Das letzte richtige Prog-Stück von Genesis?

  • oha. Wenn man sich die Diskussion anschaut ist es nun doch sehr in Richtung wissenschaftlich- sozialpsychologisch und analytisch ausgeufert.

    Die ursprüngliche Frage ist ja "was das ´letzte´richtige Prog-Stück von Genesis war´ und es lässt sich doch einfach nur resumieren; es gibt kein letztes Prog-Genesis-Stück, da der Begriff Progressiv-Rock nicht (wirklich) eindeutig zu klären/definieren ist. Auch wenn das einige anders sehen, aber letztendlich ist ja jedes "neue" Musikstück irgendwo auch progressiv, wenn es das nicht in 100%ig gleicher Form schon gegeben hat. Will sagen; selbst eine Neuinterpretation von 30´er oder 20´er Titeln wäre ja schon progressiv. Ergo ist Phils neues Album auch Prog-Rock.

    Sollte die Frage nicht besser lauten; "wann haben Genesis das letzte mal so geklungen als hätten sie versucht, musikalisch neue Wege zu gehen ? " (was sie aber prinzipiell nicht mehr konnten, weil sie sich ansonsten nicht neu erfunden, sondern selbst kopiert und letztendlich auch karikiert hätten ?).

    :gruebel: im Grunde führt die Diskussion zwangsläufig dazu sich im Kreis zu drehen.

    PS: ist eine Rihanna (oder Lady GaGa) plötzlich im Prog-Rock-Genré wenn sie eine Gitarre in die Hand nehmen und versuchen einen Titel zu konstruieren der länger als 4 Minuten dauert ? oder ist ein schlichtes neues Album der Personen, mit neuen Arrangements (oder gar mit Orchester) schon progressiv ?

    Einmal editiert, zuletzt von Detlev Jäschke ()

  • Max:


    Zitat

    Meinst du mit dem "Status quo" das (qualitative) Niveau oder wirklich den
    Status der Band im Jahre 197*?


    oh, stell mir doch bitte nicht solche Fangfragen,
    Christian liest doch mit ...


    ähem, um doch noch zu antworten: in diesem speziellen causus
    (Jahre mit der 7 an dritter Stelle) sehe ich da gar keinen Unterschied ...:winken:

  • Meinst du mit dem "Status quo" das (qualitative) Niveau oder wirklich den Status der Band im Jahre 197*?


    Ich mache darauf aufmerksam, daß es ja tatsächlich auch eine Band gibt, die sich "Status Quo" nennt ... :D

    "There are crawlers under my lambswool feet..."
    (Quelle)

  • Die meisten Musiker bleiben eigentlich da stehen, wo sie mit 30-40 Jahren angekommen sind. Ab dann greifen Sie "nur" auf das Potenzial zurück, was sie sich vorher angeeignet haben.


    D.h., sie bringen entweder garkeine neue Musik heraus, oder veröffentlichen neue Musik, die sich auf die vorherigen Jahre bezieht.
    Genauso auch die Hörer der Musik: die Musik, die sich bis ca. zum 35. Lebensjahr oder so ausbildet, wird man gerne hören, mit 60 werden nur wenige Menschen noch für neue Klänge offen sein.


    Und gottseidank gibt es da auch Ausnahmen. Dass alte Musiker also ihre Schaffenskraft und Neugier, ihre Experimentier- und Entwicklungsfreudigkeit verlieren, ist keinesfalls ein Naturgesetz. Siehe Beethoven, Wagner, Liszt, Ligeti, Pärt, Stockhausen, Frank Zappa, Peter Gabriel, Miles Davis, Friedrich Gulda, Bill Bruford, Robert Fripp, Adrian Belew, Robert Plant, Chick Corea...und...und...


    No reply hat eine wunderbare Basslinie.....aber egal. Es ist schon richtig die Unterschiede in der Kompositionsweise hervorzuheben. Ursächlich sind sie aber wohl nicht, denn bereits auf ATTWT dominieren kurze Popsongs, obwohl sie doch im "stillen Kämmerlein" entstanden.
    (...)
    Die Komplexität einer Komposition sagt ja nichts über die Qualität aus. Es gibt so unglaublich viel minimalistische Musik die einfach nur großartig ist. Und es gibt viel aufgeblasenes Theater-ich muß spontan an The battle of epping forest denken.


    In Bezug auf ATTWT ist sicherlich was dran. Die Entwicklung hin zum Minimalismus lässt sich demnach keinesfalls auf die "spontane" Arbeitsweise reduzieren. Da spielen (unbewusste oder bewusste - ist aber auch recht egal) vor allem auch andere musikalische Richtungsentscheidungen eine große Rolle.
    Und ja, sehr wichtig, gerade weil hier wieder typische Missverständnisse bezüglich der Wertungen von Musik im Thread formuliert wurden: Einfache Musik kann wunderschöne Musik sein, wenn die Einfachheit natürlich, geschmackvoll und gekonnt gestaltet ist.



    Hier redet ihr m.E. aneinander vorbei. Den Teemeister verstehe ich so, dass er bezüglich der Pop-Phase einen Qualitätsverfall konstatiert in Bezug auf den ästhetischen Wert der Musik. Und ich vermute, dass der ästhetische Wert bei ihm von Größen wie Originalität, Komplexität, Beziehungsreichtum, geistigem Anspruch, struktureller Variabilität usw. bestimmt wird.
    Christian hingegen könnte darauf verweisen, dass auch Pop bestimmte Qualitätskriterien aufweisen muss, wenn er denn gut ist. Dies könnten sein: Eingängigkeit ("Ohrwurmqualitäten"), zeitgemäßer Sound, Massenkonsumierbarkeit, Massenidentifikationspotenzial usw.


    nunja. Jedem sei seine Sichtweise und Meinung zugestanden. Es ist doch so oder so subjektiv wenn man etwas betrachtet das man mit Emotionen in Verbindung bringt, wie es bei Musik nunmal ist.


    Sicherlich bleibt immer ein großer subjektiver Anteil beim Austausch über Musik. Trotzdem bleiben wir ja nicht stehen bei rein subjektiven Geschmacksurteilen, sondern machen uns ja auch Gedanken um Aspekte von Musik, die auch allgemein verifizierbar sind, die phänomenologisch nachprüfbar sind, die sinnvoll begründbar sind. Wenn das nicht möglich wäre, würde ich wenig Spaß am Miteinander hier haben, weil jeder dann ausschließlich in seinem subjektiven Saft schmoren würde.


    Ich habe hier eine angefangene Coverversion von Invisible Touch rumliegen, die ich nur mit Mellotron, Orgel und Hackettmässigen Sologitarren aufgenommen hatte. Gut, ich hatte teilweise das instrumentale Arrangement in den Strophen verändert, aber die Songstruktur und die Melodielinien sind geblieben. Das ganze klingt bis jetzt schon genretypisch nach Prog....


    Das glaube ich erst, wenn ich's gehört habe... Gerade auch die Harmonik und vor allem die kurzatmige Melodik würde ich kaum mit typischem Prog in Verbindung bringen.



    Das sehe ich anders. Ich sehe bei Genesis eine große Bandbreite hinsichtlich der musikalischen Fein- wie auch Grobstrukturen. Dass nur die Verpackung von "Down and out" anders sein soll als diejenige von "I can't dance" oder "Abacab", halte ich für keine sinnvolle Einschätzung.


    Tony nannte als Grund, das Neurotic zu sehr typisch nach Genesis klang, eher wie ein Genesis Song aus den 70ern, und die wollten halt was anderes mal als Instrumental haben, einfahc mal so was durcheinanderes draufbringen, ohne irgendwelche Große Keyboard Passagen etc.. Das haben die ja vorher bisher mit Instrumentals nicht geschafft, soo ausgeflippt ist Wot Gorilla nun auch nicht.


    Hm, und dann fällt die Entscheidung für so etwas musikalisch Flachbrüstiges wie "The brazilian". Und das ist dann wohl nur die Entscheidung für das modernere Soundgewand gewesen - und gegen kompositorischen Gehalt. Die Melodik und Rhythmik, aber auch die Instrumentation von "Wot gorilla" ist dagegen viel feiner.



    Meine Einschätzung: Du schreibst Phil einen zu hohen Entscheidungsanteil bei der Entwicklung des Trios hinein in die Popgefilde zu. Ich denke, die drei waren sich weitgehend einig.

  • Zitat

    Ich mache darauf aufmerksam, daß es ja tatsächlich auch eine Band gibt,
    die sich "Status Quo" nennt ... :D

    down down, deeper and down ...:ot::tanzen:

  • Max:


    oh, stell mir doch bitte nicht solche Fangfragen,
    Christian liest doch mit ...


    Tut mir leid, war nicht als solche gedacht. :D


    Zitat


    ähem, um doch noch zu antworten: in diesem speziellen causus
    (Jahre mit der 7 an dritter Stelle) sehe ich da gar keinen Unterschied ...:winken:

    :p


    Zitat


    Die ursprüngliche Frage ist ja "was das ´letzte´richtige Prog-Stück von Genesis war´ und es lässt sich doch einfach nur resumieren; es gibt kein letztes Prog-Genesis-Stück, da der Begriff Progressiv-Rock nicht (wirklich) eindeutig zu klären/definieren ist.

    Klar, eindeutig zu klären ist der Begriff nicht.
    Aber welcher Begriff (zumindest in der Kunst) ist eindeutig erklärbar? Was ist Barockmusik? 20 Musikwissenschaftler, 20 unterschiedliche Erklärungen.


    Ich persönlich finde es gerade spannend, zu diskutieren, welches Album nach welchem Verständnis von Prog das letzte Prog-Album ist; dass man dabei auch ein bisschen um die (analytische) Ecke denken muss, ist eigentlich klar - und schaden tut das doch, finde ich, auch nicht, weil bisher hier jeder auch spannende Blickwinkel eingebracht hat.


    Zitat


    Auch wenn das einige anders sehen, aber letztendlich ist ja jedes "neue" Musikstück irgendwo auch progressiv, wenn es das nicht in 100%ig gleicher Form schon gegeben hat. Will sagen; selbst eine Neuinterpretation von 30´er oder 20´er Titeln wäre ja schon progressiv. Ergo ist Phils neues Album auch Prog-Rock.

    Klar, die Erklärung ergibt natürlich Sinn. Aber es fragt sich, wohin sie führt... dazu, dass jede Musik gleich fortschrittlich ist?
    Ich finde es interessanter, herauszufinden, was mehr fortschrittlich ist: eine New-Wave-Revival Platte aus 2010 (weil genau diese Songs mit diesen Texten noch nie da waren) oder ein melancholisches bis düsteres "In The Court of the Crimson King", das die Band King Crimson 1969 in die Hippie-Welt wirft?


    Zitat


    Sollte die Frage nicht besser lauten; "wann haben Genesis das letzte mal so geklungen als hätten sie versucht, musikalisch neue Wege zu gehen ? "

    Ja, die Frage muss man sich natürlich auch stellen. :)Im Grunde ist das ja auch die Frage, die Teemeister gestellt hat ("musikalisches Experiment")... auf jeden Fall muss sie bedacht werden, was sie teilweise ja auch schon wird.


    Zitat

    (was sie aber prinzipiell nicht mehr konnten, weil sie sich ansonsten nicht neu erfunden, sondern selbst kopiert und letztendlich auch karikiert hätten ?).

    Nö, nicht unbedingt.
    Hier braucht man z.B. nur mal "Talk Talk" zu nennen: angefangen haben sie in den 80ern mit Popmusik, die zwar sehr eigenständig war, aber trotzdem nicht wirklich auffiel.
    1988 dann: "Spirit of Eden". Verzerrte Mundharmonika, Streicher, ungemein langsame und lange Songs - ein Frühwerk des Post Rock.


    Ein komplett neuer Weg, mit Anklängen des vorherigen Weges, der zwar nicht allen gefällt, aber von niemandem als peinlich oder unfreiwillige Karikatur gesehen wird.


    Zitat


    PS: ist eine Rihanna (oder Lady GaGa) plötzlich im Prog-Rock-Genré wenn sie eine Gitarre in die Hand nehmen und versuchen einen Titel zu konstruieren der länger als 4 Minuten dauert ? oder ist ein schlichtes neues Album der Personen, mit neuen Arrangements (oder gar mit Orchester) schon progressiv ?

    Wenn Lady GaGa (eine talentierte Künstlerin, finde ich) eine Vision neuer Musik hat und sagt: Okay, ich gehe jetzt ins Studio und nehme genau das auf, was ich will; juckt mich doch nicht ob sich das gut verkauft oder nicht.
    Dann könnte das ein progressives Werk werden: und das vielleicht sogar ohne Gitarren, ohne Longtracks und ohne Orchester. :huhu:



    Und gottseidank gibt es da auch Ausnahmen. Dass alte Musiker also ihre Schaffenskraft und Neugier, ihre Experimentier- und Entwicklungsfreudigkeit verlieren, ist keinesfalls ein Naturgesetz. Siehe Beethoven, Wagner, Liszt, Ligeti, Pärt, Stockhausen, Frank Zappa, Peter Gabriel, Miles Davis, Friedrich Gulda, Bill Bruford, Robert Fripp, Adrian Belew, Robert Plant, Chick Corea...und...und...


    Auf jeden Fall! Aber: es sind eben Ausnahmen.
    Aber Ausnahmen, die ich sehr schätze und bewundere. Am meisten vielleicht sogar Peter Hammill... was der sich verändert hat. :eek:
    Aber auch ein Miles Davis... von "A Kind of Blue" zu "Tutu". Abenteuerlich.


    Man sollte dabei auch bedenken, dass es sehr anstrengend ist, sich für ein neues Genre begeistern zu können.


    Normalerweise sucht man, denke ich, als erwachsener Mensch irgendwann die Ruhe und eine Heimat, z.B. auch eine musikalische Heimat. Es sind eben die Wenigsten, die auch noch mit 65 "like a rolling stone" querbeet experimentieren und mit 71 ein Album rausbringen, das man ihnen nie zugetraut hätte.

    So, let's drink some wine
    And have a good time.
    But if you really want to come through
    Let the good time, good time have you.
    It's what you've got to do.

    Einmal editiert, zuletzt von Max ()

  • bitte löschen------------

    So, let's drink some wine
    And have a good time.
    But if you really want to come through
    Let the good time, good time have you.
    It's what you've got to do.

  • Die ursprüngliche Frage ist ja "was das ´letzte´richtige Prog-Stück von Genesis war´ und es lässt sich doch einfach nur resumieren; es gibt kein letztes Prog-Genesis-Stück, da der Begriff Progressiv-Rock nicht (wirklich) eindeutig zu klären/definieren ist.


    Natürlich ist das nicht eindeutig zu definieren...deshalb lautete die Frage im Eingangsposting auch:


    ...welches Stück seht ihr als letztes "richtiges" Prog-Stück?



    Auch wenn das einige anders sehen, aber letztendlich ist ja jedes "neue" Musikstück irgendwo auch progressiv, wenn es das nicht in 100%ig gleicher Form schon gegeben hat. Will sagen; selbst eine Neuinterpretation von 30´er oder 20´er Titeln wäre ja schon progressiv. Ergo ist Phils neues Album auch Prog-Rock.

    Sollte die Frage nicht besser lauten; "wann haben Genesis das letzte mal so geklungen als hätten sie versucht, musikalisch neue Wege zu gehen ? "


    Nein, das ist eine völlig andere Frage, zu der es allerdings durchaus interessant wäre, einen eigenen Thread zu eröffnen. Hier geht es um klassischen Prog als Musikrichtung, nicht um Progressivität im Sinne von "Fortschreiten".

    2 Mal editiert, zuletzt von little nick ()