RAY WILSON live: Genesis Classic vs Stiltskin in Dresden - eine Bestandsaufnahme

  • Verboten ist es ja nicht wenn Ray Genesis Songs covert, demnach soll er es tun. Er soll es aber meiner Meinung nach nur tun (!), wenn es ihm selbst Spaß macht und er die Songs mag. Ich mag nämlich nicht so ne Mogelpackung, das er bspw. Genesis Songs spielt um möglichst viel Publikum anzulocken, aber viel lieber Musik von "System of a down" oder "Pearljam" hört und Genesis nur so ein Mittel zum Zweck ist damit die Halle voll ist... das wäre irgendwie zwar auch legitim, künstlerisch aber nicht ganz nachzuvollziehbar.

    Quasi Genesis als Mittel zum Zweck.


    Du hast wahrscheinlich noch kein Klassik-Konzert gesehen, sonst würdest Du so nicht argumentieren.
    Dass Ray die Genesis-Songs liebt und gerne vorträgt, daran dürfte kaum ein Zweifel bestehen - bitte selber testen!!!! :huhu:

    never grew up, never grew old :top:


  • Grund genug, das ganze einmal komplett zu reflektieren und zu schauen, wo Mr. Wilson nun steht.


    Tja, gar nicht so einfach zu sagen, wo Ray denn nun steht. Im Grunde hatten wir diese Diskussion ja auch schon etliche Male, und die argumentativen Fronten verlaufen eigentlich immer entlang der gleichen Linien. Deshalb hier nun einmal sozusagen ein "Best of Fragen und Antworten" bzw. eine ... äh ... "Raytrospektive":


    1. Der Klassiker schlechthin, die LEGITIMATIONSFRAGE: Hat Ray "das Recht", Genesis-Kram bzw. sogar Collins-Kost und Mechanics-Mucke zu spielen, an der er nicht mal beteiligt war blablabla...?


    Auf diese Frage gibt es nur drei richtige Antworten: JA JA JA. Auch die vierte richtige Antwort würde JA lauten. Natürlich hat Ray "das Recht" dazu, genau wie Steve, Peter, Phil, Mike, Tony. Und selbst ich und du und Müllers Kuh haben das Recht, jeden nur denkbaren Song zu covern, aufzunehmen, vor Publikum zu spielen etc. - nur dass ich z.B. wahrscheinlich ohne Publikum spielen müsste...


    2. Das führt uns direkt zur nächsten Frage: Handelt es sich dabei um "gute" Cover-Versionen?


    Vorsicht!!! Musikalische Geschmacksdebatten sind grundsätzlich wenig produktiv, da jeder seinen Senf dazugibt, und auch jeder Recht hat - oder auch nicht.
    Fakt ist, Rays Cover-Versionen sind - gerade in der Band-Version - oft sehr nahe am Original. Melodie, Harmonie und Rhythmus werden nahezu 1:1 übernommen. Das ist nicht unbedingt spannend, besitzt dafür aber einen hohen Wiedererkennungswert. Man könnte auch treffend sagen: Ray klingt wie eine Genesis-Coverband mit Originalsänger.
    Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Künstlerischen Tiefgang gibt es in seinen Interpretationen kaum. Seine Coversongs wollen unterhalten, nicht analysiert werden.
    Zusammengefasst versteige ich mich mal zu der folgenden Behauptung: Diese gecoverten Stücke würden (so gut wie) niemanden interessieren, wenn sie nicht von Ray gespielt würden.


    3. Warum spielt Ray eigentlich so viele Cover-Versionen, Genesis-Klassik-Shows etc.?


    Eigentlich ganz einfach: Weil er die Kohle braucht. Punkt!


    Es mag ja sein, dass es ihm auch Spaß macht, aber mit Blick auf Setlist und Arrangements bedient er zunächst einmal primär die Nachfrage nach diesen Songs. Die Leute - und damit meine ich nicht nur Hausfrauen - wollen halt Phils Paradies, Peters Hügel und Mikes Kaffee hören und hören und hören. Sie wollen die "Hits von gestern", das Zeug, das im Radio läuft, wo man mitsingen kann und nicht groß nachdenken muss.
    Und wenn dann ein Konzert gut besucht ist, und das Publikum mitgeht, dann hat Ray auf der Bühne natürlich auch seinen Spaß. Das ist auch völlig in Ordnung so. Musik muss nicht immer schrecklich kompliziert sein, sie darf auch einfach mal Spaß machen!


    4. Und was ist mit Rays eigenen Songs? Wie ist sein Profil als Songwriter, jetzt und in Zukunft?


    Machen wir uns nichts vor. Ray war und ist in erster Linie Sänger, Performer, Entertainer. Darin liegen seine Stärken, da wird er m.E. sogar von vielen unterschätzt.
    Als Songwriter hingegen ist er leider nur Mittelmaß. Klar, da gibt es einige gute Songs und schöne Ideen, aber alles in allem hat er es mit eigenen Stücken kaum geschafft, in der Musikwelt einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Und - ohne Ray zu nahe treten zu wollen - lebt ein wirklich tolles Album wie SHE vor allem auch von Uwe Metzlers Input. Darüber hinaus verstärkt auch die Vermarktung des letzten Stiltskin-Albums in Verbindung mit Genesis und der Ausblick auf die schon bestätigten Konzerte in 2012 den Eindruck, dass Ray weiterhin stärker auf das Covern setzt. Seine eigenen Songs wird er sicher auch hier und da einstreuen, eine Abnabelung von Genesis & Co ist aber vermutlich wirtschaftlich nicht möglich. So wird uns Ray wohl irgendwann vor allem als Ex-Sänger von Genesis in Erinnerung bleiben, der das Werk seiner alten Band durch regelmäßige Live-Auftritte am Leben gehalten hat. Und das ist doch auch schon etwas...

    But we never leave the past behind, we just accumulate...

    "Von jedem Tag will ich was haben

    Was ich nicht vergesse

    Ein Lachen, ein Sieg, eine Träne

    Ein Schlag in die Fresse"

  • Mutzel, sehr gut geschrieben.
    Nüchtern und sachlich. Genauso denke ich auch...
    So, wie es ist mit Ray, ist es gut, für ihn und auch z.T. für's Publikum.
    Er soll einfach weitermachen ohne sich zu verbiegen.


    P.S. Wow, ich bin jetzt ein Harlequin - wie schön :))

  • Das ist eine schöne, nüchterne Betrachtung von mutzelkönig, der ich mich größtenteils anschließen kann. So verstehe ich die Debatten um die "moralische Berechtigung" dieser Covergeschichten überhaupt nicht. Der Mann darf und macht das - Punkt. Und dass es durchaus auch finanzielle Abwägungen dabei gibt, würde auch ich weder bezweifeln noch monieren. Er ist Musiker und muss das Einträgliche mit seinem Gefallen an der Musik verbinden.
    Andererseits finde ich sicherlich jede Stimme á la "Ich hätte gern mehr dies und mehr das von ihm" dann o.k., wenn es das persönliche Empfinden wiedergibt. Und wenn Ray wach genug ist bzw. den Kontakt zu seinen Fans hält, dann sind diese Stimmen ja auch für ihn eine wichtige Rückmeldung.


    Zu den "Geschmacksdebatten": Ich liebe das und finde das auch wichtig. Das Forum lebt auch zu einem nicht unbeträchtlichen Teil davon. Geschmacksdebatten machen aufmerksam auf bestimmte Aspekte und können helfen, nicht im eigenen Saft zu versauern / verschmoren.
    Deswegen finde ich auch die Fragen nach Unterhaltung / Tiefgang / Spaß / Analyse sehr anregend: Auch ich empfinde Rays Covers als Spaßcovers, um Tiefgang geht es ihm nicht. Er möchte eine gute Performance hinlegen und das Publikum schlichtweg unterhalten. Trotzdem - das ist mein persönliches Empfinden - hätte ich mich bei meinen beiden Wilson-Konzerten gefreut, wenn er noch mehr Tiefe transportiert hätte. Ich meine, dass sich Unterhaltung und Tiefgang nicht konsequent ausschließen müssen. Konkret: Musikalische Intensität habe ich z.B. verstärkt bei "Ripples" gespürt, das fand ich nicht nur oberflächliche Unterhaltung - auf die Art hätte er gerne noch mehr anbieten können, dann würde ich jetzt vielleicht nicht sagen, dass ich mit Ray soweit "durch" bin.
    Und á propos Tiefgang: Ich fände es verfehlt, Tiefgang mit Analyse zu verwechseln. Das eine hat mit dem anderen erstmal wenig zu tun.

    • Offizieller Beitrag

    Schöner Beitrag mutzel. Du bringst es auf den Punkt. Kann jedes Wort unterschreiben.


    Leider liegt ja scheinbar eine tiefe Tragik in Rays Karriere, viele (und er selbst sicher auch) bedauern, dass es eben nie ein zweites Genesis-Album mit ihm gab. Da er ständig Genesis-Songs spielt, wirkt das auf viele Fans und Küchenpsychologen so, als hätte er ein schweres Trauma immer noch nicht bewältigt.


    Dabei hat ihm erst sein sein kurzer Aushilfsjob bei Mike und Tonys Firma ermöglicht, sich in bescheidenem Rahmen zu verwirklichen. Seine Shows sind heute trotz kleiner Locations gut besucht und er wird sein Auskommen haben, solange er weiterhin Genesis-Songs im Programm hat.


    Als ehemaliger Sänger einer mäßigen Soundgarden-Kopie, die es vor 20 Jahren zu einem One-Hit-Wonder gebracht hat, an den sich heute kaum noch jemand erinnert, würden wir ihn heute sicher nicht auf den Dorfbühnen dieser Welt stehen sehen, sondern er würde wohl irgendwo einen Hausmeisterjob angenommen haben und bei schönem Wetter auf seinem Rasenmäher sitzen (und dabei wahrscheinlich nicht I Know What I Like vor sich hin summen...) ;).

  • Absolut richtiger und guter Beitrag von Mutzelkönig.


    Die Aussage das Ray's Songwriting nur Durchschnitt ist,
    habe ich vor längerer Zeit auch mal getätigt und wurde
    moderatorentechnisch zurechtgewiesen, dass ich derartige
    Aussagen nicht treffen könne. Damals habe ich einfach nicht
    darauf reagiert und meinen Mund gehalten, weil ich keinen
    Ärger wollte. Vergessen habe ich diese Form der Beschneidung
    meiner Meinung allerdings nicht. Schön das man das jetzt sagen
    darf, zumal ich das damals ähnlich anständig geäußert habe.

    • Offizieller Beitrag

    zeig mir bitte mal diese "Zurechtweisung", das würde mich schon sehr interessieren! Es sollte mich sehr wundern, wenn hier eine Meinung beschnitten worden ist!


    Fernab davon bleibe ich dabei: Ray hat als Songwriter eine sehr positive Entwicklung hinter sich, er arbeitet heute ganz anders als noch vor 12 Jahren zu Cut-Zeiten (und selbst da hat er schon sehr gute Songs geschrieben) und er holt sich natürlich auch einen Input von außen, zuletzt von Uwe Metzler und Peter Hoff. Auch das hat Ray weitergebracht.


  • Wie auch immer das nun mit dieser Zurechtweisung war: Ich bin vollkommen deiner und mutzelkönigs Ansicht (und habe das schon mehrfach ungebremst und deutlich gepostet - gehört einfach dazu, da beißt die Maus keinen Faden ab).
    Und das Schöne an mutzelkönigs Posting ist, dass er diesen Eindruck hinsichtlich Rays "Künstleridentität" wertneutral einordnet, um daraus eine stimmige Perspektive zu entwickeln. Ray wäre ja demnach fast schon bescheuert, wenn er primär oder gar ausschließlich auf seine Songwriterqualitäten setzen würde - der Mix macht's wohl bei ihm (ist ja übrigens insgesamt für den Rock- und Popmusikerberuf mittlerweile ganz verbreitet, dass man mehrgleisig fährt, das habe ich früher in dem Maße nicht beobachtet).

  • Nee Leute, so könnt ihr hier nicht argumentieren:
    Anstatt froh zu sein, dass Ray die Songs von Genesis "alive" hält, fällt Euch hier nur Meckerkram ein.
    Zu Ray's eigenen Songs:
    Es gibt verdammt viele supergute Acts überall auf der Welt, die niemand beachtet, weil sie keine Lobby haben - wenn Ray über Genesis eine Platform sucht, um seine eigenen (wirklichen guten) Songs zu performen, dann kann ich das verstehen - und es scheint ja auch zu wirken.
    Er hat es einfach verdient!!!

    never grew up, never grew old :top:

  • Nee Leute, so könnt ihr hier nicht argumentieren:
    Anstatt froh zu sein, dass Ray die Songs von Genesis "alive" hält, fällt Euch hier nur Meckerkram ein.



    Wie belieben...??? Meinst du den Threadverlauf ab mutzelkönigs Posting??? Deinen "Meckerkram" kann ich bislang beim besten Willen nicht nachvollziehen.