Alles anzeigen
Wir sind uns, glaube ich, alle einig, dass es wichtige/komplexe/hochseriöse/progressive usw. Musik ist, oder? Es ist kein improvisierter Jazz, sondern es ist alles ausnotiert bzw. so gewollt, jede Taktverschiebung, Harmonie usw.
Gleichzeitig finden es aber viele Leute ok, wenn diese Musik "irgendwie" (ich übertreibe bewusst!) live gespielt wird. Soll der Schlagzeuger doch sein Ding machen, ein Saxophonist dazu improvisieren, der Sänger zu spät einsetzen...
Ehrlich? Geht Ihr in ein klassisches Konzert und erwartet nicht, dass exakt das gespielt wird, was in den Noten steht?
Hier haben wir im Gegensatz zur Klassik noch die Chance, mitzuerleben, wie ein an der Komposition beteiligter Musiker sein Werk selbst spielt. Es lässt sich ja nicht alles in Noten ausdrücken, übrigens ein Manko der Klassik für mich, da es keinerlei Beweis für die vom Komponisten gewollte Interpretation gibt.
Bei Genesis ist das aber der Fall! Es gibt Demos, Studioaufnahmen und viele Livemitschnitte, auf denen die Komponisten ihr Werk bewusst dokumentieren, sogar mit kleinen Veränderungen im Laufe der Jahre. Es gibt also, anders als bei Klassik, richtig oder falsch. Und das hat nichts mit Geschmack zu tun, denn gefallen kann mir natürlich auch eine Neuinterpretation (siehe das verlängerte Solo am Ende von Supper's Ready).
Nun spielt also Steve Hackett mit langjährigen Musikern seiner Soloplatten- und Tourneen, die dem viel komplizierteren Genesis-Songmaterial handwerklich nicht gewachsen sind, seine Interpretationen, die aber meiner Meinung nach an vielen Stellen nicht bewusst anders sind, sondern das Original abzubilden versuchen, was allerdings teilweise am Handwerk scheitert. Das wird Steve und vielen Besuchern vielleicht nicht auffallen (Steve nicht, weil er natürlich unglaublich vielfältige Musik gemacht hat in den letzten 40 Jahren und gar nicht sooo tief drin stecken KANN, um sich der Nuancen bewusst zu sein), aber korrekt im Sinne der Weitergabe des Songmaterials ist es nicht.
Es ist einfach schade zu erleben, wie die Chance nicht genutzt wird, diese fantastischen Songs in ihrer wahren Größe zur Geltung kommen zu lassen.
Das ist mir persönlich zu ungenau. Was soll denn dem gegenüber "unwichtige" Musik sein? Und was soll in diesem Zusammenhang der Begriff "komplex"? Wozu brauchst du den in deiner Argumentation?
Na klar, im Moment der Studio- oder Liveperformance haben Genesis kaum improvisiert. Ausnotiert dagegen - nee, wo hast du das denn her? Wann haben die denn jemals einen Song in Noten aufgeschrieben? "so gewollt" - das sollte man denken.
Aber: Du sagst selbst, dass Genesis die Songs live verändert haben. Spätestens da kann ich deiner Kritik an Hacketts Aufführung überhaupt nicht mehr folgen. Genesis selbst (!) haben doch die Studioeinspielungen überhaupt nicht als "Heilige Kuh" angesehen, sondern immer und immer wieder Dinge verändert. Warum kritisierst du das denn nicht, wenn du augenscheinlich davon ausgehst, dass es sozusagen eine "Unantastbarkeit" der Komposition (= der "richtigen" Noten) gibt, und du darüber hinaus (zu unreflektiert) dann noch davon redest, es gäbe hier ein (objektives) "richtig oder falsch". Genesis selbst ist der Gegenbeweis.
Und: Hackett wurde ja sogar dafür kritisiert, er habe sich "zu eng" an die Originale gehalten. Das gilt zwar noch mehr für das Studioalbum, aber die Änderungen zu - ja, was ist denn jetzt das "Richtige" für dich: die Studioversionen? - den "Originalen" betreffen häufig eher Klangfarben.
Völlig unverständlich sind mir deine Ausführungen zur angeblichen handwerklichen Überforderung der Hackettband. Ich halte dein Urteil für völlig verfehlt und fahrlässig ins Forum posaunt. Wohlgemerkt: Ich beziehe mich auf die DVD, nicht auf die RAH (war nicht dabei).
Hackett spielt besser als früher. King spielt auf keinen Fall schlechter als Banks und hat ein deutlich besseres Handwerkszeug. Pomeroy spielt picobello und mit Schmackes. Townsend steht sowieso hundertprozentig über dem Material, der ist ja kaum ausgelastet.
Sylvan singt nicht schlechter als Gabriel live (und z.T. auch im Studio). Einzig bei O'Toole sehe ich in der Tat Abzüge - sowohl vom Gesang als auch vom Drumming her. Dass er aber den Stücken "handwerklich nicht gewachsen" sei, dafür gibt es bislang kaum einen annähernd überzeugenden Beleg.
Ich habe den starken Eindruck, dass du dich da in bestimmte Vorstellungen ziemlich verrannt hast.