"Canterbury Tales"- bekanntes und unbekanntes musikalisches Terrain.

  • Neulich auf´s Neue auf die sog. "Canterbury-Szene" aufmerksam geworden, stellte ich fest dass mir einiges- wider Erwarten- inzwischen gefällt. :topp:
    Hörgewohnheiten ändern sich- entwickeln sich, wie ich wieder mal- zu meiner eigenen Überaschung- feststellen musste. :eek:

    Wo ich vor ein paar Jahren noch voller Schaudern zurückgewichen bin, sobald von Bands die Rede war, die der "Canterbury-Scene" zugerechnet wurden, erschliesst sich mir heute v.a. der Bereich in dem (Free-)Jazz- im weitesten Sinne- äusserst virtuos und auch melodiös, zelibriert wurde. :cool:

    Die Kreise schliessen sich ja in besagter Szene immer wieder und in diversen Bands jener "Gattung" begegneten sich dieselben Musiker immer wieder.
    Einen ersten Überblick zeigt dieser "Stammbaum" der weit verzweigten "Canterbury-Family":
    COLLAPSO-Canterbury Music Family Tree

    Allgemein bekannteste Bands dürften ja: Caravan, Soft Machine, National Health, Hatfield and the North, Egg, Gilgamesh und Gong sein (um hier nur die prominentesten Beispiele zu nennen).
    Nach kurzer Recherche stellte ich fest, dass mitunter sogar auch Camel und Bill Bruford unter dieser Musik-Kategorie aufgelistet werden. :gruebel:

    Die Namensgebung des Überbegriffes stammt wohl daher, dass etliche Bands/bzw. deren Mitglieder z.T. aus der Region um Canterbury beheimatet waren.
    Der Stil wird v.a. durch ein relativ "freies Spiel", bis hin zum extatischen zelibrieren von "Free-Jazz-Sessions" gekennzeichnet. Es wurde sich dabei tatsächlich teilw. an solchen Jazz-Grössen, wie John Coltrane, Ornette Coleman un Dizzy Gillespie orientiert.

    Hier ein Ausschnitt zur "Canterbury-Szene" aus einer BBC-Dokumentation:
    The Canterbury Scene on BBC Prog Rock Britannia [2008] - YouTube

    Dann gibt es hier auch noch eine recht umfangreiche Seite/Forum zum Thema:
    http://calyx.perso.neuf.fr/

    Mich persönlich spricht hier immer wieder die Kreativität, der Einfallsreichtum, sowie die hohe musikalische Könnerschaft einzelner Musiker an, wie z.B. eines: Dave Steward, Pierre Moerlen, Allan Holdsworth, Steve Hillage und natürlich (so er mit seinem Solo-Werk denn dazuzzurechnen ist) eines Mr. Bruford. Letzterer hat zumindest später mit einigen der o.g. Musiker zusammen musiziert. ;)
    Bill Bruford"Rock goes to college" LIVE - YouTube

    Etliches aus der "Canterbury-Ecke" geht mir inzwischen unmittelbar und völlig-vergnüglich und geschmeidig in die Gehörgänge. :) Siehe auch hier:
    http://www.genesis-fanclub.de/it-forum/377821-post9.html
    und hier:
    http://www.genesis-fanclub.de/it-forum/377765-post5.html
    http://www.genesis-fanclub.de/it-forum/377894-post2355.html

    Wohingegen mir anderes weiterhin "sperrig"/"eckig" und an der Grenze zur (atonalen-)Ungeniessbarkeit befremdlich bleibt... :augenrollen: (Z.B. nachwievor auch vieles von Gong).

    Zur weiteren Erkundung dieses für mich wohl weithin unerforschten "Landes" möchte ich insbesondere auch die "alten-Hasen" hier um "Nachhilfe-Unterricht" für eine (in mancher Hinsicht) "zu-spät-geborene" bitten! :D
    Was wisst ihr interessantes über diese Musik-Szene? Welche Bands/Alben haltet ihr für empfehlenswert? Was habt ihr an Hörproben/ evtl. Links zu diesem Thema, als Tips?

    Ich wünsche mir jedenfalls rege Beiträge und eine bereichernde Diskussion auf der musikalischen "Reise" nach Canterbury! ;)

    PACKUNGSBEILAGE MIT WARNHINWEISEN:
    Alle hier von mir geposteten Beiträge stellen lediglich meine ganz persönliche und somit subjektive Ansicht dar! ;)


    "...Download love and download war
    Download the shit you didn´t want
    Download the things that make you mad
    Download the live you wish you had..."


    Nordlichter Stargast ´2012 !

    4 Mal editiert, zuletzt von RiverOfChange65 () aus folgendem Grund: Ergänzungen.

  • Ob man "Canterbury Scene" als musikalische Gattung bezeichnen kann, wage ich zu bezweifeln.
    Laut Robert Waytt gab es nie eine "Canterburyszene".
    Wie bei vielen anderen Schubladen auch, gibt es keine Trennschärfe des Begriffs, auch wurde der Canterbury Rock erst rückblickend als solcher definiert.
    Es gab in Canterbury lediglich die Band Wilde Flowers, aus denen Caravan und Soft Machine formiert wurden.
    Alle Kollaborationen die aus den einzelnen Solisten von diesen Bands hervorgingen, wurden zukünftig unter Canterbury Rock subsumiert.
    Als Hauptmerkmal haben Sie zumindest einen deutlichen Jazz-Bezug gemeinsam und könnten deshalb als britische Variante des Jazzrock gelten.
    Allerdings gab es auch andere Bands wie Colosseum, Nucleus oder die Graham Bond Organisation (weniger bekannt: Web, Locomotive, Bob Downes Open) die schon in den 60ern Jazz und Rockelemente verquickt haben.
    Mit der Zeit wurde die Begriffsmarke "Canterbury Sound" auch ähnlich klingenden Bands aus der ganzen Welt angeheftet und ausgedehnt.
    Z.B. Dedalus, Picchio dal Pozzo (Italien) Cos und Moving Celatine Plates aus Frankreich oder Supersister aus Holland.

    Keep Your Mind Open!

  • Die Keimzelle der "Canterbury Scene" war das Daevid Allen Trio mit Hugh Hopper und Robert Wyatt.
    Allen (Jahrgang 38) war in New York und Paris, bevor er sich 1963 in Canterbury, für eine Weile niederließ.
    Er hatte schon viele Jazzgrößen Live erlebt und brachte eine große Sammlung Jazzplatten mit, die unter der Musikinteressierten Jugend herum gereicht wurden.
    Er war eigentlich als Beatpoet unterwegs und hielt Lesungen, machte aber auch Musik und ähm, andere Experimente.
    Es war wohl dieser Einfluss, der die Musiker so stark prägte.
    Nach einer Frankreich-Tour mit Soft Machine, wurde Allen (Australier) die Einreise ins Königreich verweigert, weil wohl seine Arbeitserlaubnis abgelaufen wäre.
    Andere Stimmen behaupten, dass man diesen Freak, der die Jugend mit seinen schrägen Philosophien verderbe, nicht mehr in England haben wollte.
    So blieb Allen in Frankreich und gründete Gong, eine andere große Band des Canterbury Rocks.

    Keep Your Mind Open!

    • Offizieller Beitrag

    Meine Begegnungen mit der Canterbury Scene beschränkt sich auf das Solowerk von Steve Hillage. Er hatte in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre einige Songs, die in den progressiven Radiomagazinen wie "Rock-in" (WDR2) liefen, darunter Electrick Gypsies, Lunar Music Suite oder seine geniale Version von Buddy Hollys Not Fade Away. 1979 hatte ich mir aufgrund herausragender Rezensionen sein Album "Live Herald" zugelegt, das mit drei Live- und einer Studioseite daherkam (das Konzept habe ich später nochmal irgendwo gesehen...). Mit der Studioseite konnte ich wenig anfangen, umso mehr begeisterte mich der Live-Teil. Erst im letzten Jahr habe ich das Album als CD gekauft - ohne die Studiotracks, dafür mit einem weiteren Live-Bonustrack (auch das kam mir bekannt vor...). Und da seine 2007-Remasters gerade preiswert zu haben waren, hatte ich gleich die ersten vier Studioalben mitbestellt.


    Ich muss jedoch sagen, dass mir das Hören relativ schwer gefallen ist - ich kann ausufernden Gitarrensoli nicht mehr ganz soviel abgewinnen, wie ich das offenbar noch 1979 konnte. Oder anders ausgedrückt: die Musik ist über weite Strecken doch arg nervig. Allein, wenn Hillage sich die Mühe macht, auf den Punkt zukommen (was für ihn "weniger improvisieren" heißt) oder seiner Partnerin Miquette Giraudy mehr Freiraum für ihre Sequencer gibt, sind die Songs nach wie vor gut. Auf seinem zweiten Album "L" hat er das am besten hinbekommen, bezeichnenderweise hat es mit Hurdy Gurdy Man, Om Nama Shivaya und It's All Too Much gleich drei ausgezeichnete Coverversionen. Da der Rest praktisch nur aus der Lunar Music Suite und Electrick Gypsies besteht, ist es mit Abstand mein Favorit unter den Studioalben - "Live Herald" ist allerdings noch einen Tick besser.


    Auch der Erfinder der "Rock Family Trees", Pete Frame, hat die Canterbury Scene schon vor längerer Zeit verewigt. In seinem gleichnamigen Buch hat sie eine eigene ausklappbare Doppelseite.



  • Glaube zu verstehen was du meinst: :aha:

    Steve Hillage Live 1977 Part 2 of 3 - YouTube Die "Lunar Music Suite": Da geht ordendlich "die-Post-ab"! :cool:

    Steve Hillage Live 1977 Part 1 of 3 - YouTube Die "Solar Music Suite". Ein Stück von meinem persönlichen Fav-Album (von ihm) "Fish Rising". ;)

    Steve Hillage Live 1977 Part 3 of 3 - YouTube Dies hört sich z.T. schon noch sehr nach seinen "Gong-Wurzeln"- psychedelisch-spacig- an... Tatsächlich teilweise etwas "ausufernd". :augenrollen: Hat aber auch ein bischen was von: "Mike-Oldfield-meets-Grobschnitt-meets-TG"... :D

    Die "elegante" Überleitung::rolleyes: Steve Hillage gilt ja als einer der Mitbegründer, der relativ wechselvollen ("Besetzungs-technisch" und daher auch "Sound-mässig") Band "Gong".
    http://upload.wikimedia.org/wi…mmons/2/2e/GongFamily.png
    http://de.wikipedia.org/wiki/Gong_(Band)

    Muss jedoch dazu sagen, dass mir die Musik aus der Anfangs-Phase dieser Band weitestgehend zu "abgefahren" ist :augenrollen:.
    Da entsteht in mir doch unmittelbar der "böse-Verdacht":teufelgrins: des exorbitanten Acid-Konsums der Protagonisten, bei der Entstehung jener "Sound-Experimente"! :eek:

    Die Alben, die zwischen 1975-1978 (unter Leitung des Schlagzeugers Pierre Moerlen) entstanden sind, mag ich als einzige richtig.
    Hiervon sind meine Fav´s: "Gazeuse!" (in USA unter dem Titel "Expresso I" veröffentlicht) und "Expresso II".
    Wobei letzteres M.M.n. gegenüber dem erst-genannten bereits wieder etwas abfällt...
    Hierbei gefällt mir insbesondere Mireille Bauer´s lebendig-percussives Vibrafon-(ect.) Spiel. Das erlebe ich als richtig schwungvoll-mitreissend!
    Insgesamt schöner, eingängiger Jazz-Fusion! :topp:
    Und: wen überrascht das jetzt noch? Auch Mr. Holdsworth ist hier wieder mit von der Partie. :cool:
    (Leider sind hierzu sämtl. Links auf YT gesperrt:().

    Btw.: Pierre Moerlen hat u.a. auch mit Mike Oldfield zusammengearbeitet...

    PACKUNGSBEILAGE MIT WARNHINWEISEN:
    Alle hier von mir geposteten Beiträge stellen lediglich meine ganz persönliche und somit subjektive Ansicht dar! ;)


    "...Download love and download war
    Download the shit you didn´t want
    Download the things that make you mad
    Download the live you wish you had..."


    Nordlichter Stargast ´2012 !

    Einmal editiert, zuletzt von RiverOfChange65 () aus folgendem Grund: Hervorhebungen/Layout.

  • Von Steve Hillage finde ich auch Fish Rising und L am besten.
    Nach Live Herald veränderte er sein stilistisches Spektrum Richtung Ambient Music.
    Dann war er ja auch an der Bankstatement beteiligt.
    Seine besten Werke waren imho Space Shanty mit Kahn und You mit Gong.


    Mike Oldfield wollt übrigens (nach Ommadawn) mal bei Gong einsteigen was aber vertraglich nicht zulässig war.

    Keep Your Mind Open!

    • Offizieller Beitrag

    Ein Bürokollege hatte mir letztens das CARAVAN-Album "In the Land of Grey and Pink" empfohlen. Das kann man sich HIER komplett anhören. Hatte ich gemacht und fand es schonmal gar nicht schlecht. Nach etwas Recherche habe ich herausgefunden, dass Steven Wilson das Album vor zwei Jahren in Stereo und 5.1-Surround neu abgemischt hat. Diese neuen Mixe kann man auf der 3-Disk-Deluxe-Edition hören, die ich dann im Amazon-Marketplace für nicht mal 12 Euro gekauft habe.


    [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/51q3XrOJgkL._SX450_.jpg]


    Letzte Woche habe ich das Album dann zum ersten Mal in Surround gehört und bin verhalten begeistert. Die Musik ist zweifelsfrei gealtert, aber in Würde. Klangliche Patina ist jedoch nicht zu vernehmen, der neue Mix klingt frisch und interessant - eben so wie man das inzwischen von Herrn Wilson gewohnt ist. Ein wenig enttäuschend ist lediglich der fast 23minütige Longtrack Nine Feet Underground - das hatte ich mir spannender vorgestellt, ist aber eine eher unzusammenhängende Suite aus aneinandergebastelten Einzelsongs. Dennoch wurde es zu keinem Zeitpunkt langweilig oder nervend. Witzig auch die beiden Beat-Club-Videos, leider nur mit Mono-Ton. So wie ich gelesen habe, scheint dies das definitive Caravan-Album zu sein. Eine runde Sache.


    Verpackung und Aufmachung ist wie bei allen Deluxe-Editionen von Universal hervorragend, das Booklet ist detailreich und lesenswert, dazu mit hübschen Fotos und Singlecovern bebildert. Nur das Fehlen des Plastikschubers fällt auch hier negativ auf, da das Digipak mangels Steifigkeit wieder einmal mit einem Knick im Rücken ankam. Inzwischen schicke ich sowas nicht mal mehr zurück, denn der Rest der Auflage sieht sicherlich genauso aus.

  • Meines erachtens passen die aktuellen Gong ja nicht mehr so richtig in die "Canterbury"-Schiene, aber mangels eigenen Threads hier der HInweis, dass die im November/Dezember 2024 relativ ausgedehnt touren werden mit mehreren Terminen in forumrelevanten Gefilden. Hab sie letztes Jahr gesehen, unbedingte Empfehlung für alle, dies auch gern mal ein wenig schräg abgespaced mögen.

    you're the ones we've been waiting for...
    Genesis - 98 München - 07 Linz, Düsseldorf x 2, Berlin, München - 22 Berlin x 2, London x 2