Du hast bei Allem was du sagst, Recht!
Zu Gabriels Singen: Ich liebe Peter Gabriel, ich liebe seine Stimme, ich liebe seine Musik. Aber Phil Collins war in jeder Hinsicht ein ihm technisch überlegener Sänger. Man vergleiche eine Version von "I know what I like" von Gabriel jeglichen Zeitpunkts mit der absolut perfekten Version von Phil 2007. Die Töne so zu treffen ist schwer, und Phil hatte immer den Anspruch, absolut sauber zu singen. (dass es im Alter teilweise nicht mehr geht, ist eine andere Sache, aber zu ihren besten Zeiten verglichen (80-2000) war Phil gesanglich wirklich eine Bank.
Das sehe ich grundsätzlich ganz genau so. Gabriels Gesang lebt von den Klangfarben, von der Kraft und dem stimmlichen Charisma. Aber unter den Aspekten der "Stimmtechnik" fällt er bei mir gar nicht mal so unter die Rubrik 'richtiger Sänger' - im engeren Sinne. Er selbst verstand sich, glaube ich, lange Zeit auch nicht so. Ich habe das '87 live erlebt, wie merkwürdig nachlässig er mit den vokalen Anforderungen (und auch im Umgang mit dem Mikrophon) war. Und das ist auf ganz vielen Live-Aufnahmen ein wirklicher Wermutstropfen, natürlich auch zu Genesis-Zeiten. Dass er das "Lamb"-Archive ziemlich großflächig neu eingesungen hat, spricht auch Bände. Aber ebenso auf Studioalben sind seine Defizite in der Stimmkontrolle und -ausbildung und einer etwas ignoranten Haltung gegenüber der Intonation zu hören: "I know what I like" ist kein sängerischer Leckerbissen, sondern lebt von der theatralischen Vermittlung des Textes. Gabriel ist hier fast mehr "Actor" als "Singer".
Collins ist da anders. Genau, wie du sagst: Bei ihm spürt man den "Anspruch, absolut sauber zu singen". Er ist zu sehr Musiker, als dass er dies ignorieren könnte. Und er hat sehr gute Ohren, muss ich sagen, in vielerlei Hinsicht. Seine vokale Tonvorstellung: top. Deshalb höre ich mir eine ganze Reihe alter Genesis-Songs auch so gerne von Collins an, z.B. "Firth of fifth" oder "Cinema show" - oder eben auch IKWIL, das mir 2007 in der langen Fassung richtig gut gefiel bzw. eines meiner großen Highlights war. Von Collins gibt es nur wenige verkackte Töne über Jahrzehnte hinweg, so weit ich das gehört habe. Das ist schon wirklich wohltuend beeindruckend. Bei ihm wurde es immer dann kritisch, wenn er seine Stimme schlicht überfordert hat - dieses mit Kraft rauf in die Höhen (z.B. bei "Mama") hörte sich nicht immer so gesund an. Wenn ich mir dann vorstelle, dass er das auf großen Tourneen im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Gehtnichtmehr betrieben hat... davon werden die Stimmbänder nicht besser, das fordert seinen Preis.
Ein letztes Wort nochmal zu Gabriel (hab ich allerdings schon öfter geschrieben): Vor der "Scratch"-Tournee muss bei ihm irgendwas passiert sein. Ich meine zu erinnern, dass er da irgendwie auch mal was mit Vocalcoach oder so hatte. Jedenfalls hat er wohl gemerkt, dass diese Orchestergeschichte nur funktionieren und gut werden kann, wenn er vernünftig singt. Und da bin ich fast aus den Latschen gekippt, das war ganz, ganz fantastisch. Seither ist er in meinen Augen zum extrem spät aus den Hufen gekommen Sänger geworden. Und es hat mir gezeigt, dass er vorher wirklich ein Schlampi war.