Mein Versuch eines Besuchs vom Charterhouse

  • 14 TAGE LONDON UND UMGEBUNG IM JAHR VON CORONA


    Kapitel 09: In dem ich Genesis auf den Grund gehen wollte / in der Plattenecke ergründete, dass man nur 2 LPs von Genesis anbietet, wo doch alle in Reih‘ und Glied stehen sollten / ich die Gründe für „Cul-de-Sac“ und D.I.Y. sah / und fast zugrunde daran ging, dass man mich nicht in die Schule eingelassen hat.


    FREITAG, 21.08.2020. Potz Godalming und Charterhouse! / ich komm‘ nicht rein und bleibe drauss‘!


    „Today’s The Day For Celebrate“ heißt es in einer Sequenz des wohl berühmtesten Opus von Genesis, dem angerichteten Abendbrot vom Fuchstrott. Man soll den Morgen nicht vor dem Nachmittag loben, sagt ein altes Sprichwort aus Kleinzschocher; und das wird sich noch erweisen, ob ich heute einen Grund zum Feiern habe werde. Ich will endlich eine Sache angehen, die absolut mit Genesis zu tun hat: Ich nehme mir vor, mit dem Zug nach Godalming zu reisen, den Ort als solchen zu besuchen, doch vor allem die außerhalb gelegene Charterhouse Public School, wo sich im September 1963 Peter Gabriel und Tony Banks kennenlernten; und ab 1964 Mike Rutherford und 1965 Anthony Phillips zu ihnen stießen, nebst einigen anderen, die hier zu nennen weniger wichtig ist. Gestern Abend, am öffentlichen Rechner im Hotel, habe ich mir angeschaut, von wo aus ich am besten mit dem Zug fahren kann. Gottseidank gibt es wieder eine Direktverbindung nach Godalming; auf einigen älteren Seiten im Internet steht noch, dass man zunächst nach Süden an die Küste, nach Portsmouth, mit der Bahn fahren soll, um sich dann mit dem Bus wieder nach Godalming in den Norden hoch zu kämpfen. Selbstredend retour gleichfalls, nur umgekehrt, so kompliziert. Aber ich finde eine Direktverbindung ab Waterloo Station für 11.15 Uhr. Also nichts wie rein in die Circle Line, und in „Embankment“ umgestiegen in die „Bakerloo“, jener lustigen Verbindung aus Baker Street und Waterloo. But I don’t / feel afraid / as long as I gaze at / Waterloo ..., - na ja, Sunset passt hier nicht, und für den Sunrise ist es viel zu spät. Sun-Noon könnte ich stattdessen leise vor mich hinsingen. Die Fahrkarten für hin und zurück sind schnell erworben. Dann sitze ich also im Zug nach Godalming, jenem Kultort für Fans der alten, ursprünglichen Band Genesis, an den es mich seit Jahrzehnten zieht. Der italienische Genesis-Biograph (und Fotograf) Armando Gallo beginnt sein Buch mit einem Besuch der Charterhouse Public School. Wer einmal einen Eindruck davon bekommen will, wie es in den sechziger Jahren in so einem Internat zuging, sollte sich einmal den Film „If“ anschauen, für den Pink Floyd den gleichnamigen Song schrieben, der dann aber für den Film nicht verwendet wurde. Ältere Schüler quälen und demütigen jüngere; Lehrer drangsalieren alle.




    Vorbei geht es über die Eisenbahn-Brücke bei Vauxhall, und ich sehe die dem Battersee Park abgewandte Seite der Battersee Power Station. Es hätte sich schon gelohnt, wenn ich vorgestern noch einmal, wie im Vorjahr, ein wenig um die Kurve gelaufen wäre, denn hier liegen beinah alle roten Backsteine wieder blank, und die meisten Gerüste sind abgebaut. Ungefähr auf der Mitte der Strecke passiert man Woking, hier ist Peter Gabriel, aufgewachsen auf dem Anwesen „Deep Pool Farm“ seiner Eltern in Chobham, dereinst in die Vorschule gegangen. Später erreicht man Guildford – auch der Name dieses Ortes ist den Genesis-Fans bestens betraut als Ort der Herausbildung einer frühen Fangemeinde. Lewis Carroll, die Autorin von „Alice im Wunderland“, lebte dereinst hier. Es gäbe auch die Ruinen einer normannischen Burg zu besichtigen. Hier hat sich 1974 die spätere Punkband „The Stranglers“ als „Guildford Stranglers“ gegründet. Hier in der Nähe wohnt auch Mike Rutherford, und in der Nähe befindet sich auch die „Farm“, das 1980 gegründete, ehemalige Tonstudio von Genesis. Mike Rutherford kam sogar in Guildford auf die Welt; heute lebt er auf seinem Anwesen bei Chiddingfold, südlicvh von Godalming, wo sich auch das Tonstudio „Fisher Lane Farm“ befindet, in welches man, wenn man Glück hat, sogar ein wenig hineinlaufen kann, um ein paar Fotos zu machen. Dazu muss ich halt in einem der nächsten Jahre noch einmal mit einem Auto wiederkommen. Um Banks und Rutherford zu belästigen, bräuchte ich einen Mietwagen, und die genauen Adressen. Die habe ich nicht, also lasse ich Tony in Ruhe seine Rosen pflegen, und Mike in Ruhe seine Pferde in Chiddingfold züchten, denn der ist mit einer ehemaligen Dressurreiterin seit 1976 verheiratet. Auch Tony Banks, geboren und aufgewachsen in East Horsley, zur Vorschule gegangen in Hurst Green (nördlich von Battle), mit Eltern, die nahe bei hastings, eben im Ort der Schlacht zwischen Normannen und Sachsen 1066, dem Ort Battle an der Südküste, leben, hat sein Anwesen hier in der Gegend gewählt. Zwischen Woking und Guildford befindet sich der Ort Send, wo wiederum Anthony Phillips, der erste Gitarrist von Genesis, lebt. Auf seinem Album „Private Parts & Pieces IV“ gibt es ein wunderbares Stück Musik namens „Arboretum“. Gemeint ist das Winkworth Arboretum südlich von Godalming. Hätte ich mir ein Auto gemietet, gäbe es hier so einiges zu besichtigen, oder wenigstens anzufahren.



    Manchmal schlich sich Peter Gabriel (der erste Sänger von Genesis) aus der Schule, um sich mit seiner späteren Frau, Jill Moore, in welche sich auch der erste Genesis-Gitarrist Anthony Phillips verliebt hatte hier in Guildford zu treffen. Jill besuchte die Internats-Schule St. Catherine’s für Mädchen, ganz in der Nähe vom Charterhouse. Einmal stand Peter auf dem Bahnsteig, und ein Lehrer, der als sehr streng bekannt war, fuhr draußen auf einem Fahrrad vorbei. Peter versteckte sich eine Stunde lang auf der Toilette des Bahnhofs, bis er glaubte, dass die Luft wieder rein sei. Daran muss ich denken, als ich aus dem Zug steige, und mir das Szenario durch den Kopf geht. Manchmal schlichen sie sich auch in einen Pub. Im Ort Godalming mussten sie aber stets sehr vorsichtig sein, darum beließen es Tony und Peter meistens beim weniger auffälligen Plattenanhören im „Record Corner“. Es ist noch gar nicht so lange her, da schaute ich mir auf ARTE mehrmals alle erhaltenen Folgen der Serie „Mit Schirm, Charme & Melone“ an; eine Serie, die mich schon als Kind fasziniert hat (wen meiner Generation, und die Generation vor mir, eigentlich nicht?). Dazu wurden sogar die erhaltenen schwarz/weiß Episoden der Staffeln vor dem Einstieg der kürzlich verstorbenen Diana Rigg als Emma Peel erstmals deutsch synchronisiert, und sie stehen den Folgen mit Emma um nichts nach. Leider ist im Wesentlichen nur die 3. Staffel in schwarz/weiß erhalten, und einige wenige Episoden (ich glaube: 2) der 1. Staffel. Der Grund dafür war, dass man nur die Außenaufnahmen auf Film drehte; der gesamte Rest wurde live (also als Fernsehspiel, wie man das damals nannte), gesendet; und niemand hat die Folgen mitgeschnitten oder konserviert. Jedenfalls spielt eine dieser Episoden in Godalming, und ich bekam einen ersten Eindruck von diesem hübschen, verschlafenen Nest. So wirkt es zunächst auch auf mich; gleich nach dem Bahnhof plätschert ein idyllischer Bach bei einer alten Mühle; die Häuser sind fast alle renoviert, es handelt sich um sehr alte englische Fachwerkbauten. Alsbald stehe ich vor einem Wegweiser, welcher mir die Möglichkeit offeriert, mich zu einem Phillips-Memorial-Park zu begeben (was ich nicht unternehme). Ha, Anthony ist noch gar nicht tot; aber schon bekommt er ein Denkmal – das muss die anderen so richtig wurmen, denke ich scherzhaft bei mir. Natürlich handelt es sich um einen anderen Bürger namens Phillips; nicht um den ersten Gitarristen von Genesis. Ich schlängle mich durch bis zur High Street, denn mein erstes Ziel soll der „Record Corner“ sein; jenes kultige Schallplattengeschäft, in welchem die Jungs von Genesis ihre Schul-Frustrationen abbauen konnten. Ungefähr auf der Hälfte des Weges zwischen Schule und Ort kreuzt man eine Bahnlinie, und den Schülern von damals war es strengstens verboten, diese zu kreuzen. Wer es dennoch wagte, war in der Stadt; und da wir mitten in der Zeit des Swinging London waren, und besonders die Rolling Stones immer stärker in den Hitparaden vertreten waren, war der „Record Corner“, ein wenig abgeschieden von der Hauptstraße gelegen, ein starkes Sehnsuchts-Ziel der Schüler. Heute ist es mein Sehnsuchtsziel.



    In den Fünfziger und Sechziger Jahren, erklärt mir der Inhaber, war das Geschäft berühmt für seine Klassikabteilung; eine der besten in England überhaupt. Mit zunehmenden Aufkommen des Rock’n Roll (ab 1956) und der Beat-Musik (ab 1963) strömten jedoch immer mehr Jugendliche in das Musikgeschäft. Die Klassik-Liebhaber wollten die Lärmbelästigung durch dieses Klientel nicht mehr tolerieren, und so wurden transparente Trennwände aus Glas oder Plexiglas zur Trennung der beiden großen Abteilungen in die Durchgänge eingebaut; und die Klassikabteilung bekam dazu einen separaten Eingang zur Straße (den es heute nicht mehr gibt; wie auch die gesamte Klassikabteilung als solche hier nicht mehr existent ist). Solche Trennwände kenne ich aus dem Megastore am Trafalgar Square, in welchem ich 1995 war. Dort habe ich sie als sehr sinnvoll empfunden, als ich mich einige Zeit durch Minimal Music, New Age und Neue Zeitgenössische Musik durchhörte. Auch dieses Geschäft existiert schon lange nicht mehr; verbunden natürlich mit dem gesamten Niedergang der Branche, bedingt durch die Möglichkeiten des Internets. Hier haben unsere Jungs also jahrelang herumgestöbert; denke ich. Peter Gabriel war besonders auf Soul aus. Von Tony Banks, der ja klassischen Klavierunterricht bekommen hatte, will ich gern annehmen, dass er zumindest ab und zu einmal in die Klassikabteilung hinübergewechselt ist. Man kann hier sogar ein „Record Corner“ – Outfit in Größen für Erwachsene und Kinder erwerben, woran ich aber kein Interesse habe.




    Das junge Ehepaar, welches das Geschäft heute betreibt, gibt offen zu, von Genesis und Progressive-Musik so gut wie keine Ahnung zu haben, und auch nichts über die Schulzeit der Buben damals zu wissen. Das scheint mir auch so; und beim Vinyl, wo ich nachschaue, stehen gerade einmal zwei Schallplatten von Genesis; der Erstling „From Genesis To Revelation“ von 1969 und das Album „A Trick Of The Tail“ von 1976. Ich gebe zu bedenken, dass ich das für einen Fehler halte; ich würde hier außerdem überall große Poster von Gabriel, Rutherford, Banks und Phillips aufhängen, und ein absolut lückenlos mit allen Tonträgern der Band (als auch mit den Soloprojekten der einzelnen Mitglieder) bestücktes Sortiment bei den Schallplatten und CDs als mein Markenzeichen benennen. Ich halte kurz inne, und erinnere mich daran, dass schließlich ich derjenige der hier Anwesenden bin, der mit einem Musikgeschäft Konkurs begangen hat – es steht mir gar nicht zu, anderen diesbezüglich Ratschläge zu erteilen. Mein nächster wäre jener, unter der Ladentheke auch Bootleggs, also nicht lizensierte Aufnahmen überwiegend von privat mitgeschnittenen Livekonzerten), zu lagern, und auf Nachfrage anzubieten. Aber den spare ich mir. Wir werten es in Betracht ziehen, unser Sortiment bezüglich der Band Genesis zu erweitern, meint der Typ; vielleicht hast Du ja recht. Während der gesamten Zeit (zirka 1 Stunde), die ich im Laden verbrachte, war stets Kundschaft anwesend. Es handelte sich um sehr unterschiedliche Leute aller Generationen mit sehr speziellen Wünschen, zumeist holten sie ihre Bestellungen ab, oder gaben welche auf. Wahrscheinlich lebt das Geschäft auch von der Ländlichkeit hier; von älteren Menschen, die einfach nicht im Internet bestellen können, oder wollen. Der Inhaber ist sehr nett, er zeigt mir noch eine Abkürzung, die mich (durch den Phillips Memorial Park) direkt auf die Straße zum Charterhouse bringen soll. Viel Hoffnung macht er mir nicht, überhaupt eingelassen zu werden. Vielleicht hast du ja Glück, weil gerade Ferien sind; andererseits, durch Corona … Wie lange ich bis zur Schule ungefähr brauchen würde? In 20 Minuten bist du am Charterhouse …



    Nun ja, ich will es zumindest versuchen, Einlass zu finden. Und falls ich nicht eingelassen werde, war ich wenigstens „vor Ort“, wie man so schön sagt, und kann bestimmt einige Fotos von draußen machen. Vorhin, im Ort, stand ich an der Bushaltestelle, aber heute fahren keine Busse, sagt mir jemand. Ist auch egal, ich werde laufen, und wenn es hin-und-zurück vier Stunden dauert. Aber gut eine Stunde bin ich unterwegs, da ist nichts mit 20 Minuten. Die ganze Zeit über spiele mein Kopf Songs des ersten Albums der Band "From Genesis To Revelation"; etwa "In The Beginning", als ich los laufe; "Am I Very Wrong?", wenn ich mich frage, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin; "The Conqueror", wenn Stolz und Vorfreude auf das gleich Kommende mich erfüllen, "Fireside Song", wenn der stürmische Wind mich frösteln lässt, oder "That's Me", als ich mich kritisch hinterfrage, was ich hier überhaupt zu schaffen habe. Der Weg führt über die Bahnlinie, und er krümmt sich um den Phillips-Memorial-Park, bevor man an die Charterhouse Road gelangt. Mir gelingt bereits hier ein sehr schönes Foto von einem Straßenschild mit der Aufschrift „Charterhouse Road“, welches auf ein Holzbrett genagelt ist, welches von zwei kleinen Pfeilern getragen wird, die an der Wand aus gelben Backsteinen, welche die Straße zu einem Grundstück hin begrenzen, verankert sind. Das ist so ein (hier typisches) weißes Straßenschild mit schwarzem Rahmen, analog zu denen in der Abbey Road. Auf dem Rückweg widerstehe ich tapfer der Versuchung, jenes Schild zu „kassieren“, oder zu „sichern“. Das würde im Flieger auffallen, und bestenfalls extra Geld kosten; entweder für den Transport, oder das Vergehen. Und nun bin ich auf der Höhe der Grundstücksmauern. Privatschule, kein Eintritt möglich, CCV Überwachung Tag und Nacht, lese ich auf Schildern, und befürchte Schlimmes für mich. Hier und da sehe ich die Türme der beiden Kapellen auftauchen, wie sie mir von Fotos (vor allem von jenen Armando Gallos) her vertraut sind. Ab und zu ergeben sich Einblicke in das Gelände, welche ich zum Fotografieren fleißig nutze. Natürlich habe ich keine Ahnung, um welche Gebäude es sich dabei genau handelt, und wie man sie hier nennt; aber zu Hause, so nehme ich es mir vor, werde ich das recherchieren. Eine gute Möglichkeit, die signifikanten Kern-Gebäude des Areals, welche mir von zahlreichen Fotografien her vertraut sind, wirkungsvoll ins Objektiv zu bekommen, bleibt mir natürlich versagt; dazu müsste man wirklich in das Objekt eindringen, und um den ganzen Gebäudekomplex herumlaufen.



    Bald stehe ich am ersten der großen Eingangstore, hier eben dem „Prince’s Gate“. Ein imposantes Torhaus, eine betonierte Straße hinein, keine Security zu sehen, nichts. Aber ich gehe nicht hinein, ich möchte mich zunächst ordentlich vorstellen, und jemand von den offiziellen Schulbehörden, oder eben die Security, um Erlaubnis bitten, einzutreten. Ein „Trespass“, also ein Verstoß, kann mir hier nur Negativpunkte einbringen. Während ich so weiter die Straße außen entlang laufe, stelle ich mir vor, wie ein gestrenger „Schoolmaster“ mich hochnotpeinlich befragt, indem er meine Tauglichkeit bezüglich der Gruppe Genesis testet. „Wann genau wurden Banks und Gabriel eingeschult, und wann Silver und Phillips?!“ 1963, und 1965, euer Würden“ – entgegne ich im Geiste. Wie heißt das Haus, in welchem Gabriel und Banks untergebracht waren? Nun?“- „Duckites, euer Würden.- „Wann und wo fand das allererste Konzert von Genesis hier in der Schule statt, und was war die Besonderheit?“. - „Genesis gab es noch nicht, sondern zwei verschiedene Bands namens „The Anon“ (mit Phillips und Rutherford) und „The Garden Wall“ (mit Banks und Gabriel), und die Besonderheit am Tag des Auftritts war, dass beide Bands spielten; und das Tony Banks das Piano unten, im Auditorium, spielen musste, und das Konzert abgebrochen wurde, weil die Bands keine Ansagen machten durften, aber der Sänger von „The Anon“ (es war ein gewisser Richard McPhail) eben doch eine Ansage machte“ „Bestanden, tritt ein!“ – höre ich im Geiste den Schoolmaster brüllen.



    Peter Gabriel und Tony Banks wurden im September 1963 aus der Idylle ihrer mittelständischen Familien gerissen, und fanden hier, in der Schule, als verstörte Neuankömmlinge zusammen. Tony und Peter schweißte die Tatsache, und die Beobachtung aneinander, zusammen; dass sie beide Einzelgänger waren, die sich so weit als möglich vom angesagten Gruppensport wie Cricket oder Kanufahren hielten (allerdings berichtet Anthony Phillips, dass Peter recht gern Cricket gespielt haben soll, und sogar ganz gut dabei gewesen ist). Stattdessen spielten sie lieber zu zweit Squash und Tennis, oder sie benutzten das Piano in der Mensa, welches eigentlich für Kinder reserviert war, welche klassischen Musikunterricht bekamen. Beide spielten etwas Piano, und beide wollten immer die ersten am Piano in der Mensa sein, und Peter war zumeist der erste am Piano, da er sich nach dem Sportunterricht relativ selten zum Duschen anstellte, und oft auch einen geheimen Eingang durch das Küchenfenster benutzte. Der Typ, der bis dahin am Piano saß, musste fast immer zu dieser Zeit Toast und Tee für die hungrigen Kinder vom Sportunterricht zubereiten, also war das Piano frei. Tony, der bereits ein Jahr klassischen Klavierunterricht hinter sich hatte, konnte natürlich besser spielen; und Peter, der nur mit einem Finger spielte, konnte besser singen. 1965 wurden Anthony Phillips und John Silver, der erste Schlagzeuger von Genesis (eigentlich der zweite, den Peter Gabriel war der erste) eingeschult, und ebenfalls in „Duckites“ untergebracht. Phillips war so ziemlich der einzige, von dem Banks und Gabriel wusste, dass er Gitarre spielte, und sogar über einen eigenen Verstärker verfügte. Es war also nur logisch, dass Phillips irgendwann mit dabei war, und im Hintergrund mitklimperte, wie er es selbst beschreibt. Mike Rutherford kam bereits im September 1964 dazu, wohnte aber im Haus „Lockites“, in welchem es viel strenger zuging, als in „Duckites“. Tony und Peter kamen anfangs kaum mit Mike zusammen, weil die Lehrer eine Art Rivalität zwischen den Häusern schürten, und sehr auf Wettkampf setzten. Anthony wurde sogar verhört, was das soll, sich mit Schülern aus anderen Häusern zu treffen. Mike Rutherford wurde verboten, überhaupt Gitarre in der Schule zu spielen, was ihn aber nur noch mehr anspornte. Donnerstags, wenn die Schulwettkämpfe stattfanden, schlichen sich die Jungs der Band „The Anon“ fort, und übten in einem leeren Klassenzimmer. Mike gehörte bald zu ihnen; er spielte zunächst Gitarre, aber als deren Sänger Richard McPhail und der Bassist Rivers Jobe die Schule verlassen musste, wechselte Mike an den Bass, was er jedoch nicht als Abstieg empfand (Rivers Jobe spielte später sogar bei der Bluesband Savoy Brown, ist allerdings früh und tragisch verstorben). Als ich vorhin an den letzten privaten Grundstücken vor dem Schulgelände vorbei kam, dachte ich auch daran, dass irgendwo hier Mike damals das Motorrad, welches er sich als größerer Schuljunge (vielleicht 1968/69) gekauft hatte, in einer privaten Garage unterstellen durfte. Ab und zu fuhr er damit heimlich nach London; vor allem, um sich Konzerte von Rockbands anzuschauen.



    Auch heute regnet es (natürlich) wieder, und dieses zeitweise sehr heftig, verbunden mit einem starken Wind. In England ist so etwas ganz normal, und oft nicht von langer Dauer; sodass man gut beraten ist, sich eben ab und zu einmal unterzustellen, und einfach abzuwarten, bis der Regen nachlässt. Die Grundstücksbegrenzung aus Steinen ist einer aus Stacheldraht gewichen, was mir nun bessere Möglichkeiten bietet, die Kamera einfach hoch zu halten. Zur Straße hin gibt es eine Hecke, hinter der ein Weg entlang des Stacheldrahtes verläuft, jedenfalls über weite Strecken ist es so. Ein gekonnt über die Straße gebaute Holzbrücke verbindet hier zwei Sportplätze, welche zum Charterhouse gehören. Natürlich gibt es von außen keine Nutzungsmöglichkeit, aber die Brücke bietet mir einen willkommenen Schutz vor dem stärker werdenden Regen als Unterstand. Ich stelle mir vor, wie oft unsere Genesis-Jungs hierentlang gelaufen sind, welche Sehnsüchte, Träume und Frustrationen damit verbunden waren. „Man müsste eine Rockband gründen!“ (Anthony). „Im Stil der Rolling Stones!“ (Mike). „Ja, aber unter Betonung der Soul-Einflüsse!“ (Peter). „Alles Quatsch, Songs schreiben – das reicht. Spielen soll die Songs dann jemand anderes, aber wir sind die Autoren, und bekommen den Löwenanteil der Tantiemen!“ (Natürlich Tony). „Schleichen wir uns heute wieder über die Bahnlinie, in den Record Corner? Otis Redding soll eine neue, tolle Single auf dem Markt haben! Klar doch, machen wir! Macht mal, ihr beiden, wir bleiben hier, bei uns im Haus geht’s strenger zu! Ja, ich darf nicht mal Gitarre spielen“ …. Am „Queensway Gate“ finde ich auch niemanden vor. Daher ändere ich meine Taktik, und betrete das Objekt, laufe bis zum nächsten sichtbaren Gebäude, wo sich ein Bauarbeiter aufhält. Überhaupt ist mir schon vorhin, bei meinen Blicken über den Stacheldraht, aufgefallen, dass es im Moment hier zahlreiche Baustellen gibt; die Fotos einiger Häuser, die ich machte, sind davon betroffen. Allenthalben fahren Baufahrzeuge durch die Tore. Der Bauarbeiter fragt mich, wie er mir hier helfen könne, und wer ich sei? Ich erzähle ihm mein Anliegen. Er meint, das Beste wäre, die Security zu holen, welche mein Hiersein absegnen müsse. Er jedenfalls sähe darin kein Problem, mir meinen Wunsch zu erfüllen. Aber er hat deren Nummer nicht, muss selber warten, bis irgendjemand von der Schule auftaucht, den er fragen kann. Irgendwann erscheint eine Frau, mit der ich lieber hätte reden sollen, als auf die Security zu warten. Die hätte bestimmt kein Problem daraus gemacht, mich ein wenig herumzuführen. Aber das, was gleich folgen soll, kann ich zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht erahnen.



    Während wir auf die Security warten, erzählt mir der Bauarbeiter, er sei Bulgare. Ich erfreue ihn mit den wenigen bulgarischen Floskeln, derer ich mächtig bin. Leipzig? Er spricht es sogar korrekt aus. Kennt er, war er. Toller Fußballclub, dort. Ich schüttele den Kopf dazu, was er natürlich nicht versteht. Oder er denkt, ich bejahe, auf die bulgarische Art. Kopfschütteln bedeutet dort nämlich ja, den Kopf verächtlich in den Nacken werfen: nein. Das viele Leipziger nichts von RB halten, sondern ihren alten Traditionsclubs Chemie und Lok die Treue halten, würde er nicht verstehen. Der Arbeiter erfüllt hier die Funktion des Streckenpostens für die Baufahrzeuge. Alles in allem vergehen gut 20 Minuten, bis ein Typ von der Security mit seinem Jeep vorfährt, aussteigt, und auf mich zukommt. Und natürlich, wie kann es anders sein, bedauert. Ich verspüre ein flaues Gefühl in der Magengegend. Was es ganz schlimm macht: Er fühlt sich befleißigt, mir eine halbe Stunde lang auseinanderzusetzen, warum genau. Prinzipiell wäre es nicht unmöglich gewesen, meint er. Du hättest dich im Vorfeld anmelden müssen, und genau definieren sollen, was präzise du warum besichtigen willst, und wann genau. „Die Genesis-Orte“ zu sagen, würde aber nicht reichen, du musst uns schon genau zu benennen, was du wo sehen möchtest. Das hätte man terminieren können, und jemand hätte die Verantwortung für dich übernommen, und dich über das Gelände begleitet. Etwa ein Präfekt, oder ein älterer Schüler. Aber so, ohne Begleitung, können wir dich nicht auf das Gelände lassen. Du weißt zwar, was du sehen willst, aber nicht, ob du auch genau vor dem richtigen Gebäude stehst. Es sind Ferien, es ist kaum jemand da, keiner kann dir helfen. Dazu kommen die zahlreichen Baustellen! Die darfst du gar nicht betreten. Und wenn dir etwas passiert? Ich könnte dich zwar einerseits in meinem Jeep mitnehmen, aber was wäre, wenn irgendwo ein Alarm ausgelöst wird, und ich in einen Einsatz muss? Wie erkläre ich, wer du bist, und was das soll? Soll ich meinen Job verlieren? Vielleicht sollten wir hier wirklich öffentliche Führungen anbieten, um Einnahmen zu generieren.



    Ich hasse diese vorher-Anmeldungen im Internet. Man meldet sich an, aber genau an dem Tag, an dem man kommt, gibt es einen fürchterlichen, heftigen Dauerregen. Darauf habe ich keine Lust; eigentlich reicht mir das regnerische und stürmische Wetter heute und hier schon. „Und überhaupt kannst du dir alles prima im Internet anschauen“ – fängt der Typ wieder an, seinen mangelnden Mut zu entschulden, für einen, der extra aus Deutschland hierhin gereist ist, einmal eine Ausnahme zu machen. „Internet? - das ist nicht dasselbe“ – entgegne ich darauf. Nein, das ist nicht dasselbe, grinst er. Des Weiteren werden wir sehr nervös, wenn wir hier Menschen mit einer Kamera herumlaufen sehen. Schließlich ist das eine Schule. Was willst Du eigentlich hier? Genesis? Habe davon gehört! Und was genau? Nein, der Raum mit dem Piano ist gerade geschlossen, für die Dauer der Ferien. Nein, die beiden Kapellen, da wird gerade gebaut. Was für ein Haus? (Ich habe es noch nie zuvor gesprochen gehört, also kann ich nur raten, wie es ausgesprochen wird). Duckites? So, das weißt Du also? Am Ende stimmt deine Story doch, was? Ich mache dir einen Vorschlag: Du läufst bis fast ganz zurück, bis du unter der mittelalterlichen Brücke stehst. Nein, nicht die Holzbrücke an den Sportplätzen, viel weiter vorn. Steine. Zinnen. Gotisch. Normannisch. Links, die kleine Gasse vor der Brücke, läufst du rein, die führt nämlich rauf auf die Brücke. Dort läufst du lang, dann gelangst du an eine Absperrung. Dort hole ich dich in 20 Minuten ab, und lasse dich kurz rein, dass Haus dort ist „Duckites“. Ist das ein Vorschlag? Geht klar, sage ich, und laufe die Straße wieder bis fast ganz vor. Es klappt alles so, wie er mir angekündigt hat. Ich laufe über die Brücke, und warte am Zaun. Der Typ erscheint irgendwann, und ich darf ein paar Bilder von der straßenseitigen Fassade des Hauses machen. Das ist gar nicht mal schlecht, dass kann man, zusammen mit einigen anderen Fernaufnahmen, zu Hause als Erfolg vorzeigen! Bei wem, eigentlich; meine Katzen sind lange tot. Egal. Ich hätte eben das längst zum Erwerb beschlossene Teleobjektiv vorher kaufen sollen, statt bis zum „Black Friday“ zu warten, kritisiere ich mich. Vor dem Haus sehe ich nun tatsächlich die mehrmals abgestuften Terrassen mit der Wiese, ganz unten. Hier entstand 1966 das Foto mit der damaligen Hausbelegung (mit Tony und Peter ganz links in der obersten Reihe, Anthony und Chris Stewart (dem ersten Schlagzeuger) eine Reihe weiter unten, vierter und fünfter von rechts). Nun muss ich mich auch noch bei dem Typen bedanken.



    Zu Hause sehe ich dann im Buch von Armando Gallo, dass sein Foto von „Duckites“ aus genau demselben Winkel aufgenommen wurde, wie das meine. Die deutsche Ausgabe seines Buches besaß ich schon Ende der Achtziger Jahre, also zu DDR-Zeiten. Ich habe das Mädchen, das ich kannte (und die es von ihrer Liebschaft aus dem Westen bekam), solange genervt, bis sie es mir geschenkt hatte. Vorher hatte ich mir das Buch Seite für Seite auf einem West-Kopierer in meiner Arbeitsstätte „Zentralantiquariat“ heimlich kopiert, und einmal dabei einen Schaden von sechzig Westmark (einer respektablen, kaum aufzubringenden Summe für einen „normalen“ Ostler, damals) verursacht, was aber vertuscht wurde, weil ich praktisch gar nicht am Kopierer hätte sein dürfen, und dafür nicht nur mein Kopf gerollt wäre. Das ich einmal hier, vor dem Objekt, dass das Foto auf Seite 10 (der englischen Paperback-Ausgabe von 1987) zeigt, würde stehen dürfen – das hätte ich damals nie geglaubt. Und trotzdem: Das ist meine erste, große Niederlage in diesem Urlaub. Ich überlege noch, ob ich nun, nachdem alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, einfach in das Objekt hineinlaufe, und mit meiner kleinen Canon Powershot fotografiere, was halt irgend zu fotografieren geht, bevor mich die Security schnappt. Dann können sie halt verlangen, dass ich die Speicherkarte der großen Canon EOS-RP Kamera partiell lösche, sie kennen ja die Kleine nicht. Aber da gibt es zu viele Wenn und Aber. Wenn sie die gesamte Speicherkarte einziehen, bin ich erledigt. Dann kann ich alles nochmal machen, was ich bisher in London abgearbeitet habe. Außerdem ist es mir unmöglich, dem, der mich gerade belehrt hat, noch einmal, - und diesmal als Sünder und Übertreter, - gegenüberzutreten. Irgendwie verbietet sich mir so etwas, und der Typ nervt mich sowieso, da kann ich mich nicht noch ins Unrecht setzen. Ich könnte noch versuchen, das gesamte Areal weiträumig zu umgehen, von der anderen Seite ergeben sich vielleicht andere, fotografische Perspektiven. Aber eine richtige Straße führt anscheinend nicht um das Areal, und es gibt andere, private Grundstücke. Der Begriff „weitläufig“ könnte hier für mich Dimensionen annehmen, denen ich nicht gewachsen wäre.



    Auf dem Rückweg sehe ich noch ein Straßenschild für eine kleine Nebenstraße namens „Summerhill“. Darunter steht der Schriftzug „Cul-de-Sac“, was französisch ist, und so viel wie „Sackgasse bedeutet, aber so heißt auch ein Titel auf dem Genesis-Longplayer „Duke“ von 1980. Also, entweder stand das schon in den sechziger Jahren hier dran, und Tony Banks, der Autor des Textes, hat sich das gemerkt, irgendwie recherchiert, was Cul-de-Sac überhaupt bedeutet; und später hat er die Erinnerung daran wieder heraufbeschworen, oder hier wohnt ein Genesis-Kundiger, der sich für vorbeigehende Genesis-affine Spinner wie mich einen Spaß ausgedacht hat. Fast bin ich versucht, dort zu läuten, und die Sache zu hinterfragen, aber ich kann mich gerade noch abbremsen. Wahrscheinlich bekäme ich die hinterhältige Antwort zu hören, was ich überhaupt wolle; schließlich hätten die Normannen den Begriff 1066 mit nach England gebracht. Im Phillips-Memorial-Park bemerke ich auf dem Rückweg den Bandstand, einen kleinen Pavillon. Wenn der damals schon hier war (und danach sieht er aus), wie oft haben die Jungs wohl hier gesessen, und von der Zukunft geträumt? Ich schaue noch einmal im „Record Corner“ vorbei, und erstatte dem Inhaber Bericht, kläre ihn aber auch auf, dass man in 20 Minuten Fußweg keinesfalls von hier aus zum Charterhouse gelangt. Eigentlich wollten wir noch irgendwo in einem Freisitz etwas zusammen konsumieren, aber er hat echt zu tun mit Kundschaft. Das ist schon erstaunlich; vielleicht aber auch bedingt durch die lange Lockdown-Schließzeit, in der sich Wünsche angesammelt haben. Ich wandle danach noch ausgiebig im beschaulichen Godalming umher. Mit seinen zahlreichen alten, gut erhaltenen Häuschen und Torbögen macht der Ort mir wirklich viel Freude, auch wenn er an das im Vorjahr von mir besichtigte Rye in der Nähe der Südküste nicht herankommt.



    Nach all den Strapazen stärke ich mich mit einem Milchkaffee in Godalming. Ich sitze in einem Kaffee, dessen große Schiebe-Fenster geöffnet wurden, also im Prinzip im Freisitz. Das Wetter ist wieder ausnehmend sonnig, und bleibt auch so; richtig warm. Prima, ich darf mir noch einen Milchkaffee kostenlos nachordern. Im Ort fällt mir noch ein weiterer Bezug zu Genesis auf, diesmal betrifft es einen Solotitel von Peter Gabriel namens D.I Y. (Do it yourself). Ein Spaßvogel hier hat seinen Haushaltwarenshop so benannt: D.I.Y. – Cornmeter Blinds. Specialists. Der kleine Friedhof hier und die dazugehörige Kirche sind ganz nett, es ergeben sich einige gute fotografische Motive. Zwar ist es erst gegen 18 Uhr, doch ich fahre zurück. Ich könnte nun in Guildford aussteigen, aber berechtigt mich mein Ticket dafür, dann wieder zuzusteigen? Hätte ich mal vorher in Erfahrung bringen sollen. Außerdem ist es irgendwie auch genug für heute. Lieber möchte ich noch ein bisschen London nachlegen. Von der Waterlooo Station (but chilly, chilly is the evening time / Waterloo sunset's fine, Waterloo sunset's fine) nehme ich die District Line zum St. James’s Park. Fotografiert wird vorher von mir auch noch eine Green Plaque für den Philosophem Jeremy Bentham in der Nähe von Queen Anne‘s Gate. Ich umrunde den Park, wie so oft, einfach nur, weil ich mich hier prima entspanne. Setze mich auf eine Bank, und notiere, was ich heute so erlebt habe, in mein Tagebuch, und beobachte, wie ein Typ die Flamingos füttert, indem er seinen Arm tief in den Schnabel der Tiere einführt (natürlich hat er dabei Essbares für sie in der Hand). Ja, ich darf ihn dabei fotografieren. Die Tiere kennen mich, meint er, da passiert nichts.



    Zum Abschluss gehe ich wieder den alten Weg über den Green Park zum Buckingham Palast, auf den Hyde Park Corner zu, wo ich feststellen muss, dass hier um diese Uhrzeit keine Tube mehr hält. So habe ich aber Zeit, die dort auf den weißen, glasierten Steinen angebrachten Bilder zu Ehren Herzog Wellingtons und der Schlacht bei Waterloo zu betrachten. Dann laufe ich die Picadilly Street wieder hoch, um die Monumente für die in den Kriegen gefallenen Tiere zu besichtigen. Besonders beeindruckend ist der blau angeleuchtete, riesige Pferdekopf am Marble Arch. Und wieder einmal laufe ich, wie im Vorjahr, die endlose Bayswater Road, zum Glück nicht bis zum Holland Park, sondern nur bis fast zum Lancaster Gate. Dann rechts rein in die „Brook“, abbiegen in die „Sussex Garden“, und hier in die „London Street“. Und schon bin ich am Norfolk Square, und trete ein in mein "Shakespeare-Hotel". Brühe mir eine Kanne grünen Tee, und mache mich ran an die Reste vom Frühstück. Auch heute, stelle ich erfreut fest, bin ich, wie gestern, tagsüber ohne Mahlzeit ausgekommen; trotz der Strapazen. Im Gegenteil, ich muss mich beinah zum Essen zwingen. Prima, ich werde in London nicht nur in finanzieller Hinsicht abnehmen. That’s all for today, goodbye.








    https://www.fotocommunity.de/p…-h-rainer-polter/44238377

  • Sehr schöner Reisebericht, bereichert durch Deine interessanten Gedanken zu den einzelnen Stationen.:thumbup:


    Da hättest Du am Abend mehr verdient gehabt als die Reste vom morgendlichen Frühstück (Toast mit Marmelade?).;):prost:


    Bedeutet "14 Tage London und Umgebung, Kapitel 09", dass wir noch weitere Genesis-Exkursionen von Dir mitverfolgen können? Gerne doch!

    Match of the Day

    is the only way

    to spend your Saturday.

  • Sehr schöner Reisebericht, bereichert durch Deine interessanten Gedanken zu den einzelnen Stationen.:thumbup:


    Da hättest Du am Abend mehr verdient gehabt als die Reste vom morgendlichen Frühstück (Toast mit Marmelade?).;):prost:


    Bedeutet "14 Tage London und Umgebung, Kapitel 09", dass wir noch weitere Genesis-Exkursionen von Dir mitverfolgen können? Gerne doch!

    Kann ich nur zustimmen:thumbup:

    "Mal abgesehen von sanitären Einrichtungen, der Medizin, dem Schulwesen, Wein, der öffentlichen Ordnung, der Bewässerung, Straßen, der Wasseraufbereitung und der allgemeinen Krankenkassen, was, frage ich euch, haben die Römer je für uns getan?"

  • Sehr nette Erzählung. Schliesse mich den Vorschreibern an.


    War etwas an meine Reise in die eigene Vergangenheit erinnert, als ich nach über 40 Jahren an die Orte meiner Kindheit zurückkehrte. Meine ehemalige Grundschule war von einem mehr als zwei Meter hohen Zaun umgeben, Zugänge durch Stahltore versperrt. Hoppala! Früher war da alles offen, keine Zäune, keine Tore.

    Die Zeiten ändern sich.

    Zy
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    "The music is the true currency. It's more valuable than the accolades or the money. The relationship is with the invisible muse and you know if she's pleased or if she ain't." - Steve Hackett

  • Vielen Dank für das Lesen und die gute Annahme. Ich dachte mir beim Schreiben schon, dass, wenn es überhaupt jemanden interessiert, dann einige von Euch dafür infrage kommen.


    Nun ja, die Geschichte wird 15 Kapitel umfassen (der erste Tag betrifft Hamburg). Mein Interesse galt Orten mit Musikbezug, und der Fotografie, aber mit Genesis sieht es dann eher Mau aus. Ich war noch in Bramham Gardens in Chelsea, jene Straße, in die Tony Banks 1972 mit seiner Frau Margaret in eine Kellerwohnung (etwas ganz normales in London) gezogen ist; ich konnte aber die Hausnummer nicht in Erfahrung bringen, also habe ich dort einige Kellerwohnungen fotografiert ;-). Ich war im Regent Sound Studio in der Denmark Street, wo "From Genesis To Revelation" enstand, und am Trident Recording Studio in Soho, wo "Trespass" aufgenommen wurde, und an der Kreuzung in Soho, wo sich einst das Office von Charisma Records befand, im Holland Park, wo Steve Hackett manchmal joggen soll (ohne ihn aber anzutreffen), an der Battersee Power Station, wo Pink Floyd dereinst das Schwein für das Cover von Animals fliegen liessen, in der Britannia Row, wo The Wall aufgenommen wurde, und gleich die Schule liegt, wo sie die Kinder für den Gesang rekrutierten. Ansonsten habe ich zum Beispiel noch die Kleinstadt Dartford besucht und fast alle Orte in ihr, die Mick Jagger und Keith Richards betreffen (die dort aufgewachsen sind), und sehr vieles andere in London, betreffend The Who, Pink Floyd, Led Zeppelin, Beatles und Stones. Wenn alles fertig ist, kann ich es ja hier verlinken mit der Literaturplattform, wo ich es für einige Zeit einstellen werde.


    edit: ich war auch noch am Hilton Kensington. Dort hatte Collins geparkt, und er sah Hackett rumstehen. Kann ich dich mit ins Trident Studio nehmen? Wir mixen doch heute Seconds Out! Nee, lass mal. Ich rufe dich später an ;) Macht, na ja, Spaß? - irgend so was -, dort zu stehen, und sich das vorzustellen. Bloß - was fotografiert man da nur? Hab alles aufgenommen, das Hotel, die Bushaltestelle gegenüber, beides von fern - Phil und Steve sehe ich trotzdem nicht auf den Bildern ...


    Godalming Museum? Wusste ich gar nichts davon. Ein guter Grund, nochmal hinzufahren.

  • Ein toller Bericht. Der hat mich seh an meinen Englandurlaub mit Genesis-Bezug im Jahre 1997 erinnert.

    Damals bin ich mit der ganzen Family (heutige Ex-Frau und 2 Kinder) mit dem selbst umgebauten VW T3-Camper durch Südengland gefahren.

    Die erste Station war mein erstes Genesis-Tribute-Konzert mit ReGenesis im Half Moon Pub in Putney, in dem auch schon die Stones, the Who, Kate Bush etc. aufgetreten sind.


    Später haben wir in einem unterirdischen Steinbruch östlich von Bath, aus dem die Sandsteine für das georgianische Bath herausgesägt wurden, vom Betreiber erfahren, dass Peter Gabriel dort unten Aufnahmen gemacht hat. Als Gegenleistung war er u. a. im RealWorld Studio zu Gast. Von ihm habe ich mir umgehend die Wegbeschreibung dorthin geben lassen. Das war ja noch im Vor-Google Zeitalter! Wir sind dann auch nach Box gefahren und sind ein wenig um das Studio herumspaziert. Ich habe mich aber auch nicht getraut, näher zu treten.


    Zum Abschluss des Urlaubs haben wir dann auch Godalming besucht. In der sehr schönen Kleinstadt habe ich mich in einem Buchladen mit etlichen englischen Büchern eingedeckt und bin bei der Gelegenheit voll gegen einen niedrigen Fachwerkbalken gerannt. Aua!

    Wir sind dann auch mit dem Auto nach Charterhouse gefahren, aber dort haben wir uns ebenfalls nicht auf das Gelände getraut. Außerdem hat es den ganzen Tag wie aus Kübeln gegossen, so dass man, sobald man das Auto verließ, total durchnäst war. Soweit meine Erinnerungen!

    Ich hoffe auf weitere Berichte von Diener Reise, aber dann bitte - der besseren Lesbarkeit wegen - mit etwas mehr Absätzen. :thumbup::thumbup:

    Can you tell me where my country lies
    said the unifaun to her true love's eyes