Alles anzeigenDeutschland hat gewählt!
Und ich muss sagen: Der heutige Wahlabend war schon mal unterhaltsamer als viele Wochen des Wahlkampfs vorher.
Der Coup des Abends gelingt der SPD. Als bereits Manuela Schwesig im ZDF sofort nach den ersten Zahlen die SPD auf ihre zukünftige Oppositionsrolle festlegte, wurde deutlich, dass man bei den Genossen auf dieses desaströse Ergebnis gut vorbereitet war.
Und dass man die richtigen Schlüsse gezogen hat.
Wenn die Große Koalition eines bewiesen hat, dann war es die Tatsache, dass die SPD durch ihr Mitwirken in einer solchen kontinuierlich an Profil und Wählerstimmen verloren hat.
Die Entscheidung von Schulz ist goldrichtig und bietet die Möglichkeit, sich in der Opposition zu erholen und in vier Jahren wieder realistische Chancen auf das Kanzleramt zu haben.
Die CDU/CSU ist zwar nach wie vor stärkste Fraktion, aber die Verluste sind enorm.
Richtige Freude kommt da nicht auf. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass man nun mit "Jamaika" nur noch eine Bündnisoption hat. Und dieses Bündnis wird nicht leicht zu formen sein, da zwischen einem Seehofer und einem Hofreiter Welten liegen.
Die CSU hat ja bereits bekundet, dass sie die "rechte Flanke schließen" will. Da gibt es also einigen politischen Sprengstoff z.B. in Fragen von Zuwanderung und Islam.
Auch zwischen FDP und Grünen könnte es ordentlich krachen. Vor allem sind es ja jetzt vier Parteien, die alle etwas vom Kuchen (sprich: Ämter und Pöstchen) abhaben wollen.
Ich sehe da zwar noch keine holländischen Verhältnisse, bin mir aber unsicher, ob wir in diesem Jahr noch eine neue Regierung sehen werden.
Die AfD ist jetzt im deutschen Bundestag. In der Elefantenrunde gab sich Meuthen sehr moderat, betonte, dass seine Partei weder Europa noch Migranten gegenüber grundsätzlich feindlich eingestellt sei. Inwieweit die AfD fähig und bereit ist, nach den gegebenen parlamentarischen Spielregeln eine konstruktive Oppositionsarbeit zu leisten, wird man sehen. Es hängt wohl auch davon ab, wie die anderen Parteien mit dem Neuzugang umgehen. Die oft pauschale Stigmatisierung ihrer Wähler, Mitglieder und demnächst Parlamentarier als "Rassisten" oder "echte Nazis" ist da sicher wenig hilfreich.
In jedem Fall wird es wohl eine interessante Legislaturperiode werden...
Ich war mir vor der Wahl sicher, dass es Jamaica gibt. Ich habe SPD, Grüne und FDP in etwa so eingeschätzt, wie es am Ende kam. Ich hatte eine stärkere Union und eine schwächere AfD erwartet. Ändert nicht am Ergebnis.
Schulz Auftritt fand ich schon merkwürdig. Die Schuld am Erstarken der AfD hat natürlich das Konstrukt Große Koalition. Aber die SPD kann sich bei minus 5 % auch nicht hinstellen und den Leuten weismachen, an uns hat's nicht gelegen. Was überzeugendes angeboten haben sie nicht. Und Merkel ging als Kanzlerin in den Wahlkampf - da hat noch nie ein Kanzler die eigene Arbeit schlechtgeredet.
In der Sache finde ich es absolut richtig, dass die SPD in die Opposition geht. Es ist keinem geholfen, wenn die nach einer weiteren GroKo bei 15% landen. Andererseits ist es bei so einem Wahlergebnis auch schon ein ziemlich starkes Stück, erst mal ein "machen wir nicht" einzupflocken. Hätten das Grüne und FDP ebenso gemacht, können wir gleich neu wählen. Was wiederum auch der SPD nicht zuträglich sein dürfte.
Spruch des Abends kommt daher von C. Lindner: "Geben Sie Herrn Schulz mehr Redezeit, dann redet er sich um Kopf und Kragen"
Mein Eindruck: Lange wird Schulz nicht mehr da sein. Verliert die SPD auch Niedersachsen, dürfte es das gewesen sein.
Bzgl. Jamaica gibt es nun einen Vorteil: Es dürfte allen klar sein, dass hier keine SPielchen mehr ziehen. Daher denke ich, dass dieses Bündnis schneller kommt als wir glauben. Wenn sie die Inhalte klug aufteilen, kann das jeder mitmachen, ohne gleich sein Gesicht zu verlieren. Grüne Außen (man stelle sich vor - Özdemir als Außenminister auf einer Reise in die Türkei) und Umwelt, FDP Wirtschaft und Digitalisierung und ggf Bildung, CSU Inneres und ggf Verbraucherschutz.
Und die Union?
Das krachende Ergebnis der CSU dürfte Seehofer ziemlich geschröpft haben. Hier liegt auch eine Gefahr, da sind ja Wahlen nächstes Jahr. Merkel ihrerseits wird nun wohl bereits damit beginnen, die Nachfolge zu regeln. Alle setzen da auf Kramp-Karrenbauer, ich glaube aber irgendwie, dass da ein anderer kommt. Vermutlich ein Mann.
Was die AfD angeht - ich habe mehrfach versucht, Sympathisanten über Themen einzufangen. Das kratzt die nicht. Das ist das Problem. In Sachsen sind sie stärkste Kraft geworden. Wir wählen zwar erst 2019, aber noch sehe ich nicht, wie sich hier angesichts der seit Jahren fehlenden oppositionellen Alternative was ändert.
Ein Ergebnis wie bei der BuTa-Wahl könnte in Sachsen zu einer grotesken Situation führen. Entweder geht die Union den Pakt mit dem Teufel ein, oder es gäbe ein Bündnis zwischen Union, SPD und LINKEN (!). Oder Neuwahlen. Das ist alles Spekulation, denn vielleicht wird die AfD sich auch nach und nach selbst zerlegen. Dumm ist eben nur, dass deren Wähler sich nicht die Bohne für Lösungen interessieren.
Noch was: Das Ergebnis von Union und SPD ist durchaus vergleichbar mit dem Ergebnis nach der ersten GroKo. beide haben jetzt noch etwas weniger und der Faktor AfD kmmt dazu. In jedem Fall braucht es wieder Regierungen mit anderen Partnern.