Die Politik ist tot, es lebe die Politik! - kleiner politischer Frühschoppen, Live-Ticker, Austicker und was man sonst noch so zur Meinungsbildung braucht - oder auch nicht...

  • Mal was anderes, Politik aus den USA. In den letzten Tagen protestieren diverse Musiker und Bands gegen neuere Gesetze in verschiedenen US-Bundesstaaten die gegen Gleichbehandlungsgrundsätze verstoßen (Bruce Springsteen, Bryan Adams, Peal Jam). Religiöser Fanatismus kommt nicht nur von Muslimen, in den USA sind mal wieder die christlichen Fundamentalisten dran, zumindest in North Carolina und Mississippi.


    A statement from Bruce Springsteen on North Carolina - The Official Bruce Springsteen Website
    Pearl Jam News


    Ich kenne den Inhalt dieser neuen Gesetze zu wenig, um mich dazu äußern zu können.
    Jedoch muss ich sagen, dass ich die Absage von Konzerten als Form des Protestes armselig finde, denn sie trifft vor allem die Fans und Musikfreunde und eben nicht diejenigen, die solche Gesetze zu verantworten haben.
    Dies gilt umso mehr, als man durchaus davon ausgehen kann, dass viele Springsteen-Fans seine politische Einstellung teilen. Warum also diese dafür büßen lassen?
    Statt dessen hätte er das Konzert spielen und dann auf der Bühne ein klares Statement abgeben können.
    Ich verstehe auch nicht die Fans, die ihr Idol auch noch darin bestärken, mit dieser Konzertabsage die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Würde ein Künstler ein Konzert, für das ich eine Karte hätte, aus ähnlichen Gründen absagen, dann würde ich nie wieder Konzerte dieses Künstlers besuchen. So geht man mit Fans einfach nicht um. Das ist dumm und arrogant (und vor allem ändert sich dadurch politisch rein gar nichts).

    But we never leave the past behind, we just accumulate...

    "Von jedem Tag will ich was haben

    Was ich nicht vergesse

    Ein Lachen, ein Sieg, eine Träne

    Ein Schlag in die Fresse"

  • ...Jedoch muss ich sagen, dass ich die Absage von Konzerten als Form des Protestes armselig finde, denn sie trifft vor allem die Fans und Musikfreunde und eben nicht diejenigen, die solche Gesetze zu verantworten haben.
    Dies gilt umso mehr, als man durchaus davon ausgehen kann, dass viele Springsteen-Fans seine politische Einstellung teilen. Warum also diese dafür büßen lassen?
    Statt dessen hätte er das Konzert spielen und dann auf der Bühne ein klares Statement abgeben können.


    Klasse! So richtig schön Agitprop! Aber was will der seinen Fans denn da erzählen, wenn Künstler und Publikum sowieso einer Meinung sind?
    Da geht es wohl eher um das Medienecheo bei einer Konzertabsage, um auf das Problem aufmerksam zu machen.


    Ich verstehe auch nicht die Fans, die ihr Idol auch noch darin bestärken, mit dieser Konzertabsage die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Würde ein Künstler ein Konzert, für das ich eine Karte hätte, aus ähnlichen Gründen absagen, dann würde ich nie wieder Konzerte dieses Künstlers besuchen. So geht man mit Fans einfach nicht um. Das ist dumm und arrogant (und vor allem ändert sich dadurch politisch rein gar nichts).


    Mag sein, dass sich (allein) dadurch politisch nichts ändert. Das ist aber auch nicht der Anspruch, den solche Aktionen haben.
    Konzertboykott auf Lebenszeit wegen Absage des Künstlers weil ihm der Umgang mit Transgender nicht gefällt? Das wiederum erscheint mir ein klitzekleines bisschen übertrieben. Und dumm. Und arrogant. Aber wer weiß, vielleicht trügt ja der Schein...

    al's Lebensweisheiten:

    "Man muss sich seiner Arroganz schon bewusst sein, um sie genießen zu können."

  • Klasse! So richtig schön Agitprop! Aber was will der seinen Fans denn da erzählen, wenn Künstler und Publikum sowieso einer Meinung sind?
    Da geht es wohl eher um das Medienecheo bei einer Konzertabsage, um auf das Problem aufmerksam zu machen.


    Ein Medienecho würde der Künstler auch dann bekommen, wenn er seine Kritik in ein intelligentes Statement verpackt. Und wenn es ihm wirklich wichtig ist, warum nicht gleich einen neuen Song zum Thema schreiben und performen? Das Medienecho wäre ungleich größer.



    Mag sein, dass sich (allein) dadurch politisch nichts ändert. Das ist aber auch nicht der Anspruch, den solche Aktionen haben.


    Für mich wirken derartige Aktionen wenig durchdacht. Ich sage es noch einmal: Das Konzert hat mit dem beanstandeten Gesetz überhaupt nichts zu tun. Die gemachte Verbindung - beides passiert in dem gleichen Bundesstaat - ist an den Haaren herbei gezogen.
    Darüber hinaus finde ich den nun beobachtbaren "Solidarisierungseffekt" (Springsteen macht es vor und Bryan Adams macht es nach) auch wenig glaubwürdig. Für mich ist das der Versuch, mit übertriebener political correctness ein wenig gute PR für den eigenen Namen zu generieren. Hätte Springsteen nicht abgesagt, hätte Bryan Adams mit Sicherheit keinen Gedanken an eine Absage verschwendet.



    Konzertboykott auf Lebenszeit wegen Absage des Künstlers weil ihm der Umgang mit Transgender nicht gefällt? Das wiederum erscheint mir ein klitzekleines bisschen übertrieben. Und dumm. Und arrogant. Aber wer weiß, vielleicht trügt ja der Schein...


    Nun, da befinde ich mich in einer relativ glücklichen Lage. Musiker, die Politik über ihre Musik stellen, gehören eh nicht zu meinen Favoriten, so dass der von mir angedeutete Boykott ein rein hypothetischer ist.

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  • Als hätte der Augstein einfach nur zusammengefasst, was ich hier seit Tagen (Wochen?) schreibe:
    Jan Böhmermann: Witz, komm raus! - Kolumne - SPIEGEL ONLINE


    Mag sein, aber richtiger werden die Aussagen dadurch nicht...:teufelgrins:


    "Was hätte die Kanzlerin sonst machen sollen? Die Ermittlungen nach jenem unsinnigen Paragraf 103 erst unterbinden - und den Paragrafen dann schnell abschaffen? Das wäre ein tolles Beispiel für den vielbeschworenen Rechtsstaat gewesen, den wir den Türken doch vorleben wollen."


    Warum so ironisch? Genau dadurch zeichnet sich ein selbstbewusster Rechtsstaat nämlich aus. Der lässt sich nicht von irgendwelchen Pseudo-Demokraten für seine Zwecke instrumentalisieren.
    Für die rechtsstaatliche Strafverfolgung war § 103 nämlich überhaupt nicht nötig - was Augstein natürlich verschweigt.


    Und wenn ich schon diese an Dämlichkeit nicht mehr zu überbietenden Vergleiche lese:


    "Wenn man zu Anschauungszwecken an der Straßenecke eine Oma niederschlägt, um das Gewaltverbot zu erläutern, war das dennoch Körperverletzung."


    oder


    "Artikel 1 des Grundgesetzes handelt von der Würde des Menschen. Sie wiegt schwerer, als das Recht auf dumme Witze. Erdogan kann noch so brutal und gefährlich sein. Der Satire-Begriff ist kein Rechtsschutz für verbale Gewalt."


    Wer Böhmermanns satirische Vorwärtsverteidigung unserer Meinungsfreiheit als "dummen Witz" bezeichnet, hat leider gar nichts verstanden.
    Und wer darin "verbale Gewalt" entdeckt, ist wahrscheinlich auch ständig auf der Suche nach Mikroaggressionen...


    Andererseits, was will man von Augstein Vernünftiges erwarten?

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    2 Mal editiert, zuletzt von mutzelkönig ()

  • Das halte ich für eine gefährliche Mischung aus Verharmlosung und Glorifizierung seines Beitrags.


    Da müsstest du mir aber mal erläutern, was daran "gefährlich" oder "verharmlosend" sein soll.


    Ich finde es eher gefährlich, wenn die Bundesregierung auf den Angriff einer eher harmlosen Satire (Extra3) oder das ständige Einbestellen des Botschafters durch Erdogan zu verhalten reagiert.
    Dies vermittelt nämlich den Eindruck, dass man nicht wirklich hinter den Werten steht, die man immer so gerne bemüht oder diese gerne mal hinten an stellt, wenn es politisch gerade nicht opportun ist.

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    Einmal editiert, zuletzt von mutzelkönig ()

  • Merkwürdigerweise hat Charles Bukowski irgendwie ein kleines bischen den Punkt getroffen,
    ob es uns zu gut geht:
    Steuerflucht, ungerechte Besteuerung, ungerechte Entlohnung, VW-Boni, TTIP, Obama in Hannover??
    Nein, unsere Wut über all die vielen Ärgernisse entzündet sich am Katalysator Satirefreiheit.


    [Blockierte Grafik: https://scontent-frt3-1.xx.fbc…d6fe0f2c144d5&oe=57C03751]


    Merkel hätte sich nicht äußern dürfen.
    Nach tausend Fehlern ihrer Aussitz-Amtszeit stolpert sie ausgerechnet über ihre "bewußt verletzend"
    -(Privat?)-Fernsehkritik.
    Zum Glück, normalerweise konnte niemand mit solcher Idiotie rechnen.
    Deswegen zündet zu Recht auch gegen sie die Satire-Solidaritätskampagne
    Für ihr Verhalten wurde sie sogar durch die oberste Instanz, die Washington Post kritisiert.
    >> Causa Böhmermann: Washington Post kritisiert Kanzlerin Merkel für „Geschwafel“
    Dabei war da noch nicht erfolgt die von ihrer CDU geführten Bundesregierung beschlossene
    sog. "Freigabe des Strafverfahrens" nach §103 StGB.


    Eric und martinus disputieren über Gewaltenteilung und "kann"-Normen.
    Am Ende kommt es auf Ermessen an, Beurteilung des Sachverhalts durch "Bundesregierung".
    Das ist ein nicht überschaubares Verfahren, weil "die Bundesregierung" aus Nicht-Juristen
    und Nicht-Strafrechtlern besteht, also ganz sicher Rat sucht in der Beamten-Verwaltungsebene.
    Dort gehen über 1000 Lobbyisten ein und aus.
    Darunter sind kaum Vertreter der Kunstfreiheit und Meinungsfreiheit.
    Selbst die Öffentlichkeit ist dort nicht mit "Stimmen" vertreten
    (und leider halten nur 70% die sog. Freigabe für falsch).


    Welke 16.04.16: Dückmausertüm


    (PS: *murmel* stimmt, Ostwestfalen hatte ich vergessen.)

    Ich wundere mich weiter. Im Netz gibt es jede Menge Kampagnen.
    Böhmermann taucht erstmal ab, eigentlich schade, seinen Style mochte ich schon sehr.


    TM verweist zu Recht immer wieder darauf, dass die Satire sich nicht im Inhalt des Poems,
    also den Worten, sondern im Vorgang an sich gestalten wollte. Ja, das stimmt sicher.
    Nur waren halt die Normen § 103 + 104 StGB schon vorher lange Zeit in der Welt.
    Das Team Böhmermann hat darauf gewettet, dass die Bundesregierung souverän reagiert.
    Gezockt mit den Big-Players und verloren, weil die High Roller andere Karten ausspielen.


    Mein Unbehagen über seinen ausgerutschten Scoup toll zusammengefasst von
    Ehring 14.04.16: Coolster Typ oder Lehrer-Taschen-Träger
    .
    Ich möchte das nicht einfach so abklatschen, weil als Satire ge-labelt.

    • Offizieller Beitrag

    "Was hätte die Kanzlerin sonst machen sollen? Die Ermittlungen nach jenem unsinnigen Paragraf 103 erst unterbinden - und den Paragrafen dann schnell abschaffen? Das wäre ein tolles Beispiel für den vielbeschworenen Rechtsstaat gewesen, den wir den Türken doch vorleben wollen."


    Warum so ironisch? Genau dadurch zeichnet sich ein selbstbewusster Rechtsstaat nämlich aus. Der lässt sich nicht von irgendwelchen Pseudo-Demokraten für seine Zwecke instrumentalisieren. Für die rechtsstaatliche Strafverfolgung war § 103 nämlich überhaupt nicht nötig - was Augstein natürlich verschweigt.


    Aber es gibt ihn, er darf in Anspruch genommen werden. Und §104 gibt der Bundesregierung das Mittel an die Hand, willkürlich eine Strafverfolgung zu unterbinden - unter Umständen also die Ahndung einer Straftat aus reiner Willkür zu verhindern. Das hätte mit einem Rechtsstaat nichts zu tun! Wie sollte denn da irgendein deutscher Politiker ins Ausland gehen und irgendwem Predigten über Rechtspflege halten, ohne dass er oder sie schlichtweg ausgelacht wird.


    Andererseits - längst zugestanden - ist §103 auch keine leuchtendes Beispiel für die Gleichstellung aller vor dem Gesetz... aber er ist geltendes Recht, so irrelevant oder obsolet du das auch finden magst


    Zitat

    "Wenn man zu Anschauungszwecken an der Straßenecke eine Oma niederschlägt, um das Gewaltverbot zu erläutern, war das dennoch Körperverletzung."


    Ist diese Aussage denn falsch? Ja - oder nein? Darauf möchte ich von dir eine Antwort, mutzel!


    Verallgemeinern wir sie: "Wenn ich eine Straftat begehe, um die Strafbarkeit dieses Tat zu erläutern, dann habe ich dennoch eine Straftat begangen." Ist das richtig oder falsch? Darauf möchte ich von dir eine Antwort, mutzel!


    Zitat

    "Artikel 1 des Grundgesetzes handelt von der Würde des Menschen. Sie wiegt schwerer, als das Recht auf dumme Witze. Erdogan kann noch so brutal und gefährlich sein. Der Satire-Begriff ist kein Rechtsschutz für verbale Gewalt."


    Gut, wir streichen mal das Wort "dumm" und tauschen die "verbale Gewalt" gegen "verbale Ausfälligkeiten. Wiegt Artikel 1 GG schwerer als das Recht auf Witze? Ja - oder nein? Darauf möchte ich von dir eine Antwort, mutzel!


    Drei Antworten, dreimal "ja" oder "nein" oder eine Mischung daraus ... das geht ganz schnell, mutzel.