SdW [17.-23.08.09]: GENESIS - Firth Of Fifth

  • Da warst Du bestimmt sehr erleichtert, dass Dein Geschmack nun auch von quasi höherer Stelle abgesegnet wurde. :)


    Um auf das Wichtige, nämlich das Stück als solches zurück zu kommen. Ich habe es mir letztens mal wieder im Original erlauscht und ... mhmm, ich weiß nicht. Mehr als 10 Punkte ist es mir inzwischen wohl nicht mehr wert.

    Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.

  • Ohne wenn und aber 15 Punkte. Für mich einer der wenigen Momente, wo mir eine Liveversion (1977, Paris) besser gefällt als das Original. Oft mit Steve assoziiert, bleibt es doch vor allem Tonys Werk, dessen unvergleichliches Synthi-Solo viel zu wenig gewertet wird. Natürlich ist es auch, und vielleicht: vor allem Steves Solo, welches dieses Stück unvergesslich und signifikant macht. Einer der Songs, der meine Liebe zu Genesis erweckte.

  • Einem Schulfreund in der 12. oder 13. Klasse, der ein Jethro-Tull-Fan war, gab ich mal den Tipp, frühere Werke von Genesis zu hören, da er nur That`s all und Mama kannte. Kurz darauf hörte er Firth of Fifth im Radio, wahrscheinlich in einer Themensendung über Genesis oder Progressive-Rock. Danach kam er zu mir und sagte, er könne mich jetzt verstehen: Dieses Firth of Fifth sei das perfekteste und vollkommenste Musikstück, das er je gehört habe. Er war wirklich sehr beeindruckt. Daran muss ich öfter mal zurück denken, denn wir alle haben das ja auch irgendwann mal zum ersten Mal gehört. Man kann dem Stück oder der Band ja nicht die Schuld dafür geben, wenn man es zu oft gehört hat.

    Der Aufbau ist im Vergleich zu Supper`s Ready etwas einfacher, aber runder und fließender, weniger zusammen gefrickelt. Ich habe mal versucht, die Struktur mit den melodischen Motiven nachzuvollziehen:

    1) Piano Vorspiel (Motiv 1)

    2) Gesangspart (Motiv 2, 3 u. 2)

    3) Übergang und Flötenpart (Motiv 4)

    4) anheizender Übergang und Keyboard-Solo (Motiv 1)

    5) Übergang und Gitarrenpart (Impro, zweimal Motiv 4, Impro, Motiv 4, Auflösung in Dur/Impro)

    6) Übergang und Gesangspart (Motiv 2)

    7) Piano Nachspiel in Dur (Motiv 5)

    Das Motiv 1 wird bei Punkt 4, nun mit treibendem Beat, vom Synthi gespielt. An dieser Stelle begannen Genesis das Stück bei den letzten beiden Tourneen. Das Zusammenspiel von Phil und Tony als Beginn, ohne den anheizenden Übergang bei Punkt 4, ist vielleicht Phils Wunsch geschuldet, direkt von Anfang an Vollgas zu geben, wie bei einem Autorennen. Mir und wahrscheinlich den meisten Fans der Gabriel-Ära gefällt die komplette Version, wie sie Steve heute immer noch spielt, besser. Phil war ja dafür bekannt, dass er die Vorspiele (aus seiner Sicht Vorgeplänkel) bei FoF, Capet Crawlers, Cinema Show, Musical Box usw. bei Konzerten gerne weg ließ und setzte sich damit durch. Trotzdem, der Übergang von Musical Box zu FoF bei der WCD-Tour hatte was!

    Zu den Taktarten möchte ich lieber nichts sagen :/. Bereits das Klavier-Intro hat mich abgeschreckt. Das klingt vom Rhythmus her relativ einfach, weil es fließt, aber als ich anfing, zu zählen, um den Takt herauszufinden, habe ich gefühlt paar graue Haare mehr bekommen 8o. Also lass ich das mal lieber. Danach dominiert jedenfalls der 4/4-Takt, bis auf das vom Keyboard wiederholte Motiv 1 im Teil 4 wieder erneut diese vielen Takt-Wechsel mit sich bringt, auf dem Phil diesen abgedrehten Beat spielt.

    Die Musik ist perfekt komponiert und arrangiert, und in meinen Ohren ist FoF auch das vollkommenste Musikstück von Genesis. Also 20 Punkte :). Die Art und Weise, wie hier jeweils ein Melodie-Motiv wieder aufgegriffen wird, aber mit einem anderen Instrument, wie z.B. Steve das Flötenmotiv übernimmt und sein legendäres Gitrarrensolo darauf entwickelt, ist einfach wunderbar und stellt m.E. eine Weiterentwicklung der Kompositionskunst von Suppers Ready dar, wenn auch in komprimierterer Form.

    Tony hat es offenbar fast/nahezu allein komponiert, basierend auf seiner ersten Version von 1972, die seine Kollegen zunächst abgewiesen hatten. Auf diese Komposition ist er zurecht stolz, auf den Text weniger. Warum er sich für den Text schämt, verstehe ich nicht. Es heißt in der Mythologie, eine Undine bekommt erst dann eine Seele, wenn sie sich mit einem Menschen vermählt. Na und? Passt doch zur Musik. Meine Seele hat diese Musik schon längst. Auf der Loreley kommt dieses Stück bestimmt besonders gut! ^^

    Ich würde gerne wissen, wieviel Anteil Tony und wieviel Peter am Text haben. Auch das Thema, dass die braven Schafe im Gehege bleiben, obwohl sie den Weg, der in die Freiheit führt, schon so oft gesehen haben, gefällt mir. Einstein und Krishnamurti lassen grüßen. Die gesamte Essenz der Mystik dieses Songs ist schon im ersten Satz enthalten: "Der Weg ist frei, obwohl keine Augen sehen können". Oder vielleicht eher nicht sehen wollen? Tja, das ist ja das Problem, wie will man den einen Fall vom anderen unterscheiden? "Wer Augen hat, der sehe" sagte Jesus; "Glaubet nicht einfach, nur weil es irgendwo geschrieben steht" sagte Buddha. Wenn sich Tony für diesen Text schämt, sollte er sich auch für die vielen anderen my(s)tischen Texte wie One for the vine, Mad Man Moon, Heathaze oder Fountain of Salmacis oder sogar Keep it dark schämen müssen, denn die sind auch nicht weniger tiefgründig. Aber Texte sind genau wie Musik auch oft Geschmackssache. Ich finde es auch höchst seltsam und befremdlich, wie Tony sich über die Texte seines damaligen langjährigen Freundes Peter auf "Foxtrott" und vor allem zu "The Lamb" mokiert, das grenzt ja schon an Fremdschämen.

    ... und "the River of constant change" mündet natürlich irgendwann in den Ozean ("Now as the river dissolves in sea"). Jeder kann das interpretieren, wie er will. Ich sehe hier das Thema der "Ur-Angst" besungen, die Angst des Menschen vor seiner (Ich-)Auflösung (dafür steht Neptun), nach der er sich aber gleichzeitig auch (äußerst) unbewusst sehnt. Die Melodien von FoF sind voller Sehnsucht. Mit Goethe gesprochen: "Im Grenzenlosen sich zu finden, Wird gern der Einzelne verschwinden, Da löst sich aller Überdruß; Statt heißem Wünschen, wildem Wollen, Statt läst'gem Fordern, strengem Sollen, Sich aufzugeben ist Genuß. (...) (aus dem Gedicht "Eins und Alles"). Hingabe an die Undine (aus männlicher Sicht) bzw. an Neptun (aus weiblicher Sicht). Es heißt, dass die Texte im Progressive Rock anspruchsvoller sind als im Mainstream-Bereich, ich finde bei Genesis trifft das in besonderem Maße zu. Es hat relativ lange gedauert, bis ich mich bei Genesis auch mit den Texten beschäftigt habe. Später werde ich mir auch mal das Video von Doug Helvering zu FoF anschauen, mal gucken, was der dazu sagt...

    From the pain comes the dream. From the dream comes the vision. From the vision come the people. From the people comes the power. From this power come the change.”

    Peter Gabriel

  • Phil war ja dafür bekannt, dass er die Vorspiele (aus seiner Sicht Vorgeplänkel) bei FoF, Capet Crawlers, Cinema Show, Musical Box usw. bei Konzerten gerne weg ließ und setzte sich damit durch.

    Bekannt bei wem? Gibt es dafür Quellen?


    Vorspiele als solche wurden in den Liveversionen ursprünglich ja nur bei Firth Of Fifth und Carpet Crawlers weggelassen. Hat bei Firth Of Fifth nicht sogar Tony das Klavierintro gestrichen, nachdem er sich live mal grandios verspielt hat?
    Die anderen Änderungen kann man kaum als "Weglassen von Vorspielen" bezeichnen, da seit 1992 Firth Of Fifth und Cinema Show schon seit mindestens Anfang der 80er und The Musical Box ein paar Jahre länger nur noch als Teil eines Medleys und/oder auf ihren Instrumentalteil beschränkt gespielt werden.

    al's Lebensweisheiten:

    "Man muss sich seiner Arroganz schon bewusst sein, um sie genießen zu können."

  • Zitat

    Ich finde es auch höchst seltsam und befremdlich, wie Tony sich über die Texte seines damaligen langjährigen Freundes Peter auf "Foxtrott" und vor allem zu "The Lamb" mokiert, das grenzt ja schon an Fremdschämen.

    Man muß das einstige Niveau, den einstigen Anspruch nur lange und konsequent genug verleugnen, viele erfolgreiche Popsongs schreiben, Rosen züchten, werden wollen wie good old Phil; und dann steht man eines Tages vor dem eigenen Schaffen und dem der einstigen Freunde aus grauer Vorzeit und fragt sich verzweifelt, wie man nur so einen Mist hervorbringen konnte aka the story of Tony Banks ... schnell weg ... ;)

  • Bekannt bei wem? Gibt es dafür Quellen?


    Vorspiele als solche wurden in den Liveversionen ursprünglich ja nur bei Firth Of Fifth und Carpet Crawlers weggelassen. Hat bei Firth Of Fifth nicht sogar Tony das Klavierintro gestrichen, nachdem er sich live mal grandios verspielt hat?

    Hat sich Tony bei dem Vorspiel von FoF mal verspielt? Gibt es dafür Quellen?

    Ich kann mich jetzt erstmal nur an diverse Interview-Sessions erinnern, wo "typische" Dialoge (im Stile von Oliver Hardy und Stan Laurel) zwischen Phil und Tony - ob für Unterhaltungszwecke inszeniert oder spontan - genau dieses Thema beinhalteten. Phil war meist derjenige, der den Standpunkt vertrat, man könnte instrumentale Intros oder Teile ruhig mal weglassen oder kürzen. Das war bei FoF und Musical Box (ab Seconds Out) so, und bei Carpet Crawlers seit der TOTT Tour. Ob Du das Verwursten in Medleys als etwas völlig anderes betrachten willst als das Kürzen und Weglassen von Intros und langen Instrumental-Passagen, überlasse ich Dir. Konkret erinnere ich mich, das Phil zu Carpet Crawlers meinte, dass das Anfangsmotiv doch auch schon zwischendrin vorkommt, und zu FoF, dass das Piano-Intro doch auch schon als Keyboard-Solo zwischendurch vorkommt. Aber wenn Du das anders erinnerst, dass diese Idee z.B. eher Tony selber oder Mike äußerte, kann ich gerne mal bei Zeit die entsprechenden Interviews bei Youtube heraussuchen.

    From the pain comes the dream. From the dream comes the vision. From the vision come the people. From the people comes the power. From this power come the change.”

    Peter Gabriel

  • Ein interessante Vorstellung, dass der selbe Phil Collins, der 1976 noch mit Ansagezettel und zitternden Händen auf der Bühne stand (damals vor Aufregung bzw Schiss und nicht wegen des Suffs), schon bestimmt haben soll, wie gewisse Stücke live vorgetragen werden. Darüber hinaus wurde das Intro bei FoF auch schon zu Zeiten mit Peter weggelassen, siehe Archive 67 -75, CD3. Aber vielleicht hilft dir da auch die Diskussion mit jemand, der zumindest weiß, wie man Foxtrot schreibt.

    Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.

    • Offizieller Beitrag

    Ich meine mich zu erinnern, dass Tony das Intro von Firth of Fifth ab seinem Kauf des RMI E-Pianos weggelassen hätte, da er der Meinung war, dass das Intro gespielt auf dem RMI nicht gut klingen würde.

  • Hat sich Tony bei dem Vorspiel von FoF mal verspielt? Gibt es dafür Quellen?

    Meine Erinnerung ist nicht ganz so schlecht, wie ich selbst befürchtete.

    Zitat von Programmheft der "Calling All Stations"-Tour:

    ...SCARIEST MOMENT ON STAGE... at a Genesis Concert at The Drury Lane Theatre in London in 1972, Tony forgot the Intro to 'Firth of Fifth'


    "I stood up and shouted 'oh f**k', and my father who was in the audience and didn't know much about music thought I was taking a bow. That took some explaining."

    Ich deute "forgot the Intro" deshalb als "hat vergessen, wie es geht aka Verspieler", weil er wohl kaum aufgesprungen wäre, hätte er einfach vergessen, dass er das Intro überhaupt spielen sollte.

    al's Lebensweisheiten:

    "Man muss sich seiner Arroganz schon bewusst sein, um sie genießen zu können."

  • Für mich ist FoF DAS Genesis Stück schlechthin. Ich liebe das Intro und bedaure, dass es live nicht mehr gespielt wurde, ich finde das Solo von Steve einfach phänomenal, genauso wie das von Tony.
    Alles andere (gute) wurde hier schon geschrieben, ich würde es daher nur wiederholen. Wenn ich könnte, würde ich mehr Punkte als 15 vergeben.

    it's one o'clock and time for lunch ...:kaffee: