Steve Hackett: Genesis Revisited (I, 1996) aus heutiger Sicht

    • Offizieller Beitrag

    Mahlzeit


    Im Schatten der anstehenden Veröffentlichung des neues Werkes Genesis Revisted II wollen wir auch mal einen Blick zurück werden. 16 Jahre, um genau zu sein. Da erschien 1996 Genesis Revisited in Japan und wurde damals für Genesis-Fans ein kleines Juwel.


    Unsere Rezension aus dem it-Magazin ist auch online:
    Deutscher Genesis Fanclub it: Steve Hackett - Genesis Revisited - CD Rezension


    Nun wollen wir wissen: Was haltet ihr von dem Album? Wie habt ihr es früher gesehen, wie ordnet ihr es heute ein? Welche Songs haltet ihr für gelungen, welche nicht, beiu welchen hat sich eure Stimmung über die Jahre geändert? Welche Musiker machten einen guten Job, wer hat gut, wer schlecht gesungen?

    • Offizieller Beitrag

    Also ich stand und stehe nach wie vor etwas zwiegespalten dem ersten Genesis Revisited Album gegenüber. Unterm Strich finde ich, dass das Album dann jeweils am besten funktioniert, wenn sich Hackett pur aufs "Covern" beschränkt und den Songs nur ein zeitgemäßeres Arrangement verpasst. Positive Beispiele:
    "Watcher", "Volcano", "For Absent Friends" und mit ganz leichten Abstrichen "Fountain".
    Insbesondere "Dance on a volcano" ist (zieht man den "Gesang" ab) eine Killerversion. Sehr druckvoll, sehr nah an der Genesis-Version aus dem Old-Medley, sehr genau. Macht einfach Spaß.


    Was auch sehr gut funktioniert ist die Coverversion von "Your own special way". Ich weiß, viele verteufeln diese Version als "80ies Pop", aber ich finde hier gelingt Hackett es, den Song von den ursprünglichen Arrangement-Sünden zu befreien und seinen eigentlichen Kern - ein typischer Rutherford-Popsong - freizulegen. Ja "Your Own Special Way" war schon immer ein Popsong, der von Genesis damals nur krampfhaft Richtung Progpop gezogen wurde und so nie funktionierte. In der Hackett-Variante funktioniert der Song dagegen endlich und macht zumindest mir so viel mehr Spaß. Dahingehend passt auch der Gesangsstil von Carrack hier wie die Faust aufs Auge.


    Ebenfalls sehr gut ist "Deja vu". Hätte mit Genesis sicher um einiges anders geklungen, aber als Song so wie er ist gefällt er mir einfach sehr gut.



    Nun aber die negativen Aspekte:
    1.) Ausnahmslos keine der teils massiven Eingriffe Hacketts in einige Songs gefallen mir. Ich finde sie bestenfalls unnötig (d.h. sie geben dem Song nichts an Mehrwert, stören aber auch nicht; so z.B. bei "Fountain"), in den meisten Fällen dagegen einfach nur ärgerlich:
    - Valley of the kings: Nettes Hackett-Instrumental, aber was macht es auf dieser CD? Ist nicht von Genesis, klingt nicht nach Genesis, wirkt hier wie ein Fremdkörper.
    - Firth of Fifth: Warum ausgerechnet Tonys Solo streichen? Eine Todsünde! Einfach neben Hacketts Solo einen DER Hauptpfeiler der Komposition streichen und durch belangloses Möchtegern-Jazzgedudel ohne kompositorische Substanz zu ersetzen, ist einfach nur unnötig und ärgerlich. Setzen, sechs!
    - Waiting Room Only: War schon auf "The Lamb" verzichtbar und macht hier ohne den Storybackground noch weniger Sinn. Nimmt einfach sinnlos Spielzeit der CD weg ohne dem Hörer wirklich etwas von Substanz zu bieten.
    - I know what I Like: Spaßig, das ganz als Dixieland/Countryversion zu spielen, aber wirklich Spaß machts mir dann auch nicht und gewinnt dem Song nun auch keine neuen Seiten ab.
    - Los Endos: Macht die ersten 1:30 Minuten wirklich Spaß. Viel Druck, frische Sounds, aber dann begeht Hackett den gleichen Fehler wie bei "Firth of Fifth": er reißt elementare Bestandteile der Komposition auseinander UND ersetzt diese durch faktisch NICHTS. An die Stelle der Komposition tritt "Gedudel" ohne kompositorische Substanz. Immerhin findet er zur Squonk-Reprise zurück, begeht da aber den nächsten Fehler, indem er dem Song den Abschluss raubt und die Reprise gefühlt endlos wiederholt und noch dazu den vorher tollen Rhythmus durch Marschgetrommel ersetzt, was dem ganzen jeglichen Druck nimmt. Anstatt das der Song und damit das Album als tolles Finale endet, dudelt es sich endlos in den Fade-Out.


    2.) Hackett singt! Muss an sich nicht negativ sein, bei "Fountain" funktioniert es, da er hier seine Stimme unbearbeitet lässt und sogar zeigt, dass er es kann! Aber was hat ihn geritten ausgerechnet bei "Dance on a volcano" verzerrt und fast melodielos zu singen? Ich meine zum einen kann er es, hat es also nicht nötig und hat zum anderen soviel bessere Sänger am Start. Also warum dann ausgerechnet diesen Song damit so verhunzen?



    Unterm Strich also viel Licht aber ebenso viel sehr schwarzen Schatten. Fürs nächste "Revisited" Album hoffe ich daher auf:
    - möglichst von der Komposition weitestgehend originalbelassene Songs
    - frische geänderte Arrangements (z.B. Synthieflächen wo vorher technisch bedingt nur Orgel war); Watcher of the skies oder Dance on a volcano sind hier gute Beispiele für den Weg, den er einschlagen sollte.
    - keine massiven Eingriffe in die Komposition, kein Weglassen elementarer Parts und Ersetzen dergleichen durch substanzloses Improvisationsgedudel
    - wenn Hackett singt, dann bitte "as is" ohne Effektorgien auf seiner Stimme. Hat er nicht nötig.



    EDIT: "Los Endos" hat in meiner Aufzählung gefehlt als Name.

  • Ich verweise hier einfach mal aufs letzte "Wort zum Samstag". Im Prinzip gebe ich Prophet in vielen Dingen recht, wie wohl auch die meisten hier. Nur bei I know what i like bin ich anderer und somit richtigerer (:p) Meinung als er. Ich höre diese Version sehr gern und gewinne ihr zumindest mehr ab als den unzähligen, immer simpler werdenden Liveversionen von Genesis.


    Fazit: Reicht bei mir leider nichtmal für "Durchwachsen", meine Grundstimmung ist eher negativ. Stücke wie Waiting room only und I know what i like retten leider weder vor mittelmäßigen Umsetzungen wie Watcher und Fountain, noch vor Totalausfällen wie Dance on a Volcano oder Your own special pain.

    Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.

    • Offizieller Beitrag


    - Firth of Fifth: Warum ausgerechnet Tonys Solo streichen? Eine Todsünde! Einfach neben Hacketts Solo einen DER Hauptpfeiler der Komposition streichen und durch belangloses Möchtegern-Jazzgedudel ohne kompositorische Substanz zu ersetzen, ist einfach nur unnötig und ärgerlich. Setzen, sechs!


    chapeau, eine glatte eins. Also nicht für Prophets Kommentar, sondern für Steves Version.


    genau darin liegt auch glaube ich der Reiz des Erstlings - er hat viele Songs sehr strapaziert. Dabei hatte er gerade bei Firth of Fifth "one of Tony's finest, in my humble opinion" noch Tony Banks hofiert.


    Aber für mich ist Firth of Fifth der Gipfel dieses Albums, ein gandioses Juwel, musikalisch hochwertig und in der Umsetzung mutig und einfach mehr als nur gelungen. Allein der Übergang vom Gejazze zum Steve-Solo ist einmalig.


    Für mich ist das die vielleicht ultimative Version dieses Songs. Danke dafür!

    • Offizieller Beitrag


    - möglichst von der Komposition weitestgehend originalbelassene Songs


    - keine massiven Eingriffe in die Komposition, kein Weglassen elementarer Parts und Ersetzen dergleichen durch substanzloses Improvisationsgedudel



    Tut mir leid: wofür braucht man ein Album, das einfach nur das unerreichbare Original nachspielt???

  • Tut mir leid: wofür braucht man ein Album, das einfach nur das unerreichbare Original nachspielt???


    Um den unübertrefflichen , einmaligen Charakter zu würdigen, ohne ihn zu zerstören!


    Gegenfrage: Weshalb werden Werke der Kunstmusik immer noch Notengetreu eingespielt und auf CD veröffentlicht,obwohl es schon dutzende "ultimative" Versionen gibt?

    Hier steht nichts wichtiges! Trotzdem danke für's Lesen.

    • Offizieller Beitrag

    Tut mir leid: wofür braucht man ein Album, das einfach nur das unerreichbare Original nachspielt???


    Es gibt einen feinen Unterschied zwischen Covern / neu arrangieren / Songs in ein neues Licht setzen und Songs zerpflücken, wichtige Teile der Komposition rausreißen und durch andere Parts ersetzen.


    Ersteres finde ich toll, so habe ich z.B. wie geschrieben kein Problem mit Steve's Version von "Your Own Special Way", ich finde diese sogar grandios, weil er hier den Kern des Songs auf den Punkt bringt, was Genesis vorher nicht gelang. Und niemand würde sagen, dass diese Version nur "nachgespielt" sei. Sowas will ich hören. Ähnliches Beispiel wäre Nick D'Virgilio Version von "The Lamb".


    Was aber in meinen Augen nicht geht oder zumindest bei Steve's erstem Genesis-Revisited-Album über weite Strecken nicht funktionierte, ist das Außeinanderreißen der Komposition, das Streichen elementarer Teile der Komposition und Ersetzen dergleichen durch "Gedudel".

  • Um den unübertrefflichen , einmaligen Charakter zu würdigen, ohne ihn zu zerstören!



    Das ist auch bei Coverversionen möglich, die sich weit vom Original entfernen. Nick D'Virgilio z.B. ist das bei seinem "Rewiring Genesis" Projekt zum Teil sehr gut gelungen.

    Gegenfrage: Weshalb werden Werke der Kunstmusik immer noch Notengetreu eingespielt und auf CD veröffentlicht,obwohl es schon dutzende "ultimative" Versionen gibt?



    Der Vergleich hinkt, da es hier gar keine "Originalversion" gibt. Die Urheber haben uns nunmal keine Aufnahmen, sondern "nur" Kompositionen hinterlassen. Und die Unterschiede bei den Interpretationen sind ja zum Teil immens.

    Wenn sich Interpreten immer nur sklavisch an die Originalversionen gehalten hätten, wären z.B. Dylans All Along The Watchtower, Cohens Halleluhja oder With A Little Help From My Friends von den Beatles heute wohl weitgehend in Vergessenheit geraten.

    Hier covert sich der Künstler selbst; das hat es bei Genesis & Co. auch schon öfter gegeben. Phil Collins' Version von Behind The Lines macht richtig Spaß. Gleiches gilt für Gabriels Version von Back in NYC. Und bei den Mechanics klingen I Can't Dance oder Follow You Follow Me sicher auch anders als die Originale - und nicht nur wegen der anderen Stimmen. Bei Peter Gabriel freuen wir uns auch, wenn alte Songs in verändertem Arrangement dargeboten werden (bei der Up Tour fand ich besonders eindrucksvoll Digging In The Dirt und Secret World, die beide ganz anders als zu US-Zeiten klangen. Auch Genesis haben in den 70ern noch ab und an zumindest kleine Variationen in die Arrangements eingebaut. Bei späteren Touren wurde die Band eher dafür kritisiert, dass sie sich so star an die Originalversionen klammern.

    “THE NIGHT WE TRACKED DOWN PHIL COLLINS, BECAME BEST FRIENDS WITH HIM, AND TALKED HIM INTO REUNITING WITH PETER GABRIEL, AND THEN WE GOT TO SING BACKUP ON THE NEW GENESIS ALBUM AND IT WAS AWESOME!”

    — Barney Stinson, How I Met Your Mother, Season 7, Episode 21 ‘Now We’re Even’

  • Das ist auch bei Coverversionen möglich, die sich weit vom Original entfernen. Nick D'Virgilio z.B. ist das bei seinem "Rewiring Genesis" Projekt zum Teil sehr gut gelungen.


    Das ist Ausdruck Deines Geschmacks,aber ebensowenig objektivierbar,wie das Gegenteil,meine ich.



    Der Vergleich hinkt, da es hier gar keine "Originalversion" gibt. Die Urheber haben uns nunmal keine Aufnahmen, sondern "nur" Kompositionen hinterlassen. Und die Unterschiede bei den Interpretationen sind ja zum Teil immens.


    Hink auch! Die Komponisten haben die Instrumentierung eindeutig festgelegt. Wenn,wie bei Revisited1 ganze Instrumentengruppen ausgetauscht und Wesensmerkmale der Komposition geändert oder ausgelassen werden,möchte ich nicht mehr von einer Interpretation sprechen,sondern von Neukomposition unter Verwendung von Zitaten.



    Zitat

    Wenn sich Interpreten immer nur sklavisch an die Originalversionen gehalten hätten, wären z.B. Dylans All Along The Watchtower, Cohens Halleluhja oder With A Little Help From My Friends von den Beatles heute wohl weitgehend in Vergessenheit geraten.

    Das fände ich nicht in allen Fällen ganz furchtbar schlimm;)
    Sollte sich Steve bei Revisited 2 tatsächlich durchgehend nah am Original bewegen,tut er doch trotzdem was gegen das vergessen.

    Zitat

    Hier covert sich der Künstler selbst; das hat es bei Genesis & Co. auch schon öfter gegeben. Phil Collins' Version von Behind The Lines macht richtig Spaß. ..

    Collins Version von "behind...." ist sogar erheblich spannender. Aber substanziell ist das doch m.E. eher eine neue Komposition als eine Interpretation.

    Hier steht nichts wichtiges! Trotzdem danke für's Lesen.

    Einmal editiert, zuletzt von revelation ()

  • Das ist Ausdruck Deines Geschmacks,aber ebensowenig objektivierbar,wie das Gegenteil,meine ich.



    Das stimmt natürlich. Die Geschmäcker sind verschieden, das war aber auch nur ein Beispiel. Sicherlich gibt es andere Beispiele, bei denen du zustimmen würdest.

    Hink auch! Die Komponisten haben die Instrumentierung eindeutig festgelegt. Wenn,wie bei Revisited1 ganze Instrumentengruppen ausgetauscht und Wesensmerkmale der Komposition geändert oder ausgelassen werden,möchte ich nicht mehr von einer Interpretation sprechen,sondern von Neukomposition unter Verwendung von Zitaten.



    Trotzdem gibt es ja auch in der Klassik regelmäßige Beispiele, bei denen die Kompositionen für andere Instrumentierungen "angepasst" werden. Und auch hier werden öfter nur Auszüge dargeboten und nicht unbedingt die komplette Komposition. Werden neue Elemente hinzugefügt, handelt es sich natürlich um eine Erweiterung der Komposition bzw. Neukomposition unter Verwendung von Zitaten. Allerdings kommt es hier schon auf den Umfang drauf an. Bei Hackett würde ich doch eher von einer Erweiterung sprechen. Teilweise hat er ja einfach nur in paar Jams und freie Improvisationen eingefügt.


    Das fände ich nicht in allen Fällen ganz furchtbar schlimm;)


    Wie gesagt, die Geschmäcker ..., siehe oben ;)


    Collins Version von "behind...." ist sogar erheblich spannender. Aber substanziell ist das doch m.E. eher eine neue Komposition als eine Interpretation.


    Nein, die Komposition ist die gleiche. Collins Version ist einfach nur schneller mit einem anderen Rhythmus.

    “THE NIGHT WE TRACKED DOWN PHIL COLLINS, BECAME BEST FRIENDS WITH HIM, AND TALKED HIM INTO REUNITING WITH PETER GABRIEL, AND THEN WE GOT TO SING BACKUP ON THE NEW GENESIS ALBUM AND IT WAS AWESOME!”

    — Barney Stinson, How I Met Your Mother, Season 7, Episode 21 ‘Now We’re Even’