Lou Reed & Metallica

  • Irgendwie hab ich bei "The View" das Gefühl, dass mir jemand (Lou Reed) etwas erzählen möchte und ich ihm nicht richtig zuhören kann, weil da ein anderer die Mucke zu laut aufgedreht hat. :rolleyes:


    Nötigt auf jeden Fall Respekt hab. Hätte ich Metallica nicht zugetraut, so ein Experiment einzugehen - da werden einige die-hards ihre Platten verbrennen ;)


    Da werden Erinnerungen an ein umstrittenes Genesis Album wach. :Satiremodus aus:

    GENESIS

    In Concert

    1978 Saarbrücken Ludwigsparkstadion 1981 Frankfurt/M Festhalle

    1987 Mannheim Maimarktgelände

    1992 Hockenheim Motodrom - 2007 Stuttgart Gottlieb-Daimler-Stadion

    2022 Hannover Expo

    ..

    Steve Hackett

    In Concert

    2009 Remscheid - 2014 Bochum 2015 Dortmund  

    2017 Hamburg 2019 Hamburg

    ..

    Peter Gabriel

    In Concert

    2013 Stuttgart 2023 Hamburg

    ..

    Anthony Phillips

    2014 Welkers

  • Das Schöne an LULU ist nicht das Album selbst, sondern die Tatsache, dass es so viele Möglichkeiten für musikalische Diskussionen eröffnet.


    Interessant, was man in den Kundenrezensionen bei amazon so alles lesen kann - besonders in den positiven Kritiken. Gehen wir doch einmal einigen Behauptungen auf den Grund. Ich zitiere mal sinngemäß:


    1. "Dies ist die Zusammenarbeit zweier musikalischer Legenden."


    Mit Legendenbildungen sollte man immer vorsichtig sein. Gerade im Musikjournalismus taucht der Begriff "Legende" besonders gerne im Zusammenhang mit Künstlern auf, bei denen dem Leser vielleicht - und oft völlig zu recht - nicht klar ist, warum dieser Künstler eine "Legende" ist. Besonders interessant wird es, wenn der Begriff "Legende" für einen Musiker dadurch legitimiert wird, dass sich andere (oftmals auch nicht besonders legendäre Musiker) von diesem inspiriert fühlen. Grundsätzlich muss aber gelten: Nicht ein paar Kulturredakteure können einen Legendenstatus durch stetiges Ausrufen desselben begründen, sondern "legendär" und damit von herausgehobener Bedeutung kann immer nur die Musik sein, die auch von ganz vielen Menschen gehört wird. Also machen wir es kurz: Bei diesem Projekt ist - wenn überhaupt - nur eine "Legende" am Werk - und die heißt nicht Lou Reed.


    2. "Das ist ein mutiges Album."


    Dies gilt - wenn überhaupt - nur für Metallica. Für jemanden wie Lou Reed brauchte es wohl nicht viel Mut, ein Projekt anzustoßen, mit dem er - gemessen an seinem künstlerischen Schaffen in der Vergangenheit - ein Vielfaches an Aufmerksamkeit und finanziellem Gewinn einstreichen kann. Und Metallica werden gewusst haben, dass sie hiermit einen Großteil ihrer Fans vor den Kopf stoßen. Aber da die finanziell längst ausgesorgt haben, und das nächste richtige Metallica-Album Band und Fans erwartungsgemäß miteinander versöhnen wird, haben auch sie kaum ein Risiko.


    3. "Das ist innovativ."


    Tja, wo ist sie nur, die Innovation? Die "Hintergrundmusik" klingt über weite Strecken nach Metallica. Hier und da hört man Elemente zeitgenössischer klassischer Musik und Soundspielereien, aber nichts, was man nicht schon einmal irgendwo gehört hat. Reeds Sprechgesang ist auch nichts Neues. Die Textinhalte mit ihren expliziten und provokativen Nennungen von Sexualität und Gewalt - auch das gab es immer mal wieder. Besteht also die Innovation in der Kombination dieser Elemente? Wir lassen es mal offen...


    4. "Das ist Kunst."


    Keine Angst, ich werde an dieser Stelle keine Debatte über den Begriff "Kunst" anzetteln. Vielleicht nur so viel: Für mich ist kunstvolle Musik die Verbindung von tollen musikalischen Ideen und deren handwerklich und klanglich gut gemachte Umsetzung.
    Dieses Album hat ein paar wenige gute Ideen in Form einiger Gitarren-Riffs. Ansonsten herrscht geradezu eine akute Ideenarmut. Die dürftige musikalische Substanz wird in vielen Songs durch endlose Wiederholung der ewiggleichen Akkordfolgen in eine teilweise unerträgliche Länge ausgedehnt. Höhepunkt dieses Langeweile-Marathons ist JUNIOR DAD, eine 20-minütige Schlaftablette, bei der man sich zwischendurch auch ruhig mal eine Stulle schmieren oder die Haare waschen kann, ohne spannende musikalische Dinge verpasst zu haben. Es passiert eben einfach nichts. Gesang gibt es so gut wie gar nicht zu hören, sondern eher eine Art Hörbuch-Vortrag von Reed. Der Text steht dabei oft irgendwie neben der Musik, Musik und Text bilden keine wirkliche Einheit. Ansonsten gibt es wenig handwerkliches Können zu bestaunen. Auf solistische Ausflüge auf der Gitarre wird fast vollständig verzichtet. Das Drumming von Lars Ulrich, insbesondere seine Bassdrumarbeit, ist stellenweise schon peinlich ungenau. Immerhin klingen die Instrumente gut, aber da das Rohmaterial so ernüchternd ist, kann auch die gute Produktion nichts mehr retten.


    5. "Das Album ist schon deshalb gut, weil es polarisiert."


    Dieses Argument habe ich noch nie verstanden. Natürlich können auch Dinge, die kontrovers sind, gut sein. Aber sie sind nicht deshalb gut, weil sie polarisieren. Kontroversität ist kein Wert an sich, denn sonst würde dies ja bedeuten, dass Musik umso besser ist, je weniger Menschen sie gut finden...


    6. "Man muss das Album mehrmals hören, damit es sich einem erschließt."


    Ich behaupte: Ein richtig guter Song ist schon beim ersten Hören als solcher zu erkennen. Bei längeren und komplexeren Stücken mag es sein, dass man mit weiteren Hördurchgängen Feinheiten und Details erschließt, die einem vorher verschlossen geblieben sind. Die Songs auf LULU sind zwar hier und da sehr lang, aber so wenig komplex und detailreich, dass ein mehrfaches Hören hier nichts bringt. Weil musikalisch so gut wie nichts passiert, gibt es halt auch nichts zu entdecken.


    7. "Wem sich die Klasse dieser Musik nicht erschließt, der ist beschränkt."


    Eine abenteuerliche These. Ich stelle folgende Gegenthese auf: Wenn sich einem die Klasse dieser Musik nicht erschließt, dann ist das Album beschränkt!

    But we never leave the past behind, we just accumulate...

    "Von jedem Tag will ich was haben

    Was ich nicht vergesse

    Ein Lachen, ein Sieg, eine Träne

    Ein Schlag in die Fresse"

    Einmal editiert, zuletzt von mutzelkönig ()

  • Tut mir leid aber Lou Reed geht mal gar nicht. Absolut unerträglich dieser Sprechgesang. Ich mag echt vieles von Metallica, aber damit kann ich gar nichts anfangen obwohl die Musik selber viel versprechend ist.

  • Und hier die Kritik von Carlos Albuquerque. O Globo, 01.11.2011, Kulturteil Seite 4
    Hier meine Übersetzung:

    Spuk-CD

    Lou Reed und Metallica finden nicht zueinander auf dem konzeptuellen und konfusen Album

    Das Poster der Hülle des Albums Lulu von Lou Reed und Metallica, über das soviel gesprochen wurde und welches gestern herauskam, wurde aus der Londoner U-Bahn entfernt. Das war eine Zensur gegen den angeblich schlechten Geschmack. Die Hülle zeigt ein Mannekin mit abgeschnittenen Armen und angsterfüllten Blick. Ihr mit Blut geschriebener Name steht auf der Hülle.
    Schwachsinn. Was wirklich schockierend ist, ist diese unerwartete Heirat zwischen dem ehrwürdigen Sänger/Poeten der siebziger Jahre und der (noch) imponenten Heavy-Metall-Band.
    Der Flirt begann im Jahr 2009, als beide getrennt bei der Rock and Roll of Fame spielten und sich danach zusammensetzten. Reed wollte was mit Metallica machen. Und Metallica gab nach, vielleicht beeindruckt durch dieses alte Bla-Bla zur "wild side" zurückzukehren.
    Ja, die Idee von Reed war wirklich etwas wild: Er wollte ein Konzeptalbum machen, welches auf zwei Werken des deutschen Expressionisten Frank Wedekind aufgebaut werden sollte, und zwar auf "Erdgeist 1895" und "Die Büchse der Pandora". Da wird die Geschichte einer Tänzerin (Lulu) erzählt, die alle Arten von Missbrauch erfährt, und zwar alle.
    Sie haben nur zulange gebraucht und übertrieben. Die Idee von Reed seinen Beitrag mit Sprechgesang zu leisten ( über Gewalt, Sexualorgane, Därme und Blut) von Metallica begleitet, erweist sich als ein Desaster.
    Ohne Inspiration und ohne Biss, wie ein fünftklassiger Bukowski, klingt Reed. Er kommt oft aus dem Takt, es gibt Rückkopplungen, und er kommt mit den gelegentlichen Riffs nicht klar die von James Hedfield und Co. offensichtlich ohne grosse Überzeugung eingestreut wurden.
    Lulu sollte man besser ruhen lassen. Das Album wurde eine Spuk-CD, erschreckend, unausstehlich und sie wird Lou Reed und Metallica jede Nacht verfolgen. Bis zum Ende der Zeit.



  • sehr schön geschrieben. Im neuen Rolling Stone wird Reed interviewt. Ich habe den Text noch nicht gelesen, aber nach deiner Ausführung brauche ich diese CD nicht.

    Music is the BEST!

  • Der Diskussion möchte ich voranstellen, dass das Album bei mir gerade erst zum zweiten Mal läuft. Ich habe sehr lange damit gerungen, es mir zuzulegen. Zu unattraktiv fand ich alles, was ich bislang dazu gehört hatte. Aber nichts desto trotz bin ich ja musikalisch halbwegs offen (nein, bei den Flippers hört der Spaß auf ;) ), also habe ich es mir gekauft. Bislang bin ich jedoch, wie schon erwartet, ziemlich abgeschreckt und ich muss mir überlegen, ob ich noch Lust auf weitere Durchläufe habe...



    5. "Das Album ist schon deshalb gut, weil es polarisiert."


    Dieses Argument habe ich noch nie verstanden. Natürlich können auch Dinge, die kontrovers sind, gut sein. Aber sie sind nicht deshalb gut, weil sie polarisieren. Kontroversität ist kein Wert an sich, denn sonst würde dies ja bedeuten, dass Musik umso besser ist, je weniger Menschen sie gut finden...


    Nein, da möchte ich dir widersprechen. Es bedeutet nicht, dass Musik umso besser ist, je weniger Menschen sie gut finden, sondern nur, dass sie umso besser ist, je mehr Menschen darüber diskutieren/ sich streiten. Dass dies mehr Publicity bringt mag sein, den Einfluss auf die Qualität möchte ich aber wie du bezweifeln.


    6. "Man muss das Album mehrmals hören, damit es sich einem erschließt."


    Ich behaupte: Ein richtig guter Song ist schon beim ersten Hören als solcher zu erkennen. Bei längeren und komplexeren Stücken mag es sein, dass man mit weiteren Hördurchgängen Feinheiten und Details erschließt, die einem vorher verschlossen geblieben sind. Die Songs auf LULU sind zwar hier und da sehr lang, aber so wenig komplex und detailreich, dass ein mehrfaches Hören hier nichts bringt. Weil musikalisch so gut wie nichts passiert, gibt es halt auch nichts zu entdecken.


    Da gebe ich dir grundsätzlich recht, wobei ich anmerken möchte, dass komplexe Songs weniger belastbaren Musikhörern den Weg versperren, deren Klasse zu erkennen. Dies liegt in der schieren Überforderung mit den Musikstücken. Ein gutes Beispiel (nur ganz kurz OT) war für mich "The Octopus" von Amplifier. Diese Doppel CD hat mich am Anfang schlichtweg erschlagen (und ich möchte behaupten, ich bin schon recht abgehärtet) und es hat einige Durchläufe gebraucht um es nur Ansatzweise in seiner Gesamtheit aufnehmen zu können und dafür brauchte es Geduld. Nichts desto trotz war vom ersten Hören an für mich die Qualität klar erkennbar ;)

    Smokey, wir sind hier nicht in Vietnam, wir sind hier beim Bowling, da gibt es Regeln.

  • Zitat

    Tut mir leid aber Lou Reed geht mal gar nicht. Absolut unerträglich dieser Sprechgesang. Ich mag echt vieles von Metallica, aber damit kann ich gar nichts anfangen obwohl die Musik selber viel versprechend ist.


    Musik? Nun gibt diesem Krach nicht gleich nen Spitznamen. :D


    Aber ja, der Sprechgesang ist fast noch schlimmer. Obwohl... ne, da ham sich zwei verdient und gefunden...

    Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.