Ach ja, die liebe Madonna ... in den 80ern war ich sogar mal ihr Fan. Irgendwo liegen auch noch ein paar Alben von ihr rum. Sie hat damals schon einige schöne Popsongs gemacht. LIVE TO TELL finde ich immer noch großartig. Heute weiß ich, dass meine Wertschätzung eigentlich gar nicht ihr galt, sondern ihren Produzenten und Songwritern. Die waren damals eben gut - und heute sind sie es halt nicht mehr.
Angeregt durch die verlinkten Clips habe ich mir jetzt doch glatt das ganze Abu Dhabi-Konzert reingezogen. Ich konstatiere einen gewissen Unterhaltungswert, irgendwo zwischen Jackass und Daniela Katzenberger. Was kann man noch über das Konzert sagen? Im Prinzip ist es ja gar kein Konzert, sondern vielmehr eine Mischung aus Kino, Disco und megamodernem Musikantenstadl - leider größtenteils ohne Musikanten. Doch, doch, da steht auch eine Band auf der Bühne, aber die scheint mir eher Bestandteil der Kulisse zu sein, denn der große Teil der Sounds kommt hundertprozentig von der Festplatte. Aber Madonna gibt sich natürlich gerne als seriöse Künstlerin, so als wollte sie sagen: Guckt mal, da stehen richtige Musiker, also ist das auch ein richtiges Konzert!
Dieses "Konzert" ist dann mit ca. 100 Minuten gemessen an den saftigen Preisen eher kurz geraten, zumal es immer wieder längere Passagen - ich nenne sie mal "Umziehpausen" - gibt, in denen Madonna gar nicht auf der Bühne steht. Damit es auch ohne Madonna nicht öde wird, gibt es zwischendurch eine moderne Variante der Hupfdolls (Schmidteinander-Fans wissen, was gemeint ist) oder ein paar Videos von der Großbildleinwand. Manchmal gibt es sogar beides gleichzeitig, damit die Langeweile aber auch wirklich gar keine Chance hat. Immerhin hat man (noch) auf Werbeunterbrechungen verzichtet. Sie würden aber im "künstlerischen" Gesamtkonzept auch nicht stören...
Wenn Madonna dann auf der Bühne steht, macht sie Vieles, was man von ihr erwartet. Zuallererst natürlich tanzen. Nun gut, im Vergleich zu ihren Tänzern, die alle ca. 30 Jahre jünger sind, wirken die Bewegungen dann manchmal etwas "limitiert". Aber gut, zumindest ist da alles echt. Beim Gesang sieht das schon anders auch. Natürlich singt sie auch teilweise live. Leider schafft sie bei EXPRESS YOURSELF nicht mehr die hohen Töne, aber dafür gibt es ja die Background-Sänger. Die klingen stimmlich ähnlich wie Madonna - nur eben etwas besser... Und wenn sich Madonna dann etwas ausgiebiger bewegt oder mal wieder ihr Mikro ins Publikum hält, kommt die Stimme halt vom Band. Auch das stört in diesem Kontext überhaupt nicht. Es ist sogar eigentlich ehrlicher als das, was ein gewisser Steve Hackett macht.
Dafür kann der Steve besser Gitarre spielen als Madonna. Ähem, eigentlich denke ich, dass auch ich besser Gitarre spiele als Madonna (und ich spiele nicht gut).
Äh, irgendwie habe ich so meine Zweifel, ob Madonna überhaupt richtig Gitarre spielen kann. An einer Stelle im Konzert ist zu sehen, wie sie bei einem Griff den Zeige- UND den Mittelfinger über alle Saiten legt. Eine Art doppelter Barrégriff vielleicht?! Ob Madonna wohl Gitarrenunterricht gibt? Ist aber auch egal, denn obwohl sie partiell sehr rhythmisch in die Saiten greift, ist von ihrem Gitarrenspiel nichts, aber auch gar nichts zu hören.
Was passiert sonst noch? Madonna zieht sich nicht nur einige Male um, sondern auch ein bisschen aus. Allerdings deutlich weniger als erwartet bzw. von mir befürchtet. Ist das Abu Dhabi geschuldet? Andererseits lässt sie sich mehrfach befummeln. Sie spielt mit Waffen und gefällt sich in der Rolle als männermordender Vamp. Interessant ist auch, wie sie an einer Stelle das Publikum beschimpft: "Fuck ya" - und das gleich mehrfach.
Aber wahrscheinlich verstehe ich einfach diesen neumodischen Humor nicht, den man als "Bitch" heutzutage so praktiziert. Immerhin versteht sie es, Lady Gaga vorzuführen, indem sie den Text von BORN THIS WAY über die Akkorde von EXPRESS YOURSELF legt, so als wollte sie ausrufen: Seht her, diese billige Schl**** hat bei mir geklaut, dabei bin ich doch die Königin des Pop!
Zur Setlist sollte man besser schweigen, denn sie spielt unfassbar viel vom gruseligen neuen Album. Überhaupt gibt es fast null Dynamik oder Verschnaufpausen. Ständig wummst und pocht, knarzt und zischt es. Wie in der Disco eben. Die wenigen schönen alten Nummern werden entweder brachial gekürzt (PAPA DON'T PREACH nach nur einer Strophe) oder in das grausame Klangkostüm von MDNA gepresst (OPEN YOUR HEART).
Am schlimmsten aber wird es bei LIKE A VIRGIN. Ich habe dieses Stück tatsächlich nur am Text erkannt. Aber Madonna ist nicht Dylan oder Joe Jackson. Diese ehemals tolle Single ist musikalisch völlig entstellt, ja die Melodie wurde regelrecht kastriert. Sehr schade! Nur LIKE A PRAYER ist - mit den Ohren eines 80er-Fans - einigermaßen hörbar.
Bei HUNG UP fehlt das Sample von ABBA (für mich noch immer das Beste an diesem Song). Und hat sie wirklich nichts vom RAY OF LIGHT-Album gespielt? Eigentlich unglaublich... Aber man sollte es positiv sehen. Ich habe so gesehen musikalisch nichts verpasst. Statt dessen werde ich jetzt gleich noch einmal LIVE TO TELL hören - ohne viel Remmidemmi im Wohnzimmersessel.
Edit: Damit euer Herz nicht blutet...
http://www.youtube.com/watch?v=IzAO9A9GjgI
Noch mal Edit: Die Länge der youtube-clips liegt bei insgesamt ca. 100 Minuten, das Konzert scheint aber doch länger gedauert zu haben...