15 Jahre Calling All Stations - Rückblicke, Ansichten, Das erste Mal...

  • Ich war so froh, dass es ein neues Genesis Album gab. Ich wollte unbedingt nochmal eine riesen Stadien Tour ala 92. Am liebsten hätte ich genau dies haben wollen. Knebworth 92 so wie ich es inn und auswendig kannte.
    Ich hab mir die Songs glaub ich sogar schön geredet. Beim hören von CAS hab ich mir dann diese einzelnen Stellen rausgesucht, die mich an die Musik von We can't Dance erinnerten. Die Rutherford Rhytmus Gitarre im Mittelteil von One mans fool oder the dividing line, dass mich an Songs ala Driving the last spike erinnerten. Als Not about us als Single erschien, war für mich klar, riesen Song-Nr.1, der muss einfach alle umhauen. Ernüchterung machte sich breit.Ich wurde immer mehr enttäuscht, da es nur eine Hallentour gab. Als die nicht mal ausverkauft waren ist der Traum zerbrochen.


    Erst Jahre später realisierte ich, dass Calling all Stations eigentlich eine recht langweilige Scheibe ist.


    Niemals hätte ich gedacht, dass ich 2007 meine "bombastische Stadionshow" noch erleben durfte. Es war genauso wie ich es mir gewünscht habe. Als No son of mine angespielt wurde, war ich den Tränen nahe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich 1998 dieses Gefühl auch so empfunden hätte. Im nachhinein bin ich froh, dass ich 98 auf keinem Konzert war.


    Calling all Station- Für mich eine Enttäuschung, wobei natürlich das Projekt nicht schlecht war, ich habe mir damals halt etwas anderes erwartet.

  • Ich gehöre zu der geschmähten Fraktion, die CAS für ein gar nicht schlechtes Album halten. Es gefällt mir besser als WCD, IT, besser als ABACAB sowieso und es steht, trotz der unbestreitbaren Mängel auf einer Stufe mit Duke. Die Titel sind überraschend atmosphärisch, melodiös und machen zum größten Teil auch Spaß. Ausnahmen sind vielleicht Small Talk und One Man's Fool, die ich mir auch auf WCD vorstellen könnte.
    Um dem Ganzen noch eins drauf zu setzen. Ich höre CAS genau so gerne wie den absoluten Liebling der meisten Fans, SEBTP.

    I'll never find a better time to be alive than now.

    Peter Hammill (on "X my Heart")

    • Offizieller Beitrag

    Ich gehöre ja zu den Leuten, die erst mit der WCD zu Genesis gekommen sind (alterstechnisch bedingt) und (aus gleichem Grund) die dazugehörige Tour nicht live miterlebt haben. D.h. fast: das Knebworth-Konzert hatte ich dann am TV live bei Premiere verfolgen dürfen.
    In den Folgejahren hatte ich mich dann chronologisch zurück durch den Backkatalog gefräst und wurde (und bin) Fan alle musikalischen Perioden von Genesis; nur mit FGTR werde ich nach wie vor nicht warm.


    Parallel hoffte ich natürlich auf ein neues Album, insgeheim verbunden mit der Hoffnung, dass sie sich doch bitte von dem Collins-Stil wieder etwas lösen mögen (WCD klingt in meinen Ohren nach wie vor in Teilen viel zu nah am damaligen Collins Output a la "...but seriously" nur ohne Bläser) und am besten wieder progressiver werden sollten.
    Insofern war die Meldung 1996, dass Collins sich verabschiedet, sowohl ein Schock als auch sowas wie ein innerer Befreiungsschlag, verband ich damit doch die Hoffnung, dass die WAHREN Genesis nun wieder zum Vorschein kommen würden und man sich vom Collins-Sound lösen könnte. Als dann durchsickerte, dass es a) ein neues Album geben wird, b) der neue Sänger eher wie Gabriel klingen sollte als wie Collins und c) Rutherford ankündigte, dass es stilistisch wieder mehr zurück in die progressive Ära / zu den Anfängen gehen sollte, war ich vollends aus dem Häuschen. Das neue Album würde toll werden!
    (Nebenbei gab es ja kurz auch mal Gerüchte, dass Fish von Marillion der neue Sänger werden sollte/könnte. Damals wäre das für mich die Krönung gewesen, rückblickend ist es gut das nicht, war Fish damals doch stimmlich in einer üblen Verfassung)


    Sommer '97 kamen dann die ersten Schnipsel über das damals noch neue Internet zum Herunterladen. Erinnert sich noch jemand an diese kurzen 30 Sekunden Preview Schnipsel von Calling all Stations, Congo, Dividing Line und Not about us, welche trotz ihrer kleinen Größe damals gefühlt ewig zum Download gebraucht haben? ;)


    Hatte mir die dann auf Kassette (!) hintereinander aufgespielt und glaube ich während meines Urlaubs ständig hin und her gehört. Insbesondere die Schnipsel von Calling all stations und Dividing Line klangen sehr vielversprechend: ein Sänger, der tatsächlich eher wie Gabriel klang, ein düsterer, härterer Sound, es klang auch progressiv und nicht nach Pop, und der Drummer trommelte auch wie Collins (siehe Dividing Line).


    Als dann das Album rauskam wurde es umgehend gekauft und die ersten Wochen hoch- und runtergehört. Und anfangs fand ich es größtenteils auch wirklich toll. Insbesondere der Titeltrack, Congo, Alien Afternoon, Not About Us (wovon ich dachte, dass es ein Riesenhit werden würde, wenn sie es als Single veröffentlichen; tja so kann man sich irren), Dividing Line und There must be some other way.


    Allerdings machte sich auch recht schnell Ernüchterung breit. Unterm Strich war und ist CAS stilistisch näher an der WCD dran als an jedem anderen Genesis-Album davor. Es fanden sich sogar die typischen "Collins-Balladen" a la "Hold on my heart" darauf ("If that's what you need" z.B.; und jaja heute weiß ich, dass Collins Hold on my heart nicht verbrochen hat usw.), was mich damals sehr verwunderte. Moment, der war doch gar nicht mehr dabei, warum klingt es noch so nach ihm? Und stilistisch eine Reise zurück zu den progressiven Frühtagen war nun wirklich nicht zu verzeichnen. Jedenfalls waren Songs wie "Dividing Line" nicht progressiver, als es davor "Driving the last Spike" oder "Domino" auch schon waren.


    Schade fand ich dann auch, dass das Album außer in den Album-Charts hierzuladen kaum einen Eindruck hinterließ. Congo wurde nur selten im Radio gespielt (wenn freute man sich wie ein Schneekönig), auch auf MTV & Co war es nicht wirklich auf Heavy Rotation so wie es Anfang der 90er z.B. Jesus he knows me noch war. Und die Folgesingles liefen eher schlechter als besser (wobei ich Shipwrecked gleich für einen öden Rohrkrepierer hielt).


    Die Spannungskurve ging dann wieder nach oben, als die Tour angekündigt wurde und man auf der Congo-Single die tollen Animationen sah, was für die Tour geplant war (diese vielen einzelnen beweglichen Screens). Ich konnte dann eine Karte für die Maimarkthalle in Mannheim ergattern, stellte mir dann natürlich eine entsprechend große Halle vor. Erste Enttäuschung: so groß war die Halle ja nicht. Zweite Enttäuschung: soooooviel Leute waren gar nicht da. Letztendlich war die Halle nur zu ca. 3/4 mit Leuten gefüllt und man hatte viel Bewegungsspielraum. Dritte Enttäuschung: ja Screens waren da, aber die waren statisch, niedrig aufgelöst und kleiner als bei der WCD-Tour. Noch dazu spielten sie bei den alten Songs die bekannten Videos ab. Das war nicht unbedingt das was angekündigt war. Alles sehr downsized.
    Nichtdestotrotz war es ein tolles Konzert, die Stimmung in der Halle war sehr gut, es herrschte unter den dortigen Fans so eine "endlich ist das wieder Genesis-pur / endlich sind wieder nur richtige Genesis-Fans unter sich hier" Stimmung vor. Es hatte etwas familiäres, so wie man es z.B. auch von Marillion Konzerten her kennt und was dagegen später auf der 2007er Stadium-Tour wieder komplett weg war.


    In Folge hoffte man natürlich auf ein baldiges Nachfolgealbum. Man fand es aber schon seltsam, als auf den Archive-Veröffentlichungen nur noch die Rede der klassischen Besetzung war und man auf dem "Familientreffen"-Foto (auf dem auch u.a. Ant Phillips war) Ray Wilson fehlt. Daher war ich einerseits entsetzt, als es um 2000 herum hieß, man hätte die Verträge mit ihm gelöst und er sei nicht mehr Mitglied von Genesis. Andererseits hatte man das irgendwie kommen sehen, es überraschte nicht. Geblieben ist nur eine gewisse Wut auf Banks & Rutherford, dass sie das alles so mut- und elanlos angegangen sind. Sowohl CAS als auch das Einschlafen-lassen von Genesis. Sie hatten keine Eier mehr. Wie Wilson mal richtig sagte: wenn man nicht den Mut hat, so ein Projekt mit allen Konsequenzen komplett kompromisslos durchzuziehen, dann hätte man es gleich am Anfang lassen sollen.


    CAS selbst hat über die Jahre ziemlich Federn lassen müssen. Einige Songs höre ich nach wie vor gerne (insbesondere den Titeltrack und Dividing Line), hätte diese auch gerne 2007 von Collins gehört (das nehme ich denen heute noch übel, dass sie 2007 das CAS-Material so konsequent ignoriert haben), aber ingesamt fehlt es dem Album hörbar an Ideen, an Mut, an Inspiration. Dafür kann Ray nichts, er war noch mit das überzeugendste und beste Element auf dem Album. Aber Tony und Mike haben es durch Mut- und Inspirationslosigkeit weitestgehend vergurkt.


    Geblieben ist ein durchschnittliches Album (durchaus auf gleicher Stufe wie ATTWT), ein Übergangsalbum zu etwas hin, wofür Banks&Rutherford der Mut und Wille gefehlt hat. Es wird immer den Makel eines Albums haben, dass etwas begonnen aber nicht abgeschlossen hat. So gesehen wäre WCD mit dem abschließenden Fading Lights das rundere Ende von Genesis gewesen.

  • Ist die Stimme in der Musik nicht mit einem Instrument gleichzusetzen? :rolleyes:


    Klar kann die Stimme als Instrument angesehen werden. Aber ist Peter ein Gesangsvirtuose? Er hat eine Charakterstimme, die so gut zu Genesis und seiner Solo-Musik passt wie keine andere Stimme. Es ist aber vor allem der angeborene Stimmcharakter, der seinen Gesang auszeichnet. Und das gilt meiner Meinung nach ebenso für Ray Wilson. Rein technisch ist der Gesang von Peter auf einem um Dimensionen niedrigeren Rang einzuordnen als etwa das Schlagzeugspiel des jungen Collins. Jeder Musik-Student und (das ist mein Ernst) ein beträchtlicher Teil der DSDS-Kandidaten (sofern sie nicht aufgrund ihrer Behinderung zum Quotenfang ausgewählt wurden) sind Gabriel rein technisch überlegen.

  • little nick: es wäre generell mal interessant einen Thread darüber aufzumachen, was das besondere an Peter Gabriel musikalisch ausmacht.


    Ich denke einfach, daß seine Fähigkeit wohl eher im kompositorischen anzusiedeln ist, in Kombination mit seiner theatralischen Präsenz. Herr Wilsons Fähigkeiten im kompositorischen sind meiner Meinung nach nicht Vergleichbar mit einem Peter Gabriel und außerdem sind seine Alben auch nicht so filigran produziert.


    Wer kennt es nicht, dieses 46 Minuten lange Lied, mit Namen "So":


    Peter Gabriel - So (Whole Album) (HQ) - YouTube


    Hier hört man einfach wie astrein und perfekt das alles produziert ist, das hätte Herr Wilson so wohl nicht hingekriegt und ich glaube nicht das es in Zukunft ein "Change" oder "Next Best Thing" Box Set geben wird.


    (Was wäre da wohl drauf, auf einem "The next best thing" Box Set???)


    PS:


    Wenn es das "Change" Video nicht auf Blue Ray gibt schreibe ich einen Protestbrief nach Polen!

    And the Lamb lies down ... on broooooooaaaaadddddwayyyy ......

  • Tolle Erinnerungen bisher (Soundschnipsel auf MC gespielt, Ausschnitte über eine Telefonhotline gehört...:)ach diese 90er)


    Auch toller Artikel von Christian, wobei REM´s Monster gar keine so große Abkehr war, wenn man ganz genau hinhört. Das scheint nur oberglächlich so mMn.


    Ansonsten, die remasterte Fassung von CAS. Gibt es da tatsächlich einiges Neues zu entdecken? Ich hab die nie gehört...

    I am the other half
    And you are what I am for
    I won't lie to you or hurt you
    I'm not like that anymore

    I am with you all the time now
    One soul. One mind. One heart.
    The other half cannot be parted
    From the other half

  • Zum Thema "Virtuosität" empfehle ich den Wikipedia-Artikel: Virtuose .
    Demnach halte ich PG für einen Virtuosen, RW für einen guten Sänger.

    I'll never find a better time to be alive than now.

    Peter Hammill (on "X my Heart")

  • Klar kann die Stimme als Instrument angesehen werden. Aber ist Peter ein Gesangsvirtuose? Er hat eine Charakterstimme, die so gut zu Genesis und seiner Solo-Musik passt wie keine andere Stimme. Es ist aber vor allem der angeborene Stimmcharakter, der seinen Gesang auszeichnet. Und das gilt meiner Meinung nach ebenso für Ray Wilson. Rein technisch ist der Gesang von Peter auf einem um Dimensionen niedrigeren Rang einzuordnen als etwa das Schlagzeugspiel des jungen Collins. Jeder Musik-Student und (das ist mein Ernst) ein beträchtlicher Teil der DSDS-Kandidaten (sofern sie nicht aufgrund ihrer Behinderung zum Quotenfang ausgewählt wurden) sind Gabriel rein technisch überlegen.


    Auch wieder wahr...! :topp:


    little nick: es wäre generell mal interessant einen Thread darüber aufzumachen, was das besondere an Peter Gabriel musikalisch ausmacht.


    Halte ich für eine gute Idee, denn ich denke das Thema ist noch nicht ausreichend und erbrechend erörtert...

    GENESIS

    In Concert

    1978 Saarbrücken Ludwigsparkstadion 1981 Frankfurt/M Festhalle

    1987 Mannheim Maimarktgelände

    1992 Hockenheim Motodrom - 2007 Stuttgart Gottlieb-Daimler-Stadion

    2022 Hannover Expo

    ..

    Steve Hackett

    In Concert

    2009 Remscheid - 2014 Bochum 2015 Dortmund  

    2017 Hamburg 2019 Hamburg

    ..

    Peter Gabriel

    In Concert

    2013 Stuttgart 2023 Hamburg

    ..

    Anthony Phillips

    2014 Welkers

    Einmal editiert, zuletzt von YoungKingCole ()

    • Offizieller Beitrag

    Eine kleine Bitte:
    Könntet ihr euch über die Virtuosität von Peter Gabriel und Ray Wilson in einem separaten Thread streiten? Ich finde das gehört hier nicht in diesen Thread, ist völlig off-topic und zerstört die Lesbarkeit dieses Threads hier.

  • Der artikel über CAS ist insgesamt gut; mit einigen wertungen bin ich aber überhaupt nicht einverstanden. There Must Be Some Other Way ist mein absoluter favorit, und die ähnlichkeit zu Home By The Sea ist zwar offenkundig, aber für liebhaber doch ein grund, das stück umso mehr zu lieben. Nur Kritiker machen aus so etwas was negatives.