MIKE RUTHERFORD - The Living Years - Buch (15.01.2014)

  • Was soll er denn nachlegen?

    Die Verknüpfung mit seinem Vater finde ich äußerst gelungen und davon ab ist auch reichlich Genesis mit drin. Vor allem lernt man den Menschen Mike Rutherford etwas kennen!

    Ich finde, vom Aufbau und der Lesbarkeit (hier meine ich die englische Version) ist es die beste der Genesis-Autobiographien. Ohne damit die anderen abwerten zu wollen. Phil, Steve, Richard (zähle ich auch dazu) sind ebenfalls sehr empfehlenswert.

  • Ist die Übersetzung des Buches in die deutsche Sprache eigentlich gelungen?


    Bei der Autobiographie von Phil soll diese ja nicht so gut sein.

    Ja, die deutsche Übersetzung ist wesentlich besser als die von Phils Buch.

    From the pain comes the dream. From the dream comes the vision. From the vision come the people. From the people comes the power. From this power come the change.”

    Peter Gabriel

    • Offizieller Beitrag

    Mit "leichter" Verzögerung habe ich mir das Buch auch kürzlich zulegt und habe zu dem die Zeit gefunden, es tatsächlich auch bislang zu knapp 2/3 zu lesen. :/


    Es ist eine informative, kurzweilige Leküre ohne bahnbrechende Enthüllungen. Aber Einblicke in das Leben auf Tour in den 1970ern und 1980ern ist dhoch interessant. Die Einschübe aus dem Tagebuch von Mikes Vater fand ich passend, obwohl ich Anfangs ob der Fülle etwas Sorge hatte, dass er mehr eine Familien- als eine Autobiografie geschrieben hat.


    Was mich jedoch stört (ich habe die deutsche Übersetzung) sind gehäufte Tippfehler. Noch schlimmer finde ich aber so einige inhaltliche Fehler. Neben Daten, die offensichtlich nicht oder zumindest nicht sauber recherchiert worden (das geht ja schon am Anfang mit den Tourdaten der Invisible Touch Tour los), sind da Beschreibungen vom Knebworth Festival 1978 (A Midsummer Night's Dream), wo Mike die Supportauftritte von Jefferson Airplane und Talk Talk in einen Pott schmeißt. Hm. Talk Talk wurde erst 1981 gegründet und trat tatsächlich als Vorband bei Six Of The Best 1982 auf. Das war dann zwar ein Open Air, aber weder auch Knebworth noch Sommer.


    Das ist nur ein Beispiel. So was geht m. E. gar nicht. Da gehört es zu so einem Buch, bestimmte Gedächtnisprotokolle ggf. mit sauberer Recherche zu unterfüttern und nicht aus dem inzwischen 70 Jahren alten Hirn, das nach eigenem Bekunden doch so einiges an Alkohol und Marihuana erlebt hat, vage Erinnerungen niederzukritzeln. Und dann raus an den Verlag, wo mangels besserem Wissen solche Details niemand beim Lektorat hinterfragt. Das hat mich teilweise schon bei Not Dead Yet genervt und es scheint also eher Usus als Ausnahme zu sein. Sehr schade! Es schmälert mein Lesevergnügen doch schon, wenn ich immer wieder das Gefühl bekomme, manchen Details könntens so ggf. nicht stimmen. Dann recherchiere ich selbst und finde nach wenigen Klicks oder schlimmstenfalls Minuten den Fehler. Da fragt man sich, warum der Autor oder seine Berater sich diesen Aufwand verkniffen haben. Der zahlenden Fan ist halt ein treues Schaf.

    • Offizieller Beitrag

    Noch schlimmer finde ich aber so einige inhaltliche Fehler. ... So was geht m. E. gar nicht. Da gehört es zu so einem Buch, bestimmte Gedächtnisprotokolle ggf. mit sauberer Recherche zu unterfüttern und nicht aus dem inzwischen 70 Jahren alten Hirn, das nach eigenem Bekunden doch so einiges an Alkohol und Marihuana erlebt hat, vage Erinnerungen niederzukritzeln.

    Ulli, an dieser Stelle muss ich dir mit allem Nachdruck widersprechen.


    Diesen Anspruch, Erinnerungen auf ihren tatsächlichen Wahrheitsgehalt hin abzuklopfen, sie zu korrigieren, wenn sie - in welcher Hinsicht auch immer - nicht "den Tatsachen" entsprechen - diesen Anspruch darfst du an jede historische Darstellung stellen und auch an jede Biographie.


    Außer an eine Autobiographie.





    Mike Rutherford erzählt hier seine Geschichte seines Lebens. Er erzählt seine Erlebnisse aus seiner Sicht gemäß seinen Erinnerungen, aus dem Blickwinkel und mit den Merkmalen, an die sich der Leser seinem Willen nach erinnern soll. Und diese Erinnerungen sind manchmal verzerrt, manchmal schlicht und ergreifend falsch, oft auch akkurat und in Übereinstimmung mit dem, was sonst als "Tatsache" geschrieben wird.

    Und das ist okay. Das ist völlig in Ordnung. Ich möchte fast sagen: Das muss so. Wenn Mike in seinen Erinnerungen schreibt, dass Jefferson Airplane Vorgruppe war, wo es tatsächlich Talk Talk war (oder umgekehrt), dann ist das zwar als Aussage falsch, bildet aber authentisch und korrekt eine Erinnerung ab.


    Und wir können daraus verschiedenes ableiten: Dass Mike vielleicht ziemlich unwichtig fand, wer damals Vorgruppe war. Dass möglicherweise die eine Band tieferen Eindruck bei ihm hinterließ als die andere. Dass die Musik der beiden Bands bei ihm gewissermaßen "in derselben Ecke gespeichert" ist. Das wäre natürlich jeweils alles nur Hypothese und durch weitere Recherche zu belegen oder zu widerlegen - aber historisch wertlos ist das darum mal gar nicht.


    Deshalb ist das, was in fahrig recherchierten und noch schluriger lektorierten "geschichtlichen Darstellungen" beispielsweise von Alanisn't Morrissette vollkommen inakzeptabel und intolerabel ist, in den Büchern von Mike und Phil und Steve und Richard eben gerade nicht zu tadeln.

    • Offizieller Beitrag

    Wenn diese These allgemein gültig wäre frage ich mich, was ich in so einer Erzählung überhaupt glauben soll. Dann kann man sich das Genre Autobiografie sparen, wenn jeder nach Lust und Laune völlig falsche Erinnerungsblitze niederschreibt.


    Ich erwarte keine astreine Chronologie, aber offensichtliche Fehler bleiben eben solche und sind überflüssig, ärgerlich und desinformativ. Wer wünscht sich denn bewusst solche Recherchefehler? Das hat mit Authentizität und künstlerischer Freiheit nichts zu tun. Die lasse ich jedem Autobiografen und Fehler sind menschlich. Hier schreit mich bei Mike aber ein im Genesis-Lager leider gewohntes Recherche-Phlegma an. Dass Mike nicht mehr 100 % weiß, wann er mit wem gekifft, gesoffen oder ... was auch immer hat, fällt in den von dir, martinus, beschriebenen Bereich. Das was ich bemängele, hätte mit minimalem und erwartbarem Aufwand recherchiert werden können.

  • Seh ich auch so wie Martinus, wenn der Rutherford die Dinge durcheinander bringt, dann ist das authentisch und sagt auch etwas über ihn aus. Manches ist ihm dann eben nicht so wichtig oder hat seine ganz eigene Bedeutung, und das kann dann jeder für sich in die eine oder andere Richtuing bewerten. Eine Autobiografie ist keine wissenschaftliche Arbeit, sondern eben eine subjektive Angelegenheit.

  • Es geht mir nicht um Wissenschaft. Das lasse ich mir auch nicht reininterpretieren. Egal. Zwei Stühle, eine Meinung. Ich werde mir vor diesem Hintergrund die Autobiografien von Hackett und MacPhail kneifen.

    Man könnte "wissenschaftliche Arbeit" auch durch "Biografie" ersetzen oder erweitern. Bei Biografien kommt es mir auch auf Genauigkeit bei nachprüfbaren Fakten an.

  • Bei Autobiografien gilt bezüglich Daten, also objektiver Fakten, das gleiche wie bei Biographien. Man sollte als Leser davon ausgehen dürfen, dass sie richtig wieder gegeben worden sind. Ansonsten darf man die falsche Wiedergabe von ("alternativen") Fakten durchaus kritisieren oder beanstanden. Es ging hier ja nicht um subjektive Ansichten, Erlebnisse oder Gefühle, sondern um objektive, historische Fakten. Für mich schmälert es den Wert von Mike's Autobiographie nicht erheblich, aber ein klein wenig schon.

    From the pain comes the dream. From the dream comes the vision. From the vision come the people. From the people comes the power. From this power come the change.”

    Peter Gabriel

  • Ich seh das ähnlich wie UK76. Wenn Mike meint, dass es keiner Recherche bedarf, hätte er es wohl besser als Roman veröffentlicht. Jetzt muss ich aber an meiner eigenen Autobiographie weiterschreiben. Der Mauerfall 1985 war schon sehr bewegend. :mrgreen:

    Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.