SdW [31.05.-06.06.10]: GENESIS - The Musical Box

  • Was ich ausdrücklich nicht meine, ist ein Versingen im Sinne "falscher" Töne (also z.B. aus Versehen a statt g oder so etwas) und auch nicht seine vielen sängerischen Freiheiten, die er sich aus Gründen der musikalischen Theatralik nimmt.


    Was ich hingegen meine, ist seine mangelhafte Intonation - der Gute singt an vielen Stellen schlichtweg unsauber. Mit dem Begriff der Objektivität ist das natürlich hier schwierig, weil man das nur anhand genauer Messgeräte verifizieren könnte.
    Jedenfalls bin ich mir sicher, dass er (z.B. am Anfang) tendenziell zu hoch singt, wenn er diese leise Fistelstimme benutzt (das erste "Old King Cole" hat er technisch nicht im Griff). Auch die "Just a little bit..."-Passage ist sehr wacklig.
    Der Onomatopoesie "tick tock" möchte er spürbar zwei klare Melodietöne zuordnen. (Du hast ja Jourdains "Das wohltemperierte Gehirn" gelesen: Ich meine, dass da irgendwo auch drinsteht, dass unser Gehirn in der Lage ist, unsaubere oder fehlende Töne quasi eigenständig auszubessern, ohne dass wir das immer bewusst merken.) Beim "tick" korrigiert mein Gehirn jedenfalls immer zum "a", obwohl Gabriel wahrscheinlich genauso gut "h" meinen könnte (passt harmonisch ebenso) - er singt hier irgendwas Unkontrollliertes / Undefinierbares dazwischen (und "ais" möchte er hier mit Sicherheit nicht ansteuern, das passt zum F#m-Akkord nicht).
    Sehr unbeholfen ist auch die Zeile "And I want, and I feel, and I know, and I touch": Hier singt er viermal das gleiche kleine Motiv - kein einziges Mal ist es intonationsmäßig auf den Punkt gebracht und witzigerweise sind sie alle auch unterschiedlich unsauber.
    Ganz davon abgesehen, dass mich diese Schwächen musikalisch echt stören, halte ich es für ausgeschlossen, dass diese Intonationsschwankungen beabsichtigt und / oder ein geeignetes "Ausdrucksmittel" für diesen Song sind. Peter hatte früher einfach eine ziemlich beschissene Gesangstechnik.


    mmmhh...ich würde mir wünschen, dass du den Gesang von "Street Spirit" mal ähnlich unter die Lupe nehmen würdest...

    Er wollte nicht, da der Gesang schon "perfekt" war...hätte gar nicht mehr besser werden können...


    ...naja...der Gesang von "Street Spirit" ist alles andere als perfekt...im Gegensatz dazu stört mich jedenfalls bei TMB gesangstechnisch rein garnichts...im Gegenteil: der Gesang bei Musical Box ist für mich vom ersten bis zum letzten Ton absolut perfekt und könnte nicht besser sein...also wenn man Gabriel die Verfehlungen bei dem wirklich grottenschlechten "Street Spirit" als "beabsichtigt" oder gar "perfekt" durchgehen lässt, muss man dies bei TBM erst recht tun...


    Ich habe das Stück durchgehört und habe keine Stelle gefunden, wo Gabriel objektiv betrachtet sich versingt


    ...geht mir auch so...

  • mmmhh...ich würde mir wünschen, dass du den Gesang von "Street Spirit" mal ähnlich unter die Lupe nehmen würdest...
    ...naja...der Gesang von "Street Spirit" ist alles andere als perfekt...im Gegensatz dazu stört mich jedenfalls bei TMB gesangstechnisch rein garnichts...im Gegenteil: der Gesang bei Musical Box ist für mich vom ersten bis zum letzten Ton absolut perfekt und könnte nicht besser sein...also wenn man Gabriel die Verfehlungen bei dem wirklich grottenschlechten "Street Spirit" als "beabsichtigt" oder gar "perfekt" durchgehen lässt, muss man dies bei TBM erst recht tun...


    Ja, das war jetzt klar! Sei gegrüßt, littlenick!
    Ich hoffte deutlich gemacht zu haben, dass Gabriels Gesang bei "Street spirit" m.E. zielgerichtet unkonventionell und vor allem ausdrucksmäßig absolut kontrolliert gestaltet ist, während die Intonationsschwächen (und nur diese Ebene des Gesanges kritisiere ich bei TMB) gänzlich unmotiviert / ungekonnt wirken.
    Ein weiteres Indiz dafür scheint mir auch die Tatsache zu sein, dass Gabriel früher einfach stimmlich durchgehend diese Schwächen hatte und heutzutage viel, viel sicherer in der Beherrschung seiner Möglichkeiten ist.
    Aber ich höre mir jetzt auch außerordentlich gerne noch mal "Street spirit" daraufhin an...ach, wie schön - schwupps und weg!

  • Ja, das war jetzt klar! Sei gegrüßt, littlenick!
    Ich hoffte deutlich gemacht zu haben, dass Gabriels Gesang bei "Street spirit" m.E. zielgerichtet unkonventionell und vor allem ausdrucksmäßig absolut kontrolliert gestaltet ist, während die Intonationsschwächen (und nur diese Ebene des Gesanges kritisiere ich bei TMB) gänzlich unmotiviert / ungekonnt wirken.
    Ein weiteres Indiz dafür scheint mir auch die Tatsache zu sein, dass Gabriel früher einfach stimmlich durchgehend diese Schwächen hatte und heutzutage viel, viel sicherer in der Beherrschung seiner Möglichkeiten ist.


    ...liebe Grüße zurück :huhu:


    Ich denke eher, dass Gabriel früher einfach nicht die Möglichkeiten hatte, jede Silbe 150 mal einzusingen...
    ...sei´s drum...ich kann jedenfalls bei TMB keine derartigen Schnitzer erkennen, wie sie auf "Scratch My Back" zu hören sind...die schrägen Töne bei "Scratch My Back" als "perfekt" oder "beabsichtigt" zu empfinden ist für mich eine rein subjektive Angelegenheit...

  • ...liebe Grüße zurück :huhu:


    Ich denke eher, dass Gabriel früher einfach nicht die Möglichkeiten hatte, jede Silbe 150 mal einzusingen...
    ...sei´s drum...ich kann jedenfalls bei TMB keine derartigen Schnitzer erkennen, wie sie auf "Scratch My Back" zu hören sind...die schrägen Töne bei "Scratch My Back" als "perfekt" oder "beabsichtigt" zu empfinden ist für mich eine rein subjektive Angelegenheit...


    Ja - jaein - nein - ich denke, dass wir derartige Zusammenhänge hier sicherlich nicht objektiv fassbar darstellen können. Das ist ja ohnehin die Krux (und gleichzeitig das Schöne) bei den Künsten und den Geisteswissenschaften. Es kann immer nur um Indizien gehen, um begründete Auffassung, um ein kritisches Verstehen der Dinge, was andererseits aber doch über eine rein subjektivistische Sichtweise hinausgehen sollte.
    Bei "Street spirit" jedenfalls gibt es in der Tat eine Stelle, bei der auch ich nicht sicher bin, ob Gabriel eine ausreichend präzise harmonische Vorstellung beim Singen hatte - und das ist gleich der Anfang (erste Silbe von "houses").
    Ansonsten spielt er z.B. bei 1:50-1:55 doch ganz deutlich nicht nur mit der Brüchigkeit seiner Stimme, sondern auch unzweifelhaft mit der Intonation (wie auch auf dem letzten Wort "love", welches er pitchbendingmäßig einen Halbton raufzieht).
    Ansonsten bewegt er sich sehr sicher auch über sich zwischenzeitlich ergebenden Dissonanzen der Begleitung (ist deutlich schwerer zu singen als "The musical box"). Und die Unisono-Stellen mit den Streichern (2:00-2:08) sind intonationsmäßig top, das hätte vor 40 Jahren sicherlich anders geklungen...
    Aber ich fürchte, dass ich jetzt arg Off-Topic werde und zudem, dass es auch vergebliche Liebesmüh ist...aber macht ja nix, macht trotzdem Spaß.

    • Offizieller Beitrag

    Ich halte es vorsichtig gesagt mal für gewagt, dem guten Gabriel bei dem einen Song salopp gesagt Unvermögen (Musical Box) und beim anderen Song (Street Spirit) bei ähnlichen empfundenen gesanglichen "Fehlleistungen" (sofern man es so nennen möge) gekonnte Absicht zu unterstellen, OHNE bei beiden Aufnahmen je sebst dabei gewesen zu sein, die Umstände der Aufnahmen zu kennen oder dazu einen O-Ton Kommentar von Gabriel zu kennen.
    Daher ist beides absolute Spekulation und daher absolut müßig, darüber zu spekulieren oder gar zu meinen, sich darüber eine feste Meinung bilden zu können.


    Sicher war Gabriels Gesangstechnik anno '71 technisch nicht so weit, wie sie es Jahre später war. Sicher hatte er damals auch weder die technische noch zeitliche Möglichkeit, x-mal über jede einzelne Silbe seines Gesangs mehrfach drüberzugehen.


    Nichtsdestotrotz empfinde ich seinen Gesang bei TMB bei weitem nicht als störend oder falsch, wohingehend sein "Gesang" bei "Street Spirit" (ob gewollt oder nicht ist hier völlig egal) mir regelmäßig die Fußnägel hochrollt.

  • Ich halte es vorsichtig gesagt mal für gewagt, dem guten Gabriel bei dem einen Song salopp gesagt Unvermögen (Musical Box) und beim anderen Song (Street Spirit) bei ähnlichen empfundenen gesanglichen "Fehlleistungen" (sofern man es so nennen möge) gekonnte Absicht zu unterstellen (...)
    Sicher war Gabriels Gesangstechnik anno '71 technisch nicht so weit, wie sie es Jahre später war.


    Ich weiß nicht, was daran gewagt sein soll. Du nennst ja den entscheidenden Grund dafür, dass es eben keineswegs nur eine unbegründete Spekulation ist, mit dem letzten Satz selbst. Und ich kann auch nur noch einmal anführen, dass Gabriel (leider weiß ich die Quelle nicht mehr) sich selbst auch über seine mangelhafte Stimmtechnik (und daraus resultieren dann eben Intonationsschwächen) während seiner Anfangsjahre geäußert hat (wobei man ja gar nicht eine solche Aussage benötigt, um die unsauberen Stellen hören zu können).

  • Nach Stagnation der zweite richtig große Song. Leider hält die Nursery Cryme nicht ganz, was sie durch diesen Anfang versprach. Erstmals von mir gehört beim Old Medley 92, war´s auch dort ein großer Moment.


    Kann ich überhaupt nicht nachvollziehen,
    NC ist mir 1000mal lieber als z.B. THE LAMB weil mit NC m.E. die Jungs noch so herrlich wilden, naiven, frischen Rock machen frei nach dem Motto: Heute hauen wir richtig auf die Pauke und die anderen sind uns scheiß egal. NC ist für übrigens eines der wenigen Alben ohne echten Ausfall. Das kann man nicht von allen GENESIS - Alben behaupten.


    Back to Topic: Die Closing Section von der WCD-Tour war auch mein Einstieg zum Album.
    Damals, als ca. 15jähriger empfand ich nur EINES für diesen Teil: Mystisch. Was sollte das Ganze? Ich stieg damals einfach nicht dahinter. So richtig prall im Gegensatz zu den anderen Toursongs fand ich das Ganze nicht. Dementsprechend hatte ich auch so einige Resentiments gegenüber NC, als ich herausfand dass dies die CLOSING SECTION sei und Teil von TMB vom NC-Album sei.


    Als ich vor 3 Jahren das Album dann ersteigerte bei Ebay, war ich wirklich positiv überrascht. So herrlich wild, verschroben, mit vielen Tempowechseln, interessanten Themen... Ich finds klasse. Vor allem wenn mitten im Song auf einmal die beiden Gitarren es stereo richtig krachen lassen.
    TMB ist für mich wieder ein grandioses Beispiel, wie GENESIS gefühlvoll einen Song anfangen lassen und später dem Hörer die Ohren ausblasen. Im Übrigen bekomme ich heute noch Gänsehaut wenn Pete am Anfang mit seiner Stimme winselnd "Old King Cole..." singt. Herrlich...
    Zwar ist TMB nicht mein Favourite auf der NC, zu 15 Punkte reicht es jedoch allemal.


    P.S. Die leidigen Diskussionen darum, ob Peter die Töne trifft oder nicht, kann ich absolut nicht nachvollziehen. Perfektionist Gabriel hätte einen Song wohl kaum stümperhaft auf's Album gelassen...

    • Offizieller Beitrag

    Perfektionist Gabriel hätte einen Song wohl kaum stümperhaft auf's Album gelassen...


    Selbst wenn er damals schon Perfektionist gewesen wäre, hätte er keine Wahl gehabt. Zum einen gab es technisch noch nicht die Möglichkeiten, einfach einzelne Gesangsfetzen auszubessern, zum anderen wurden die Alben damals stets unter hohem Zeitpunkt aufgenommen. Mehr als wenige Tage/Wochen waren Genesis damals für ein Album nie im Studio. Da bleibt keine Zeit um alle Fehler/Ungenauigkeiten bis ins Detail auszubessern. Vielleicht auch deshalb klingen die frühen Alben ja auch so schön rau und weniger weichgespült wie z.B. später ein Wind&Wuthering.


    Trotzallem: Mir ists recht egal, ob Gabriel bei Musical Box überhaupt ungenau singt (ich höre hier nichts, was mich persönlich stören würde), dies aufgrund mangelnder Gesangstechnik tut oder absichtlich, wie es ihm ja bei "Street Spirit" unterstellt wird.
    Für mich zählt das hörbare Endergebnis, da ists mir egal, wie es entstanden ist:
    Mangelnde Gesangstechnik hin oder her - bei Musical Box höre ich nichts, was meinen Musikgenuss stören würde.
    Bei "Street Spirit" zieht sich dagegen in Sachen Gesang bei mir alles zusammen - ob das nun gewollt oder nicht gekonnt ist, ist hierbei für mich völlig irrelevant. Es bleibt für mich "schiefer Mist". Und selbst wenn er es künstlerisch so gewollt hat, dann ist das für mich kein Grund, es als künsterlische Leistung abzufeiern - es bleibt schief und verleidet mir den Hörgenuss.


    Ein schiefer schwarzer Strich auf weißer Leinwand wird nicht wertvoller dadurch, dass ihn van Gogh dahin gemalt hat.

  • Mal ne Frage:
    Welches Instrument hört man im Hintergrund von Stelle 4:52 min. bis 5:28 min. (auf dem NC-Album)?
    Dieses Motiv wurde zuvor schon durch Pete mit Flöte gespielt und taucht hier noch einmal auf.
    Sind das Synthesizer?
    Komischerweise sind es DIESE Klänge die beim ersten Hören und auch jetzt noch am meisten in meinem Gedächtnis haften geblieben sind - dieser Wehmut, diese Melancholie umrahmt von messerscharfen Gitarrenriffs. Einfach nur geil...

  • Mal ne Frage:
    Welches Instrument hört man im Hintergrund von Stelle 4:52 min. bis 5:28 min. (auf dem NC-Album)?
    Dieses Motiv wurde zuvor schon durch Pete mit Flöte gespielt und taucht hier noch einmal auf.
    Sind das Synthesizer?
    Komischerweise sind es DIESE Klänge die beim ersten Hören und auch jetzt noch am meisten in meinem Gedächtnis haften geblieben sind - dieser Wehmut, diese Melancholie umrahmt von messerscharfen Gitarrenriffs. Einfach nur geil...


    Im ersten Moment klingt es wie eine Oboe. Über Kopofhörer hört man aber, dass der Tonansatz gestaucht, was, wie ich glaube, bei einer Oboe nicht geht. Dann wird es wohl was synthetisches sein.
    Aber es klingt wirklich wunderbar melancholisch.

    I'll never find a better time to be alive than now.

    Peter Hammill (on "X my Heart")