TotW: [09.02.-15.02.2015]: GENESIS - Can-Utility And The Coastliners

  • Ein gutes Stück von einem überragendem Album, allerdings nicht eines meiner Lieblinge.
    Der Aufbau ist sehr gut, der Mittelteil fantastisch, aber mit dem Schlußteil konnte ich nie warm werden, daher NUR 12 Punkte



    in diesem Sinne...

    a horse not made of sand

  • Christian: Ja, sorry, ich meinte den Threadersteller. Also wenn es keine Quellen dafür gibt, dass es 1973 live gespielt wurde, könnte er es ja löschen.

    Genesis-Fan seit 1991. Interessenschwerpunkt: 1970 bis 1980 ;)

  • [FONT=&quot]
    [/FONT]
    [FONT=&quot][Blockierte Grafik: http://upload.wikimedia.org/wi…rebukes_his_courtiers.png]


    Es hat mi[FONT=&quot]r[/FONT] doch keine Ruhe gelassen, was es mit diesem Song auf sich haben könnte. Merkwürdiger Titel, aber natürlich weiß hier jeder, dass der Song von "King Canute" - dem Dänen-König Knut (985-1035) handelt. Oder doch nicht[FONT=&quot]? [/FONT]Zur Geschichte Knuts verweise ich auf den lesenswerten und unterhaltsamen Artikel bei Spiegel-online:
    [/FONT][FONT=&quot]http://www.spiegel.de/spiegel/…eschichte/d-75351772.html[/FONT]

    [FONT=&quot]Der Song handelt von einer Legende oder Anekdote über diesen König, der sich vom blutrünstigen Wikinger zu einem großherzigen christlichen Herrscher gewandelt hatte, was sich auf seine Regierungsweise (nicht jedoch auf seinen Charakter) ausgewirkt hatte. Die Geschichte ist schnell erzählt:[/FONT]

    [FONT=&quot]Knut hatte es satt, dass er von seinen Höflingen so umschmeichelt und in oft heuchlerischer Weise verehrt wurde. Er wollte beweisen, dass Könige auch ganz normale Menschen und keine Götter sind. Deshalb ließ er seinen Thron an den Meeresstrand schleppen, wo gerade Ebbe herrschte. Als die Flut näher rückte, befahl er den Wellen zurück zu weichen, damit er keine nassen Füsse kriegt. Klappte erwartungsgemäß nicht. Irgendwann stand der Thron im Wasser. Dem um ihn herum stehenden Hofstaat sagte er: "Seht, auch Könige haben nur eine begrenzte Macht. Über ihnen steht Gott." Zum Zeichen seiner Demut hängte er seine Krone an ein Kreuz.[/FONT]

    [FONT=&quot]Der Song[FONT=&quot]-[/FONT]Titel lässt sich nicht wörtlich übersetzen, denn es gibt in Deutschen weder eine Entsprechung zu "Can-utility" noch "Coastliner". Umschrieben könnte man so sagen: "Vom Nutzen des Könnens und d[FONT=&quot]en[/FONT] Anwohnern der Küstenlinie". [/FONT]
    [FONT=&quot]
    [/FONT]The scattered pages of a book by the sea
    [FONT=&quot] Held by the sand, washed by the waves
    A shadow forms cast by a cloud
    Skimming by as eyes of the past
    But the rising tide absorbs them effortlessly claiming[/FONT]
    [FONT=&quot]
    [/FONT]
    [FONT=&quot]Die erste Strophe handelt von der Vergänglichkeit und "liest" sich fast wie ein Bild. Einzelne Seiten eines Buches sind, verwaschen und brüchig vom Meereswasser, an den Strand gespült worden und liegen nun dort, halb vom Sand bedeckt. Ein Schatten der Vergangenheit - in Wirklichkeit der Schatten einer Wolke - scheint in diesen Buchseiten zu blättern. Doch schon fordert die Flut ganz ohne Anstrengung diesen Fund für sich zurück.[/FONT]


    [FONT=&quot]They told of one who tired of all singing
    'Praise him, praise him'
    "We heed not flatterers", he cried
    "By our command, waters retreat, show my power, halt at my feet"
    But the cause was lost, now cold winds blow[/FONT]

    [FONT=&quot]
    [/FONT][FONT=&quot]Strophe zwei erzählt die Legende Knuts. Mit der Ergänzung, dass nun ein kalter Wind weht - willkommen in der nüchternen (kühlen) Realität.[/FONT]

    [FONT=&quot]Far from the north overcast ranks advance
    Fear of the storm accusing with rage and scorn
    The waves surround the sinking throne
    Singing, 'Crown him, crown him'
    Those who love our majesty show themselves all bent their knees[/FONT]


    [FONT=&quot]Zur dritten Strophe sei auf den Charakter Knuts verwiesen. Trotz seiner christlichen Tugenden war er der hitzköpfige Wikinger geblieben, der einmal im Streit einen Angehörigen seiner Leibgarde erschlug - um dann die Familie des Opfers mit dem Zehnfachen des vorgesehenen Sühnegelds zu entschädigen. Die Zuschauer der geschilderten Begebenheit fürchteten anscheinend, dass das nördliche Temperament des Königs wieder aus ihm hervor brechen könnte. Mit den Wellen, die den sinkenden Thron umspülen, sind wohl diese Leute gemeint, die sich dann unterwerfen, ihre Knie beugen. Doch was macht Knut?[/FONT]
    [FONT=&quot]
    [/FONT][FONT=&quot]But he forced a smile even though his hopes
    Lay dashed where offerings fell, where they fell[/FONT]

    [FONT=&quot]
    [/FONT][FONT=&quot]Er ringt sich ein resigniertes Lächeln ab. Gute Mi[FONT=&quot]ene zu vergeblichem [FONT=&quot]Spiel. [/FONT][/FONT]Nun hat er ihnen deutlich gemacht, wer er ist und was er nicht will, und sie verstehen es nicht. (Mir fällt gerade Brian mit der heiligen Sandale ein...) [/FONT]

    [FONT=&quot]So weit so gut, Knut. Wollten Genesis einfach nur eine nette Geschichte erzählen? Wir kennen doch unseren Peter viel zu gut, als dass wir nicht auch etwas Hintergründiges vermuten würden. Was haben Stars mit Königen gemeinsam? Ihre Stellung und ihre Berühmtheit. Chris Welch schreibt in seinem Buch "Genesis - The complete Guide to their Music": [/FONT]
    [FONT=&quot]"Vordergründig handelt diese befremdliche Geschichte von dem dänischen König Canute. Schnell aber taucht die Frage auf, ob es sich dabei nicht um Peter Gabriel selbst handelt, denn der Text deutet Offenbarungen über einen Sänger an, der der Heucheleien seiner Verehrer überdrüssig geworden ist und den sein eigener Gesang langweilt." Besonders deutlich wird das in der Zeile "We heed not flatterers" (Wir schenken Schmeichlern keine Beachtung.) [/FONT]

    [FONT=&quot]Doch halt, da kommt ja noch was. [/FONT]
    [FONT=&quot]
    [/FONT][FONT=&quot]Nothing can my peace destroy
    As long as none smile
    More opened ears and opened eyes
    And soon they dared to laugh[/FONT]
    [FONT=&quot]See a little man with his face turning red
    Though his story's often told, you can tell he's dead
    [/FONT]
    [FONT=&quot]
    [/FONT][FONT=&quot]Hier scheint es nicht mehr um Starkult zu gehen, sondern um ein bestimmtes Gefühl, wenn alle Augen und Ohren auf einen gerichtet sind: Lampenfieber. Lacht da etwa einer? Oder sogar alle? Über mich[FONT=&quot], den[/FONT] "Little Man", einen Mann, der sich klein macht, errötet und sich dann ganz schnell vom Acker macht[FONT=&quot]?[/FONT] Das wird wunderbar in der hektischen Musik ausgedrückt. Der Song kann gar nicht schnell genug zu Ende gebracht werden. Hatte Peter Lampenfieber? [Ich finde übrigens den englischen Begriff stage fright ('Bühnen-Entsetzen') viel plastischer als Lampenfieber.] Wir wissen es auf jeden Fall von Ant, der nach Trespass ja auch die Band verließ. "You can tell he's dead" - jedenfalls für die weitere Musik von Genesis. [/FONT]

    [FONT=&quot][FONT=&quot]Zum Schluss noch mal zum Anfang. "Can-Utility and the Coastliners". [/FONT]Die Könner stehen auf der Bühne, die "Coastliner" sind niemand anderes als wir am Bühnenr[FONT=&quot]and[/FONT]. [FONT=&quot]Was [FONT=&quot]hat also das Können oder die Kunst[FONT=&quot]fertigkeit der Musiker überhaupt für einen Nutzen, wenn man [FONT=&quot]gar nicht als Idol[FONT=&quot] [FONT=&quot]veehrt werden will? Eine Frage, die[FONT=&quot] sich[FONT=&quot] eine Band vielleicht a[FONT=&quot]uch stellt, [FONT=&quot]wenn es um das Thema Reunion geht.[/FONT][/FONT][/FONT][/FONT][/FONT][/FONT][/FONT][/FONT][/FONT][/FONT]
    [/FONT]

    I'll never find a better time to be alive than now.

    Peter Hammill (on "X my Heart")

    3 Mal editiert, zuletzt von Aprilfrost () aus folgendem Grund: Alle Änderungen nur in Grammatik und Rechtschreibung

  • Ganz großartig zusammengetragen, mein lieber Aprilfrost.
    So tief bin ich nie in den Text eingestiegen, jetzt kriege ich es serviert und will gleich weiterlesen.
    Eine Sache möchte ich zu Folgendem bedenken ...


    (...) So weit so gut, Knut. Wollten Genesis einfach nur eine nette Geschichte erzählen? Wir kennen doch unseren Peter viel zu gut, als dass wir nicht auch etwas Hintergründiges vermuten würden. (...) Schnell aber taucht die Frage auf, ob es sich dabei nicht um Peter Gabriel selbst handelt, denn der Text deutet Offenbarungen über einen Sänger an, der der Heucheleien seiner Verehrer überdrüssig geworden ist und den sein eigener Gesang langweilt."(...) Der Song kann gar nicht schnell genug zu Ende gebracht werden. Hatte Peter Lampenfieber? (...)


    Meines Wissens nach hat Steve Hackett den Großteil geschrieben, auch den Text. So ähnlich steht es auch zu Genesis Revisited II im Booklet oder als Anmerkung auf seiner Website, siehe auch


    HackettSongs - Steve Hackett's Official Music Website

    Gedankenrauschen – Da geht noch was!

    2 Mal editiert, zuletzt von pealmu () aus folgendem Grund: Link ergänzt

  • Meines Wissens nach hat Steve Hackett den Großteil geschrieben, auch den Text. So ähnlich steht es auch zu Genesis Revisited II im Booklet oder als Anmerkung auf seiner Website,


    Ich bin dankbar für jeden Hinweis, der etwas mehr Licht in die Texte von Genesis bringt.


    Vielleicht sah Steve den Personenkult um Knut als Allegorie auf viele heutige Berühmtheiten. Ich glaube, dass Welsh die Zeile They told of one who tired of all singing so interpretiert, dass "er" von seinem eigenen Gesang ermüdet ist. Ich hingegen würde die nächste Zeile mit einbeziehen, dass nämlich "all" singen: praise him, praise him, was "one" geflissentlich auf den Keks geht. Es muss also nicht unbedingt der Sänger sein, der hier gemeint ist.

    I'll never find a better time to be alive than now.

    Peter Hammill (on "X my Heart")

  • Toll, großartig, wunderbar, vielen Dank, Aprilfrost! Wie bereichernd, dass Du uns die rätselhafte Geschichte um König Knut und Can-Utility näher gebracht und "übersetzt" hast. Ich schwebe direkt ein bisschen vor Glück...


    Nach dem, was Du, Aprilfrost, so alles geschildert hast, bin ich ebenfalls überzeugt: Die Knut-Geschichte diente der Band (Steve) als Allegorie. Sie ist ein Bildnis dafür, dass es nicht schön ist, beklatscht zu werden, ohne wirklich verstanden zu werden. Es nervt, von der Masse (blind) besungen und umschmeichelt zu werden - zumal, wenn die Leute gar nicht wissen (und vielleicht sogar auch nicht wissen WOLLEN), wem sie da so huldigen.


    Ob Steve in der letzten Strophe wirklich an Ant gedacht hat? Schließlich hat er selbst ihn ja ersetzt... Klar, Ant ist verloren (dead) für Genesis, aber die Kunst wird nun anders fortgeführt... Passen würde es dennoch, dass Steve an Ant dachte, denn stage fright kannte er selber ja schließlich auch - er konnte Ants Gründe zu gehen, sicherlich irgendwie nachempfinden und verstehen. Steve selbst war ja sehr schüchtern und hat sich anfangs nicht so richtig wohl gefühlt auf der Bühne. Vom Schlafzimmer-Musiker zum umjubelten Stage-Gitarristen... Vielleicht geht es in der letzten Strophe also ja tatsächlich auch um Steve selber? Um Steve, der errötet, wenn andere lachen? Um Steve, in dem etwas abstirbt, wenn andere einfach nur durch ihre schlichte Begeisterung "übergriffig" werden? Oder wenn sie lachen und an der Musik Dinge nicht verstehen, die doch das Innerste des Musikers berühren??

    Einmal editiert, zuletzt von svenchris ()

  • Danke, Apelfrost. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich noch nie so tief in diesen Text hineingekniet.
    Deine sorgfältige und m.E. soweit unantastbare Aufarbeitung dieses Textes
    macht mir Mut, mir selber mal einen einzelnen Text aus einem meiner Lieblingsalben von Genesis vorzunehmen.
    Lexika und einige Genesis Bücher besitze ich ja, ob aber meine etwas eingerosteten Englischkenntnisse noch reichen, eine derartige Interpretation zu Stande zu bringen, ist mehr als fraglich


    Vielen Dank auch an goldvogel, der mit seinen Hörvergleich zwischen der Orginal CD Erstpressung von David Hitchcock und der neu von Nick Davis gemischten Box Reihe auch einen großen interessanten Vergleich in rein musikalischer Hinsicht erarbeitet hat.
    Überhaupt bin ich froh, durch einen Freund in dieses Forum gekommen zu sein. Es bietet mir mehr hochinteressanten Lesestoff als das 30. englische 180 Seiten Buch, dass in Deutschland für schlappe 50 - 60 Euro auf den Markt kommt.


    Gibt es hier in diesem Forum mit seinen unendlich vielen interessanten Beiträgen auch einen Thread, der sich mit über Genesis erschienene Bücher beschäftigt?


    :huhu: Queen of the elves

  • Tja wurde ja schon viel geschrieben.
    Zugegeben, auf der tollen FOXTROT fristete CUATC tatsächlich ein stiefmütterliches Dasein.
    Dabei sind alle Elemente der progressiven Musik vorhanden. Und alles das, was man an GENESIS so liebt.
    Irgendwie komisch, dass der Song nicht die Beachtung findet, wie die anderen Lieder. Er trägt wieder eine unglaubliche gesangliche Hingabe und entwickelt unendlich viel Druck. Ständige Melodie- und Tempowechsel ohne jedoch nervig zu wirken... Übrigens GARDEN WALL haben das Lied ihrerseits interpretiert https://www.youtube.com/watch?v=fL99hRXI_Vk und m.E. noch ein wenig besser als die Originalversion. Er wirkt hier etwas gereifter... Ich finde übrigens Basspedals toll, doch m.E. haben GENESIS hier etwas übertrieben. Ansonsten: Top!!! Ich finde auch das Ende gelungen. So sage ich mal 13 Punkte, weil die Perlen auf FOXTROT doch noch etwas geiler sind....
    71.Stimme! Kommt Jungs, da geht noch was...
    Der Chef muss sehen dass wir alle den SdW weiter haben wollen :)