Alles anzeigenObwohl der Winter ja eigentlich gelaufen ist, noch schnell ein paar persönliche Anmerkungen zum Pop-Coming-out von Genesis.
Wenn "And Then…" die erste (Studio-)Platte der Band ist, die man im zarten jugendlichen Alter auflegt, ist sie herausragend. Immer und immer wieder genudelt. Wenn man sie später zwischen die (meisten) anderen einordnet, muß sie zwangsläufig verlieren. Sie ist weder sinfonisch noch knackig, nicht gerade abwechslungsreich, noch birgt sie ein Universum an originellen Ideen, die sich erst nach dem soundsovielten Hören erschließen.
Aber sie ist aus einem Guß. Ohne echten Höhepunkt, aber eben auch ohne Ausfall. Sie ist verträumt, solide und tröstlich.
Als ich sie kennenlernte, konnte mir Hacketts Gitarre noch nicht fehlen, denn die evolutionären Zusammenhänge der Band waren mir komplett unbekannt. Als ich später wußte, daß sie fehlte, war es nicht mehr so wichtig, weil ich die Musik schon verinnerlicht hatte.
Wahrscheinlich die Platte mit der kürzesten durchschnittlichen Songlänge ihrer Laufbahn, (sieht man vom Debut ab, wo sie auch schon mal sehr poppig waren), aber in jeder der kleinen Geschichten steckt eine zwingende Melodie, die ich auch nach Jahrzehnten sofort wiedererkenne. Das macht sie sehr kurzweilig.
Allein der Sound ist etwas breiig. Man wird so eingelullt, was mir damals recht angenehm erschien – heute würde ich mir da vielleicht die ein oder andere Kante wünschen.
Ich höre das Album nicht oft, aber nach wie vor gern. "Down And Out" wartet mit einer sensationellen Eröffnung auf, "Scenes…" ist ein schwungvoller kleiner Trip, "Burning Rope" gewissermaßen das Bonsai-Epos. Daneben würde ich heute "Joe", "Motherlode" und "Lady Lies" zu meinen Favoriten zählen, den letztgenannten aber live den Vorzug geben .
Insbesondere "Follow You…" scheint die Gemeinde zu spalten. Ich hörte es damals mit elf als Single im Radio und war sehr eingenommen. Der Name Genesis sagte mir nüscht. Dann fand es sich auf der Arcade-MC "Hit Fever" zu Weihnachten und wurde dort mein Lieblingssong, noch vor Sweet und Smokie. Es schmachtete sich ganz trefflich zu dieser Ballade.
Schließlich vergingen danach für mich noch einige Jahre, bis ich das Album kennenlernte. Da war das Lied dann halt der Rausschmeißer, und man wußte, gleich werde ich wieder umdrehen und von vorne anfangen. Den Refrain fand ich jetzt nicht mehr so stark.
Heute halte ich es für einen ziemlich gelungenen Pop-Song, den ich leider zu oft gehört habe. Live fand ich's schon immer langweilig und vermißte den Luller-Sound, den ich von Platte kannte.
Ich meine irgendwo mal gelesen zu haben, daß mit diesem Song und "Many Too Many" die Frauen anfingen, die sog. Prog-Band zu entdecken. Keine Ahnung, aber wenn, ist das ja auch ein Verdienst.
Sicherlich hatte "Wind & Wuthering" noch den eher epischen Auftritt. Und sicherlich wurde "Duke" später die komplexere Platte. Aber mit diesem Album haben die Musiker aus dem Schrumpfen erstmal das beste gemacht und gezeigt, daß sie bleiben würden.
Ich zitiere mal den ganzen Text, einfach weil die Schilderung mir aus der Seele spricht. Die Platte hat eben eine innewohnende Magie, die wohl nur GENESIS so zaubern konnten. Ich war 16 und verbinde erste Liebeleien natürlich mit "Follow you"...., oder "Snowbound". Neben PINK FLOYD, ALAN PARSONS, YES und SUPERTRAMP waren GENESIS damals das musikalische Coming Out für mich. So kann ich diese Platte nie wertrfrei, neutral betrachten. Heute sehe ich sie als Teil eines musikalischen Tryptichons der Jahreszeiten: "Trick" symbolisiert den Frühling und Hochsommer, "Wind" den Spätsommer und Herbst und "Then" den Winter.
So gehen damit die Jahreszeiten der Prog-Phase der Band zu Ende. GENESIS definierten sich neu und entfernten sich von mir. "The River of constant change......"