SdW [15.-21.11.10]: GENESIS - Twilight Alehouse

  • Der Song war für mich damals schon eine belanglose "Dudelnudel". Der Effektschluss nervt mich nur, auch wenn er technisch interessant ist. Ich hatte den Song schon lange vergessen. Toll, dass ich mal wieder erinnert wurde. Da sieht man, dass auch die Genesis in der Fab-Five-Zeit nicht davor gefeit waren, weniger Tolles zu fertigen. Da gefallen mir persönlich viele B-Seiten der späteren Tage deutlich besser.
    Wegen dem Nerv-Faktor nur 4 Punkte.

    • Offizieller Beitrag

    Die erste 7´´ davon erschien doch schon März 1974, oder ?


    hups, Tippfehler


    Sollte 1973 heißen, da erschien TA erstmals als B-Seite in den USA. Die VÖ, die du meinst, dürfte die Februar-VÖ sein (mit dem Cover des Motiv auf unserer Startseite, linke Seite)

  • hups, Tippfehler


    Sollte 1973 heißen, da erschien TA erstmals als B-Seite in den USA. Die VÖ, die du meinst, dürfte die Februar-VÖ sein (mit dem Cover des Motiv auf unserer Startseite, linke Seite)


    Ich kann mich auch nur auf die Schrift verlassen, da mir das Vinyl leider im Regal fehlt: Martin Strong (The Great Rock Discography, 7th ed., 2004) sagt: März 1974(mit Seriennummer) auf Charisma und Atco. Aber der wird auch nicht alles haarklein wissen...andererseits steht in der Archive-Box: 3/8/73 (englische Schreibweise angenommen).

    We can help You

    2 Mal editiert, zuletzt von Mr. Plod ()

  • Twilight Alehouse, hmm... wurde dann aber erst während der Foxtrot-Sessions aufgenommen ....



    Das ist richtig. Daher ist die Musikerangabe ganz am Anfang auch falsch - der Titel wurde mit Collins/Hackett aufgenommen
    Geschrieben wurde er bereits 1969/70, aber nicht eingespielt - lediglich live gehörte er lange Zeit zum Standardrepertoire bis 1972.

  • Low-Budget-Genesis... kann gar nicht recht begründen, warum der Track bei mir nicht mehr als 7 Punkte bekommt. Ebensowenig, warum er nicht weniger als 7 Puntke bekommt.

    I'll never find a better time to be alive than now.

    Peter Hammill (on "X my Heart")

  • Komponiert wurde der Titel bereits 1968; Mayhew ist also mit Sicherheit
    kein Komponist, er wird auch weder im Archive 67-75 oder bei der
    SACD/DVD erwähnt (Banks/Gabriel/Phillips/Rutherford). Bei dem Schnipsel
    auf FROM GENESIS TO REVELATION hört man John Silver auch deutlich Bongos spielen.
    Eingespielt ist der Song vollständig (aus meiner Sicht: leider) erst August/September
    1972 (statt 1971, wie unten angegeben) während den Foxtrot-Sessions, also
    (wiederum: leider!) mit Collins und Hackett statt Phillips und Mayhew.


    Die Diskrepanz bei der Datierung 73 oder 74 entsteht meines Erachtens
    aus der Tatsache, das die Erstveröffentlichung eine Acetat-Promo war, die
    im Oktober 1973 einer Ausgabe des englischen, kostenlosen "Zig Zag Magazine"
    beigelegt wurde. (heute sicher unbezahlbar, diese Promo). Anscheinend hatte diese
    Promo nur eine A-Seite, eben besagtes Twilight Alehouse (also ohne "I Know what I like").
    Die offizielle Kauf-Single erschien dann erst Februar 1974 mit "Ale" als B-Seite von "Like".
    Vergleiche Spencer Bright (Singles).

    7 Mal editiert, zuletzt von Der Teemeister ()

  • @Teemeister: Schön, dass du hier überaus sachlich verwertbare Informationen zum SdW beisteuerst - soll in letzter Zeit auch angeblich mal anders gewesen sein.
    Aber hoffentlich hast du dir nicht abgewöhnt, auch subjektiv den Song zu beurteilen - immerhin sind wir hier auch zur Bewertung aufgerufen: Wie viel jibbet denn von dir diese Woche?
    Eigentlich habe ich mich genau darauf schon gefreut, da du doch hier der Frühphasenfanatiker bist...

  • townman: nein, sorry, das war's von mir.
    wollte das nur zur entwirrung beitragen. :huhu:
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    the LAST we can do is wave at each other ...

    Einmal editiert, zuletzt von Der Teemeister ()

    • Offizieller Beitrag

    Ein Stück aus der Frühzeit von Genesis, das, egal in welches Jahr man es datiert, aus dem Korpus der gleich-zeitigen Stücke heraussticht - jedenfalls soweit sie außerhalb der Boxsets veröffentlicht wurden. Verglichen mit den Stücken von From Genesis To Revelation ist es recht wild; zwar hatte bei dem Album der Herr King seine Finger mit im Spiel, so dass sich schwerlich sagen lässt, was ohne ihn auf der Platte gelandet wäre, jedoch steht der Befund als solcher. Verwandte Stücke finden sich eher auf Nursery Cryme und Trespass. Auf diesen Alben hat Genesis das Wechselspiel von lauten und leisen, ruhigen und wilden Teilen erkundet und als Stilmittel eingesetzt; die Gitarren klingen mir in den ruhigen Passagen nach den bukolischeren Klängen von Trespass und annähernd noch vielleicht bei For Absent Friends. Das ist nun aber kein Versuch einer ernsthaften chronologischen Datierung, sondern nur der Versuch, das Stück in meine persönliche Weltkarte der Genesis-Stücke einzuordnen.
    Die leisen Passagen gefallen mir gut, obwohl die Band ein wenig verhalten wirkt, als ob man sich allzusehr darauf konzentrierte, einen leisen Teil zu haben; es wäre gewiss noch Platz gewesen für einige musikalische Zierelemente. So tritt allerdings die Basstrommel in den Strophen hervor und bildet ein für Genesis eher untypisches Strukturelement (ich wüßte gerade nicht, wo Genesis noch einmal die Basstrommel so weit "vorne" hatten). Sehr schön finde ich auch das Flötenspiel von Peter Gabriel. Es hat eine schöne Melodie und verleiht dem Stück noch etwas besonderes.
    Die Übergänge zu den lauten Passagen sind auch schön vorbereitet, wenn man auch kritisieren mag, dass sie vielleicht etwas konventionell sind: Langsam werden in die stilleren Teile "Hinweise" eingefügt, dass es gleich lauter wird, und voila, es wird dann eben auch lauter. Aber diese lauten Teile ... sie sind ja ganz leidlich, aber hier kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier noch zwei bis drei Ideen fehlten, wie man unvariierte Wiederholungen vermeidet. Der Refrain ist gut gestaltet, aber so beim zweiten oder dritten hätte es auch mal was anderes sein dürfen. Ab 06:21* beginnt das, was ich mal salopp als "Rappelzappel"-Teil bezeichnen möchte und auf den ich gut verzichten könnte. Hier wäre weniger mehr gewesen.


    Das Motiv des Betrunkenen taucht einige Jahre später wieder auf: Say It's Alright Joe schildert den Betrunkenen am frühen Morgen, wenn die Bar schließt und der ganze Alkohol nichts dazu beigetragen hat, seine Probleme zu übertünchen oder gar zu lösen; zutiefst niedergeschlagen verlässt er die Bar, um den anbrechenden Tag woanders zu verbringen und wahrscheinlich abends wieder in derselben oder einer anderen Kneipe im Rausch Vergessen zu suchen und nicht zu finden.
    Im Twilight Alehouse ("Kneipe in der Dämmerung") dagegen gibt uns ein Alkoholiker Einblick in seine Befindlichkeit, der noch deutlich vor der Stunde der Depression ist, dem der Konsum noch die Realitätsflucht einigermaßen ermöglicht. Er trinkt, weil ihn seine Frau mit den Kindern verlassen hat, und er trinkt, um wieder das Gefühl zu haben, ein vollwertiger Mensch zu sein. Ganz gelingt die Flucht in eine alkoholische Parallelwelt nicht: Zwar fühlt sich der Trinker wieder sorglos, gut, als vollwertiger Mensch und als ganzer Mann (es scheint mir betont beides in der Zeile "I'm a man again" anzuklingen), doch weiß er gleichzeitig, dass das eine Scheinwelt ist, wie die zweite Strophe illustriert:
    Draußen ist "nowhere", was entweder bedeutet, dass die Kneipe in einem generischen Nirgendwo, einer Gegend wie jeder andere, liegt, oder, wenn man das Ganze als elliptische Aussage auffasst, dass er "nowhere to go" hat, keinen Ort, zu dem er hingehen könnte, an dem er zuhause wäre. Diese Lesart legt die Parallelität der ersten und zweiten Strophe nach (wobei die Wertungen natürlich genau umgekehrt sind). Die eigenen Kinder, deren Vorhandensein sich vielleicht in der "Wärme des Heims" in der ersten Strophe spiegelt, werden hier abgelöst von anderen Kindern, die dem Betrunkenen hämisch und spöttisch "grausam hinterherlachen".
    Einigermaßen unklar ist die Identität der Freundin, der der Trinker über den Friedhof hin einen Blick zuwirft. Es handelt sich sicherlich nicht um seine (Ex-)Frau bzw. ein Bild von ihr. Sie würde sicherlich nicht als "Freundin" bezeichnet, und, angesichts der Tatsache, dass er von ihr verlassen worden zu sein so schlecht verkraftet, ganz gewiss nicht als "bemalt". Möglicherweise ist die "bemalte Freundin" das Nachtleben in dieser Gegend: Eine stark geschminkte Prostituierte, die einen etwas exotischen Arbeitsplatz/Treffpunkt hat.
    Andererseits muss "painted" auch nicht unbedingt bemalt heißen. Bei einer gemalten Freundin lässt sich - gerade im Zusammenhang mit Friedhöfen - vielleicht an ein Marienbildnis denken. Auf englischen Friedhöfen sind diese allerdings nicht gerade häufig, und Maria als Trösterin der Beladenen als "gemalte Freundin" zu bezeichnen, zeugt von fragwürdigem Geschmack und wäre daher untypisch für Genesis. Unter Umständen ist allerdings auch in der Nähe des Friedhofs (und der Kneipe) eine Werbetafel aufgehängt, vielleicht für ein alkoholisches Getränk. Solche Werbung zeigt ja gerne mal eine hübsche gemalte Frau. Andererseits wird die Frau in so pointiertem Zusammenhang mit dem Friedhof genannt, dass die Tafel dann schon direkt an der Friedhofsmauer hängen müsste, was in England genauso unüblich wäre wie in Deutschland. Symbolisch für den Tod kann die Bezeichnung auch nicht stehen. Einerseits zeigt spätestens The Supernatural Anaesthetist, dass Gabriel den Tod allgemein als männlich auffasst ("He's such a fine dancer"), andererseits müsste das Symbol ja verbreiteter sein und leichter zu entschlüsseln. Der Tod als "bemalte Dame" ist aber nirgends belegt. Diese Zeile lässt sich daher nicht befriedigend ausdeuten. Die Zwischenverse stimmen etwas optimistischer für den Betrunkenen. Er gelangt zu der Einsicht, dass es so nicht weitergehen kann: "Ich muss mir Hilfe holen, die brauche ich jetzt". Und doch kehrt das Lied zur Realitätsflucht zurück: Ich trinke, also bin ich... einschließlich der wankenden, tobenden Musik am Ende.


    *) In der Version, die im Archive 1967-1975 enthalten ist.



    9 Punkte. Setzen. Ausnüchtern.



    Fußnote:

    Zitat

    ...das die Erstveröffentlichung eine Acetat-Promo war, die im Oktober 1973 einer Ausgabe des englischen, kostenlosen "Zig Zag Magazine" beigelegt wurde.

    ??? Ein "acetate" ist ein Testabdruck einer Schallplatte, die nur sehr wenige Male abgespielt werden kann, bevor sie deutliche Abnutzungserscheinungen zeigt. So etwas wurde doch wohl bestimmt nicht in größerem Stil einem Magazin beigelegt.