aber genau das Gegenteil. Er schießt mit Kanonen auf Spatzen und empört sich dann, wenn plötzlich mal jemand eine verbale Kanone auf ihn richtet. Erdogans Verhalten hat Böhmermanns Gedicht erst möglich gemacht. Er ist gewissermaßen der heimliche Urheber dieser Satire.




    Zudem denke ich, dass es auch möglich ist, eine gewisse "Befriedung der Parteien" zu bewirken - wenn nämlich beide das Urteil womöglich akzeptieren und fortan auf weitere Auseinandersetzungen verzichten, die justiziabel wären. Warum nicht?


    Es geht hier aber nicht nur um Böhmermann.
    Es geht auch um alle anderen Satiriker und ihre zukünftige Arbeit. Sollte Böhmermann zu was auch immer verurteilt werden, kann dies die Kreativität von Satire stark beeinträchtigen, da sich die Künstler dann fortan immer fragen werden: "Darf ich das noch sagen, oder geht's mir dann wie dem Böhmermann?"
    Eine solche sich selbst ständig kontrollierende Satire, die an Tabubrüche gar nicht mehr zu denken wagt, wird nie wieder die wachrüttelnde Wirkung entfalten, wie es Böhmermann gelungen ist. Wofür brauchen wir Satire dann überhaupt?



    ...für alles andere bleibt das Sprichwort "Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand".


    Gäbe es hier im Forum ein Phrasenschwein, wärst du jetzt fällig!:p

    But we never leave the past behind, we just accumulate...

    "Von jedem Tag will ich was haben

    Was ich nicht vergesse

    Ein Lachen, ein Sieg, eine Träne

    Ein Schlag in die Fresse"


  • Also, du meinst Folgendes: Deine Schüler machen ihren Abschluss und veranstalten dann noch mal ein Event unter dem Motto "Before we go: Unsere große Lehrer-Verarsche" in der Schul-Aula. Sie weisen vorsorglich darauf hin, dass die Lehrer der Abschlussklassen nicht eingeladen sind, da dreckige Witze über sie gerissen werden - man wolle sie damit nicht unbedingt konfrontieren, da es sonst unter Umständen gewisse Befindlichkeitsstörungen geben könne, das sei ja vermeidbar.
    Du gehst dann natürlich nicht hin, deine Schüler machen satirische Witze über deine geistige Beschränkt- und Versteiftheit, karikieren dich als kurzschwänzigen Super-Spießer, lachen sich tot über deine Warze auf der Nase und zeigen in einem selbstgeschriebenen Sketch, was bei dir und deiner Frau im Bett nicht klappt, weil du ja eigentlich schwul seist und zu feige für ein Coming-Out.
    Deine Kollegen begrüßen dich am nächsten Tag im Lehrerzimmer und sagen: "Oha, Mutzel, das ging gestern aber ganz schön zur Sache, als deine Abschlussklasse dich auf unflätige Weise durch den Kakao gezogen hat." Du lächelst entspannt und antwortest: "Leute, wie gut, dass ich nicht da war! Meine Schüler wussten schon, warum sie mich nicht eingeladen haben - alles in Ordnung!" Etwa so?


    Es geht hier aber nicht nur um Böhmermann.


    Deine Sprunghaftigkeit ist immer wieder erstaunlich. Du hast die "Befriedung der Parteien" zitiert, die einander im Prozess gegenüberstehen. Darauf habe ich mich bezogen. Von den anderen Satirikern war dort überhaupt keine Rede. Aber ich springe jetzt mal mit, das ist gerade ganz lustig für mich.


    Es geht auch um alle anderen Satiriker und ihre zukünftige Arbeit. Sollte Böhmermann zu was auch immer verurteilt werden, kann dies die Kreativität von Satire stark beeinträchtigen, da sich die Künstler dann fortan immer fragen werden: "Darf ich das noch sagen, oder geht's mir dann wie dem Böhmermann?"


    Die armen Satiriker! Die müssen sich jetzt unhaltbarerweise Gedanken darüber machen, die Persönlichkeitsrechte anderer zu achten? Das geht ja gar nicht!


    Einen Einwand gegen deine messerscharfe Konsequenz aus dem Umstand des nahenden Prozesses habe ich allerdings: Die Rechtslage ist ja ein alter Hut. Man musste sich als Satiriker schon seit Jahrzehnten darüber Gedanken machen resp. mit einer Bestrafung rechnen - der Böhmermann-Prozess verschärft hier ja überhaupt nichts. Im Gegenteil: Der "Majestätsbeleidigungsparagraph" wird in diesem Zuge womöglich abgeschafft.


    Einmal editiert, zuletzt von townman ()

  • Also, du meinst Folgendes: Deine Schüler machen ihren Abschluss und veranstalten dann noch mal ein Event unter dem Motto "Before we go: Unsere große Lehrer-Verarsche" in der Schul-Aula. Sie weisen vorsorglich darauf hin, dass die Lehrer der Abschlussklassen nicht eingeladen sind, da dreckige Witze über sie gerissen werden - man wolle sie damit nicht unbedingt konfrontieren, da es sonst unter Umständen gewisse Befindlichkeitsstörungen geben könne, das sei ja vermeidbar.
    Du gehst dann natürlich nicht hin, deine Schüler machen satirische Witze über deine geistige Beschränkt- und Versteiftheit, karikieren dich als kurzschwänzigen Super-Spießer, lachen sich tot über deine Warze auf der Nase und zeigen in einem selbstgeschriebenen Sketch, was bei dir und deiner Frau im Bett nicht klappt, weil du ja eigentlich schwul seist und zu feige für ein Coming-Out.
    Deine Kollegen begrüßen dich am nächsten Tag im Lehrerzimmer und sagen: "Oha, Mutzel, das ging gestern aber ganz schön zur Sache, als deine Abschlussklasse dich auf unflätige Weise durch den Kakao gezogen hat." Du lächelst entspannt und antwortest: "Leute, wie gut, dass ich nicht da war! Meine Schüler wussten schon, warum sie mich nicht eingeladen haben - alles in Ordnung!" Etwa so?


    Der Vergleich passt sehr schlecht.


    1. Hier (dein Beispiel) gibt es eine persönliche Beziehungsebene zwischen Lehrer und Schülern, ebenso eine räumliche Nähe. Eine persönliche Beziehung zwischen Böhmermann und Erdogan ist mir nicht bekannt. Die räumliche Nähe fehlt.


    2. Hier ist das Witzemachen Selbstzweck. Bei Böhmermann war es Mittel zum Zweck.
    Oder anders gesagt: Hier geht es um Verarsche, dort geht es um Aufklärung.


    3. Hier gibt es keine Vorgeschichte. Bei Böhmermann gibt es aber eine (die Extra3-Satire).


    Aber um deine abschließende Frage zu beantworten: Nein, vermutlich wäre mir das unangenehm, und ich würde nicht entspannt lächeln. Vielleicht wäre ich sogar angepisst oder sauer. Ich würde das unter Umständen auch kundtun. Aber eine juristische Klage wegen Beleidigung anstrengen? Never ever...

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    Was ich nicht vergesse

    Ein Lachen, ein Sieg, eine Träne

    Ein Schlag in die Fresse"

  • Der Vergleich passt sehr schlecht.


    Schade, ich hatte ihn passgenau auf das hin konstruiert, was du zuvor geschrieben hattest.




    Wenn ich das hoffentlich richtig verstehe, dann hat für dein Verständnis nur derjenige Anlass, sich beleidigt zu fühlen, wenn der Beleidiger ihm persönlich bekannt oder(?)/und(?) dann noch in dessen Nähe zu finden ist. Dann könnte man jetzt noch nach Bekanntschaftsgrad und der genaueren Entfernung fragen, um bei dir "Rechtssicherheit" zu erlangen, oder?


    Sag mal Mutzel, wie wäre das bei uns beiden? Wir haben uns noch nie gesehen, sind wohl ein paar Hundert Kilometer voneinander entfernt, ich möchte gerne die Mitleser hier über dein fragwürdig-willkürliches Rechtsverständnis aufklären, und die Vorgeschichte ist natürlich, dass du dieses fragwürdige Rechtsverständnis hier schon mehrfach propagiert hast. Wie wäre es für dich, wenn ich deinen sprunghaften, undifferenzierten und von logischen Brüchen nur so strotzenden Argumentationsstil karikieren und dich dabei ein verwirrtes Po-Loch nennen würde? Wäre das für dich noch akzeptabel, sofern also wirklich die aufklärerische Absicht und sogar eine künstlerische Einkleidung meiner Mutzel-Schmähkritik vorhanden wäre? Oder stimmt da der Bekanntschaftsgrad nebst Entfernung schon nicht mehr?

  • Wir alle wollen doch letztlich nur wissen, was erlaubt und was verboten ist. Im Bereich von "satirischen Angriffen" gibt es da aus meiner Sicht nur wenig Klarheit.


    Ich habe lange nachgedacht. Nicht über diesen Post, über andere Dinge. Warum Leute an Gott glauben, ob mich der Typ mit dem Jobangebot anruft, warum ich Phil Collins mag, wann ich mal wieder eine Spanienreise finanzieren kann, wieso ich seit zwei Stunden wach bin...
    Fällt Dir was auf? Richtig, es sind sehr egozentrische Fragen. Und die Frage "was erlaubt und was verboten ist" kommt da nicht vor. Weil sie so eine unfassbar d[?=§=*#°]iche Schwarz-Weiß-Frage ist. Und in diesen Helligkeitsstufen wirst Du keine Satire finden. Höchstens Mario Barth. Oder die 30 Jahre alten Unterrichtsmaterialien eines Staatsbürgerkundelehrers.


    Wie man es im aktuellen Prozess schaffen will, sowohl Erdogan, als auch die Satiriker zu befried(ig)en, weiß ich nicht. Könnte eine Quadratur des Kreises sein...


    Ein Satiriker, der sich befrieden lässt, ist ein Oxymoron. Man kann ihn maximal mit Auflösung des Konflikts langweilen. Dann wird er sich anderem Unsinn zuwenden, der auf die Schippe genommen gehört.

    al's Lebensweisheiten:

    "Man muss sich seiner Arroganz schon bewusst sein, um sie genießen zu können."